Das große Thema "Müssen"

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  • So, Ihr lieben, ich dreh mich im Kreis und komm aus der Denkspirale nicht mehr raus.
    Es geht ums Müssen. Meine Tochter - ein sehr willenstarkes, kreatives und manchmal nicht einfaches Kind - kommt in nicht mal mehr 2 Wochen in die Schule. Dort "muss" man vieles. Aufpassen, mitmachen, lernen, ruhig sein ... eine endlose Liste tut sich auf. #kreischen


    Das "Müssen" ist ihr natürlich nicht unbekannt, man muss ja soviele Dinge tun, um satt/wach/sauber/BlaseLeer etc. zu werden. Damit hat sie sich, willensstark und hinterfragend, wie sie ist, mittlerweile abgefunden. War ein langer Prozess.
    Wenn sie aber wirklich etwas muss (z. B. die nötige Untersuchung beim Arzt, weil Verdacht auf Ringelröteln), was eben sein muss, da tut sie sich sehr schwer. Auch Erklärungen und vorherige vorbereitende Gespräche sind in diesen Momenten fast nutzlos. Sie macht dann regelrecht zu und ist für nichts und niemanden ansprechbar.
    Manchmal antwortet sie auf Forderungen oder Bitten unsererseits sogar "Ich muss gar nichts." Wenn sie sowas sagt, macht mich das regelrecht hilflos und wütend zugleich.
    Sie wird bald 7 und ist zur zeit sehr zahnlückenpubertätsmäßig drauf. Das macht das ganze nicht leichter.


    Habt Ihr eine Idee, wie wir mit diesem neuen "Müssen" umgehen können, oder irgendeinen Ansatz, der mir hilft, sie noch besser zu verstehen?
    Mein Dank sei Euch gewiß.

    Listen to people who talk less - often they have to say more.

    Clarinella mit Pubertier (13) und Schnuffi (9)

  • Überlass das in der Schule mal der Lehrerin. :) Da kannst du sowieso nicht einwirken, du bist ja nicht dabei. Mach dir Gedanken um die Hausaufgabensituation, das beunruhigt mich auch ein wenig (der Große kann auch sehr willensstark sein...), aber ich lass es auf mich zukommen.

    mit Sohn groß (2007) und Sohn klein (2010)

  • Ich kann leider keine konkrete Hilfe geben. Aber mein Bruder war auch so drauf. Es gab bis zum Abitur diese Diskussionen. Achja, im Zivildienst auch noch. Er hat dann nach der Ausbildung aber freiwillig mit großem Erfolg und Spaß noch studiert. Bis heute ist aber Arbeiten nicht die Erfüllung, sondern nur das Mittel um Geld zu verdienen fürs Leben und die Freizeitgestaltung.

  • Zitat

    Zitat von Fürchel:
    "Überlass das in der Schule mal der Lehrerin. :) Da kannst du sowieso nicht einwirken, du bist ja nicht dabei. "

    Da unterschreib ich mal ganz fett. Vielleicht erledigt sich manches Trotzverhalten ganz von selbst, wenn die ganze Gruppe etwas macht. Da will so manches Kind dann erstmal lieber nicht auffallen.


    Allerdings finde ich es wichtig, dass du daheim, z.B. in der Hausaufgabensituation, die Lehrerin unterstützt. Wenn man als Eltern selbst ein ambivalentes Verhalten gegenüber der Schule zeigt (Einserseits: "Mach deine Hausaufgaben!" Andererseits: "Hausaufgaben sind eh blöd und überflüssig", "Was ist denn das für eine sinnlose HA?" o.ä.), dann erschwert man den Kindern eher das Einleben in den Unterrichtsalltag.


    Das da oben waren nur von mir aus der Luft gegriffene Beispiele.


    Am besten lässt du deiner Tochter deine Sorgen möglichst nicht anmerken und lässt das alles auf dich zukommen. #yoga Nix wird so heiß gegessen wie´s gekocht wird. :)

  • Ich spreche nicht aus Erfahrung, jedenfalls nicht mit eigenem Kind.


    Aber : ich bin auch dafür, die Schulsituation der Schule zu überlassen und ich wäre gar dafür, die Hausaufgaben dem Kind zu überlassen. Es sind ihre Aufgaben, warum musst Du da "Du musst" sagen. Ich finde, es wäre ein Versuch Wert, sich mal eine Weile (halbes Jahr?) gar nicht einzumischen.

  • Bekommt ihr eine gute Lehrerin?
    Hier ist es so, dass die Lehrer sich innerlich darauf einstellen, dass die Kinder bis zu den Herbstferien erstmal die Regeln lernen, die Umgebung kennenlernen und natürlich eine Klassengemeinschaft bilden. Diese Zeit ist für die Lehrer immer recht anstrengend, aber die schaffen das in der Regel sehr gut! In der Schule gilt für alle Kinder das Gleiche und da Kinder in der Regel durchaus kooperieren wollen, finden sich Lehrer und Schüler dann auch zusammen.
    Versuch deiner Tochter zu vertrauen :) Die wurschtelt sich da schon durch, mit allen Höhen und Tiefen, die Schule heute eben bedeutet.

    LG Miriam mit 2 Jungs (2004 und 2006)

  • Hallo Clarinella,


    meine Tochter war so vier, da hat sie mir gesagt "ich muss gar nichts außer mal sterben". Das Wort "müssen" ruft bei ihr eine sofortige und heftige allergische Reaktion hervor.
    Und das ist einer der Gründe, warum sie sich in der Schule sehr schwer tut. Anders als von mir befürchtet, ist sie nicht den Weg der totalen Konfrontation gegangen und sie ist auch nicht im totalen Widerstand - dafür sagt sie mir jeden Tag, dass sie die Schule hasst, dass sie sich dort langweilt und sie es nicht ausstehen kann, dort immerzu zu "müssen".


    Noch funktioniert sie allerdings, d.h. sie hält sich an die Regeln in der Schule, ist mir ihren Schulsachen ordentlich und macht ihre Hausaufgaben selbständig und gewissenhaft. Und da sie noch unheimlich gerne mit ihren Freundinnen spielt und daher sozial gut integriert ist + sie den Schulstoff spielend beherrscht, hat die Lehrerin noch keinen Handlungsbedarf von Schulseite her gesehen. #confused
    Die Horterzieherin (die die Hausaufgaben beaufsichtigt) und wir sind uns allerdings einig, dass sie den Müssen-Druck gar nicht gut verträgt und versuchen sie so gut es geht zu entlasten. Das ging eine Weile lang ganz gut, in der Phase als meine Tochter ihre Lehrerin angehimmelt hat, aber vor der Ferien lief gar nix mehr. Meine Tochter hat die Schule quasi verweigert. Und wir müssen uns jetzt Plan B überlegen.


    Wie gesagt die zur Schulverweigerung tendierende Schulunlust meiner Tochter führe ich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Persönlichkeit zurück, bei der der Wunsch nach Selbstbestimmung dominiert. Es ist nicht so, dass sie alles verweigert, was sie tun soll, aber sie muss das Gefühl haben, das, was sie unmittelbar betrifft mitgestalten und selbst bestimmen zu wollen. Alles andere führt wirklich zu Kampf & Zoff.
    Und in unteren Klassen ist das Recht der Schüler auf Mitbestimmung und Selbstgestaltung der hiesigen Grundschulen für meine Tochter lange nicht ausgeprägt genug, so dass sie täglich mit dem "müssen" konfrontiert wird. Ein Einknicken ihrerseits ist nicht in Sicht...Wir lesen in den Ferien die Klöters Schulbriefe...


    Was ich eigentlich sagen wollte, es wird sicher nicht einfach für sie. Aber wie sich genau verhalten wird, wie sie mit dem Frust und dem Widerstand umgehen wird, hängt von sehr sehr vielen Faktoren ab. Das kann auch relativ reibungslos ablaufen.Ich hab beobachtet, dass sehr viele Kinder z.B. die Leherin verehren und ihr zuliebe Sachen gerne tun, die sie mit Druck oder so niemals tun würden. Auch das Alter spielt eine Rolle, meine Tochter war gerade 6 als sie eingeschult wurde, ein Jahr später wäre wahrscheinlich besser gewesen...allerdings wäre dann wohl die Langeweile (über die sie sich auch jeden Tag beschwert) noch schlimmer gewesen.


    .
    Ich drück euch die Daumen, dass Deine Tochter günstige Umstände vorfindet und auch selbst eine Strategie entwickelt mit dem "müssen" umzugehen oder sich zu stark verbiegen zu müssen. Denn so anstrengend solche sehr eigenwilligen Kinder sind, so toll finde ich oft auch ihren Mut und ihre Klarheit auch in schwierigen Situationen.


    Viele Grüße
    Pristolie

  • Habt Ihr eine Idee, wie wir mit diesem neuen "Müssen" umgehen können, oder irgendeinen Ansatz, der mir hilft, sie noch besser zu verstehen?


    Zur ersten Frage hast du ja schon Antworten gekriegt. Da würde ich auch sagen: Entspannen. Das "Müssen" in der Schule ist nicht dein Problem. Außer den Rahmenbedingungen würde ich da nichts machen. Sorg dafür, dass sie nach der Schule einen Platz und Ruhe hat für die Hausaufgaben.


    Zum Beispiel nach dem Mittagessen den Esstisch freiräumen: "Hier kannst du deine Hausaufgaben machen" und dann die Küche aufräumen. (Und ihr NICHT sagen, dass sie jetzt Hausaufgaben machen muss!)


    Aber vor allem habe ich was zur zweiten Frage. Denn möglicherweise könnt ihr mit dem "alten" Müssen auch ein wenig anders umgehen.


    Deiner Tochter sind Konventionen egal, dir nicht? Kann man das so sagen?


    Das "Müssen" ist ihr natürlich nicht unbekannt, man muss ja soviele Dinge tun, um satt/wach/sauber/BlaseLeer etc. zu werden. Damit hat sie sich, willensstark und hinterfragend, wie sie ist, mittlerweile abgefunden. War ein langer Prozess.


    So ähnlich hätte meine Mutter damals wohl auch über mich schreiben können. Mir waren Konventionen nämlich auch immer schon ziemlich egal. Aber meine Mutter hat so sehr in der Welt der Konventionen gelebt, dass sie gar nicht gesehen hat, dass man notwendige Tätigkeiten auch anders begründen kann.


    Das "muss" kann man nämlich normalerweise in der Argumentationskette auch einfach weglassen.


    Also statt: "Du musst dir jetzt die Zähne putzen (damit du keinen Karies kriegst)." kann man auch einfach sagen "Putz dir die Zähne, (ich will nicht, dass du Karies kriegst.)"


    Siehst du den Unterschied?


    Manchmal antwortet sie auf Forderungen oder Bitten unsererseits sogar "Ich muss gar nichts." Wenn sie sowas sagt, macht mich das regelrecht hilflos und wütend zugleich.


    Ja. Das kann ich mir vorstellen. Aber ich habe den Eindruck, wenn du dir jeweils überlegst, WIESO du von deiner Tochter gewisse Dinge verlangst, und dann nicht "du musst" sagst, sondern die Begründung, dann kannst du diesen Streitpunkt ausräumen.






    Ich glaube, meine Mutter denkt heute noch, dass es ihre Aufgabe gewesen sei, mit mir zu üben, Dinge zu tun, obwohl sie unangenehm sind. Dieses Tun-weil-ich-muss kostet mich aber immer Kraft. Unnötigerweise!


    Man lebt viel besser, wenn man die Dinge, die gemacht werden müssen, gern macht oder zumindest automatisiert hat.

  • Erst einmal ein großes Danke an Euch alle!
    So ein selbstbestimmtes, willensstarkes Kind macht viele dinge kompliziert und schwierig. Ich muss viel mehr erklären und erläutern, was mich natürlich selber zum Nachdenken bringt, warum manche Dinge gemüsst werden.


    Danke vor allen Dingen an Xenia, Du hast mir aus der Seele gesprochen. Ich werde mich im Nicht-mehr-müssen-Sagen üben. Der Unterschied ist schon gravierend, da gebe ich Dir recht. Mir rollen sich beim Wörtchen 'müssen' meist auch die Fußnägel hoch und der innere Widerstand regt sich sofort. Dieser Prozess in meiner Tochter ... ohja, ich beginne zu begreifen!


    pristolie: Danke für Deine ausführliche und ehrliche antwort. Ein Stück weit erkenne ich meine Tochter wieder. Ich hoffe jedoch, dass die Schule (die einen recht guten Ruf, ein gutes pädagogisches Konzept und einen hervorragenden Hort hat) und ihre Lehrerin sie dementsprechend auffangen kann. Wenn nciht, gibt es eben einen Plan B. Den kenn ich jetzt noch nicht, aber Deine Antwort hat mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, dass es immer einen Ausweg geben kann ;)


    Nichtsdestotrotz baue ich jetzt auf die Kooperations- und Lernwilligkeit meiner Tochter. Ihre bisherigen Trotzreaktionen waren eher ein Ausdruck ihrer Angst vor dem neuen und unbekannten Ding Schule. Ich denke auch, dass sich meine langsam eintretende innere Entspannung auf sie auswirkt. Und die täglichen kleinen Diskussionen ("Warum muss ich Sportsachen haben, warum Turnschuhe anziehen, warum überhaupt Sport machen?" werde ich einfach als "Mama, ich hab Bammel und kenn das nicht und will das vielleicht gar nicht und bin unsicher." hören. Dann werden mir auch die Antworten einfallen, die sie braucht.


    Ich danke Euch nochmal! #herz

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    Clarinella mit Pubertier (13) und Schnuffi (9)