Rassistische Kacke im Alltag und sonstwo

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  • ich versuche mir gerade vorzustellen, wo die unterschiede zu den genannten fällen aus deutschland liegen und ob das die start- und bildungschancen nicht ähnlich beeinträchtigt.


    und wenn nein, warum nicht? was könnte man davon übertragen?


    „richtiges deutsch“ wird in beiden fällen nicht zu hause gelernt.

    • Offizieller Beitrag

    ich versuche mir gerade vorzustellen, wo die unterschiede zu den genannten fällen aus deutschland liegen und ob das die start- und bildungschancen nicht ähnlich beeinträchtigt.


    und wenn nein, warum nicht? was könnte man davon übertragen?


    „richtiges deutsch“ wird in beiden fällen nicht zu hause gelernt.

    Ich schreibe mal meine Gedanken dazu auf - vielleicht melden sich ja noch einige unserer Sprachwissenschaftlerinnen:


    Ein sehr grosser Unterschied liegt in der gesellschaftlichen Beurteilung dieser Phänomene:

    Wenn die Lehrer von Ahmed von vorne her davon ausgehen, dass er ein schlechterer Schüler werden wird als Thibault oder Flurin, dann macht das was mit dem Kind und seinen Bildungschancen.

    Ein weiterer Unterschied liegt im schon erwähnten "Sprachvorbild" - wichtig für das Kind ist der korrekte Erwerb EINER (oder bei bilinguen Kindern zwei) Sprache. Die Kinder müssen in früher Kindheit gute Sprachvorbilder haben, um ein Gespür für reichhaltige Sprache zu entwickeln.

    Und der dritte Unterschied: "Richtiges Deutsch" muss auch nicht zuhause gelernt werden. Das kann wunderbar in Schule etc geschehen, genauso wie richtiges Englisch, Französisch oder Latein. Zumindest scheint das Sprechen von Dialekt eine Menge hervorragender Künstlerinnen der deutschen Sprache nicht wirklich behindert zu haben - ich verweise gerne auf so Leute wie Köhlmeier (mei, das ist dann ein starker Dialekt...) oder Christine Nöstlinger.


    Persönlich bin ich also ganz laienhaft der Meinung, der grösste Nachteil in den Start- und Bildungschancen liegt in den Köpfen des Gegenübers - nicht im Kopf des Kindes.


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    womit ja einige argumente bezüglich des „die können keine (hoch)sprache richtig“ schon entkräftet wären.

    Ja.

    Ich finde es vor allem so spannend, dass es diese Zweiteilung der Wahrnehmung von Mehrsprachigkeit gibt - einerseits das Hochjubeln inkl. Frühchinesischkurs für Kleinkinder und auf der anderen Seite das Runtermachen von bestimmter Mehrsprachigkeit (oft und gerne von denselben Menschen geäussert, die nicht mal merken, welch komische Argumentation sie da haben).


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Ein Augenöffner war für mich kürzlich "Best of Schule" von Niki Glattauer, in dem er schrieb, daß viele Kinder mit Migrationshintergrund keine Sprache wirklich beherrschten.

    Das finde ich erschreckend! Und ich finde es beschämend, dass in einem reichen Land wie Deutschland auch nach einem halben Jahrhundert mit Arbeiterkinder und vielen Immigranten, es an den Schulen immer noch zumeist kein gezieltes System gibt, um Deutsch als Fremdsprache zu lehren.



    Persönlich bin ich also ganz laienhaft der Meinung, der grösste Nachteil in den Start- und Bildungschancen liegt in den Köpfen des Gegenübers - nicht im Kopf des Kindes.

    Ja! Und selbst Ahmed sehr gut deutsch sprechen sollte, wird er immer Nachteile gegenüber Lukas haben, alleine auf Grund seines Namens, und seiner Herkunft. Lehrer foerdern Schüler anders, je nachdem was sie an Talenten und Herkunft und Chancen vermuten. Statistisch ist das klar bewiesen.

  • Verstehe ich das richtig, dass ihr überlegt, ob ein starker Dialekt und Hochsprache quasi auch zweisprachig wäre? Wenn ja, ist meine Überlegung dazu, dass es auch um sprachliche Vielfalt geht. Wenn jemand eine Sprache oder einen Dialekt so beherrscht, dass er feine Dinge ausdrücken kann, dann ist das ein perfekter Start, egal ob es sich um eine Hochsprache oder einen Dialekt handelt. Aber es gibt auch Menschen, die einen sehr eingeschränkten Wortschatz haben. In Folge dessen habe sie für vieles, was sie wahrnehmen und empfinden, keine Worte. Das hat dann Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten (was man nicht benennen kann, ist schwer zu denken), aber auch auf die Emotionsregulation. Und das beides begrenzt dann das, was im Bildungssystem möglich ist - ganz unabhängig von Vorurteilen. Die kommen dann noch dazu.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ja, ist meine Überlegung dazu, dass es auch um sprachliche Vielfalt geht. Wenn jemand eine Sprache oder einen Dialekt so beherrscht, dass er feine Dinge ausdrücken kann, dann ist das ein perfekter Start, egal ob es sich um eine Hochsprache oder einen Dialekt handelt. Aber es gibt auch Menschen, die einen sehr eingeschränkten Wortschatz haben.

    Aber das ist doch unabhaenig von Mehrsprachigkeit zu sehen diese Aussage?

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ja, ist meine Überlegung dazu, dass es auch um sprachliche Vielfalt geht. Wenn jemand eine Sprache oder einen Dialekt so beherrscht, dass er feine Dinge ausdrücken kann, dann ist das ein perfekter Start, egal ob es sich um eine Hochsprache oder einen Dialekt handelt. Aber es gibt auch Menschen, die einen sehr eingeschränkten Wortschatz haben.

    Aber das ist doch unabhaenig von Mehrsprachigkeit zu sehen diese Aussage?

    Eben: Sprachvorbilder - unabhängig davon, welche Sprache die sprechen.


    Subjektive Beobachtung meinerseits: im Ort, in dem mein Mann aufgewachsen ist, hat er als Kind Dialekt gelernt und gesprochen. Genau wie alle seine Freunde. Wenn wir heute dort sind und andere Familien treffen, sind wir die einzigen, die mit unseren Kindern durchgehend Dialekt(e) sprechen. Mein Eindruck ist dann aber, dass die Sprache innerhalb der Familie tatsächlich eher verarmt, da Hochdeutsch für die Eltern nicht die natürliche Sprache ist, sondern eben "Fremdsprache". Ich finde das extrem schade (und schimpfe tatsächlich mit meinen Schwiegereltern, wenn sie mit meinen Kindern dieses komische "Kinder-Hochdeutsch" sprechen).


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Schade, wie sehr Dialekte doch aussterben. Mein Vater sprach noch Dialekt, da er aber nicht regional heiratete und wir auch nie dort lebten, hat er das nie weitergegeben. Ich verstehe seinen Dialekt, aber ich kann ihn nicht sprechen. Gleiches gilt auf fuer den Dialekt meiner Kindheit. Ich finde das schon sehr schade.

    Schwiegereltern, wenn sie mit meinen Kindern dieses komische "Kinder-Hochdeutsch" sprechen

    Ich kenne das auch, dass Verwandte mit meinen Kindern in gebrochenem Englisch reden, statt ihre eigene Sprache weiterzugeben.

  • Das Problem ist in diesem Fall aber nicht das Lehrpersonal. In der Schule ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Tatsächlich ist das Problem, dass zu Hause nicht vernünftig Türkisch/Polnisch/Chinesisch gesprochen wird.

    Im Grunde muss man die Eltern immer wieder ermuntern mit ihren Kindern in der eigenen Muttersprache zu sprechen und zu lesen.

    Ihnen klar manchen, dass sie ihrem Kind damit ein Geschenk machen, es zweisprachig aufwachsen zu lassen.


    Dumm nur, wenn selbst Leute wie unsere ehemalige Bildungsministerin Frau Wanka sich darüber beschweren, dass "zu Hause kein Deutsch gesprochen wird"

    • Offizieller Beitrag

    Dumm nur, wenn selbst Leute wie unsere ehemalige Bildungsministerin Frau Wanka sich darüber beschweren, dass "zu Hause kein Deutsch gesprochen wird"

    #flop

    Das macht mich so wütend!


    Und dann wundert man sich, woher die Vorbehalte kommen...


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Korrekter Spracherwerb: Deshalb ist ja auch muttersprachlicher Unterricht so wichtig. Schon zu meiner Kinderzeit war es üblich, dass die Italienisch muttersprachlichen Kinder an den Schulfreien Nachmittagen in den Italienischunterricht gingen. Weil die Eltern ja auch oft aus Süditalien, aus einem kleinen Dorf stammten und einen ausgeprägten Dialekt sprachen.


    Schade ist, dass rechtspopulistische Kreise in diesem muttersprachlichen Unterricht oft mangelnden Integrationswillen sehen und jede Unterstützung dafür sabotieren.

    In Winterthur haben wir extra muttersprachliche Spielgruppen aufbauen können, und konnten dafür Secondas dazumotivieren. Das ist so wertvoll. Weil man da auch die Mütter erreichen konnte und so viel Integration niederschwellig vermitteln.


    Aber das benötigte Räume, die man uns zu Verfügung stellte, Finanzielle Mittel um den Besuch auch Familien mit kleinem Budget zu ermöglichen. Das braucht gute Übersetzer, die unsere Drucksachen in verschiedene Sprachen übersetze. Es braucht einen politischen Willen.


    Ich hatte in meiner "aktiven" Zeit als Spielgruppenleiterin oft Kinder, die erst gerade in die Schweiz gezogen sind, bzw. Kinder die bislang bewusst nur in der Muttersprache aufgewachsen sind um diese zu stärken, bevor unweigerlich die Umgebungssprache übernommen wird.


    Es war immer faszinierend, wie schnell die Kinder Deutsch lernten.

    • Offizieller Beitrag

    Schade ist, dass rechtspopulistische Kreise in diesem muttersprachlichen Unterricht oft mangelnden Integrationswillen sehen und jede Unterstützung dafür sabotieren.

    In Winterthur haben wir extra muttersprachliche Spielgruppen aufbauen können, und konnten dafür Secondas dazumotivieren. Das ist so wertvoll. Weil man da auch die Mütter erreichen konnte und so viel Integration niederschwellig vermitteln.


    Aber das benötigte Räume, die man uns zu Verfügung stellte, Finanzielle Mittel um den Besuch auch Familien mit kleinem Budget zu ermöglichen. Das braucht gute Übersetzer, die unsere Drucksachen in verschiedene Sprachen übersetze. Es braucht einen politischen Willen.

    So ist es!

    Und wenn der da ist, dann funktioniert das auch - die Konzepte sind bekannt, es gibt Unmengen an Lehrmitteln, Pionierarbeit, die übernommen werden kann (zum Beispiel die Organisation solcher muttersprachlicher Spielgruppen, da kann man ja von Eurer Arbeit profitieren...). Nur muss es eben gewollt sein.

    Und so lange es halt so schön praktisch ist zu sagen: ach, diese XY, die wollen sich ja gar nicht integrieren, die bilden nur Paralellgesellschaften... wird sich da wenig ändern.

    Erst muss gesellschaftlich und politisch die Erkenntnis da sein, dass Secondas auch ein Gewinn sind für unsere Gesellschaft, ein grosser sogar!


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • aber nochmal: wo ist der unterschied zwischen achmed und meinem nachbarjungen lukas, der zu hause nur härtestes schwäbisch und im kindergarten ausschliesslich schweizer dialekt lernt?


    ausser, dass man hier ab klasse 3(?) für alle! kinder auch hochdeutsch als fremdsprache unterrichtet.

    • Offizieller Beitrag

    aber nochmal: wo ist der unterschied zwischen achmed und meinem nachbarjungen lukas, der zu hause nur härtestes schwäbisch und im kindergarten ausschliesslich schweizer dialekt lernt?

    Lukas lernt zwei alemannische Dialekte (das ist lerntechnisch nicht soooo ein Unterschied - Grammatik ist praktisch diesselbe), Achmed zwei Sprachen - Lukas wird mit Beginn der Primarschule dann noch Standardsprache dazu bekommen. Bzw. meines Wissens müsste ein kleiner Anteil Standardsprache auch bereits jetzt fest im Lehrplan des Kindergartens verankert sein.


    Meine Kinder haben übrigens diesselben Voraussetzungen, sie sprechen zuhause zwei andere Dialekte als den Umgebungsdialekt, wie ich auch schon als Kind - das ist wirklich komplett unproblematisch.


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Zwar ist die Mundart Umgangs- und Unterrichtssprache,

    doch wird Hochdeutsch als situations- und gruppenbezogene Ergänzung, z.B. für

    Verse, Lieder, Kreissingspiele und Geschichten verwendet. Der experimentierende

    Umgang mit Hochdeutsch wird gefördert. Der Anteil von Hochdeutsch nimmt im

    Unterricht bei den Kindern, welche das 2. Kindergartenjahr besuchen, zu.

    Hochdeutsch ist ab der 1. Primarklasse in allen Schulstufen Unterrichtssprache.

    Alle Lehrpersonen verwenden Hochdeutsch konsequent, in allen Fächern und in

    allen Unterrichtsformen. In der 1. Primarklasse, in der Einführungsklasse und im

    Einschulungsjahr verwenden die Schülerinnen und Schüler Hochdeutsch

    entsprechend ihrer Möglichkeiten; ab der 2. Primarklasse gilt der konsequente

    Gebrauch von Hochdeutsch.

    Auszug aus dem Lehrplan 21. Kapitel Unterrichtssprache.

    Lukas müsste diesen Unterricht erhalten.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Bzw. meines Wissens müsste ein kleiner Anteil Standardsprache auch bereits jetzt fest im Lehrplan des Kindergartens verankert sein.

    wenn ich das korrekt in erinnerung habe: nein.

    Deine Töchter haben den Kindergarten meines Wissens vor der Einführung des Lehrplan 21 in Eurem Wohnkanton besucht - in einer der Phasen in deren kein Hochdeutsch im Kindergarten unterrichtet wurde (übrigens im Gegensatz zu meiner Kindergartenzeit im selben Kanton, dort wurde hochdeutsch unterrichtet im Kindergarten).

    Unterdessen gilt der LP 21 und da gelten die oben zitierten Regeln.


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke auch, dass da nicht Kindergärtnerinnen oder Lehrerinnen zu verantworten sind. Aber die schulische Struktur ist ein Problem, und damit die Politik. Ich finde es erschreckend, dass es in Deutschland selbst heute noch kein System gibt um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Das Problem der Arbeiterkinder und Immigranten ist ja nun wahrlich nicht neu. Die Kinder werden einfach in die normalen Klassen gesteckt und das Lehrpersonal soll das decken. Wie soll das gut funktionieren, wenn in den Klassen 25% und mehr Deutsch erst Lernen?