Könntet ihr vielleicht so lieb sein, und mir mal eure ehrliche Einschätzug zu unserem vergangenen Abend geben? Ich bin grade total verunsichert...
Der Rahmen: gnadenloses Schlechtschläfer-Kind, grade 2 geworden. Ausgesprochen willensstark, sehr temperamentvoll. Gnadenlose Schlechtschläfer-Mutti, grade 37, ausgesprochen willensstark. Ich hab mit meiner Mutter früher permanent "Wo ist Deine Schwachstelle" gespielt. Manche kennen vielleicht ein paar Eckdaten, für hier soll genügen: Meine Mutter ist über jedes einzelne Stöckchen gesprungen, das ich ihr hingehalten habe. Es wurde immer sehr schnell sehr körperlich, sehr gewaltvoll, sie ist komplett ausgetickt und war sehr jähzornig. Ich hab das rausgekitzelt, warum auch immer. Infolgedessen hab ich eine sehr, sehr, sehr dünne Haut, was Gewalt angeht - ich kann mich in Aufregung z.B. nicht mehr anfassen, geschweige denn festhalten lassen. Trage aber gleichzeitig den unbändigen Zorn meiner Mutter leider in mir.
So. Kleinchen ist ein Goldstück, wirklich, aber auch sehr fordernd und, leider, extrem auf Konfrontation. Sie spielt z.B. mit Vorliebe "Ich will diesen Teller." - Ok, dann nimm ihn gerne, ich nehm den andern - "Nein, diesen!!!" Ok, dann tauschen wir. "Nein, diesen!!!" ...
Ich kann damit sehr gut umgehen, wenn ich gut bei mir bin. Neige aber auch dazu, mehr Verständnis zu haben, als meine Ressourcen es eigentlich hergeben, weil ich ihr nicht das antun will, was ich erlebt habe - und explodiere dann leider manchmal für sie völlig unvorhergesehen. Und ich brauche bitte ein paar Außensichten, ob das noch im Rahmen dessen ist, was mein Kind mit begleitender Liebe und Fürsorge gut verpacken kann, oder ob ich Grenzen überschreite, die in Richtung meiner eigenen Biografie gehen.
(Irgendwer bis hier her mitgekommen?? Sorry... Ich geb mir Mühe! )
Also. Heute Abend haben wir wie immer direkt nach dem Abendessen (19 Uhr) Schlafi angezogen und Zähne geputzt. Kleinchen darf dann noch spielen, so lange sie möchte (ruhige Sachen, ohne mein Mitspielen) und kommt in der Regel irgendwann mit "Slafen bitte!". Dann sind wir wie immer in ihr Zimmer gegangen, sie hat sich zwei Bücher ausgesucht und sich zu mir gelegt. Regel: Ich lese nur dann, wenn sie ruhig und zugedeckt neben mir liegt. Das weiß sie, das ist schon immer so. Also haben wir uns hingelegt, sie in meinem Arm, ich hab sie zugedeckt und angefangen. Das erste Buch war eins mit einzelnen Geschichten. Ich hab sie gefragt: Soll ich eine aussuchen, oder willst Du? - Mama suchen. Ok. Ich also eine ausgesucht. Nach dem ersten Satz: Neiiiin, die nis!! Ok. Kein Problem, eine andere ausgesucht. Nach dem ersten Satz: Neiiiin, die nis!!! (schon halb am Weinen). Ok. Komm, wir setzen uns zusammen nochmal hin und Du suchst eine aus. Neiiiiiiin, Mamaaaaaa suchen!!!!!!!! Örgs. Wir konnten das klären, sie hat im Liegen eine ausgesucht (ich musste Blättern). Ich hab also angefangen zu lesen. Nach vier Sätzen: der erste Fuß im Buch. Nach zwei weiteren Sätzen: der zweite Fuß im Buch. Wackel-wackel, kicher-kicher. Mama Käse lesen! "Kleinchen, so kann ich leider nicht lesen. Ich leg das Buch mal eben zur Seite, und wenn Du einschlafen möchtest und zugedeckt da liegst, les ich weiter." Drama. Schreien, Weinen, Treten, Hauen. Mama leeeeseeeen!!! Ich kann so nicht lesen, nimm bitte Deine Füße aus dem Buch. Doch!!! Nein, geht leider nicht. Doch!!!! Nein, guck mal, ich seh ja nichts. Doch!!!! Kleinchen, ich hab es Dir erklärt, ich geh jetzt nicht mehr auf Dein Doch ein. Doooooch!!!! (Hauen, beißen, treten, Buch werfen) Irgendwann nach viel Weinen, festhalten (sie legt es dann voll drauf an, mir weh zu tun) und trösten waren die Füße wieder unter der Decke, ich hab weitergelesen, selbes Spiel. Wieder Drama. Noch mehr Hauen, Beißen, Toben. Sie beißt dann leider oft und wirklich derbe, so dass ich da wenig andere Möglichkeiten habe, als sie körperlich abzuwehren. Das löst in mir echt Furchtbares aus, und in ihr glaub ich auch, aber ich weiß nicht was ich sonst tun soll. Wenn ich weggehe kommt sie mir nach. Ich versuche, ihr klar zu sagen warum ich sie jetzt festhalte, und dass mir das leid tut. Ich biete ihr Alternativen zum Beißen an (Kuscheltier, Kissen, Schlafanzugärmel, ...). Es hilft nicht, ich muss sie dann immer so lang halten bis sie aufgibt und nur noch weint. Das tut so weh... Und ich werd dann einfach sauer, und hab eine so krasse Wut in mir dass ich vor mir selber erschrecke. Ich tu ihr nichts, niemals, aber ich bin doch oft grober und lauter als es nötig wäre.
Das Spiel geht übrigens in der Regel über mindestens anderthalb, meistens zwei Stunden. Teilweise geh ich raus, mach die Tür zu und lass sie ein paar Minuten Brüllen - klar mit Ansage, aber das realisiert sie ja in dem Zustand überhaupt nicht mehr. Am Ende schläft sie meistens völlig erschöpft in meinem Arm ein - das ist ein Fortschritt zu meiner Geschichte, immerhin, wir bleiben nie unversöhnt. Aber der Weg dahin, der körperliche Zwang, das Anschreien, das fühlt sich so fürchterlich falsch an... Und welche Wahl hat das arme Kind denn, als sich mit mir zu versöhnen? Sie ist so klein... Aber ich weiß nicht was ich anders machen könnte... Oder ist das in dem Alter irgendwie ein Teil der Entwicklung, den ich nicht besser begleiten kann als so??
(bei meinem Mann ist es das selbe. Uhrzeiten verschieben und sonstige Versuche haben wir ausnahmslos durch. Alles. Inklusive schamanische Tempeltänze und Scientology-Abo. Ehrlich. Ich brauch bitte primär eine Rückmeldung zu unserem Verhalten miteinander.)