So viele Baustellen - sorry, sehr lang
Liebes Expertenteam,
nun ist es soweit, dass auch ich mir eure Hilfe erbitte.
Kurze Info zu meiner Familiensituation:
Mein Mann und ich sind vor einem Jahr in eine neue Stadt gezogen. Ende September wurde unsere Tochter geboren. Unser Sohn (3,6 Jahre) geht seit Anfang September in den Kindergarten.
Wie oben zu lesen, hab ich einige Baustellen zu bearbeiten. Auswirkungen haben alle auf das Verhalten meines Sohnes und mein Verhältnis zu ihm.
So recht weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Ich denke, zuerst beschreibe ich euch meinen Sohn und was sich so verändert hat.
Er war in den letzten drei Jahren bei mir zu Hause und ein sehr selbstständiges Kind. Er hat ausdauernd und mit viel Phantasie gespielt. Nicht mit Spielzeug, sondern mit allem anderen, was es so gibt in Haus und Garten. Er kann seine Gefühle soweit ganz gut artikulieren, sagt, was er will und was nicht und was er blöd findet.
Nun ist es so, dass er nicht mehr spielt. Nur ganz schwer findet er ins Spiel und Spielzeug ist sowieso nichts für ihn. Maximal Duplosteine (selten), Puzzles (nur in Begleitung) und Bücher zum Vorlesen. Wenn er draußen ist und baggert, schaufelt und räumt, ist die Welt für ihn in Ordnung... Doch in letzter Zeit, mag es am Wetter liegen oder nicht, will er auch nicht mehr raus gehen.
Im Kindergarten, den er seit September besucht, ist es ähnlich. Er tüddelt nur durch die Zimmer und findet selten zu einem richtigen Spiel. Wenn er im Garten zu tun hat, ist er fast nicht mehr zum Reingehen zu bewegen.
Dass er nicht mehr spielt, wirkt sich sehr negativ auf mich aus. Wenn er zu Hause ist, dann dümpelt er nur bei mir rum. Sitz in der Küche rum, ohne etwas zu tun. Beschwert sich, wenn ich das Zimmer verlasse. Schreit mir hinterher: "Aber ich will nicht alleine sein!"
Dazu kommt, dass er unheimlich nah am Wasser gebaut ist in letzter Zeit. Er heult und knigelt bei jedem kleinen bisschen. Sei es, dass die Butter nicht richtig auf dem Brot verteilt ist, oder ihm ein Glas runterfällt, oder ich grad an ihm vorbei gegangen bin und er "im Weg" stand.
Dabei weint er und wird wütend und unheimlich knatschig. Er beruhigt sich auch nicht wieder. Manchmal darf bzw. soll ich zu ihm kommen. Dann sagt er: "Du musst mich trösten, sonst beruhige ich mich nicht!" und andermal soll ich weggehen. Oft lass ich ihn dann einfach. Ich hab auch nicht die Kraft, mich jedes mal zu ihm zu knien und ihn zu trösten. Oft ist mir der Grund des Weinens einfach zu lapidar. Es geht einmal hüh und einmal hott. Erst will er einen Keks mit Schokolade und dann will er nicht. Und egal was, es ist falsch was ich tu und er weint!
So, nun zur zweiten Baustelle...
Ich merke, dass mir hier in der neuen Stadt die Decke auf den Kopf fällt. Es fällt mir so unheimlich schwer sozialen Anschluss zu finden. Und ich bemühe mich wirklich sehr.
Bevor wir hier wohnten, war ich mit meinem Sohn weitestgehend allein zu Hause und mein Mann 4/5 Tage die Woche auf Montage. In dieser Zeit hatte ich eine Freundin, mit der ich mich mehrfach die Woche traf und austauschen konnte. Doch das Verhältnis ist zerrüttet und über die lange Distanz auch nicht zu halten gewesen.
Auf Familie kann ich im großen und ganzen nicht zurückgreifen (siehe nächster Punkt).
Das paradoxe daran ist, dass ich einen sozialen Beruf (staatl. anerkannte Erzieherin) erlernt habe und immer mit Menschen gearbeitet habe.
Doch privat fällt es mir so unheimlich schwer, Menschen/Freunde kennenzulernen. Und ich spüre, dass ich den Austausch brauch. Und wenn es ein Plausch beim Kaffee ist.
Ich geb mir ja Mühe und besuche einen Pekip-Kurs und geh zur Stillgruppe. Nur sind die meisten Frauen da ein wenig anders als ich und ich hab keine Kraft mehr, mich damit auseinander zu setzen. Ich mag nicht mehr groß und breit verteidigen, warum ich im Familienbett schlafe und warum mein Kind nicht mir 4 Monaten Brei bekommt und warum meine kleine nicht schreiend ins Bettchen gelegt wird und allein einschlafen muss und warum meine Kinder nicht geimpft sind und warum ich mein Baby im Tuch trage. Ich bin es einfach leid...
Es wär so schön, jemanden zu treffen, bei dem die Chemie stimmt und ich mich nicht erklären muss, weil der andere es schon weiß und es ebenso oder ähnlich macht.
Ich habe schon richtig Angst, wenn ich eine Mama kennenlerne, dass ich irgendetwas sage und ich blöde Blicke einfange. Ich sag teils schon gar nichts mehr.
Jetzt kommt die Familienbaustelle:
Ich bin sooooo wütend und so traurig, dass es langsam nicht mehr zu unterdrücken geht.
Meine Eltern sind beide verstorben und die Umstände machen mich so unglaublich wütend. Zwei Wochen vor der Geburt meiner Tochter verstarb mein Vater. Nicht unverhofft. Nein. Er hat sich, genau wie meine Mutter vor acht Jahren totgesoffen. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Und ich habe ihn beerdigt, meinen Sohn im Kindergarten eingewöhnt und dann Ende September meine kleine Tochter zu Hause geboren. Und nun ist die Luft raus. Und ich kann nicht mehr so recht funktionieren. Es fällt mir immer schwerer, nicht daran zu denken und nicht traurig und wütend zu sein.
Und es ist ja nicht so, dass ich nicht schon vor acht Jahren das gleiche durchlebt hab und in therapeutischer Behandlung war. Und ich weiß, dass ich in der Hinsicht Hilfe brauch. Denn ich kann nicht mehr lange allein damit umgehen. Mein Mann ist für solche Sachen die falsche Adresse. Das überfordert auch ihn.
Er wäre dann auch meine nächste Baustelle:
Ich liebe ihn und hege nicht die Absicht mich zu trennen! Dies sei vorweg gesagt.
Doch er hilft mir auch so wenig und hat macht so Sachen, die ich nicht mag. Das fängt bei kleinen Dingen an: er raucht und das finde ich (als ehemalige Raucherin) nicht in Ordnung. Zumal er mit den Kindern im Bett schläft. Aber seine ganze Familie raucht und ich finde es nicht gut, wenn mein Sohn solche Vorbilder hat. Er sagte schon: "Mama, aber Männer rauchen immer." 8I
Dann ist sein Feierabendbier mir schon ein Dorn im Auge (siehe vorige Baustelle). Und ich glaub nicht an das "es schmeckt mir einfach und nach einem langen Tag gönn ich mir das".
Ich hasse sein PC-gezocke (WoW) - das ist nicht im entferntesten das, was ich mir als Hobby für einen Vater vorstelle, das er mal mit seinem Sohn teilen kann.
So das waren die kleinen Dinge, das größte ist die Sache, dass er mich in finanziellen Dingen allein lässt. Es sieht nicht gut aus bei uns und es braucht sicher auch noch einige Zeit, bis sich alles in geregelte Bahnen bewegt hat. Mein Mann war lange selbstständig und wir haben noch eine Menge Altlasten zu begleichen. Er geht seit Mai 2012 einer Tätigkeit als Angestellter nach. Doch um alle Anträge bei öffentlichen Stellen, um Unterstützung (Wohngeld, Kinderzuschlag etc.) muss ich mich allein kümmern. Selbst um seine Steuererklärung und seinen Kontostand und seine Telefonrechnungen muss ich mich kümmern.
Ich will mich da nicht mehr kümmern. Ich will mal einen Mann haben, der sich selbst kümmert! Der sich und sein Leben in die Hand nimmt und Vorbild ist und stark und sich kümmert.
So, jetzt hab ich mein Herz ausgeschüttet und weiß immer noch nicht, wo ich anfangen soll, etwas zu ändern, damit es mir besser geht.
Ich fühl mich erschöpft und hab das Gefühl, dass alles mich erdrückt. Dass ich nicht mehr standhalten kann. Und am meisten macht es mir Angst, dass es meine Kinder aushalten müssen und ich nicht angemessen und ihnen würdig mit ihnen umgehen kann, weil mir die Kraft und die Nerven fehlen.
Danke fürs durchhalten und lesen.
Vielleicht habt ihr eine Strohhalm für mich, der mir ein bisschen Halt gibt.