'Indio' Tücher

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  • Kommt diese Kritik und Initiative denn wirklich von der unterdrückten Gruppe?

    Meine Freundin, die dieses Bild gepostet hat, ist Latina. Wer es erstellt hat, weiß ich nicht. 'Decolonize Babywearing' trägt den Untertitel 'Voices and Thoughts of POC in the Babywearing community.', stammt also allem Anschein nach nicht von EuropäerInnen. :)


    Edit: POC = Persons of Color

  • Ich sehe aber einen Unterschied zu Unterdrückung und kultureller Vermischung.


    Erika Hoffmann war nachweislich nicht in Mexiko, sie hat wahrscheinlich drn großen backround nicht gekannt. Den kleinen, ja. Aber 1972 war eine Vermarktung von Tüchern aus Mexico hier her sicher eher undenkbar.


    Ich sehe also kein Ausnutzen einer Unterdrückten gruppierung.


    Verstehst du?

  • ...und ich vermute meine Freundin hätte garnix dagegen, wenn ich mit Rebozo trüge. Sie würde mir das sicher auch gerne zeigen und mich beraten, wo ich einen her bekomme. Es würde sie freuen, dass ich mich dafür interessiere. Was sie stören würde: wenn ich mich anschließend zur Rebozoexpertin aufschwinge, die Dinger kopiere und dann mit ordentlich Aufschlag verkaufe. Weil ich als Europäerin sie 'entdeckt' hab und jetzt mal allen erkläre, wie das wiiiiirklich funktioniert mit dem Rebozo ;) Wenn dann anschließend alle Europäerinnen mit ihren tollen neuen 150-Dollar-Rebozokopien hier rumliefen und auf sie herabschauen bzw (alternativ) sie wie ein exotisches Tier begaffen, weil es ja soooo toll ist mit so einem riiiichtigen 'authentischen' Rebozo zu tragen etc pp...


    (So kommt das manchmal echt rüber wenn man in Foren zu 'traditional ' babywearing liest...)

    #top



    @Iverna : Wenn wir noch in den 70er waeren, haetten wir diese Diskussion auch nicht. Damals gab es dieses Bewusstsein nicht. Es gab auch Zeiten, in denen Menschen es vollkommen normal und richtig fanden, dass man Ureinwohner eines Landes mit billigem Schrott ihre Rechte und ihr Land abkaufen kann. Aber diese Zeiten sind vorbei (bzw eigentlich nicht, aber zum Glueck gibt es endlich bei einigen ein ethisches Bewusstsein dazu) und das nicht erst seit ein paar Jahren. Und gerade die Reaktion .. das Bedauern, dass das Wort einen negativen Klang bekommen haette und man nun das geliebte Tuch umbenennen muesse .. das finde ich schon recht krass. Da gibt es nichts zu bedauern, sondern es ist eine Entschuldigung ohne jede Erklaerung oder Ausrede faellig. Und das auf eine neue Entwicklung zu schieben ist sehr fragwuerdig.


    Der Ursprungsgedanke war sicherlich eine tolle Idee nach D zu bringen. Das ist aber schon sehr sehr lange nicht mehr das Konzept der Firma Didymos und ein Tuch funktioniert ganz genauso gut, wenn es kulturell unverfaenglichere Muster hat. Meiner Meinung waere die richtige Reaktion, die Produktion dieses Musters unverzueglich einzustellen und/oder saemtliche Gewinne aus dem Verkauf des Tuches komplett Organisationen, die benachteiligten Menschen dieses Kulturkreises helfen zu spenden und bestenfalls die Produktion auch dorthin zu verlegen und dortige Menschen fair zu bezahlen/anzustellen.


    Natuerlich gehoert ein Muster niemandem .. aber wie man damit umgeht, sagt sehr viel aus.

  • Hm. Für mich bleibt da etwas unklar, kriege aber auch nicht zu packen was es ist...
    Ich habe in Lateinamerika erlebt, dass Weiße gar nicht tragen. Ich war in verschiedenen Ländern und überall wurde von der indigenen Bevölkerung getragen. Auch andere POC Gruppen habe ich nicht tragen gesehen. Allerdings ist das auch eine Weile her und in Mexiko war ich zB nicht.
    Als ich mir in Bolivien selber so ein Tuch gekauft habe und Frauen gebeten habe, mir das Binden zu zeigen, wurde ich etwas schief angeschaut, aber durchaus freundlich. Sie haben es mir gezeigt und wollten sehr genau wissen, warum ich das Lernen will. Sie fragten: Hast du denn auch so holprige Straßen bei dir? Arbeitest du auf dem Feld? Dass ich es einfach praktisch fand und schön fürs Kind fanden sie eher lustig.
    Ich habe meine Kinder dann immer mal in dem Tuch getragen und mich über die tolle Begegnung auf dem Markt in La Paz gefreut.
    Tragen ist bei uns doch völlig anders gewichtet als bei vielen indigenen Völkern. Der Ursprung ist ein ganz anderer.
    Geht es da dann tatsächlich um das Muster oder den Namen?
    Oder geht es evtl vielmehr um die allgemeine Verklärung und Exotisierung von Indigenen? An der Stelle sehe ich Kritik absolut angebracht und wichtig.
    Als Weiße das Tragen ua durch POC zu verklären anstatt über globale Machverhältnisse und Diskriminierung nachzudenken, ist sicher ein großes und strukturelles Problem, das in vielen Köpfen noch kein Bewusstsein gefunden hat.

    • Offizieller Beitrag

    ich glaube 'die andere Seite' empfindet es vielleicht so, dass sie seit Jahrhunderten (!) zuhören,

    wenn es nur zuhören wäre. die wurden abgeschlachtet, ihre würdenträger, denker, priester, ihre heiler, ihre frauen und kinder wurden abgeschlachtet. ihre heiligtümer geplündert, die verbliebenen menschen versklavt und enteignet.


    ich bin mir noch immer nicht sicher, ob ich speziell dieses muster verwerflich finden soll, wenn hier webkundige menschen meinen, dass es ein muster ist, welches in vielen kulturen verbreitet ist, weil es sich aufgrund von webtechnik sehr leicht ergibt.


    aber ein vergleich mit kitschdirndel tragenden amis oder mixicanos zu ziehen, finde ich mehr als unangebracht. das sind doch ganz andere dimensionen und nicht vergleichbar.

  • Vergleichbar schon, licht. Nur ergibt der Vergleich für mich als Europäerin: für mich ist es eine Mini kleine, vernachlässigbare Unhöflichkeit, wenn jemand meine Kultur appropriiert. Für andere, kolonisierte, Gruppen ist es, aufgrund der von dir genannten historischen Dimension,ein Schlag ins Gesicht. Ich wollte das keinesfalls minimieren, sondern Europäerinnen hier einen Ansatzpunkt geben, anderes Erleben aufgrund anderer Herkunft mal ansatzweise nachvollziehen zu können. Meiner Erfahrung nach klappt das Sensibilisieren für solche Themen besser, wenn man ein bisschen cool bleibt, und nicht gleich ausholt à la 'aaaahhhh wer hier noch Ethnomuster trägt ist ein imperialistisches rassistisches Völkermordendes Arschloch' :)


    @belleamie, genau das würde ich von Didymos auch erwarten. Ich hoffe sie sehen das irgendwann ein. Sonst sind sie nämlich für mich (auch mit anderen Mustern) nicht mehr tragbar.

  • (und ein weiteres Muster, das übrigens auch in meinem Tücherschrank liegt, finde ich auch problematisch. Didymos Orient. Ähnliche Problematik, bis hin zum Namen...)

  • @licht ich hatte den Vergleich gebracht, dass es eben auch hier, ganz ohne Unterdrückung und Co Leute zumindest irritiert, wenn sie das Gefühl haben, ihre Kultur wird nicht richtig verstanden oder sich sogar lustig machen.
    Das sollte eigentlich eher Verständnis wecken, weil es mir hier zt so vorkam als würde es lächerlich gemacht (a la eine Japanerin mit hessischem trachtenschal stört doch auch keinen).
    Da wollte ich aufzeigen, dass es durchaus auch hier zu Irritationen führen kann

    We must accept finite disappointment, but never lose infinite hope.

    Martin Luther King, Jr.

    ———-

    ebura mit S (*04), E (*05) und I (*12/21)

  • @belleamie du meinst, weil von Erika Hoffmann zu Didymos eine Entwicklung zu einem Unternehmen genommen hat, muss ma das anders sehen?


    Unternehmen - Gewinnbringendes denken ect. - dann hätte man über die Herkunft ect. des Tuches auch nachdenken müssen?


    Okay, das verstehe ich schon.


    Auch deine Ausführungen.
    Ich frage mich gerade, ob ein Tuch, egal ob es anders heißt oder nicht, mit entsprechender Geschichte besser aufgenommen wird? Wenn man sich also offen hinstellt und sagt: Dieses Tuch ist von der indigenen Bevölkerung in Y und X inspiriert. Vor 50 Jahren haben wir dieses und andere Tücher (und Trageweisen) nach Deutschland gebracht.


    Ich meine, ist das schlimm? Muss man sich dafür entschuldigen?


    Schließlich hat, und das ist mir der Knackpunkt, die Firma niemals (oder doch?) diese ausbeuterische Handlung, die im gleichen Atemnzug immer genannt wird, vorgenommen. Ihre Ideen entstammen keinem Kolonialisierungsideen/gedanken/handlungen. Sie sind nicht von Einwanderern entstanden, sondern durch ein Geschenk. Mehr nicht.


    Ich frage mich ernsthaft, wo das spezielle Problem ist.



    Das erinnert mich an die Gedanken: WO kommt das erste Papier her, wer spielte zuerst Schach und wer darf behaupten, die Nudel erfunden zu haben.
    Ehrlich? Das sind totale albernheiten - im Kontext dieser Situation.


    Allgemein, dass man fordert einen Bezug herzustellen oder oder... ja klar. Aber hier geht es doch nicht um VW oder ect. ect. die in früheren Zeiten Profit aus der Unterdrückung gewisser Minderheiten zogen. Da verstehe ich die Kritik.

  • Ich finde es eher erstaunlich, dass das so spät bei der Firma Didymos ankommt. "Indio" galt schon vor 30 Jahren als rassistisch und abwertend, als ich meine ersten Kontakte mit Lateinamerikanern hatte. Wie lange das schon so negativ belegt ist, weiß ich jetzt nicht, aber wie gesagt, Mitte der 80er war das dort (Chile) allen halbwegs aufgeklärten Menschen klar und das Wort war verpönt.

  • (und ein weiteres Muster, das übrigens auch in meinem Tücherschrank liegt, finde ich auch problematisch. Didymos Orient. Ähnliche Problematik, bis hin zum Namen...)

    8I


    Aber nicht ernsthaft?!?!?!!


    Warum?


    Weil sich nun die drei anderen Himmelsrichtungen benachteiligt fühlen? #hammer


    Ich teile einiges was Du schreibst, anderes wiederum überhaupt nicht (von wegen Dirndl-tragende Amerikaner seien deswegen unhöflich), aber nun hab ich Probleme den gesamten Thread noch ernst zu nehmen.


    Dabei ist ein guter Zeitpunkt für so einen Thread. Ich sag nur Oettinger... <X

  • Dass die Leute aufs Tragetuch anders reagieren als hier, liegt am anderen kulturellen Hintergrund. In Bolivien ist ein Kinderwagen eher ein Statussymbol, er steht für Wohlstand, Fortschritt, finanzielle Unabhängigkeit. Ein Tragetuch verbindet man dagegen mit Armut, bäuerlichem Leben, Tradition, Normalität. Mainstream, gewissermaßen. Hier ist es genau umgekehrt. Kein Wunder, dass deine bolivianischen Bekannten sich über die deutsche Tragetuch-Mode wundern. Das ist so ähnlich wie eine bolivianische Strickmütze - in Bolivien trägt das die Landbevölkerung, in New York die Schickeria ... (edit: na gut, jetzt wahrscheinlich längst nicht mehr, was weiß ich denn, was in NY gerade der heiße Scheiß ist ;) )

  • Noch was: Dass man das N-Wort nicht mehr benutzt, ist meinem Eindruck nach inzwischen so gut wie überall angekommen. Auch dass andere rassistische Bezeichnungen dunkelhäutiger bzw. afrikanischstämmiger Menschen nicht okay sind und dass die Definitionsgewalt darüber, was beleidigend und herabsetzend ist, den Betroffenen gehört. Oder? Ich erinnere mich noch an eine entsprechende Diskussion im alten Forum, auf der z. B. die Website vom "Braunen Mob" verlinkt wurde. Das ist alles nicht mehr wirklich kontrovers. Wieso ist es bei "Indio" anders?

  • wenn es nur zuhören wäre. die wurden abgeschlachtet, ihre würdenträger, denker, priester, ihre heiler, ihre frauen und kinder wurden abgeschlachtet. ihre heiligtümer geplündert, die verbliebenen menschen versklavt und enteignet.

    Und nicht nur das. Mir ist bei meinen Aufenthalten in Lateinamerika negativ aufgefallen, wie verbreitet und völlig selbstverständlich Rassismus dort nach wie vor ist (nicht falsch verstehen, ich finde, dass Rassismus auch bei uns viel zu viel vorkommt, ganz klar. Aber da drüben ist es eben noch um einiges heftiger). Die indigene Bevölkerung wird sowieso von vielen als Abschaum betrachtet und auch so behandelt. :( Und für die ganze restliche Bevölkerung spielt die genaue Ausprägung der Hautfarbe für mein Empfinden ebenfalls eine große Rolle. Die TV-Stars sind mehrheitlich weiß, selbst wenn die große Mehrheit im Lande das nicht ist. Sogar innerhalb von Familien wird gewertet. Meine Schwiegermutter hat z.B. ihr dunkelstes Kind damals nicht gestillt und findet das auch heute noch selbstverständlich. Einem "schwarzen" Kind kann man doch nicht die Brust geben. 8I Ich wurde auch schon gefragt, ob ich mein Kind genauso geliebt hätte, wenn es relativ dunkel aus meinem Bauch gekommen wäre (was theoretisch aufgrund der Herkunft meines Mannes ja möglich wäre). :stupid: Ich finde solche Fragen unfassbar. Es zeigt, wie sehr die koloniale Vergangenheit noch in die Gegenwart hineinwirkt und es erklärt das hohe Verletzungspotenzial einer Sache, die für uns eher trivial erscheint.


    Den allermeisten Latinos, die noch nie in Deutschland waren, fehlt vermutlich jegliche Vorstellungsgabe dafür, dass "indio" irgendwo ein relativ neutraler (wenn nicht für manche sogar positiv besetzter) Begriff sein kann. Und dann kochen eben die Emotionen hoch und man will der Aufregung Luft machen. Im Stillen das Unternehmen darauf aufmerksam zu machen passt da nicht ins Konzept, denn man will Aufmerksamkeit für eine empfundene Ungerechtigkeit erreichen, und das ist vielleicht gerade ein greifbarer Aufhänger.


    Ob dieses Empfinden im konkreten Fall gerechtfertigt ist, puh, das finde ich auch echt schwierig zu beurteilen. Auf jeden Fall: Ja, es tut gut mal darüber nachzudenken. Ich habe mir übrigens vor einer Reise nach drüben auch schon mal die Frage gestellt, wie es wohl auf die lokale Bevölkerung wirken würde, wenn ich dort mit unserem Mysol herumlaufe. Der wird ja wohl in Guatemala hergestellt (macht ihn das für die Kritiker ein bißchen besser, mal abgesehen vom unverfänglichen Namen?). Ich kam damals zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich nur ein weiterer Grund wäre, mich für wahnsinnig exotisch zu halten. #hammer Und mitgenommen haben wir ihn dann nicht, weil es uns damit zu heiß gewesen wäre...

    LG, Yolotzin :)


    Each circumstance is a gift, and in each experience is hidden a treasure.
    (Neale D. Walsh)

  • https://de.m.wikipedia.org/wiki/Orientalismus

  • Achja, das Orient. Als ich von der Problematik vor ein paar Tagen zum ersten Mal las, war ich etwas traurig und dachte, hmm, nehm ich wohl doch das Orient statt eines Indios (auf das ich mich schon etwas eingekuckt hatte)? Bis mir dann meine eigene Dusseligkeit aufging. #hammer Muss dann wohl doch ein Girasol werden.

  • Pfirsich
    Meine Frage war tatsächlich ernst gemeint mit den benachteiligten anderen Himmelsrichtungen. Said hat damit überhaupt gar nichts zu tun.

  • Pfirsich
    Meine Frage war tatsächlich ernst gemeint mit den benachteiligten anderen Himmelsrichtungen. Said hat damit überhaupt gar nichts zu tun.

    sorry, ich erklär das jetzt nicht in epischer Breite. Lies Dich halt mal zum Thema Appropriation ein und wenn es Dir nicht einleuchtet - auch OK. Muster wie vom 'fliegenden Teppich' (ohne Verbindung zu echten Textiltraditionen), dazu noch Wörter wie 'Zauberhaft', 'opulent' und (engl. seite) 'seduction'...da wird mal ganz tief in die billigste Klischeekiste a la 1001 Nacht gegriffen. Dass mir das nicht selbst aufgefallen ist als ich den gekauft hab, tut mir nachträglich leid. Finde ich ähnlich sensibel wie ein Zigeunerschnitzel ;(


    @Hera, gut dass Du nicht so gedankenlos warst wie ich :)

  • sorry, ich erklär das jetzt nicht in epischer Breite. Lies Dich halt mal zum Thema Appropriation ein und wenn es Dir nicht einleuchtet - auch OK. Muster wie vom 'fliegenden Teppich' (ohne Verbindung zu echten Textiltraditionen), dazu noch Wörter wie 'Zauberhaft', 'opulent' und (engl. seite) 'seduction'...da wird mal ganz tief in die billigste Klischeekiste a la 1001 Nacht gegriffen.

    Das Tuch heißt aber nicht "Fliegender Teppich" sondern Orient. ;)
    Deshalb meine Frage nach den benachteiligten Himmelsrichtungen.
    Ich fürchte Du hast Said gründlich mißverstanden.