"Du bist doch schon groß."

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  • Hallo zusammen,


    typisches Zweitkind-Erwartungs-"Problem". Erstkind wird ja dann Großkind sein. Aber auch aus anderem Grund möchte ich sehr gerne mal über die Betonung der Reife/des Alters/der Fähigkeiten eines Kindes dem Kind gegenüber sprechen.


    Ich hab meine Bauchschmerzen mit der Formulierung im Threadtitel. Mein Kind fängt zunehmend an, zu behaupten, er sei ein großer Junge, oder eben schon groß. Dabei ist er noch keine drei Jahre alt... Grundsätzlich darf er von und über sich sagen, was er will. Darum geht es nicht. Aber ich bekomme mit, wie er das im Kiga gesagt bekommt "Na, Großer?" oder auch von anderen Leuten "Na, Du bist ja schon groß" fast zwingend mit dem Folgsel "...da macht man sowas aber nicht (mehr)".


    In mir sträubt sich da etwas, da ein Kind nunmal ein Kind ist. Das darf per se Fehler machen und Lernen und auch mal aus der Reihe gehen. Klar, nicht unbegrenzt, aber ein U3 ist doch noch nicht "groß" und muss doch keine Erwartungen erfüllen, oder?


    Wie denkt Ihr darüber? Wie haltet Ihr es bei Euren Geschwisterkindern - also in der Kommunikation und allgemein im Umgang.


    Ich würde nie erwarten, dass Erstkind automatisch zurücksteckt, nur, weil da jetzt ein Baby ist. Ich sehe mich als Eltern in der Pflicht, das zu gestalten und ihm zu helfen, in diese Situation reinzufinden. Er darf doch traurig und verunsichert und auch wieder Baby sein, wenn es denn so kommen sollte. Für mich fühlt es sich falsch an, dieses "schon groß sein".


    Nachdenkliche Grüße

  • Oh ich versteh dich gut! Meine ältere Tochter hat das auch von vielen Seiten zu hören bekommen, als ihre kleine Schwester auf die Welt kam und da war sie gerade mal 2Jahre und 4 Monate alt... Also wenn sie das über sich selbst sagt, weil sie zum Beispiel etwas alleine machen will, find ich das toll! Aber wenn die Oma mit Sätzen wie "Die A. ist ja schon groß, die braucht keinen Schnuller mehr/ kann jetzt mal warten/ braucht keine Windel mehr..." etc. kam, bekam ich die Krise.


    Mittlerweile benutz ich den Satz allerdings auch manchmal, ich finds aber trotzdem nicht gut... Also der kommt dann in Situationen, wo die Kleine irgendeinen Blödsinn macht, weil sie nicht weiß, dass sie es nicht darf und die Große es ihr nachmacht. Oder wenn die Kleine im Buggy sitzt, die Große aber selber gehen muss (sie ist mittlerweile 4). Ich denk das kann man aber auch anders kommunizieren. aber manchmal rutscht mir dann doch ein "Du bist doch schon groß" raus..

    mit der Großen (06/2012), der Mittleren (10/2014) und der Kleinen (09/2018) #herz

  • Hallo,


    ich denke, dass "großen" Geschwistern das "Großsein" tatsächlich wichtig ist als Identitätsstiftung, wenn da ein neues Menschlein zur Familie kommt.
    Was genau Großsein bedeutet, dürft ihr ja gemeinsam entwerfen.
    Ist Großsein eine Einbahnstraße oder sind auch Große mal ganz unvernünftig, frustriert und dagegen oder hilflos? Ist Großsein eine Verpflichtung zur problemlosen Funktionalität oder schlicht ein Entwicklungsstand mit mehr Möglichkeitsspielräumen?


    Wenn meine "Große", die ab der Geburt der Kleinen von sich aus sehr stolz dieses Konzept für sich beansprucht hat, unter dem Großsein mal gelitten hat, weil tatsächlich vielleicht vom Umfeld so ein Spruch a la " du bist schon groß, also musst du ja... / kannst du schließlich...", dann hab ich ihr vermittelt, dass wir Eltern auch groß sind, aber trotzdem manchmal was nicht wollen/können, dagegen sind, etc. und dass es auch Recht der Großen ist, zurückzurudern und sich auf ihre "kleinen" Wünsche und Bedürfnisse zu besinnen.


    Übrigens hat auch "die Kleine" ab etwa drei vehement vertreten, dass sie groß sei.

    They made you think that what you need is what they're selling, made you think that buying is rebelling
    (Zack de la Rocha)

  • Hier auch so, wobei ich denke dass meiner noch nicht begriffen hat was mit der Floskel gemeint ist. Und als mehr sehe ich es auch nicht an. Wir Eltern erziehen das Kind und natürlich gibt es Dinge für die er schon groß genug ist um zu verstehen, dass er das nicht darf. Spätestens wenn Nachwuchs 2 dann da ist wird es solche Situationen bestimmt öfter geben. Das fängt schon damit an, dass Nachwuchs 2 rumgetragen wird und er nicht (so viel). Dann mit der körperlichen Größe zu argumentieren finde ich nicht verkehrt.
    Wie gesagt, was andere sagen interessiert mich erst wenn ich das Gefühl habe, dass Söhnchen denen erstens zuhört und zweitens es ihn stört/beschäftigt.

    "Natürlich kann ich das. Ich hab's nur noch nie versucht."
    Oma Wetterwachs - Terry Pratchett


    Und jetzt schreibt sie auch noch...

  • Ich nutze diesen Fakt des Großseins oder Größer seins auch, um Tatsachen zu erklären. Also wenn mich der Große fragt, warum der kleine Bruder im Buggy sitzen darf, er aber nicht, dann erkläre ich ihm, dass man irgendwnn einfach zu groß für den Buggy ist. Auch angenehme Sachen werden bei uns mit groß oder klein in Verbindung gebracht, wenn sie Tatsachen entsprechen. (Der kleine Bruder bekommt noch kein eigenes Eis, weil er es noch nicht schafft, weil er noch zu klein ist. Oder muss früher ins Bett. Oder darf noch nicht ohne an der Hand gehalten zu werden über die STraße gehen.) Insofern ist es bei uns ganz normal und ohne Wertung im Alltag integriert. Und mir ist das auch wichtig. Meine Kinder sind nicht gleich. Der eine ist nunmal größer und älter als der andere, demtentsprechend werden sie auch nicht gleich behandelt.


    Was anderes ist für mich aber der von dir genannte Satz. "Du bist doch schon große, dehalb darfst du xxx nicht." finde ich ganz schlimm und da kann ich deine Bedenken verstehen. Das würde ich mir auch von anderen verbitten und finde den Ansatz von @lekajaprima, es so zu erklären, dass auch die großen ELtern manchmal aus ihrer großen Rolle fallen.

  • Wir haben diese Floskel nicht mit Pflichten, sondern mit Können und Privilegien gekoppelt: "Du bist schon groß und darfst richtiges Essen essen! Was soll denn auf Dein Brot drauf?" "Du kannst ja schon selbst auf der Rutsche rutschen: bist Du groß geworden!" Genau diese Freude teilen wir auch mit dem zweiten Kind: wenn es etwas Neues kann, freuen wir uns über die erreichte Größe.

  • Was genau Großsein bedeutet, dürft ihr ja gemeinsam entwerfen.

    Den Ansatz finde ich sehr schön.


    Ich spreche mein Tochterkind auch hin und wieder mit "Große" an. Sie darf sich durchaus ihren weiterentwickelten Fähigkeiten gegenüber dem Bruder bewusst werden und ich nutze es auch hier und da um liebevoll zu schubsen oder auch gewisse Dinge zu erwarten (die sie durchaus kann).
    Doof finde ich, wenn man mit diesen Worten Verhaltensweisen negativ besetzt oder die Fähigkeiten des Kindes außer acht lässt (nur weil X % der Kinder im gleichen alter Y können, muss Dein Kind noch lange nicht soweit sein).

    Yeza


    My life falling apart

    Over and Done!

  • Ich habe nur ein Kind, gerade neun Jahre alt geworden, und meine Tochter möchte am liebsten für immer ein Kleinkind bleiben und wirkt auch deutlich jünger als sie tatsächlich ist. Ich sage diesen Satz auch ziemlich häufig und meine ihn als Aufmunterung innerlich zu wachsen. Natürlich verlange ich im Allgemeinen nicht mehr von ihr als ihr zu geben möglich ist, aber ich formuliere schon meine Erwartungen an sie, die altersgemäß sind. Meine Tochter braucht offenbar immer wieder diesen "Schubs" nach vorne, um zu reifen. Sie war auch schon als unter dreijährige so.


    Mit dieser Erfahrung im Hintergrund finde ich es also völlig ok, ein unter dreijähriges Kind als Grosser anzusprechen und altersgemässe Erwartungen zu haben und zu formulieren. Und so manches Kind findet es ja auch toll, als gross angesehen zu werden.
    Dass die Erwartungen immer dem Alter entsprechen, halte ich übrigens für den Idealfall. Das Leben läuft oft genug anders und wenn zum Beispiel ein Elternteil schwer erkrankt und der gesunde Elternteil alle seine Energien darauf verwenden muss, den Alltag zu bewältigen, dann wird von einem Kind eine Zeitlang mehr erwartet. Das lässt ein Kind aber auch reifen, wenn es dabei gut begleitet wird.

    Merksatz für heute: Ich will nicht so hart zu mir sein und mich mit Wohlwollen anschauen.

  • Hallo,


    ich finde es normal, daß sie groß sein wollen und das auch sagen. "Bin son droß" ist oft einer der ersten Sätze, die man von Kindern hört.


    Mit "groß sein" sind doch so viele positive Sachen verbunden. man kommt an alles ran, darf viel mehr, kann "alles" usw.
    Rein körperlich (Was war ich stolz, als ich an unserer Teppichstange endlich eine bestimmte Übung machen konnte, weil ich rein körperlich dazu groß genug war...) , aber auch sonst.


    Diesen Stolz aufs "groß sein" würde ich persönlich ohne Bedenken unterstützen. "Na mein Großer" oder"Tschüß mein Großer" waren in der Familie manchmal durchaus üblich (auch für den 4.) und auch auf Arbeit sage ich das manchmal zu den Kindern. Das ist aus meiner Sicht etwas anderes als "Du musst/darfst nicht XY tun, weil du groß bist!".


    Und manchmal müssen sie damit leben, daß bestimmte Priviliegien nur für "Kleine" sind.Ein Baby konnte ich im Tuch fast ganztags auf mir tragen - bei einem 5 oder 6 jährigen kam ich da schon bald an meine Körpergrenzen. Das ist halt so, eine Realität, die ich nicht ändern kann. Ich gebe, was möglich ist, mehr geht eben nicht.


    Etwas anderes sind natürlich Forderungen. Wenn ein Kind etwas können/tun/lassen soll, nur weil es eine bestimmte "Größe" bzw. ein bestimmtes Alter erreicht hat. ODER Sachen noch nicht tun soll/darf weil es den Menschen drumrum zu klein/jung scheint.


    Da muss man natürlich aufs Kind schauen. Es kann XY tun, weil es das KANN (und auch die Grundstimmung gerade OK ist,so daß ich das erwarten kann), aber es kann sein, daß es morgen dafür zu müde, zu traurig, zu fröhlich-aufgeregt... ist und es darum nicht kann. Ohne daß es "kleiner" geworden ist.


    Oft werden sie auch noch mal unselbständiger und klammeriger, wenn ein neuer Schritt in die Selsbtändigkeit ansteht - je mehr man das zulassen kann, desto mehr Sicherheit kann das Kind tanken.
    Gleichzeitig tut es einem Kind aber natürlich auch gut, wenn man ihm Dinge zutraut, die es kann, es auch mal ermutigt, es doch zu versuchen...


    Was wann dran ist, wird immer eine Gratwanderung sein. Ich finde da die Kloetersbriefe eine gute Hilfe...

  • Ich kann dein Unbehagen und deine Bedenken gut verstehen. Derartige Aussagen z.b. "Du bist doch bald großer Bruder/Schwester, dann kannst du aber keine Windel mehr haben, die braucht dann das Baby." kenn ich von Eltern aus der Krippe, wo ich arbeitete. Ich fand es meist unpassend. Oft spürte ich, dass die Kinder, die ja alle U3 sind, sehr unter Druck gerieten, wenn sie dann nicht den Erwartungen entsprachen, die an sie gestellt wurden.
    Wenn es aber aus der Kita kommt, kannst du nur versuchen, es aufzufangen, wenn du merkst, dass es deinen Sohn beschäftigt. Meist bekommst du es ja leider nicht mit, was die Erzieherinnen den Kindern sagen, wenn sie "einpullern", den Schnuller wollen o. ä..


    Zu Hause hab ich ja eine "kleine" Tochter, die jetzt vier wird und bald große Schwester ist. Sie hat es für sich als positiv besetzt, bald die "Große" zu sein. Von uns kommt sowas selten. Meist spricht sie selbst von sich, dass sie ja schon so groß ist und Fahrradfahren kann und in ihrem Bett schläft wie ihr großer Bruder auch. Und überhaupt ist sie ja schon so groß, dass sie so gut wie alles allein machen kann. Sagt sie. #love


    Nur mein Mann meinte gestern zu ihr, dass sie ja bald große Schwester ist und es nun langsam mal Zeit wär, rechtzeitig aufs Klo zu gehen und nicht erst, wenn die Hose schon nass ist. (Was ihr mehrfach täglich passiert.) Naja, ich wollt ihm da auch nicht reinplatzen. Zumal ich denke, dass er schon recht hat, denn sie kann ja aufs Klo gehen, aber es sollte nicht mit dem "Große-Schwester-Ding" verknüpft werden.

    "Die Natur schafft immer von dem, was möglich ist, das Beste."

    Aristoteles

  • Mein Sohn ist unter den Tageskindern ja auch schon "groß". Und ich benenn das auch so. Er merkts ja auch selber.
    Ich achte aber darauf, dass es mehr gute Dinge am Großsein gibt als doofe. Er ist groß, deshalb muss er keinen Mittagsschlaf mehr machen, darf am Kinderwagen laufen (während die kleinen drin sitzen müssen), darf ne halbe Kugel Eis mehr haben, ... . Aber natürlich erwarte ich auch von ihm einige Dinge, eben weil er groß ist (dass er z.B. redet statt zu schubsen im Streit).

    So take courage, hold on, be strong, remember where your help comes from.

  • Wir haben das "groß sein" gerade nach der Geburt der kleinen Schwester bewusst nur mit positiven Sachen belegt. Was sie also schon alles machen kann, essen darf etc., was die Kleine noch nicht kann und darf. Das fand sie dann sehr gut.


    In ihrem Baby-Buch gab es auch das Beispiel, dass das große Kind ja schon Croissants essen kann (was sie sehr gerne tut), aber das Baby natürlich noch nicht.


    Ansonsten sage ich in der Regel, dass sie ja schon xy Jahre alt ist. Nicht, dass sie schon groß ist. Gerade, wenn sie selbst so gerne betont, dass sie ja schon fast 4 Jahre alt ist. Dann sage ich auch mal: Mit 3 3/4 kann man doch schon seine Socken selbst anziehen. Ich verlange damit also nie Unmögliches, versuche sie aber damit etwas zu motivieren. Wenn sie aber betont, dass sie gerade müde oder ein kleines Baby ist, dann helfe ich ihr natürlich auch. Das gestehe ich ihr zu. Gerade jetzt, wo ich wieder schwanger bin.


    Wenn allerdings die Großeltern so etwas sagen, auch gerne schon zu ganz kleinen im Bezug aufs Stillen oder auf extreme Mama-Anhänglichkeit, dann bin ich da nicht immer sehr entspannt.