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  • liebes expertenteam,


    ich bitte um entschuldigung für die kleinschreibung.


    da ihr uns schon einmal geholfen habt, hoffe ich auch diesmal auf eure anregenden worte. mein sohn ist 3,9 Jahre alt. manchmal wird er wütend oder traurig oder ..., ich kann es nicht immer richtig erkennen was es ist. er schmeißt mit dingen um sich, kratzt, haut,schreit usw. in diesen situationen fällt es mir oft schwer zugewandt zu reagieren. wie bekomme ich meine eigenen gefühle in den griff, fühle mich dann selber ab und zu wie ein wutball? bevor unsere tochter geboren wurde, konnte ich ganz anders auf ihn eingehen. sie wird ein jahr alt.


    manchmal wäre schon eine veränderte reaktion oder aktion meinerseit ausreíchend. z.b. seine selbstgebaute burg bewundern und nicht den klassiker:" mama kommt gleich..", rufen. wenn ich aber die abfahrt verpasse, befinden wir uns im schönsten gefühlskuddelmuddel.


    denkt ihr, er leidet unter unserer situation? da wir keine verwandten in unserer stadt haben, müßen wir uns auf uns verlassen. wie kann ich ihm sicherheit und nähe geben, ohne meine tochter abzugeben. ich versuche einmal in der woche mit aman (meinem sohn) etwas alleine zu unternehmen, mein mann unternimmt öfters etwas mit ihm. wir schlafen alle im familienbett.


    aman ist en tolles kind und verdient einfach das beste, ich hoffe ihr könnt uns einen ratschlag geben.


    vielen dank im voraus!

  • Liebe Bala,


    Dein Sohn war etwa zweidreiviertel, als sein Schwesterchen auf die Welt kam, und damit noch sehr klein. In den allermeisten Fällen ist es für das ältere Geschwisterkind nicht gerade einfach, plötzlich mit einem weiteren Kind in der Familie klarzukommen, das von Mama und Papa ganz offensichtlich sehr geliebt wird und sehr, sehr viel Aufmerksamkeit benötigt. Und je jünger das ältere Kind ist, desto unabdingbarer ist es auf die direkte - und zunächst einmal unteilbare - Liebe seiner Eltern angewiesen.
    Diesen Zusammenhang siehst Du auch, weshalb ich da jetzt gar nicht näher darauf eingehen möchte.


    Es bleibt die Frage, wie man mit der neuen Situation umgeht: Wie gelingt es, dem älteren Kind Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln, ohne dass das jüngere Geschwisterkind allzu sehr zurückstecken muss?


    Einiges hast Du selbst schon genannt: "Inseln" für das größere Kind schaffen, Gelegenheiten, in denen Papa oder Mama etwas ganz exklusiv mit dem älteren Kind etwas unternehmen. Das können ganz besondere Events sein - Ausflüge oder Spiele, für die das Baby noch "zu klein" ist - es ist aber auch wunderbar, wenn in dieser Zeit einfach nur viel gekuschelt und geplaudert wird.


    Der Versuch, das ältere Kind nicht immer wieder zu vertrösten ("Mama kommt gleich...") ist ein lobenswerter, aber mit Baby leider nicht immer direkt umsetzbar. Wichtig ist dabei sicher, das Versprechen sofort einzulösen, wenn die aktuelle unaufschiebbare Tätigkeit (Baby wickeln, stillen, etc.) beendet ist und nicht "mal eben schnell" etwas anderes auch noch zu erledigen. Im Allgemeinen schaffen Kinder mit knapp vier Jahren es hin und wieder ganz gut, einen gewissen Zeitraum zu überbrücken, wenn sie sich sicher sind, dass sie die Aufmerksamkeit, nach der sie sich sehnen, auch erhalten werden.


    Es gibt aber immer wieder Situationen, in denen man, wie Du es beschreibst, "die Abfahrt verpasst" und der Frust und die Wut das ältere Kind schon überrollen, bevor man die Gelegenheit hat, diese Gefühle abzufangen.
    Ich denke, es ist dabei zuallererst wichtig sich klarzumachen, dass diese Gefühle in Deinem Kind existieren, und dass es von Dir nicht unbedingt sofort daraus herausgeholt werden muss. Die Trauer und die Unsicherheit gehören zum Prozess ein großer Bruder (oder eine große Schwester) zu werden in den allermeisten Fällen dazu, und sie immer wieder beschwichtigen und abfedern zu wollen, ist da mitunter gar nicht so hilfreich.
    Ich habe in solchen Momente sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Gefühle des Kindes zuzulassen, indem ich sie benenne und dabei, sofern Dir das leicht fällt, selbst auch Emotionen zeige.


    Wenn das Kind also wütend ist, weil Du nicht sofort zum Vorlesen kommst, dann versuche doch mal, in dieser Situation nicht zu sagen: "Jetzt bin ich doch da" oder "Wir können jetzt vorlesen" oder "Such doch ein Buch aus" oder "Das ist doch wohl nicht so schlimm, dass Du jetzt ein paar Minuten warten musstest", sondern: "Du bist jetzt stinkesauer, dass ich nicht gleich gekommen bin!" oder "Du bist so wütend, dass ich erst noch stillen musste" oder "Das ärgert dich jetzt richtig, da kannst du nur noch schreien."
    Vielleicht kannst Du auch noch ein "Und du fühlst dich traurig, weil ich mich zuerst um das Baby gekümmert habe" dranhängen - wenn ich Deine Zeilen lese, dann denke ich, dass Dir die Gefühle Deines Kindes bewusst sind und Du sehr schnell ein Gespür dafür bekommen wirst, wie Du sie ihm gegenüber ansprechen kannst.
    Es klingt simpel, aber oft ist das Gefühl des Verstandenwerdens, die Tatsache, dass nicht automatisch getröstet und damit irgendwo auch abgewiegelt wird, für das Kind der Moment, in dem es innehalten kann und nicht weiter kämpfen muss.


    Eine andere Idee ist es, Deinem Kind auf andere Art und Weise die Möglichkeit zu geben, seine Gefühle auszuleben und auch zu verarbeiten.
    Kissen zum Draufhauen oder Stifte und Papier, um die Wut aufzumalen, können je nach Temperament des Kindes gute Hilfsmittel sein, um den Gefühlen ein Ventil zu geben, ohne sie zu unterdrücken.


    Und schließlich kann es - für beide - beruhigend wirken, sollten Deine Angebote für den Moment allesamt nicht fruchten, schweigend neben dem wütenden und verzweifelten Kind zu warten, bis es sich soweit beruhigt hat, dass es Deine Arme annehmen kann.


    Wichtig bei alldem ist es, dass Du Deinen Anspruch nicht in unerreichbare Höhen hängst.
    Ein Geschwisterkind in die Familie zu integrieren IST schwierig: für das Kind und auch für euch Eltern.
    Ängste und Wut gehören oft zum Zusammenwachsen dazu - nicht nur beim älteren Geschwisterkind.
    Die komplette Familie sortiert sich neu, und jeder darf sich in dieser Situation zugestehen, dass nicht immer alles glatt laufen wird.
    Man wird immer mal wieder "die Abfahrt verpassen", und auch danach wird man - aus Zeitgründen oder aufgrund persönlicher Erschöpftheit - nicht immer so reagieren, wie man es sich gewünscht hätte.
    Aber Dein Kind wird auch daran wachsen, wenn es Dich mal ungerecht, gereizt oder unabkömmlich erlebt, so lange Du Dich in einem ruhigen Moment auch mal entschuldigen kannst, oder den Versuch unternimmst, Dich zu erklären.


    Sehr, sehr viele Gedanken, die für eure Situation hilfreich sein könnten, findest Du mit Sicherheit auch in dem Buch "How to Talk So Kids Will Listen & Listen So Kids Will Talk" von Adele Faber (Die deutsche Version heißt (etwas unglücklich übersetzt): "So sag ich's meinem Kind: Wie Kinder Regeln fürs Leben lernen").


    Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute. :)