Also für mich, die ich hier ja offen über das "Hadern" berichte, war das ein langer, langer Prozess. Und gehört voll und ganz in den Genderkacke-Thread.
Ich WOLLTE immer klein sein. Weil ich eine gute Frau sein wollte.
Ich war lange stolz darauf, das kleinste (aka zarteste) Kind in der Klasse zu sein.
Ich bin gern in die Tanzschule gegangen, weil ich stets passende Tanzpartner fand, selbst in einem Alter, in dem viele männliche Jugendlich ihren großen Wachstumsschub noch gar nicht hatten.
Ich habe mich sicherlich nicht zufällig in einen sehr großen Mann verliebt, der auch noch übergewichtig ist. Seine Oma - aus Ostpreußen stammend - nannte mich "Dünnchen", weil ich neben ihm immer zart aussehe, egal, wie breit ich inzwischen bin.
Ich habe große Frauen bemitleidet, weil sie auffallen, kam mir selbst neben kleineren Personen linkisch und grob vor und ging davon aus, dass es allen größeren Menschen so gehen muss.
Ich habe lange versucht, "süß" zu bleiben, weil ich völlig verinnerlicht hatte, dass das eine begehrenswerte Eigenschaft ist (nachdem mir das mehrmals von Männern rückgemeldet wurde und der Begriff sich auch im Deutschen als Synonym für erotisch attraktiv - cute - etabliert hatte).
Ich könnte noch viel mehr aufzählen, viele kleine Details.
Ich habe keine Sekunde mit meiner Größe gehadert, selbst dort, wo ich "zu klein" war nicht, denn zu klein war immer noch besser als zu groß.
Es hat Jahrzehnte gedauert, in denen ich begriffen habe, dass meine Ideen alle aus einem verdrehten, traurigen System kommen. Und irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass süß und zart und klein für viele das Gegenteil von stark, durchsetzungsfähig und ernstzunehmen ist. In meinem Beruf ist mir das Süßsein sehr bald auf die Füße gefallen, ich profitiere enorm davon, dass ich inzwischen eine Lesebrille habe und graue Haare bekomme.
Deshalb bringe ich hier immer wieder den Vergleich mit den Kindern, auf die man herabschaut. Auch wenn das für viele hier offenbar gar nicht passt. Solange im Bild von Frauen in der Gesellschaft kleine Körpergröße mit zarter Gesundheit assoziiert wird, solange meine Größe Beschützerinstinkte auslöst oder gönnerhaften Paternalismus, hadere ich.
Solange mein Gewicht in der Medizin nicht berücksichtigt wird, solange ich meine Sicherheitsgurte nicht so einstellen kann, dass mir bei einem Unfall nicht die Luft abgeschnitten wird, hadere ich.
Ich verlange nicht, dass die ganze Welt an meine Größe angepasst wird. Ich verstehe, dass die Sitze in der Bahn für mich genauso unbequem sind wie für meinen riesigen Mann, das geht nun mal nicht anders. Aber ich benenne, dass klein und zart sein NICHT immer prima ist. Und dass groß sein auch etwas Gutes sein kann, auch und vielleicht besonders für Frauen.
Seit ich eine Dokumentation gesehen habe, in der die Größenunterschiede weltweit zwischen Männern und Frauen in unserer Spezies untersucht wurden, finde ich Kleinsein jedenfalls nicht mehr so schick wie früher ... (Edit: Gerade gesehen, ist eben verlinkt worden - sicherlich insgesamt recht streitbar die Doku, aber die Ansätze sind interessant)
Natürlich kann ich mir tausend Gründe vorstellen, warum man ebenso wenig größer sein möchte als der Durchschnitt. Aber die Frauen und Mädchen, die ich kenne, bei denen das der Fall ist, leiden vor allen Dingen deshalb, weil ihr Selbstbewusstsein nicht zu ihrer körperlichen Auffälligkeit passt. Und der Grund ist das Bild der Gesellschaft, nach dem Frauen kleiner als Männer sein müssen (was genauso ein Riesenproblem für kleinere Männer ist, von denen ich auch einige kenne).
Also am Ende berichte ich nur über mich selbst, aber ich lande bei Talpa: Meine Körpergröße ist kein Problem. Aber die Gesellschaft, in der ich klein bin, hätte ich gern anders.
Gruß,
F