Hier die von Liane erstellte Zusammenfassung der Kloetersbriefe
Das Kloeters-Forum erreicht Ihr übrigens unter: http://kloetersbriefe.phpbb8.de/
ZitatAlles anzeigenDie Kloeters-Briefe
Ein Erziehungskonzept aus den 70ern neu entdeckt
"Achte auf den Gesichtsausdruck Deines Kindes" - das ist der erste von sieben Hinweisen zur Kindererziehung, die Kurt und Karin Kloeters in ihren in den siebziger Jahren geschriebenen Kloeters-Briefen geben.
"Tröste Dein Kind, wenn es weint" lautet der nächste, gefolgt von "Sprich leise und freundlich".
Das klingt recht banal und selbstverständlich: Schauen wir unseren Kindern denn nicht ins Gesicht? Trösten wir sie nicht, wenn es ihnen schlecht geht? Und brüllen wir sie denn so viel an?
Das mag Kurt Kloeters in den Sechzigern oder Siebzigern beobachtet haben, aber heute - heute gehen wir doch partnerschaftlich mit unseren Kindern um, oder?
Ein Spaziergang durch eine bundesdeutsche Fußgängerzone belehrt uns was das "Trösten" und das "Leise und freundlich Reden" angeht, gleich eines Besseren bzw. Schlechteren: Da sitzen völlig verzweifelte in Tränen aufgelöste Kleinkinder in Buggys oder werden an der Hand durch die Geschäfte gezerrt - ansonsten aber von ihren Eltern vollkommen ignoriert - oder angeschrien. Auch die Selbstbeobachtung führt möglicherweise zur Ernüchterung: Kommt es nicht doch recht häufig vor, dass wir ein Kind weinen lassen "weil es sich anstellt, weil es nur versucht, sich durchzusetzen, weil wir einfach Recht haben und den Teufel tun und klein beigeben werden"? Und auf der sprichwörtlichen Palme, von deren Spitze herab wir mit hochrotem Kopf Richtung Kinderzimmer brüllen, finden wir uns wahrscheinlich auch recht häufig wieder. Und was das ins Gesicht gucken angeht: Tun wir das? Im täglichen Stress zwischen Job, Schule, Haushalt , Hausaufgaben, Freizeitaktivitäten: Gucken wir unseren Kindern ins Gesicht und fragen uns "wie geht es Dir?"
Die ersten drei Hinweise aus den Kloetersbriefen sind also hochaktuell. Kurt und Karin Kloeters haben diese Hinweise sehr bewusst vor die gesetzt, die man landläufig als Erziehungstipps bezeichnen würde: "Wie setzte ich Gebote richtig durch?", "Wie setze ich Verbote richtig durch"?, "Was heißt Konsequenz in der Erziehung?" Diesen Fragen widmen sich die Hinweise 4, 5 und 6. Aber bevor Eltern das lernen können, sollen sie mit Satz 1 lernen, die seelische Verfassung ihrer Kinder wahrzunehmen. Eine gute seelische Verfassung der Kinder ist für Kurt und Karin Kloeters nämlich das A und O der Kindererziehung. Ihre Voraussetzung - ein Kind in schlechter Verfassung lernt nichts und verhält sich schlecht. Und auch ihr angestrebtes Ergebnis - gut erzogene Kinder sind Kinder, denen es gut geht. Und Satz 2 versucht einfach, uns die manchmal doch recht dicken Bretter vorm Kopf weg zu nehmen, die uns daran hindern zu sehen, dass ein Kind, das herzzerreißend weint, immer ein Kind ist, dem es schlecht geht. Egal was passiert ist, was das Kind angestellt hat, wer Recht hat, wer schuld ist - ein Kind (jeder Mensch?), das weint, gehört getröstet. Danach - wirklich erst danach - kann man weitersehen. Und Satz 3 versucht uns die so einfache und so schwer umzusetzende Binsenweisheit zu vermitteln, dass man mit Anbrüllen bei einem anderen Menschen selten Kooperationsbereitschaft auslöst. Man verschlechtert seine Verfassung und die eigene, man belastet die Beziehung - das ist alles, was man erreicht. Fragen Sie sich selbst: Wenn sie angebrüllt werden - vergrößert das ihre Bereitschaft zu lernen und gar noch von der Person zu lernen oder zu tun was die Person will, die sie anbrüllt?
So, das zu den Voraussetzungen und Zielen der kloeterschen Erziehungsvorschläge. Jetzt zum eigentlichen Erziehungsgeschäft: Wie erreiche ich, das meine Kinder tun, was sie tun sollen, nicht tun, was sie nicht tun sollen und was heißt dabei eigentlich "konsequent sein"?
Was die Gebote angeht, kommen uns die Vorschläge sehr bekannt vor: Klar, Vormachen ist am besten. Kinder lernen am Modell, predigen ist nichts, selber tun, was man möchte, dass der andere tut, ist alles. Verbote durchsetzen - da kommen die Kloeters mit einem etwas seltsamen Vorschlag: Wenn es nicht um Leib und Leben geht, wo ruhig und bestimmt durchgegriffen wird, heißt es: "Immer wieder mit Worten billigen, bagatellisieren". Hä? Wenn mein Kind Mist baut, soll ich sagen "Ist schon o.k. kann schon mal passieren, halb so wild"? Bei genauer Untersuchung dieser Frage muss man den Kloeters allerdings zugestehen, dass sie sich mit dieser Methode schon in den Sechzigern auf der Höhe moderner Lernpsychologie befunden haben: Große negative Aufmerksamkeit für unerwünschtes Verhalten verstärkt dieses. Ein gelassenes "Kann schon mal passieren" drückt aus, dass es natürlich eigentlich nicht passieren sollte, gibt den Kleinen aber nicht die Möglichkeit, ihr Lieblingsspiel zu spielen: Mama und Papa die Wände hochgehen lassen. Wobei das nicht abfällig gemeint ist im Sinne dessen, was uns manche Erziehungstrainings suggerieren: "Kinder sind eigentlich Monster, die nur darauf aus sind, uns auf dem Kopf herum zu tanzen und uns zu beherrschen, und man darf ihnen deshalb keine Handbreit Boden überlassen". Es ist ganz liebevoll gemeint - ganz ehrlich: Wenn Sie klein wären und die Möglichkeit hätten, die gottgleichen Großen mit einem ganz einfachen Trick - etwas falsch machen - dazu zu bringen, aus dem Hemd zu springen - würden Sie sich das entgehen lassen?
Außerdem und vor allen Dingen vermeidet diese Methode gravierende Verletzung der Person des Kindes, wo es nur um eine Veränderung seines Verhaltens geht.
Bei Schwierigkeiten, auf diesem Weg die Durchsetzung von Verboten und Geboten zu erreichen, heißt es bei Kloeters immer: "Zurück auf Los". Geht es meinem Kind zu schlecht, um zu kooperieren? Dann gilt: Erst die Verfassung des Kindes verbessern, dann weitererziehen. Ist eine schlechte Verfassung nicht festzustellen und es klappt trotzdem nicht mit den Ge- und Verboten, heißt es für die Eltern, sich selbst zu überprüfen: Sind meine Gebote und Verbote altersgerecht? Verbiete und gebiete ich vielleicht zu viel? Ist das Verhalten meines Kindes eigentlich akzeptabel und bin ich zu empfindlich? (Dann hätte ich mich erst mal um meine eigene Verfassung zu kümmern, siehe unten, Satz 7.)
Mit dem Satz "Erst die Verfassung des Kindes verbessern, dann erziehen" ist schon der Kern der Kloeterschen Definition von Konsequenz benannt: Richte dich konsequent nach der seelischen Verfassung Deines Kindes. Sei besonders lieb zu dem besonders bösen Kind, fordere das liebe Kind, das Kind dem es gut geht.
Und ganz am Schluss, mit Hinweis sieben, nimmt die Sache noch mal eine überraschende Wendung: Hier geht es gar nicht mehr um die Kinder, sondern um mich selbst: "Tue etwas für Dich selbst" lautet Satz 7. Und damit ist keinesfalls nur ein bisschen Wellness gemeint - geh mal in die Sauna, gönn Dir ein Mittagschläfchen, vermiete die Kinder mal an eine Freundin und geh genüsslich shoppen. Das ist alles sicher sehr sinnvoll, aber Kloeters meinen etwas anderes, etwas Fundamentales - am Ende lassen sie die Katze eigentlich erst richtig aus dem Sack: Eigentlich ist nicht die gute Verfassung der Kinder das A und O der Kindererziehung, sondern - die gute seelische Verfassung der Eltern. Eltern, denen es gut geht, gehen gut mit ihren Kindern um. Eltern, die gut mit sich selbst und anderen umgehen, haben wie von selbst Kinder, die das auch tun. Eltern, denen es gut geht, lernen schnell, leisten viel und machen wenig Fehler - in der Kindererziehung und überhaupt im Leben........und haben natürlich genau solche Kinder ......
Und wie geht man gut mit sich selbst um? Hier wird es dann richtig paradox und bleibt doch faszinierend: In dem man sich zum Beispiel erlaubt, in der Kindererziehung jede Menge Fehler zu machen, ohne sich dafür selbst zu kasteien. Satz 1-6 einüben ist gut und schön, aber Kloeters schlagen dabei unter anderem folgende Lernmethode vor: Lege Dir eine Reihe leckerster Pralinen ins Regal. Nehme Dir vor, leise und freundlich zu sprechen, Deine Kinder nicht anzuschreien. Du kommst von der Arbeit nach Haus. Dein Kind ist schon da - Schultasche und Jacke liegen direkt hinter der Eingangstür im Flur, die Küche sieht aus wie nach einem Bombenangriff, Marmelade überall, Milchseen, eine draußen stehen gelassene Milchtüte. Vom Tatort führen dreckige Fußspuren ins Kinderzimmer ...... "Wirst Du wohl sofort herkommen, Du missratenes Kind, und Deinen Krempel ordentlich wegräumen, wie oft soll ich Dir das noch sagen, das jeder der die Küche benutzt, sie so hinterlassen soll, wie er sie vorgefunden hat, und wann wirst Du endlich mal Deine Dreckschuhe ausziehen, bevor Du durch die Wohnung rennst, jeden Tag dasselbe, Du treibst mich zum Wahnsinn...!" Äh � wie war das mit dem nicht rumbrüllen? O.k. es hat nicht geklappt. Jetzt setzen Sie sich gemütlich an den Küchentisch und essen mit Genuss eine Praline. Lösen sie die Verbindung von Fehler und Strafe! Bei sich selbst und bei ihrem Kind. (Was in diesem Falle bedeutet, dass Sie nachdem sie genüsslich die Praline verspeist und sich abgeregt haben, natürlich ins Kinderzimmer marschieren, sich für ihren Ausbruch entschuldigen, um Verständnis dafür bitten - kann schon mal passieren - und noch mal leise und freundlich ihre Bedürfnisse vortragen .....) Fehler sind nichts Schlimmes, Fehler sind eine Möglichkeit zu lernen. Auch hier sind Kloeters sehr modern: Fehlerfreundlichkeit als kraftvoller Katalysator für Lernprozesse - eine Formel, die Sie in "angesagten" Managertrainings und Organisationsentwicklungsverfahren für Industrieunternehmen finden. Und Fehlerfreundlichkeit ist eben auch in der Persönlichkeitsentwicklung für ganz viele von uns ein zentraler Punkt, wenn es darum geht, uns anzunehmen und zu lieben wie wir sind, dafür, gut mit uns selbst umzugehen.