Mit 20 hatte ich auch noch so eine alles-ist-möglich-Einstellung, wie sie wahrscheinlich typisch für das Alter ist. Mit der Zeit sieht man dann, wie sich manche Türen schließen und merkt, dass ein Teil davon aufgrund von Sexismus passiert.
Ich bin 1969 geboren, als ich Anfang 20 war war ich sicher, dass die Gleichheit von Mann und Frau schon irgendwie vollzogen ist und alle "Hausfrauen" (mir fällt jetzt kein anderes Wort ein, also bitte nicht dran hochziehen), ihre Entscheidung schon "früher" gettroffen hatten, als die Emanzipation noch nicht so viel erreicht hatte. Heute finde ich diese Haltung viel zu oberflächlich und reichlich zu kurz gedacht.
Anfang meiner 30er (also so kurz nach dem Jahrtausendwechsel) fing ich an zu spüren, dass gerade im Beruflichen die Geichberechtigung noch lange nicht erreicht ist, hatte aber nicht die Chuzpe (und auch nicht die Fähigkeit), das anzuprangern, ohne als verkniffene, verbitterte und "ordentlich mal durchzuvögelnde" Emanze rüberzukommen.
Mitte/Ende meiner 30er war ich einerseits in meiner Mutterblase aufgegangen und andererseits knallte mir dann ganz heftig die Realität ins Gesicht, wie unterschiedlich im Beruf mit Frauen und Männern, die kleinere Kinder haben, umgegangen wird. In meinem größeren und familienorientiertem und vor allem als Top-100-Arbeitgeber ausgezeichneten Unternehmen gab es Situationen, in denen ich einfach nur hätte schreien mögen, "das kann doch nicht wirklich wahr sein ?!"
Erst jetzt, in meinen 40ern, mit älteren Kindern, mit Löwenmutter- und Leitwolferfahrung, habe ich wirklich den Arsch in der Hose für mich und meine Interesse einzustehen, beruflich wie auch privat. Ich bin zielorientiert, scheue Konflikte nicht mehr und werde... tadaaaa.... voll respektiert im Job.
Um an den Punkt zu kommen, an dem Männern in ihren 20ern sind, habe ich weitere 20 Jahre gebraucht. Erst mit Mitte/Ende 40 stehe ich da, wo viele Männer bereits 15-20 Jahre früher stehen. Das, was sie an Erfahrung mir voraus haben, kann ich nie wieder aufholen.
Ich bin trotz des Aufwachsens in einem progressiven Männerhaushalt (ohne Mutter in vielen prägenden Jahren) so sozialisiert worden, dass ich mich anzupassen hatte, dass meine Renitenz negativ besetzt ist (von Lehrern und Lehrerinnen, Großmutter und Stiefmutter und auch irgendwie vom Vater in gewissen Situationen) und dass ich vieles eh nicht kann.
Wie mag es da erst jungen Frauen gehen, die jetzt mit GNT, DSDS, Bachelor, gegenderter Kleidung und gegendertem Spielzeug aufachsen?!
Ja, es wurde viel an Gleichberechtigung erreicht in den letzten 40-50 Jahren. Ich bin dankbar dafür und profitiere sehr stark davon in meinem Alltag.
Zugleich ist für mich neben neuem Elterngeld, Kita-Platz-Rechtsanspruch und dem Trend "viele Mütter arbeiten nach einem Jahr wieder" eine Rolle rückwärts gesellschaftlich wahrnehmbar, die vieles von dem zunichte macht, was jahrzehntelang mühsam erkämpft wurde. Das ist umso bitterer, weil es auch ohne diese Rolle rückwärts noch so viel zu tun gäbe, auch gerade bei den Jungs/Männern, die Care-Arbeit, rosa, Glitzer etc. mögen. Der vielfältig spürebare gesellschaftliche Konsens, dass Rosa und Weinen und Tanzen und Pflege "schwul" machten und "unmännlich" seien, behindert so viele Jungs und Männer in ihrer indviduellen Entfaltung. Denn dabei schwingt immer mit, dass sowas ja "uncool" und "mädchenhaft" und "Frauensache" und "ein Loserjob, weil schlechter Vedienst" ist - alles negative Attribute für das, was gemeinhin als "für das weibliche Geschlecht zugedacht" ist. Da werden vordergründig Jungs und Männer diskriminiert, aber subtil eben auch ganz stark Mädchen und Frauen.
Es gibt da noch so unendich viel zu tun... Sprache beeinflusst den Geist, das Denken, die eigene Haltung sowie die der Mitwelt. Doch wie schafft man den Spagat zwischen diesen wichtigen Details und dem Bewusstsein, dass das Hinweisen darauf keiner "verbitterten und untervögelten Kampfemanze" entspringt?
Ich finde, dass Mayim Bialik da schon ein gutes Rolemodel abgibt
Dann mal wieder ans Weitermachen mit dem Ausräumen der Ammenmärchen *mir die Ärmel hochkremple*...
LG,
Anne