Kennt ihr das? Irgendwo stellt jemand eine Behauptung auf, und mit dem Spruch „ich will hier nicht über Verschwörungstheorien diskutieren müssen“ ist das Thema final vom Tisch.
Mich hat das schon länger genervt , auch weil ich hin und wieder solche vom-Tisch-wischbaren Behauptungen teile, jetzt habe ich mal was fundiertes gefunden, wo über das Problem gründlich nachgedacht wird.
Für Leute, die noch nie mit einem Marxisten oder einer Marxistin über Politik diskutiert haben, könnte es ein bisschen anstrengend sein das zu lesen (oder hören), aber vielleicht hat ja die eine oder andere von euch trotzdem die Geduld. Teil 1 (Hörzeit: 26 Minuten) und Teil 2 (27 Minuten).
Ultra-Kurzfassung: Eine Verschwörungstheorie ist an sich nichts Böses, sondern ein notwendiger Zwischenschritt, um sich wichtige Teile der Welt erklären zu können.
Ein paar wahllos von mir rausgepickte Erklärungen und Thesen:
ZitatVerschwörungen sind zuallererst keine Phantasien, sondern die notwendige Organisationsform für Handlungen, deren Ankündigung und offene Durchführung ein solches Vorhaben verhindern könnte und/oder strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen würde. Sie werden also notwendigerweise konspirativ geplant und gegenüber Außenstehenden abgeschottet.
Der Kreis der Eingeweihten ist nicht beliebig, sondern auf das Notwendigste eingegrenzt. Zum Schutz des Vorhabens vermeidet man Spuren und belastende Indizien. Da die Eingeweihten in aller Regel die Existenz dieser Organisation/Operation und ihre Teilnahme daran leugnen werden, ist ihre Aufdeckung alles andere als leicht.
ZitatEine Theorie über Verschwörungen zu entwickeln, bedeutet also, sich Begriffe und Merkmale zu erarbeiten, die eine Verschwörung definieren helfen. Dazu braucht man keine Phantasie, sondern Akribie, die noch vorhandenen „Beweismittel“ zusammenzutragen, um sie wie ein Puzzle aneinanderzulegen. Zwischen einer Verschwörung und ihrer (offiziellen) Aufdeckung liegt demzufolge kein Niemandsland, sondern die Theorie.
ZitatWenn man von diesen Realitäten ausgeht, sind Verschwörungen – ohne jede Blutdruckerhöhung – durch eine spezifische Form der (konspirativen, nach außen hin abgeschotteten) Organisationsstruktur gekennzeichnet. Verschwörungstheorien sind also keine brodelnden Küchenherde, wo Phantasien zusammengehext und -gemixt werden, sondern Theorien, die sich bemühen, Strukturen, Handlungen und Intentionen einer solchen Verschwörung so nahe wie möglich abzubilden.
Theorien zu angenommenen und vermuteten Verschwörungen haben sachbedingt keine offenen Archive und herumliegende Beweise. Sie müssen auf unterschiedliche Weise deren Deckung, Geheimhaltung und offizielle Leugnung umgehen, durchbrechen und überwinden. Die einfachste und institutionalisierte ist … abzuwarten, bis die betreffende Regierung geheimgehaltene Dokumente freigibt. Je nach Staatswohlwollen beträgt die Frist 10 bis 120 Jahre. Dann bekommt auf einmal das, was jahrzehntelang eine blühende Verschwörungstheorie war, ein regierungsamtliches (Güte-)Siegel, wie im Zusammenhang mit „Gladio“. Wir werden später darauf zurückkommen.
ZitatTatsächlich ist es in manchen Fällen möglich, dass die Leerstelle, die ein vernichtetes Beweisstück hinterlässt und die Beweismittel, die außer Acht gelassen wurden, zusammen einen Geschehensablauf rekonstruieren helfen, der signifikant besser belegt ist, als die offizielle Version. Diese Möglichkeiten belegen, dass das Argument, Verschwörungen nachzuzeichnen, in Umrissen kenntlich zu machen, könne nur pure Spekulation sein, also Kaffeesatzleserei, vorgeschoben und unhaltbar ist.