Hamburg stellt "Schwer-in-Ordnung"-Ausweis aus!!!

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  • Ja, Talpa , ich habe mich darüber auch schon oft geärgert. Nur wohl andersrum.


    Bei der Zöliakie kann man das so sehen. Wenn alle eh immer glutenfrei Essen, hat der Zöliakie-Betroffene keinerlei Einschränkungen.


    Aber es übersteigt völlig meine Vorstellungskräfte, wie eine Welt gestrickt sein könnte, in der jemand mit beispielsweise einer geistigen Behinderung in keine Situationen kommt, in der er Nachteile hat.

    • Offizieller Beitrag

    Aber es übersteigt völlig meine Vorstellungskräfte, wie eine Welt gestrickt sein könnte, in der jemand mit beispielsweise einer geistigen Behinderung in keine Situationen kommt, in der er Nachteile hat.

    Und genau darum geht es mir ja - darum, dass sehr viele Menschen sich nicht mal annähernd damit beschäftigt haben, was es denn heisst "behindert" zu sein. Du hat durch Deine Zöliakie zumindest eine Ahnung, aber ganz viele Menschen haben mit dem Thema wirklich fast keinen Kontakt gehabt.


    Ich kann mir eine Menge Welten vorstellen, in denen Menschen mit geistiger Behinderung nicht ständig an Wände stossen. Heute heissen die meist beschützte Werkstatt und betreute Wohngruppe - aber warum soll es nicht möglich sein, dass auch andere Arbeitsumgebungen für mehr Menschen offen wären. Oder Schule/Bildung/Ausbildung anders gedacht wird und weniger ausgesiebt wird. Ich meine, wer hätte vor 50 Jahren gedacht, dass es Down-Syndrom-Menschen mit Uniabschluss geben würde?


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • mich schränkt meine "behinderung" sehr in meinen kompletten leben ein, ich bekomme kaum noch meinen alltag gelebt damit, das dann als schwer-in-ordnung zu bezeichnen ist wirklich wie ein schlag ins gesicht

    Hm. Das kann ich nachvollziehen.

    Aber es ging doch darum, dass ein 14-jähriges Mädchen das Wort "Schwerbehindertenausweis" unpassend fand und einen Vorschlag gemacht hat. Das Amt hat ihren Vorschlag aufgegriffen.

    Ich habe den Artikel nicht so verstanden, dass jetzt jeder einen "Schwer-in-Ordnung-Ausweis" bekommt.


    Von daher finde ich es immer noch eine coole Aktion.

    „Ich mache nicht nur leere Versprechungen, ich halte mich auch daran.“
    (Edmund Stoiber im Wahlkampf 2005)

  • Ich kann mir eine Menge Welten vorstellen, in denen Menschen mit geistiger Behinderung nicht ständig an Wände stossen. Heute heissen die meist beschützte Werkstatt und betreute Wohngruppe - aber warum soll es nicht möglich sein, dass auch andere Arbeitsumgebungen für mehr Menschen offen wären. Oder Schule/Bildung/Ausbildung anders gedacht wird und weniger ausgesiebt wird. Ich meine, wer hätte vor 50 Jahren gedacht, dass es Down-Syndrom-Menschen mit Uniabschluss geben würde?

    Es ist heute immer noch nicht Standard, dass Menschen mit Down-Syndrom einen Uni-Abschluss machen. Sondern die große Ausnahme. Wenn du für ein Baby mit Down-Syndrom einen SBA beantragst, kriegst du ohne weitere Diskussion einen GdB von 100. Ich nehme an, dass das bundesweit so ist und nicht nur eine lokale Besonderheit hier.


    Dass es das heute gibt im Gegensatz zu vor 50 Jahren, liegt einerseits daran, dass man die anderen medizinischen Probleme besser im Griff hat, andererseits daran, dass man nicht einfach nach der Diagnosestellung das Kind völlig aufgibt. Das ist eine super Entwicklung, aber daraus lässt sich nicht ableiten, dass es ein Job auf dem ersten Arbeitsmarkt für eine nennenswerte Anzahl von Menschen mit geistiger Behinderung irgendwie eine realistische Option wäre.


    Meine Frage war, ob du dir eine Gesellschaft vorstellen kannst, in der eine geistige Behinderung nicht zu Nachteilen führt. Und du sagst, dass du dir eine Gesellschaft vorstellen kannst, in der eine geistige Behinderung nicht dazu führt, dass man ständig an Mauern stößt.


    Siehst du den feinen Unterschied? ;)

    • Offizieller Beitrag

    Ja, genau, die feinen Unterschiede...

    Es mag sein, da ich mein ganzen Leben sehr viel Kontakt mit "behinderten" Menschen hatte, dass ich da halt auch wirklich auf der sehr extremen Seite bin: ich finde die sprachlichen Feinheiten eben auch sehr, sehr wichtig.

    Du schreibst zum Beispiel immer "Menschen mit ..." - das ist, leider, eine Ausnahme, denn mir fällt das ganz besonders positiv auf. Die Mehrheit schreibt/sagt Behinderte, oder?


    Natürlich werden immer Nachteile bleiben: ein Paraplegiker wird in absehbarer Zeit nicht wieder auf Bäume klettern können, ein durchschnittlicher Down-Syndrom-Mensch nicht Lehrerin werden und Du wirst ebenfalls in absehbarer Zeit nicht jedes Bäckereiangebot durchprobieren können. Ob und wie stark diese Nachteile aber ins Gewicht fallen, hängt in erster Linie von der Umwelt ab - und die könnte durchaus noch einige Verbesserungen vertragen.

    Und eine kleine ist, dass eine Stadt einem Teenagermädchen einen Wunsch erfüllt hat, ganz ohne "ach, stell dich doch nicht so an, du BIST halt benachteiligt, gewöhn dich dran."


    Eine nette Aktion (und immerhin der Aufhänger, dass sogar hier im Forum über Behinderungen gesprochen wird - Ziel erreicht, denke ich, aus "Marketing-Sicht"), mehr nicht.



    edit: auf die Frage, ob ich mir eine Gesellschaft ganz ohne Nachteile vorstellen kann - doch, schon... nur deutlich weniger gut als eine mit möglichst wenig Nachteilen. Grundsätzlich glaube ich aber schon, dass es möglich wäre (aber es ist ein laaaaaaanger Weg dahin).


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • eine Gesellschaft ganz ohne Nachteile vorstellen kann - doch, schon... nur deutlich weniger gut als eine mit möglichst wenig Nachteilen. Grundsätzlich glaube ich aber schon, dass es möglich wäre (aber es ist ein laaaaaaanger Weg dahin).

    Natürlich wäre das möglich. Ich sehe das genau so.


    Es geht dabei nicht darum, dass jemand nicht mehr auf Hilfsmittel angewiesen ist. Kein Mensch nennt einen anderen "behindert", weil er z.B. eine Brille trägt. Viele Menschen sind nicht vollumfänglich funktional, sodass sie ohne Hilfsmittel auskommen können. Es ist doch eher eine Frage, wo man Grenzen zieht, Margin, also Menschen marginalisiert. Schaffe ich diese Grenzen ab, ist niemand mehr ausgeschlossen und muss somit auch nicht inkludiert werden. Jeder ist einfach so, wie er ist. Ohne Label. So sollte es sein.

    Fiawin mit d9be21343ykoa.gif

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    Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur so selten dazu.


    Lass die Hoffnungswaschmaschine laufen!


    Whatever you want, it isn't me.

    Other people's ambitions are not my specialty.

    Sometimes I can see from here clear to the ocean.

    Sometimes I'm blind.

    Als die Vielfalt ging, entzündete die Einfalt ein Freudenfeuer.

  • Genau so sehe ich das auch. Es geht darum, dass man mit einer sichtbaren Behinderung oft auf diese reduziert wird. Du siehst nicht den Menschen - Du siehst die Behinderung. Das ist wie Krebs. Wenn einer Krebs hat dann verschlingt der ihn nicht nur körperlich sondern auch emotional. Die Leute sehen nur noch die Krankheit etc.


    Im Falle des Mädchens - wie im Falle vieler Menschen mit geistiger Behinderung (zumindest meiner Erfahrung nach) - ist es doch so, dass sie zum einen schon ihr ganzes Leben so sind und außerdem natürlich nicht aus ihrer Haut können und sich oft auch wenig mit dem auseinandersetzen können, was andere ihnen so an-labeln. Das kann nicht mal jeder durchschnittlich oder überdurchschnittlich intelligenter Mensch. Es ist einfach schwer, zu verstehen, was andere vielleicht an einem finden könnten. Oder auch nur zu beschreiben, inwiefern und wo genau man an spürbare Grenzen stößt und was genau einem schwer fällt. Und wie man sich dabei fühlt. Geistige Behinderung ist nicht nur ein extrem hartes Label (denn, bitte, die Grenzen verlaufen da doch total willkürlich), sie ist noch dazu extrem schwer greif- und begreifbar.


    Und wenn jemand schon mit einem Stempel rumrennen muss, den er/sie sich nicht geben möchte. Oder wenn sich eine Person mit diesem Stempel regelrecht aussätzig fühlt, dann finde ich es legitim, das zu problematisieren und auf eine Alternative auszuweichen.



    Zumal der Nachteilsausgleich in diesem Fall nicht sowas wie eine Krücke oder Brille ist. Die Berechtigungen im Falle geistiger Behinderung sind doch ganz weiche Faktoren. Wie bspw. Assistenz und Begleitung. Und das ist ja was, was einige von uns Durchschnittsleuten auch ständig haben. Nur, dass wir nicht unbedingt existenziell drauf angewiesen sind, weil wir im Zweifel die allermeisten Situationen alleine meistern könnten. Da geht es auch um soziale Integration - und die findet auch über Gesehen-Werden statt. Und da ist Sprache im alltäglichen Umgang ein wichtiges Vehikel. Um den Kreis zu schließen: Siehst du MICH oder siehst du nur meine BEHINDERUNG? Ich bin vielleicht "behindert" - aber trotzdem schwer in Ordnung.

  • Mein erster Gedanke war "ich will meinen auch umbenennen lassen!"

    Mein zweiter war, wie Menschen wohl reagieren könnten, wenn ich mit Hilfe eines "Schwer-in-Ordnung-Ausweises" versuche, einen Nachteilsausgleich in Anspruch zu nehmen. Die meisten würden wohl annehmen, dass ich damit mein Übergewicht rechtfertigen will.


    Ich finde den aktuellen Begriff Schwerbehindertenausweis auch nicht schön, aber ich hab das Ding ja nicht um den Hals baumeln.


    Für geistig behinderte Kinder finde ich den neuen Namensvorschlag allerdings sehr schön.

  • es ist in Hamburg ja nur eine Option, den Schwerbehindertenausweis auf eigenen Wunsch in einen Schwer-in-Ordnung-Ausweis umbenennen zu lassen. Es muss sich also niemand auf den Schlips getreten fühlen.

    _._._._._._._._
    Prokrastinierer aller Länder: vereinigt Euch - morgen


    “Schatz, komm bitte ins Bett. Man braucht sieben Stunden Schlaf, um als Mensch zu funktionieren.“ “Ich bin Mutter, ich brauch vier.“


    Silence is golden... unless you have a toddler. Then silence is extremely suspicious.

  • Talpa


    Ich „arbeite“ ehrenamtlich mit Menschen mit und ohne Behinderung. Da bin ich über meinen damaligen Freund reingerutscht geblieben. Dort wurde mir der feine sprachliche Unterschied deutlich gemacht. Bei uns heißt es immer „Mensch mit oder ohne Behinderung“. Was gar nicht geht, ist zu Menschen ohne Behinderung „normaler Mensch“ zu sagen, da steigt unsre Referendarin, völlig zurecht, auf die Barrikaden.

    Was den „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ aber angeht, der bei uns natürlich ausführlich diskutiert wurde, musste ich feststellen, dass der hauptsächlich von Personen als toll empfunden wird, die eine stärkere geistige Einschränkung haben, welche mit kindlichem Gemüt einhergehen (natürlich nicht alle.).

    Die „erwachseneren“ finden das äußerst albern.

    Aber solange nicht jeder einen S-I-O-Ausweis haben muss, soll sich das Mädel in Hamburg einfach freuen. So der Tenor unserer Gruppe.

  • Fiawin mit d9be21343ykoa.gif

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  • Dieses ganze Schöngerede ....


    Es gibt keine Vorstellung einer realen Welt, in der meine schwer behinderte Cousine klar käme. Sie kommt mit ihren natürlichen biologischen Funktionen nicht allein zurecht. Ohne Hilfe würde sie ziemlich schnell sterben.


    Im Bezug auf diese Situation finde ich nicht mal Wörter für "schwer in Ordnung ".


    Dass die Stadt es als Ausnahme für ein Mädchen mit Down-Syndrom auf Anfrage ausstellt, finde ich wirklich nett.


    Zu der sonstigen Fülle an Behinderungen ginge es mir mindestens so, wie RANs Sohn.

  • fischlein es geht doch gar nicht um so extreme Fälle. Ich verstehe, dass das Thema sehr emotional ist. Aber es ist eben auch sehr facettenreich. Und für mich drückt das ganz klar gesellschaftliche Akzeptanz aus, wenn man Menschen mit einer (leichteren) geistigen Behinderung so annimmt.

  • Ganz ehrlich, da bleibt mir nur #rolleyes. Behaltet Euren Thread für Euch. Manhcmal ist das Forum echt ätzend.

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  • Und ich verwehre mich gegen die bezeichnugn Schöngerede. es geht nicht darum,d ass man die ursachen einer Behinderung entfernen kann, sondern es geht darum, dass es normen gbt, die eine Menge Menschen abstempeln und ausshcließen. Ich bin ein völlig normaler Mensch, und ich mlcht so sein können, wie ich bin, ohne ein Label "Du bsit aber anders" zu bekommen. Da brauch ich üpersönlich auch keinen Schwer in Ordnugn ausweis, sondern eine andere Gesellschaft.

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    • Offizieller Beitrag

    Da brauch ich üpersönlich auch keinen Schwer in Ordnugn ausweis, sondern eine andere Gesellschaft.

    Ja, natürlich.


    Ich finde es aber dennoch ein schönes Zeichen, wenn ein Teil der Gesellschaft klar signalisiert: Wir finden Dich schwer in Ordnung! Denn Du gehörst genauso zu uns wie die Talpa mit ihrer Zickerei, wie die stille Lisa und die extrem unsportliche Maria.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Also mich erinnert der Schwerbehindertenausweis in erster Linie an meine Benachteiligung und daran, wie wenig anerkannt es überhaupt wird, benachteiligt zu sein.

    Ich muss immer dermaßen kämpfen, um jedes Prozent - jetzt gerade soll ich ja meine gesamten Rehadaten offenlegen, um den Ausweis verlängert zu kriegen, obwohl da nur sehr viel privates über Herkunftsfamilie und Kindheit, aber nichts für die im Ausweis festgehaltene Erkrankung steht.


    Hier ist es auch nicht so, dass ich eine Ermäßigung auf die öffentlichen Verkehrsmittel kriege, schon gar nicht für 80 Euro im Jahr, aber nicht mal eine monatliche Ermäßigung, ich zahle fast 60 Euro. Jeden Monat. Um mobil zu sein.

    Auch Schwimmbäder, Indoorspielplätze, Kletterhallen ... sowas alles, ermäßigt nicht.

    Das einzige Hallenbad hier nimmt 8 Euro für drei Stunden - inklusive Umziehzeit. Und das auch nur unter der Woche. Am Wochenende sind es 11.

    Das Programmkino hier gibt noch Ermäßigung.

    Und Kultur? Beim Theater ist es so, dass man, wenn am Ende noch Karten übrig sind, die keiner haben wollte, dann bekommt man die mit Ausweis günstiger.

    Bei den Museen gibts glaube ich noch reguläre Ermäßigung. Aber das war's im Großen und Ganzen.


    Und diese Ermäßigungen, die gibt es auch nur ab einem Grad der Behinderung von 50. Und dazu muss man ordentlich eingeschränkt sein.

    Begleitperson frei nur, wenn man gar nicht ohne unterwegs sein kann - "im Schwimmbad nicht alleine" zählt nicht. Oder "unter Menschenmengen (Kino/Theater) nicht alleine" zählt nicht.

    Diese 80 Euro im Jahr Nahverkehrssache, die gibt es nur, wenn man gehbehindert ist. Nicht, wenn man sich aufgrund der Einschränkung nicht in der Lage sieht, den Führerschein zu machen. Nicht, wenn man aufgrund der Einschränkung nicht das Geld hat, den Führerschein zu machen oder nicht das Geld, um sich jeden Monat eine Busfahrkarte für 60 Euro zu leisten. Nicht, wenn man Gefahr läuft, sich zu Hause einzuschließen und gar nicht mehr unter Leute zu gehen, weil die Hürde zu groß ist.

    Selbiges gilt für die Befreiung von der GEZ für Fernsehen oder Internet. Das bekommt man nicht, wenn man aufgrund seiner Einschränkung Kontakte lieber übers Netz pflegt, das anders vielleicht kaum oder nur unter unverhältnismäßiger Anstrengung schafft. Man bekommt es auch nicht, wenn man sich Kultur besser im Fernsehen reinziehen kann, als auf gut Glück mit der 60 Euro scheiß Busfahrkarte zum Theater zu fahren um mal zu sehen, ob am Schluss noch Karten übrig sind, die keiner will.


    Dieser Nachteilsausgleich ist viel zu sehr "Wir müssen ganz arg drauf achten, dass der Mensch ja keine Vorteile geschenkt bekommt".

    Stell dich nicht so an - das geht auch irgendwie anders - so lange es noch irgendwie anders geht - dir geht es weniger schlecht als - deine Benachteiligung ist nicht schlimm genug

    sagen mir Menschen, die nicht in ihrem alltäglichen Leben - in ihrer Lebensqualität - durch angeborene oder als Schädigungen zurückgebliebene Merkmale behindert sind.


    Ich würde auch keinen "Schwer-in-Ordnung"-Ausweis wollen. Ich bin nicht schwer in Ordnung. Ziemlich viel vom dem, was mit mir ist und wie jetzt damit umgegangen wird, ist überhaupt nicht in Ordnung. Ich liebe mein Leben, aber es ist nicht "schwer in Ordnung", es ist schwer. Aufgrund meiner Einschränkung.

    Ich freue mich für das Mädchen, es sieht sich selbst so, und man hat ihr diesen Wunsch erfüllt.


    Trotzdem sagt eine zynische Stimme in mir: Klar. Hat ja auch keinen was gekostet.

    Mir gesteht keiner zu, dass mein Empfinden zu meiner Einschränkung, wo und wie und wie sehr ich mich eingeschränkt fühle - und wo vielleicht auch nicht - , in irgendeiner Form Berücksichtigung findet.

    Schultern entspannen. Jetzt.  

    Einmal editiert, zuletzt von Frau Dechse ()

  • Gmlhmpf... Mich trifft das immer sehr, wenn mir Leute sagen, es wäre Augenwischerei, Unmöglich, Schönrederei, Verleugnung von Tatsachen, wenn ich darauf hinweise, dass viele Menschen behindert werden, die einfach schon genug mit den Unbilden des Lebens so zu tun haben, z.B. mit ihrer Erkrankung. Dann auch noch als Behinderter betitelt zu werden, mit der Konnotation, dass die Behinderung dem Menschen innewohnt, das finde ich einfach grundfalsch. Die Gesellschaft behindert die Menschen. Wo ich niemanden behindere, oder so wenige Menschen wie möglich, braucht es auch keine Inklusion. Inklusion ist so nett und politisch korrekt und schön. Für die, die andere einschließen. Für die, die erst noch inkludiert werden müssen, hat vorher, zumindest im Kopf, ein Ausschluss stattgefunden.


    Ich finde es aber dennoch ein schönes Zeichen, wenn ein Teil der Gesellschaft klar signalisiert: Wir finden Dich schwer in Ordnung!


    Alle sind, wie sie sind, und was wir haben, ist keine Inklusion, weil niemand inkludiert werden müsste. Was wir haben, ist Exklusion. Und erst darum braucht es das dämliche Konzept Inklusion. Wenn mir auf irgendwelchen Ämtern dann Flugblätter gegeben werden mit "Mittendrin statt nur dabei". Hallo? Warum sollte ich nicht mittendrin sein? Eben, ich bin nur dann nicht mittendrin, wenn mich die Strukturen rausschieben.

    Das hat gar nichts damit zu tun, dass ein Mensch von irgendwelchen Hilfsmitteln abhängig ist.


    Ich finde es auch völlig ok, dass das Mädel sich einen Schwer-in-Ordnung-Ausweis bastelt und die Stadt das aufgreift. Das Mädchen macht nichts falsch. Sie will nur einfach nicht ausgesondert sein.


    Beispiel für Behinderung von neulich? Meine Nachbarin hat MS. Sie kann kurze Strecken am Rollator gehen. Für längere hat sie einen Scooter. Scooter und Rollstuhl werden nicht gezahlt, es gibt nur entweder oder für sie. Wenn sie ins Zentrum muss, kann sie nicht mit dem Rollator. Einkaufen mit Rollstuhl oder Rollator ginge auch nicht gut, sie braucht also den Scooter. Ist meine Nachbarin behindert oder ist sie an MS erkrankt und WIRD behindert, wenn die Verkehrsbetriebe aus Sicherheitsgründen die Mitnahme im Scooter verweigern und KEINE ALTERNATIVE ins Auge fassen. Wer behindert wen? Wer IST behindert? Oder ist jemand BEHINDERT worden?


    Darum geht es. Meine Nachbarin ist nur ein ganz normaler Mensch, der auf einen Scooter angewiesen ist aufgrund ihrer Multiplen Sklerose, und der behindert wird, Dinge zu tun, weil es keine Infrastruktur und kein Interesse an der Schaffung einer solchen gibt.

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    Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur so selten dazu.


    Lass die Hoffnungswaschmaschine laufen!


    Whatever you want, it isn't me.

    Other people's ambitions are not my specialty.

    Sometimes I can see from here clear to the ocean.

    Sometimes I'm blind.

    Als die Vielfalt ging, entzündete die Einfalt ein Freudenfeuer.