Gender-Kacke in Schule und Alltag

Liebe interessierte Neu-Rabeneltern,

wenn Ihr Euch für das Forum registrieren möchtet, schickt uns bitte eine Mail an kontakt@rabeneltern.org mit eurem Wunschnickname.
Auch bei Fragen erreicht ihr uns unter der obigen Mail-Adresse.

Herzliche Grüße
das Team von Rabeneltern.org
  • Hallo,


    Pippi mochte ich als Kind auch (Wir hatten ein West-Buch geschenkt bekommen), aber ich habe sie nie wirklich als "stark" und "unabhängig" empfunden. Eher als allein gelassen und notwendigerweise mit dem Leben zurecht kommend. Eher frech und "görig" (teilweise aus Mangel an entsprechendem Wissen) als witzig, eher taff aus Hilflosigkeit (weil ihr keiner erklärt hat, wie die Gesellschaft funktioniert) als als "wirklich "stark".


    Als ich älter war, hatte ich immer das Gefühl, daß sie im Grunde doch eigentlich dazugehören wollte, nur zu oft nicht wusste, wie und es manchmal nur aufgegeben hat (in der Schule z.B.).
    Wäre sie ohne ihre (angeborene) Körpekraft und ihr unglaublich vieles (geschenktes) Geld auch noch ein "starkes Mädchen" gewesen? Da bin ich nicht sicher.


    (Nicht dass es falsch ankommt - ich mag die Geschichten bis heute trotzdem sehr)


    Außerdem habe ich im Rückblick das Gefühl, daß sich bei viele "starken Mädchen" die Stärke weniger in ihnen selbst zeigte, wirklich in dem was SIE machten - sondern eher darin, daß sie in einer Gruppe, die aus nur oder zumindest hauptsächlich Jungs bestand, als "gleichrangig" oder gar Anführer akzeptiert wurden.


    Daß also ihre Stärke doch wieder nur aus dem Vergleich mit Jungen und dem, was eigentlich ihnen zugeschrieben wird bestand. Weniger "starkes KIND, zufällig Mädchen" sondern doch wieder "(fast) wie ein Junge" oder "besser als ein Junge" der Maßstab war.


    Vielleicht hat das mein Gefühl verursacht, daß Jungs die "richtigern" Kinder sind und taffe Mädchen dem wenigstens nahe kommen, denn wie gesagt, aus meiner Familie kam das mMn nicht so.

  • Ich habe die ganzen tschechischen und polnischen Kinderserien geliebt. Das waren immer Kinderbanden. Dann noch die Spuk (von draußen zum Beispiel) Geschichten. Überhaupt hatten die DEFA Sachen schon auch starke weibliche Rollen, wie ich finde. Auch sonst haben wir viel gemeinsam (unabhängig vom Geschlecht) gespielt, aber das machen meine Kinder jetzt auch.

    Wenn wir einen Menschen glücklicher und heiterer machen können, so sollten wir es in jedem Fall tun, mag er uns darum bitten oder nicht.


    - Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel -

  • Ich lese die Pippi ja zur Zeit meinen Jungs vor.
    Und mir kommen auch viele Fragen auf. Was mir zur Zeit auffällt ist, dass Pippi sehr empathisch ist. sie kann sich einfühlen darein, wie es anderen (Kindern) geht und bemüht sich darum, dass diese sich freuen können oder nicht unglücklich sind. Und zugleich empfinde ich sie als sehr anarchisch. Im positiven Sinne. Was mir auch gut gefällt ist, als sie Werbung in einem Schaufenster sieht: "Leiden Sie an Sommersprossen?" Sie geht in das Geschäft und sagt "nein". Dann geht es etwas hin und her und endet damit, dass sie sagt, dass sie ihre Sommersprossen mag und gerne ein Mittel hätte, das ihr noch mehr Sommersprossen verpasst. Heut würde sie vielleicht sagen, dass sie nicht unter ihren Pfunden leidet, sondern jedes einzelne liebt und gerne zunehmen möchte. :)
    Dass Pippi stark ist, hat für mich etwas märchenhaftes oder mythisches. Auch dass sie "weiß", dass ihr Vater nicht ertrunken ist, sondern auf einer Insel König ist und sich das dann als wahr herausstellt. Wäre spannend, wie das Eugen Drewermann tiefenpsychologisch deuten würde...

    Alle Möpse bellen, alle Möpse bellen, nur der kleine Rollmops nicht...

  • Peppersweet - Hmm, da gab ich Heidi aber anders gelesen.
    Heidi ist von Beginn an Fromm - in einem sehr volkstümlichen Sinn, so betet sie abends beim Großvater zum lieben Herrgott, der alles so fein eingerichtet hat - sie wird da nicht herangeführt, sondern steht für eine Form des, Hmm, wie soll ich es ausdrücken, sowas wie reinherziger Kinderglaube - wohingegen die Erwachsenen den Spiegel vorgehalten bekommen, in dem sie erkennen, wie wenig Fromm sie sind im Vergleich zu dem kleinen (lebensunerfahrenen und ungebildeten) Mädchen.
    In der (stickigen) Stadt unter der strengen Aufsicht von Frau Rottenmeier und ihrer Erziehung und Bildungsbemühungen wird Heidi krank - und erst wieder gesund in der liebevollen Gegenwart des Großvaters mit seinem einfachen Leben und den Bergen und den Ziegen.
    Heidi passt sich nicht an - oder wird angepasst, ihre Figur verlässt das Buch so, wie sie es betreten hat, oder? #gruebel

  • Doch - ich hatte die DDR Ausgabe von Pippi - diese hier eselsohr-buchladen.com/product…elia-ellinger--ill--.html

    Die hatte ich auch. Und spontan dachte ich gerade, klar kam Pippi in der DDR ... aber das war ja im Westfernsehen. :) Aber Identifikationsfiguren fallen mir weiter auch keine ein. Schnatterinchen und Frau Elster waren auch nicht so der Brüller :D


    Ich habe den Unterschied Junge und Mädchen in der DDR in den frühen 70ern schon sehr wahrgenommen. Wir hatten ein Mädchen in der Gruppe, die hat immer mit den Jungs Auto gespielt, das war schon sehr auffällig.


    Und wer sich von den Ex-DDRlern an das Lied "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht" erinnert, die letzte Strophe (Ich habe auch ein Puppenkind, das ist so lieb und fein, für dieses kann ich ganz allein die richtige Mutti sein) haben bei uns im Kindergarten nur die Mädchen gesungen. Danach kam die Jungenstrophe, mit Teddybär und Vati. #freu

  • Ja, aber in den DefaFilmen der 80er hab ich es auch so wahrgenommen, wie Mia - da waren Kinder einfach Kinder mit allen möglichen Eigenschaften und nicht die Jungen, die wilderen oder frecheren. Das Gefühl das Jungen die besseren Kindern sind, habe ich in meiner Kindheit nicht gehabt - wir haben auch mit Begeisterung mit Matchbox und ferngesteuerten Autos und der CarreraBahn aus dem Westen gespielt, wie mit Puppen, Puppenstube und Kaufmannsladen. Und das waren unsere Spielsachen - nicht die unserer Brüder ;) Langhaarige Jungen oder Jungen mit Rock gab es allerdings nicht - und ich denke, das wäre von den Erwachsenen auch abgelehnt worden. Da war die DDR ja ziemlich spießig. Gab es sowas eigentlich im Westen #gruebel

  • Ich war eher überrascht, dass Nesthäkchen zumindest ein Studium begonnen hat.


    Begonnen und beendet.
    Das Nesthäkchen war bereits Ärztin, als sie ihren (späteren) Mann kennen lernte. Ich weiß allerdings nicht, ob sie ihre Arbeits im Zuge der Hochzeit oder im Zuge des. 1. Kindes aufgeben hat. (Sehr spannend finde ich auch den SciFi Aspekt, in den Nesthäkchen Büchern kommt der 2. Weltkrieg nicht vor obwohl die Bücher bis ca in die 50/60er Jahre reichen, da ist das Nesthäkchen bereits Großmutter.)


    Beim Trotzkopf weiß ich noch weniger, wie das war. Die TV-Serie hörte ja mit der Hochzeit auf, daß Buch geht bis zu ihrem Tod.
    Ich glaub ich lese das Buch auch noch mal.


    Beide Bücher müssen halt in ihren historischen Kontext gelesen werden, Else Ury hat auch sehr *öhm* patriotisch geschrieben.

    "Über besorgte Bürger wusste er Bescheid. Wo auch immer se sich aufhielten: Sie sprachen immer die gleiche private Sprache in der "traditionelle Werte" und ähnliche Ausdrücke auf "jemanden lynchen" hinaus lief." Terry Pratchett: Die volle Wahrheit
    LG Bryn mit Svanhild (*01), Arfst (*02), Singefried (*09) und Isebrand (*12)

  • Peppersweet - Hmm, da gab ich Heidi aber anders gelesen.
    Heidi ist von Beginn an Fromm - in einem sehr volkstümlichen Sinn, so betet sie abends beim Großvater zum lieben Herrgott, der alles so fein eingerichtet hat - sie wird da nicht herangeführt, sondern steht für eine Form des, Hmm, wie soll ich es ausdrücken, sowas wie reinherziger Kinderglaube - wohingegen die Erwachsenen den Spiegel vorgehalten bekommen, in dem sie erkennen, wie wenig Fromm sie sind im Vergleich zu dem kleinen (lebensunerfahrenen und ungebildeten) Mädchen.
    In der (stickigen) Stadt unter der strengen Aufsicht von Frau Rottenmeier und ihrer Erziehung und Bildungsbemühungen wird Heidi krank - und erst wieder gesund in der liebevollen Gegenwart des Großvaters mit seinem einfachen Leben und den Bergen und den Ziegen.
    Heidi passt sich nicht an - oder wird angepasst, ihre Figur verlässt das Buch so, wie sie es betreten hat, oder?

    Vielleicht kann man es so auch lesen, ja.


    Es ist eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe. Ich habe irgendwie in Erinnerung, dass sie Heidi in Frankfurt in einer relativ verzweifelten Situation mit lesen lernen traktieren und ihr Beten als Wundermittel in der Not empfehlen und dass Heidi dann nach Hause kommt und ihrerseits den Peter zum Lesen anhält und ihren Großvater zum Beten.


    Ich meine, das zweite Buch heißt "Heidi kann brauchen was es gelernt hat". Käme sie genau so zurück wie sie gegangen ist, hätte sie ja nichts gelernt, noch hätte sie das Bedürfnis nun ihrerseits ihr Umfeld zu Bildung und Glauben zu bringen.


    Aber wie gesagt, es ist ziemlich lang her, das ist irgendwie der Teil, der mir hängen geblieben ist.


    Pippi habe ich dagegen immer weniger als "stark" denn als "frei" wahrgenommen. Es ist irgendwo ein interessantes Gedankenexperiment, was passiert wenn man alle die Faktoren, die Kinder oft einschränken (Körperlich eingeschränkt, Eltern, die Vorschriften machen, kein eigenes Geld) wegnimmt. Ich finde eigentlich, dass das Buch ganz gut wiedergibt, dass dann manche Sachen möglich sind (Plätzchenteig auf dem Fußboden ausrollen) und manche Sachen halt auch schwieriger sind, wenn es keine Mama gibt, die einen ins Bett bringt, z.B.

  • Bryn - Else Ury wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Der letzte Band der Nesthäkchen Reihe erschien 1925 (Nesthäkchen mit weißem Haar) - da wusste Ury nichts vom WK - das wäre nur mathematisch korrekt, dass Nesthäkchen in den 60er spielt ;) Ury ist so patriotisch, wie es damals vermutlich nicht unüblich war und jedenfalls noch nicht von den nazis überschattet wurde.

  • Das weiß ich doch alles ;)

    "Über besorgte Bürger wusste er Bescheid. Wo auch immer se sich aufhielten: Sie sprachen immer die gleiche private Sprache in der "traditionelle Werte" und ähnliche Ausdrücke auf "jemanden lynchen" hinaus lief." Terry Pratchett: Die volle Wahrheit
    LG Bryn mit Svanhild (*01), Arfst (*02), Singefried (*09) und Isebrand (*12)

  • peppersweet - stimmt, sie schleppt den Großvater in die Kirche (wobei es da vor allem darum geht, dass sich dieser wieder im Dorf integriert und sein Herz wieder für die Menschen öffnet ) - und Heidi geht dann auch zur Schule um endlich Lesen zu lernen (was ja auch erstmal nicht schlecht ist) - vielleicht ist das bei mir aber auch stark von der Kinderserie geprägt - in der Heidi sich jedenfalls nicht groß verändert - die Serie fand ich als Kind ziemlich toll - weil ich sie nur bei meiner Oma sehen konnte, die wohnte grenznah und hatte ZDF! 8o Das machte die Serie gleich doppelt attraktiv ^^

  • Es gibt doch "Nesthäkchen und der Weltkrieg" (der erste Weltkrieg) - Else Ury war zwar Jüdin, aber gleichzeitig auch sehr patriotisch, wie es wohl viele Jüd*innen damals waren. (Das hab ich zumindest in der Ausstellung unterm Holocaust-Mahnmal in Berlin gelesen). Mir fällt gerade noch die Else-Ury-Biographie "Nesthäkchen kommt ins KZ" ein. Hatte ich mal aus der Bib ausgeliehen und dunkel in Erinnerung, dass die lesenswert war.

    "Warum haben Sie das getan?" frage ich.

    "Um die neue Welt schneller anfangen zu lassen, denn die alte muss geschubst werden, damit sie schneller umfällt..."

  • Ich denke, dass ,sehr patriotische' erklärt sich nicht aus ihrem jüdischen Glauben, sondern aus ihrer sozialen Herkunft. Else Ury war Angehörige des deutschen Bürgertums - da war Patriotismus quasi Pflicht, jedenfalls die übergroße Regel - bei nur sehr wenigen Ausnahmen. (Dies erklärt auch, warum sie anfänglich 1933 Hitler gar nicht so schlecht fand.)

  • Wo ihr so die ganzen weiblichen Hauptpersonen aufzählt, ist mir aufgefallen, dass es die "Mädchen muss sich zwischen zwei Jungs entscheiden, die sie beide lieben"-Geschichte nur mit weiblichen Hauptpersonen gibt (Twilight, Tribute von Panem). Könntet ihr euch vorstellen, dass z. B. Harry Potter zwischen Ginny und Cho hin und her gerissen ist?

  • Ich hatte viele weibliche Helden als Kind, ich müsste die Bücher wohl nochmal lesen, um zu sehen, ob es Genderkacke war. Damals waren es starke Identifikationsfiguren: Nesthäkchen, Pucki, Trotzkopf, Hanni und Nanni, Jette und Nette, Bibi Blocksberg, Putzi, Momo, Annika von Pippi Langstrumpf (mochte ich lieber als Pippi), Madita, Wendy (aus Peter Pan), Laura Ingalls aus der Serie unsere kleine Farm... Später dann MZB und die April Reihe und die Figuren von Francoise Sagan.


    Bibi war toll, ich bin sehr traurig, was in den Bibi und Tina Filmen aus ihr geworden ist. Die Bibi meiner Kindheit war stark und selbstbewusst.

  • In meinen Kinderbüchern kamen viele Heldinnen vor (Alanna, von Tamora Pierce zum Beispiel). oder Billie und Zottel... oder das blaue Schwert von Robin McKinley.


    Und auch bei den Büchern ein, zwei Generationen älter. Margot Benary-Isbert, zum Beispiel. Oder Edith Nesbit. Das waren gemischte Freundschaftsgruppen, bei denen die Mädchen (zumindest in meiner Erinnerung) nicht zurückstanden.


    Aber viel war auch fürchterlich gegendert und es ist mir nicht aufgefallen. Dolly habe ich echt gern gelesen und heute stehen mir die Haare zu Berge. (Nicht Gender, sondern eher soziale Klassen, aber das ist mir bei Dorothy Sayers gerade auch extrem aufgefallen. Da kam im Radio eine Vertonung und ich habe mich so fremdgeschämt, wie der Lord den normalen (beschränkten) Polizisten belehrt...