Ich mag den Artikel ebenfalls überhaupt nicht. Es fehlt so viel Kontext, so viel Einordnung - im Grunde ist das so ein Anti-Winterhoff-Ding, der ja (Ihr erinnert Euch sicherlich mit Grausen) meinte, wir Eltern würden den Kindern ZU VIEL Verantwortung geben und sollten die Erwachsenenwelt von der geschützten Kinderwelt trennen.
Lustigerweise ist die Auswirkung aber die Gleiche: Instinktives Handeln ist falsch, wir glauben nur, dass es sich gut anfühlt, aber wir irren uns, weil wir einer Ideologie aufsitzen.
Mir ist z.B. nicht klar, wie man im Tuch vorwärts tragen kann, ohne dass der Rücken durchgedrückt wird und die Beine hängen. Wir alle kennen Babys, die die Welt sehen wollen, oder? Die haben wir dann eben doch in den Buggy gesetzt oder auf den Rücken gebunden.
Jane Goodall hat mal in einer Doku, die ich gesehen habe, über eine Schimpansen-Mutter gesagt: "Sie spielt sehr intensiv mit ihrem Sohn. Das ist die wichtigste Voraussetzung, damit er später in der Gemeinschaft seinen Platz findet."
In einer Gemeinschaft, in der es z.B. eine hohe Kindersterblichkeit gibt, wird eine intensive Bindung meistens als schlecht angesehen. Klar, oder? Diese Gemeinschaft wäre sonst voll von vor Trauer völlig unbrauchbaren Eltern.
In einer Gemeinschaft, in der es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass die Eltern die Volljährigkeit ihrer Kinder nicht erleben, wird man eine intensive Bindung ebenfalls nicht stärken.
Mir kommt es so vor, als wäre das Teil der Runa-Idee (die Tante sagt es ja auch so explizit). Kinder herumzureichen, kann sie dann vor späterer Traumatisierung schützen.
Am Ende geht es bei Säuglings- und Kleinkind-Pflege immer darum, dass unser Instinkt uns leitet, die Nachkommen "durchzubringen". Das ist unser genetisches Programm. Und das ist weltweit tatsächlich erstmal überall gleich: gurrende Laute, 30 cm Abstand, erhöhte Stimme, Milcheinschuss bei Lautäußerung etc. pp.
Indigene Völker als Vorbilder zu nehmen, fand ich schon immer seltsam. Das sind Überlebensgemeinschaften, in denen z.T. starre Regeln gelten. Native Americans haben ihre Babys auf Holzbretter geschnallt oder ihre Köpfe verformt.
Mein Gefühl zu dem Artikel ist sehr klar: Winterhoff in anderem Gewand.
Echte Bindung macht Mütter nicht verrückt - sie macht sie ruhig und selbstsicher. Man müsste sie nur einfach in Ruhe lassen.
Gruß
F