Warum fehlt der Nachwuchs für Hausgeburtshebammen?

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    • Offizieller Beitrag

    Also, vielleicht sind hier ja ein paar Hebammen unterwegs, oder ein paar, die noch vorhaben eine solche zu werden.
    Ich habe ja mit soooo viel Glück eine tolle Hausgeburtshebamme gefunden und war gleichzeitig erschlagen von den vielen "Wellnesshebammen", die es stattdessen wie Sand am Meer zu geben scheint, die mit der Geburt an sich gar nichts mehr zu tun haben (und auch nie jemals wollten).


    Jetzt hab ich mich neulich mal ein wenig mit 'ner Bekannten unterhalten, die ebenfalls Hebamme ist. Abgesehen von den Hebammen, die eben aus sehr verständlichen versicheruntstechnischen Gründen die Geburtsbegleitung seinlassen wollten/mussten, ist es wohl so, dass von den jungen, die nachkommen, nur sehr wenige für Hausgeburten & Co. zu begeistern sind. Es gibt wohl viele Praxen, die ernsthafte Nachwuchsprobleme hätten.


    Das verblüfft mich gerade, muss ich zugeben, denn gefühlt wäre das für mich, wäre ich eine Hebamme, eben genau die Kernaufgabe meines Jobs und auch das, was ich an der Tätigkeit am interessantesten fände.


    Was wisst oder vermutet ihr, hält die "nachkommende Generation" an Hebammen davor ab, eigenständige Geburtshilfe zu leisten, bzw. in dem Bereich tätig zu sein?

  • Der Stress und die wirklich miese Vergütung, dazu das Risiko und die Versicherungskosten.
    Ich sollte ja erst eine Hausgeburt haben aber da ich am Ende der Schwangerschaft schlechte Blutwerte hatte, sagte meine Hebamme, das Risiko wäre ihr zu groß, das könne sie nicht machen. Denn sobald es ein Problem gäbe, müsste sie das verantworten und würde im Zweifelsfalle sogar angeklagt werden.

  • Meine Schwägerin hatte die Option, a) eigene Praxis aufbauen bzw. bei ihr relativ unbekannten Hebammen in die Selbstständigkeit einsteigen b) ins Krankenhaus als Angestellte zu gehen oder c) in ihrer Heimat aktiv zu werden, was gleichzeitig bedeutet, bei ihrer Mutter einsteigen zu müssen. Die Wahl war nicht schwer, sie ist in ein Krankenhaus etwas weiter entfernt gegangen.

    Ich hänge mich erst auf, wenn alle Stricke reißen!

  • Und dazu kommt, dass man ja auch wirklich kaum Freizeit hat. Du bist ja die ganze Zeit auf Abruf, als Hebamme ja eh schon, als Hausgeburtshebamme ja aber die Wochen um die Geburt extrem.
    Und die Versicherungen für sie werden ja auch immer teurer.

    kLeiN- uNd GrOß-SchrEibUnG hat mein Handy gefressen...

  • Ich kann mich da nur anschließen. Hausgeburtshebamme (oder auch für Beleggeburten oder im Geburtshaus) zu sein ist kein Job, den man mögen sollte sondern einer, den man lieben muss, sonst macht man ihn nicht.


    Die Vergütung ist mies und wird immer mieser durch steigende Kosten, die Verantwortung ist groß, Freizeit gibt es kaum, man muss immer abrufbereit sein, auch mitten in der Nacht, an Weihnachten oder bei sonstigen Familienfeiern, was trinken darf man quasi nie, mit eigenen Kindern ist das sehr schwer machbar. Die unregelmäßigen Zeiten stressen und gehen auch auf die Gesundheit. Kann sein, dass man x Nächte keinen Schlaf bekommt und trotzdem darf man sich keinen Fehler erlauben, muss immer einfühlsam und kompetent sein.


    Das ist ganz ehrlich ein Knochenjob, für den man viel leisten muss. Man bekommt auch was zurück, ganz klar, aber nicht alle sind bereit den hohen Preis zu zahlen für das Glück werdende Mütter bei einer so intimen Sache wie der Geburt begleiten zu dürfen.


    Wir haben hier im Umkreis von 50 km keine einzige Hausgeburtshebamme mehr. ;(

    • Offizieller Beitrag

    Hm, gut, an der Vergütung könnte man ja was drehen. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen im reichen München oder Stuttgart eben sozusagen "Privathausgeburtshebammen" zu haben. (Uns wär das so wichtig gewesen, das hätten wir schon irgendwie gezahlt)
    Da wäre dann auch genug Kohle für das leidige Versicherungsthema übrig.


    Aber mir deucht, das liegt auch an dem Konzept bzw. der Geisteshaltung, die hinter Hausgeburten & Co. steckt und dass das die Nachkommenden nicht mehr so tragen.
    Es hat sich ja auch bei der Ausbildung einiges geändert, und Tastbefunde richtig stellen zu können ist wohl auch keine Selbstverständlichkeit mehr.

  • Meine Hebamme, die Hausgeburten macht, hat mir grade erzählt, dass jetzt wieder neue Auflagen von der Versicherung kamen, die ihr Kosten verursachen und sie Zeit kosten, in der sie aber natürlich nichts verdient. Sie hat mir auch mal gesagt, was sie pro Quartal an Versicherung zahlen muss, und das allein waren über tausend Euro.


    Sie hatte aber neulich eine Praktikantin mit, die jetzt im dritten Lehrjahr ist. mit der habe ich mich auch ein wenig unterhalten. Für sie war es ein himmelweiter Unterschied zwischen den Geburten, die sie im Krankenhaus begleitet und den Hausgeburten, die sie in ihrem Praktikum erlebt hat. Das hat sie richtig umgehauen, im positiven Sinn. Sie sagt im KH kennt sie nach der Geburt oft nicht einmal den Namen der Frauen, denen sie geholfen hat, weil immer drei, vier gleichzeitig zu betreuen sind.
    Trotzdem will sie nach ihrer Ausbildung zunächst mehrere Jahre in einem Krankenhaus arbeiten und Erfahrung sammeln, und sie hat auch Bedenken wegen der Schwierigkeiten und Kosten mit denen es verbunden ist Hausgeburtshebamme zu sein.

  • Hm, gut, an der Vergütung könnte man ja was drehen. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen im reichen München oder Stuttgart eben sozusagen "Privathausgeburtshebammen" zu haben. (Uns wär das so wichtig gewesen, das hätten wir schon irgendwie gezahlt)
    Da wäre dann auch genug Kohle für das leidige Versicherungsthema übrig.


    Hm. Ich habe so ein Bild im Kopf von einer Hebamme, aufgrund dessen ich vermuten würde, dass viele Hebammen gar nicht auf die Idee kämen zu sagen: bei mir kostet die Geburtsbegleitung x.000 Euro.


    Die Faz schrieb dazu:

    Zitat

    Eine freiberufliche Hebamme erzielt durchschnittlich im Jahr 23.300 Euro Umsatz. Das zu versteuernde Einkommen in Vollzeit liegt bei 14.150 Euro im Jahr - bei vollem unternehmerischen Risiko.
    http://www.faz.net/aktuell/ges…t-nicht-mehr-1994346.html


    Das finde ich wirklich brutal wenig. Angemessen wäre doch eher ein Gewinn irgendwo im Bereich ab 35.000 Euro aufwärts, oder?


    Wenn man Hausgeburten betreut, kann man ja viel weniger Geburten betreuen als eine Beleghebamme im Krankenhaus.


    Zitat

    Sie muss wie alle Hebammen, die fest in Krankenhäusern angestellt sind, 118 Kindern pro Jahr auf die Welt helfen – vorgeschrieben in der Stellenberechnung. „Das sind völlig überholte Regelungen“, sagt sie. Anhand der Zahl der Geburten pro Jahr wird die Anzahl der einzustellenden Hebammen errechnet. In ihrem Krankenhaus sind es 1300 Geburten, das macht elf Hebammen.
    http://www.tagesspiegel.de/wel…en-im-akkord/3637096.html


    Sagen wir mal, eine Hebamme, die Hausgeburten macht, kann irgendwas um die 25 Geburten pro Jahr betreuen (ist das realistisch?). Sie braucht eine Ausrüstung und Fortbildungen und ein Auto und eine Berufshaftpflicht und eine eigene Kranken- und Pflege- und Rentenversicherung. Sagen wir mal, 400 Euro Betriebsausgaben für das Auto pro Monat, 350 für die Haftpflicht, 450 für Kranken- und Pflegeversicherung, 300 (?) für die Altersvorsorge und 200 für Fortbildungen und hassenichgesehen.
    Um da auf den oben genannten Gewinn zu kommen, müsste sie zwischen 2000 und 2500 Euro pro Schwangerschaft verlangen, richtig?


    Wäre interessant, ob es dafür einen Markt gibt. Ich kann mir das schon vorstellen, gerade in Gegenden mit vielen wohlhabenden Menschen, da stimme ich dir zu. Man muss sich halt trauen, das zu verlangen…


    Ich glaube, was ich eigentlich sagen will: Bitte traut euch.

  • Wäre interessant, ob es dafür einen Markt gibt. Ich kann mir das schon vorstellen, gerade in Gegenden mit vielen wohlhabenden Menschen, da stimme ich dir zu. Man muss sich halt trauen, das zu verlangen…


    Ich glaube, was ich eigentlich sagen will: Bitte traut euch.


    Ja! Und Frauen/Familien die finanziell schlecht dastehen kann man dann ja immer noch entgegen kommen. #ja

  • In GB gab es zumindest vor ein paar Jahren, als wir da gelebt haben, zwei Arten von HG-Hebammen. Die einen wurden vom NHS (National Health Service) bezahlt und teilten sich die Arbeit im Team. Von 10 Hebammen waren immer 3-4 in Rufbereitschaft, und eine davon kam halt dann zur Geburt bzw. zu den Wehen, für die eigentliche Geburt kam noch eine zweite.


    Alternativ dazu konnte frau sich eine unabhängige Hebamme organisieren, die freiberuflich arbeitet und außer der Geburt auch Vor- und Nachsorge macht. Also eher vergleichbar mit dem deutschen System. Kostenpunkt vor ca. 5 Jahren: rund 3000€.
    Leider gab es zumindest 2010 in GB keine einzige Versicherung mehr, die unabhängige Hebammen versichert hätte. Frauen, die ihre "eigene" Hebamme haben wollten, mussten das sozusagen auf eigene Gefahr tun.
    Aber vom Preis her halte ich die 3000€ für realistisch.


    Ich fand es toll, dass das britische System so flexibel war. Sowas fände ich auch in D toll.

    Mirjam mit Clown (2006) und Spaßvogel (2008) und Quatschkopf (2010)

  • Sagen wir mal, eine Hebamme, die Hausgeburten macht, kann irgendwas um die 25 Geburten pro Jahr betreuen (ist das realistisch?).


    Meine Schwiegermutter betreut ca. 500 Geburten im Jahr, die meisten Hausgeburt oder Geburtshaus bzw. in ihrer Praxis haben sie ein vollwertiges Geburtszimmer. Die ist aber in aller erster Linie Hebamme und danach kommt eine ganze Weile nix mehr.

    Ach ja, ich war bei meiner letzten Geburt bei einem Team von drei jungen Hebammen, die neben einer kurz vor der Rente stehenden Hebamme die einzigsten Hebammen sind, die HG machen. Und die machen sie auch nur auf ausdrückliche Anfrage. Was ich insbesondere krass finde ist, wieviel Papierkram wir ausfüllen mussten. Bei der Geburt der Großen musste ich gerade mal die Termine der Vor- und Nachsorge unterschreiben. Kann natürlich auch daran liegen, dass meine alte Hebamme um die 500 Jahre alt ist und keine Lust mehr hat, jetzt noch mal mit so einem Mist anzufangen... ^^


    PPS: Für unsere Hausgeburt müssen wir dennoch 100 Euro zahlen- Rufbereitschaft für die zweite Hebamme (die wir zwar nicht brauchten, aber... ). Die Rufbereitschaft für die erste Hebamme, 200€, hat die KK übernommen, sonst hätten wir die auch noch zahlen müssen.

    Ich hänge mich erst auf, wenn alle Stricke reißen!

    3 Mal editiert, zuletzt von Njnia ()

  • Wir wurden von einer Hebammenpraxis betreut, die Haus- und Praxisgeburten begleitet. Jede Schwangere lernt alle Hebammen des Teams kennen, die kooperieren und sich gegenseitig vertreten. Unsere Hebammen berichteten, dass es sich von außerklinischer Geburtshilfe schon noch leben lässt, aber ihrer Erfahrung nach nur im Team. An interessierten Hebammen, die in das Team einsteigen wollen, mangele es nicht, allerdings reicht es der Praxis nicht, wenn Geburtshilfeerfahrung nur aus dem klinischen Kontext mitgebracht wird. Deshalb müssen potentielle neue Teammitglieder eine außerordentliche Weiterbildungsbereitschaft mitbringen und zunächst längere Zeit als "zweite" Hebamme bei Geburten dabei sein, was finanziell nicht prickelnd ist.

  • FÜNFHUNDERT?


    Die macht ja fast zwei Geburten pro Tag, wie schafft sie das denn? Ist da überhaupt noch Zeit für ausführliche Vor- und Nachbegleitung? Denn das gehört doch auch dazu.


    Die Hebammenpraxis umfasst vier Hebammen und drei, die irgendwas anderes machen, was halt so dazugehört, Stillberatung, Akupunktur und so Zeugs. Davon abgesehen macht die Frau Bücher, Fortbildungen, Vorträge, Ausbildungen, Familienbetreuung, Ehrenämter und weiß der Kuckuck noch was. Das geht natürlich alles zu Lasten der Familie, weshalb ich auch nichts genaueres weiß. Die Zahl stammt von meinem Mann und ist ca. 5 Jahre alt.
    Das ist auch nicht sonderlich repräsentativ. Sie gehört eindeutig zu de erfolgreichen Hebammen in Deutschland...

    Ich hänge mich erst auf, wenn alle Stricke reißen!

    Einmal editiert, zuletzt von Njnia ()

  • Ja also ich denke auch der Arbeitsaufwand ist einfach enorm. Meine Hebamme hat mich kurz vor der Geburt angerufen und gefragt, ob es ok für mich wäre, wenn sie einen Wein trinkt. Ich denke da geht einfach wahnsinnig viel Entscheidungsfreiheit drauf.

  • Meine Schwester arbeitet in einer hebammenpraxis als selbstständige und ist auch im Krankenhaus angestellt. Die chefhebamme (also der die Praxis gehört) macht auch hausgeburten. Meine Schwester arbeitet noch nicht so lange in diesem Beruf und kann sich die Versicherungskosten für hausgeburten einfach nicht leisten. Sie würde sonst gerne voll in der Praxis arbeiten und halt so ein paar hausgeburten pro Jahr machen, ist aber finanziell einfach nicht drin. Auch der Aufbau eines Geburtshauses ist im Gespräch (hier in der Stadt gibt es noch keins), da wurde meine Schwester schon gefragt, aber das finanzielle halt. Und die Versicherungskosten. Das steht junghebammen wohl sehr im weg. Ich find es ist der Wahnsinn wie wenig Geld meine Schwester bekommt. Die rumfahrerei und die Parkgebühren und so, mittlerweile kann man wohl wenigstens ein Ticket hier in der Stadt kaufen und das ins Auto legen damit man nicht bei jedem parkautomaten noch 3 Euro reinschmeißen darf... Also so Kleinkrams darf man ja auch nicht unterschätzen.

  • Als Hebamme hat man doch- wie als Arzt auch- einen Ausweis, den man ins Auto legt und mit dem man berechtigt ist, auch "einfach so" irgendwo zu parken. #gruebel
    Wäre ja noch schöner, wenn ich mein Kind alleine kriegen müsste, weil die Hebamme keinen Parkplatz findet! #hammer

    Ich hänge mich erst auf, wenn alle Stricke reißen!

    Einmal editiert, zuletzt von Njnia ()

    • Offizieller Beitrag

    Das ist glaube ich eine urbane Legende - Ärzte, Hebammen und Co brauchen genauso wie jederman einen normalen Parkplatz.
    Ausschliesslich Rettungsfahrzeuge dürfen sich hinstellen, wo sie möchten.


    Oft drücken die Polizisten ein Auge zu - aber offiziell ist das wohl nicht.


    Bei uns kommen die Hebammen meist per Fahrrad.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Also den Ausweis fürs Auto kann man hier beantragen. Das erfährt man aber irgendwie auch nur über Umwege und das muss man definitiv bezahlen. Ich weiß nicht wie teuer das is, aber man muss jährlich irgendeinen Betrag abdrücken. Ansonsten gibts nen Strafzettel.


  • Viele, viel Gründe die dagegen sprechen als Hausgeburtshebamme zu arbeiten, leider.
    Wennes wenigstens ordentlich Geld dafür gäbe...

    "Über besorgte Bürger wusste er Bescheid. Wo auch immer se sich aufhielten: Sie sprachen immer die gleiche private Sprache in der "traditionelle Werte" und ähnliche Ausdrücke auf "jemanden lynchen" hinaus lief." Terry Pratchett: Die volle Wahrheit
    LG Bryn mit Svanhild (*01), Arfst (*02), Singefried (*09) und Isebrand (*12)