Rassistische Kacke im Alltag und sonstwo

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  • Eine Freundin meiner Eltern hat in den 70er/80er Jahren noch türkische Hauptschulklassen in München auf Türkisch (für sie eine Fremdsprache) unterrichtet. Sie hat deren Abschaffung bedauert, weil sie den Eindruck hatte, dass sie im Türkisch-sprachigen Unterricht viel mehr mit den Schülern und den Schülerinnen erreichen konnte. (Sie ist nach der Abschaffung vorzeitig aus dem Schuldienst ausgeschieden.).

  • Zwar ist die Mundart Umgangs- und Unterrichtssprache,

    doch wird Hochdeutsch als situations- und gruppenbezogene Ergänzung, z.B. für

    Verse, Lieder, Kreissingspiele und Geschichten verwendet. Der experimentierende

    Umgang mit Hochdeutsch wird gefördert. Der Anteil von Hochdeutsch nimmt im

    Unterricht bei den Kindern, welche das 2. Kindergartenjahr besuchen, zu.(...)

    Auszug aus dem Lehrplan 21. Kapitel Unterrichtssprache.

    Am Rande dazu: Unsere schweizer Kindergartenlehrerin hat es umgekehrt gemacht: Schweizerdeutsch hat sie nur bei Liedern und Versen (Liedli und Sprüchli) benutzt und sonst das schweizer Hochdeutsch gesprochen. In einer Kindergartenklasse mit vielen fremdsprachigen Kindern.

    Überraschender Effekt: ich hörte auf dem Pausenplatz von anderen Kindern meine kantonsfremden Dialektworte und Redewendungen! Das war irgendwie schräg. Meine Kinder scheinen den Dialekt-Standard geprägt zu haben.

  • mein punkt ist folgender:


    achmed wird wie lukas keine schriftsprache als muttersprache lernen. im gegensatz zu lukas wird der in dt. lebende achmed sogar häufiger mit schiftsprache konfrontiert werden in seiner kindheit (behörden, kindergarten, schule, öffentliches leben).


    dennoch sind wir geneigt, das in bezug auf die hiesigen einwohner nicht zu kritisieren, bei anderen nationen/sprachen aber schon.


    das ist für mich persönlich ein stück rassismus.

    • Offizieller Beitrag

    Ist es auch. Und jedes Mal, wenn Ahmed ein Dokument einreicht wo sein Name drauf steht, wird sein Schreibvermögen schlechter beurteilt werden, weil er Ahmed heisst und nicht Lukas. Obwohl Lukas vielleicht die gleichen Fehler gemacht hat.

  • Sprache ist doch mehr als nur das was explizit gesprochen wird. Das Kind das Zuhause schwäbisch schwätzt und im Kindergarten schwizzerdütsch lernt trotzdem die deutschen Märchen, die Redewendungen etc kennen. Das Kind das Zuhause arabisch spricht, lernt die arabischen Märchen und Sprichwörter. Das ist oft ein Wissen das man in der Familie erwirbt.

    Ich habe viel eher ein Problem damit dass der kulturelle Reichtum den diese Kinder erlernen nicht gesehen wird, sondern nur das Defizit.

    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe viel eher ein Problem damit dass der kulturelle Reichtum den diese Kinder erlernen nicht gesehen wird, sondern nur das Defizit.

    Das kommt hinzu. Und die Kinder gelten als dumm, weil sie anderes Allgemeinwissen haben.

    • Offizieller Beitrag

    Sprache ist doch mehr als nur das was explizit gesprochen wird. Das Kind das Zuhause schwäbisch schwätzt und im Kindergarten schwizzerdütsch lernt trotzdem die deutschen Märchen, die Redewendungen etc kennen. Das Kind das Zuhause arabisch spricht, lernt die arabischen Märchen und Sprichwörter. Das ist oft ein Wissen das man in der Familie erwirbt.

    Ich habe viel eher ein Problem damit dass der kulturelle Reichtum den diese Kinder erlernen nicht gesehen wird, sondern nur das Defizit.

    Schoko

    Ich verstehe noch nicht ganz, worauf Du hinauswillst, VivaLaVida?

    In Deutschland ist der Umgang mit Erst/Zweisprache nochmal ein anderer, nicht? Zumindest ist das mein Eindruck - da wird auch "hardcore schwäbisch" zuhause als Nachteil gesehen, wenn auch als deutlich kleinerer als "türkisch".

    Hierzulande finde ich schon auch, dass es bei manchen Leuten eine starke rassistische Komponente hat, wenn über Muttersprache/n, Deutschunterricht etc geredet wird.

    Aber im schulischen Alltag finde ich es deutlich etablierter, dass Mehrsprachigkeit kein Nachteil sein muss. Und auch in meinem privaten Umfeld erlebe ich das eher umgekehrt - das wird eher als Vorteil gesehen, wenn die Kinder mehrere Sprachen/Dialekte beherrschen und ich werde sogar heute noch von Lehrpersonen meines Grossen angesprochen: "Ach, daher hat ihr Sohn den Dialekt" und die Kinder eher bedauert, weil sie meine Vatersprache leider nicht als Erstsprache gelernt haben...



    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Zu Lukas und Ahmed fällt mir noch ein Unterschied ein:

    Ahmed hat in einer Klasse von 25 Fritzchens und Fränzchens einen Startnachteil. Lukas ist in seiner Klasse nur eines von 25 Kindern (okay, die 3 Kinder, die ein hochdeutsch sprechendes Elternteil haben, ignorieren wir jetzt mal), die mit der Fremdsprache "Hochdeutsch" starten. Da zählt dann die eigene Leistung mehr als die Voraussetzung von zuhause.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • In Deutschland ist der Umgang mit Erst/Zweisprache nochmal ein anderer, nicht? Zumindest ist das mein Eindruck - da wird auch "hardcore schwäbisch" zuhause als Nachteil gesehen, wenn auch als deutlich kleinerer als "türkisch".

    Meine Kernfamilie spricht u. a. deswegen keinen Dialekt. Mein Opa wollte nicht der "Depp vom Dorf" sein, nachdem er in die nächste Kleinstadt gezogen war, also sprach er das, was er für Hochdeutsch hielt. Wie stark regional die Sprache in der Familie teilweise noch gefärbt ist, habe ich erst nach meinem Wegzug gemerkt. Aber Dialekt kann bei uns eben niemand mehr.

  • Die meisten Menschen die in Deutschland hardcore schwäbisch sprechen leben in einer Umgebung in der das normal ist. Die Lehrer verstehen das, die Klassenkameraden auch und lesen können die schwaben das hochdeutsch schon. Da ist es nicht unbedingt ein Nachteil. Zumal der schwabe als schlau, findig und fleißig gilt. Ich wage mal zu behaupten dass der Herkunft von Ahmet weniger positive Attribute zugeschrieben werden.

    Wenn zuhause die zweite Sprache englisch oder französisch ist, dann geht man davon aus dass das Kind davon einen Vorteil hat (diese Wertvollen Sprachen lernt man schließlich auf der weiterführenden Schule), aber wenn das Kind bloß türkisch oder arabisch als zweite Sprache zu bieten hat dann "hat es ja nix davon".

    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • aber nochmal: wo ist der unterschied zwischen achmed und meinem nachbarjungen lukas, der zu hause nur härtestes schwäbisch und im kindergarten ausschliesslich schweizer dialekt lernt?


    ausser, dass man hier ab klasse 3(?) für alle! kinder auch hochdeutsch als fremdsprache unterrichtet.

    Mein Germanistik-Studium ist schon sehr tief verschüttet, deshalb bitte nicht erwarten, dass das alles zu 1000% stimmt. Aber so erinnere ich es:

    Die erste Sprache, allgemein die Muttersprache, wird ja kognitiv ganz anders erlernt als eine Fremdsprache. Intuitiv, unstrukturiert, sozusagen Trichter ins Hirn und ab dafür. Das verändert die Struktur im Gehirn nachhaltig. Ist nun diese Erstsprache grammatisch und morphologisch sehr nah an der Zweitsprache (= Dialekt und Hochsprache), so wird der Lukas nur wenige Probleme mit der Zweitsprache haben: Er muss "nur" lernen zu unterscheiden, welche Wörter wo hin gehören, und wo sich die Grammatik unterscheidet, und ein bisschen an der Aussprache arbeiten. Er muss aber eben nicht wie Ahmed eine komplett neue Sprachstruktur lernen, neue Buchstaben, neue Aussprache etc.

    Du hast z.B. in den Turksprachen keine Artikel sondern bildest die Formen über Endungen - das ist ein völlig anderes System und erfordert damit im Kopf eine ganz andere Herangehensweise an die Satzbildung.


    Ich würde behaupten, dass der Vergleich zwischen Lukas und dem niederländischen Heintje viel knapper ausfallen würde. Ebenso zwischen der schwedischen Astrid und der dänischen Anne. Bewegt sich das Kind innerhalb der selben Sprachfamilie, wird es nah dran sein an einem Dialekt-Kind.

    ~~ Luxa


    Sometimes something will change and that change

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    • Offizieller Beitrag

    Muss eine Sprache eine standardisierte Schriftform haben, um eine "richtige" Sprache zu sein?

    Ich denke, ein deutscher Dialekt und die hochdeutsche Schriftsprache sind da sowieso kein gutes Beispiel - weil sie sich so nahe sind, dass man eben nicht von zwei Sprachen spricht, sondern Dialekt und Schriftsprache. Das wäre mit einer Minisprache in Neuguinea und einer der offiziellen Landessprachen sicherlich schwieriger. Aber für ein "Normkind" des alemannischen Sprachraums ist das Erlernen des anderen ehemaligen deutschen Dialekts, welcher zufälligerweise zum Standard wurde, kein besonderes Problem.


    Ich verstehe aber immer noch nicht ganz: Du meinst, Lukas hat einen Startnachteil durch die Muttersprache seiner Eltern? Im Gegensatz zu Ahmed, der den Vorteil hat, in einer Umgebung mit hochdeutscher Alltagssprache aufzuwachsen?


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Viva, nicht unbedingt - auch in Schweden und Holland unterscheidet sich die Schriftsprache doch von dem, was gesprochen wird, und die Muttersprache lernt ja jedes Kind mündlich. Es geht nur um die Struktur der Sprache.

    Talpa, meinst Du mich? Nein, ich würde sagen Lukas hat einen Vorteil beim Hochdeutsch-Lernen, weil eben die Sprachstruktur die selbe ist. Ahmed dagegen muss im Köpfchen sozusagen eine zweite parallele Struktur anlegen. Deshalb hat er es schwerer - aber immernoch leichter, als wenn bei ihm daheim Pidgin gesprochen wird und er diese unvollständig-fehlerhaften Strukturen mit korrektem Deutsch "überschreiben" muss.

    ~~ Luxa


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  • ähnlich jenem achmed, dessen eltern nur pidgin (zitat aus dem thread) sprechen.

    Ich denke, das ist der Hauptunterschied zwischen deinem Lukas und Ahmed. Lukas lernt von seinen Eltern richtiges Schwäbisch. Er hat zu Hause korrekte Sprachvorbilder und kann so Schwäbisch richtig lernen und den Schweizer Dialekt aus dem Bereich, in dem er aufwächst, gut als Zweitsprache erlernen, weil er an eine korrekte Erstsprache anknüpfen kann. Und Hochdeutsch in der Schule kann er auch noch als Drittsprache dazulernen.


    Der fiktive Ahmed, von dem berichtet wurde, hat keine muttersprachlich korrekten Sprachvorbilder, weil die Eltern selbst die Muttersprache nicht mehr richtig gelernt haben ("Pidgin").

    Das führt dazu, dass er keinen grundlegend richtigen Erstspracherwerb hat und sich damit auch mit dem Zweitspracherwerb schwertut.

    Einmal editiert, zuletzt von Hella () aus folgendem Grund: Kommata

  • ähnlich jenem achmed, dessen eltern nur pidgin (zitat aus dem thread) sprechen.

    Ich denke, das ist der Hauptunterschied zwischen deinem Lukas und Ahmed. Lukas lernt von seinen Eltern richtiges Schwäbisch. Er hat zu Hause korrekte Sprachvorbilder und kann so Schwäbisch richtig lernen und den Schweizer Dialekt aus dem Bereich, in dem er aufwächst, gut als Zweitsprache erlernen, weil er an eine korrekte Erstsprache anknüpfen kann. Und Hochdeutsch in der Schule kann er auch noch als Drittsprache dazulernen.


    Der fiktive Ahmed, von dem berichtet wurde, hat keine muttersprachlich korrekten Sprachvorbilder, weil die Eltern selbst die Muttersprache nicht mehr richtig gelernt haben ("Pidgin").

    Das führt dazu, dass er keinen grundlegend richtigen Erstspracherwerb hat und sich damit auch mit dem Zweitspracherwerb schwertut.

    Genau. Tulan hat ja in die selbe Richtung argumentiert.

    Deshalb kann ja darauf (!) nicht "Deutsch als Fremdsprache" in der Schule nicht die Antwort sein.

    • Offizieller Beitrag

    Meiner Erfahrung nach ist dort der Erwerb der Zweitsprache schwerer, wenn die Eltern nur geringen Bildung hatten. Wer zb. in seinem Herkunftsland nur schon sehr gering schreiben konnte, der hat dann in einem Land, in dem Buchstaben anders sind/ anders gesprochen werden, ganz andere Schrift hat, viel mehr Mühe. Und das überträgt sich dann auch auf die Kinder.

    Nur schon weil es oft dann auch keine Kinderbücher in der Muttersprache gibt, die man dem Kind vorlesen könnte.


    Das ist bei uns "Hardcore-Dialekt"-Sprecher anders, ich konnte ja ein x-beliebiges Kinderbuch kaufen und dann vorlesen, als sie klein waren habe ich das einfach ins Schweizerdeutsche übersetzt und dann irgendwann nicht mehr, weil TV guckten sie ja auch ohne Übersetzung ;)


    Ich begrüsse es deshalb dass viele Büchereien mittlerweile kleine Sätze an fremdsprachigen Kinderbüchern kaufen (soweit es Budget und Platz zulässt)