Rassistische Kacke im Alltag und sonstwo

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  • der lukas in meinem beispiel ist nur mit kindern befreundet, die auch keine hochsprache kennen. die bleiben hier unter sich.


    und im krippe, kindergarten, verein... hat er keinen kontakt zur schriftsprache.

    • Offizieller Beitrag

    Aber sie sprechen mit ihren Kindern im Normalfall ja auch gar nicht hochdeutsch, sondern Dialekt - und erfüllen damit den wichtigen Punkt beim Spracherwerb: ein Sprachvorbild, das seine/ihre Muttersprache spricht. Damit stellen sie sich in eine sehr ähnliche Position wie Ahmeds und Jacks Eltern, die ihrem Kind korrektes Türkisch oder korrektes Englisch beibringen - nur mit dem kleinen Vorteil, dass Gian-Luca und Lukas nur einen weiteren Dialekt erwerben müssen, der sie zudem ständig umgibt, keine komplett fremde Sprache.


    Ich wüsste jetzt nicht, warum ich mit meinen Kindern schriftdeutsch sprechen sollte? Ich halte es wie Daroan - seit die Kinder grösser sind und die Bücher länger, lese ich natürlich einfach vor. Davor habe ich selbstverständlich übersetzt.

    In unserer Familie ist es der deutsche Vater, der ungern und auch nicht besonders gut hochdeutsch spricht.


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    SandraS beitrag habe ich erst jetzt gelesen. beweist das nicht, dass das dargestellte problem mit türken oder arabern gar kein so grosses ist?

    Aber das ist doch das, was viele hier schon seit Seiten versuchen zu sagen.

    Fremdsprache zuhause ist ein Problem in gewissen Köpfen! Wenn diese Köpfe Schulpolitik machen, dann wird es zum gesamtgesellschaftlichen Problem - ansonsten wäre es nämlich ein gesamtgesellschaftlicher Vorteil: unsere Länder haben die unfassbare Chance, Muttersprachler aller Arten auszubilden und von ihren Kenntnissen im Sprache und Kultur zu profitieren: bei internationalen Geschäften, Entwicklumgsarbeit....


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • ach. es geht mir doch gar nicht um diesen speziellen schweizer dialekt, gern können wir das auch an einem ganz anderen beispiel weiterführen.


    mir geht es um den rassismus, der für mich darin steckt, wie wir diese „halbsprachen“ (pidgin) bewerten.


    ich persönlich sehe eben keine großen unterschiede zwischen achmed und (hier eine andere nationalität einsetzen, wo extrem wenig kontakt im privaten und öffentlichen zur schriftsprache stattfindet).

  • Die Frage ist einfach ob das Kind mindestens einer Sprache/Dialekt auf hohem Niveau ausgesetzt ist, also mit komplexer Grammatik, mit vielfältigem Wortschatz, Ausdruck von Zusammenhängen (Begründungen, Bedingungen usw.) Wenn ja, lernt das Kind das zumeist auch und hat dann im Gehirn die Voraussetzungen auch andere Sprachen gut zu lernen geschaffen. Wenn es immer nur vereinfachter Sprache ausgesetzt ist, tut es sich schwerer. Das ist z.B. so wenn es sich durch Konstruktionen wie „wir gehen Spielplatz“ nicht mit der komplexen Frage von Präpositionen und Artikeln im Deutschen auseinandersetzt aber auch nicht mit den Komplexitäten im Türkischen/Arabischen/etc.

  • das sagt meine tochter (aufgrund der peergroup) auch ab und zu. gefällt mir nicht.


    hier gibt es mämlich noch die kombi dialekt + pidgin. durchschnittliches bildungsniveau ist hier in der region eher niedrig.

    • Offizieller Beitrag

    Ich wüsste jetzt nicht, warum ich mit meinen Kindern schriftdeutsch sprechen sollte? Ich halte es wie Daroan - seit die Kinder grösser sind und die Bücher länger, lese ich natürlich einfach vor. Davor habe ich selbstverständlich übersetzt.

    Dazu kommt, dass die Kinder ja über verschiedene Medien täglich mit Schriftdeutsch in Kontakt kommen. Das ist zb. oft bei kleinen Kindern zu beobachten, dass sie beim Rollenspiel ins Hochdeutsche wechseln, weil das aus dem Fernsehen die Sprache ist, die ein Kriminalkommissar spricht oder ein ganz übler Gauner. Da ist es nur logisch, wenn man "Hände hoch oder ich schiesse" brüllt und nicht "Tue d Händ ue oder ich schüsse."


    Ich habe auch viel aus dem Mickeys Maus Heft gelernt: was ein Vetter ist oder eine Base oder Oma und Opa.


    Aber ja, ansonsten brauche ich Hochdeutsch ganz wenig. Nur wenn ich mit meiner Schwiegermutter telefoniere oder mit Geschäftspartnern in Deutschland spreche.

    Beides ist nicht sehr oft.


    Für mich ist das Schreiben im Rabenforum gutes Training um nicht ganz aus der Form zu kommen.


    Aber Schweizerdeutsch spreche ich ziemlich gut. Ich habe auch ein breites Repertoire aus Liedern, Geschichten, Fingerversen, Kniereitern, Abzählreimen, Sprichwörtern..usw. :D

  • VivaLaVida aber mit der Kombi sind doch die Chancen tatsächlich ganz schön begrenzt, schon alleine geographisch. Wo fängt da für Dich der Rassismus an? Damit, das als Problem (weil einschränkend und Chancen reduzierend) zu benennen? Oder erst damit, die betroffenen Kinder und Familien abzuwerten? Zweiteres kann ich unterschreiben.


    OT: echt, ihr übersetzt beim Vorlesen in Schweizerdeutsch? Ist ja spannend, das war mir nicht klar, dass das so unterschiedlich ist. Ich sortiere das gedanklich immer ein bisschen als Dialekt ein - Schwäbisch, Hessisch, Schweizerdeutsch... (dass der Wortschatz teilweise abweicht ist mir klar, aber dass es so weit reicht ist ne neue Erkenntnis für mich)

    ~~ Luxa


    Sometimes something will change and that change

    Will change you


    Strong people stand up for themselves.
    Stronger people stand up for others.


    • Offizieller Beitrag

    mir geht es um den rassismus, der für mich darin steckt, wie wir diese „halbsprachen“ (pidgin) bewerten.



    Wer ist in dem Fall "wir"? Wir als Gesellschaft? Als politische Partei? Als Gestalterinnen von Bildungsplänen? Als Wählerinnen?

    Ich entnehme diesem Thread eigentlich eine sehr ähnliche Haltung von Fachfrauen und interessierten Laien: Erstsprachenerwerb muss gut und reichhaltig sein, dann klappt es auch mit dem Zweitsprachenerwerb.


    Gerade dieses - nennen wir es doch beim Namen - "Balkantütsch", von dem Du sprichst, hat in der Sprachforschung gar keinen sooooo schlechten Ruf. Es wird als kreativer Umgang mit Sprache gewertet - sofern die Sprecherinnen in der Lage sind, auch andere Idiome zu nutzen, je nach Kontext. Und in meiner Erfahrung können die das meist wunderbar. Ebenso das Code-switching bei bilinguen Sprecherinnen: das gilt als durchaus erstrebenswerte Art, Sprache zu nutzen.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Aber das ist doch unabhaenig von Mehrsprachigkeit zu sehen diese Aussage?

    Das bezog sich auf den eingeschränkten Wortschatz. Meine Antwort ist: jein. Wenn ich in D lebe und ein (aus welchen Gründen auch immer) verarmtes Rumänisch spreche, dann wird mein Rumänisch nicht durch die Umgebung bereichert. Spreche ich dagegen ein sehr verarmtes Deutsch, dann wird mein Kind Kevin trotzdem durch Fernsehen, Medien und Umfeld andere Einflüsse bekommen, die er auch quasi sofort verstehen und aufnehmen kann. Ahmed hat das nicht in dem Maße - er bekommt die Impulse für seine Zweitsprache. Es sei denn, seine Eltern leben in einer Community, die Rumänisch auf höherem Niveau spricht. Würde meine Hypothese stimmen (was ich nicht weiß), dann spräche sie für starke und bildungstechnisch gemischte Communities und für muttersprachliche Kitas auf hohem Niveau.

    Ansonsten hast du aber recht: eingeschränkte Sprache ist immer ein Problem.

    aber nochmal: wo ist der unterschied zwischen achmed und meinem nachbarjungen lukas, der zu hause nur härtestes schwäbisch und im kindergarten ausschliesslich schweizer dialekt lernt?

    Ich denke, die Frage ist, auf welchem Niveau geschwäbelt oder arabisch gesprochen wird. Die Ahmeds, mit denen ich Kontakt habe, haben nicht selten gar keine klare Muttersprache. Die Mutter ist vielleicht eine türkische Kurkin, die als Kind in ein Nachbarland geflohen ist, in dem persisch gesprochen wurde. Der Vater ist vielleicht ein Kurde aus wieder einem anderen Land und hat einen anderen persischen Dialekt gelernt. Ahmeds Eltern in D leben nun in einer türkisch-arabischen Community, die verschiedene Sorten Pidgin spricht. Ahmed ist auf der einen Seite sprachlich enorm kompetent. Ich höre ihn am Handy persisch, arabisch, deutsch und türkisch sprechen. Aber alles eben nur verarmte Pidgin Varianten. Wenn er nun einen sauberen Brief ans Amt oder eine Bewerbung schreiben soll, hat er ein Problem. Andererseits spricht er vier Sprachgruppen so fließend, wie ich nur zwei.

    Der schwäbische Lukas dagegen spricht schwäbisch und hochdeutsch, aber (im besten Falle) beides sehr differenziert und wortschatzreich. Und er hat den Bonus, dass seine Umgebung beide Sprachen versteht: Er kann also schwäbeln und, wenn ein passenderes Wort aus der Hochsprache vorhanden ist, dieses einbauen. Er hat eine hohe Chance, damit verstanden zu werden. Ahmed und Kevin haben diese Vorteile nicht.

    Ich denke, das ist der Hauptunterschied zwischen deinem Lukas und Ahmed. Lukas lernt von seinen Eltern richtiges Schwäbisch. Er hat zu Hause korrekte Sprachvorbilder und kann so Schwäbisch richtig lernen und den Schweizer Dialekt aus dem Bereich, in dem er aufwächst, gut als Zweitsprache erlernen, weil er an eine korrekte Erstsprache anknüpfen kann. Und Hochdeutsch in der Schule kann er auch noch als Drittsprache dazulernen.

    Der fiktive Ahmed, von dem berichtet wurde, hat keine muttersprachlich korrekten Sprachvorbilder, weil die Eltern selbst die Muttersprache nicht mehr richtig gelernt haben ("Pidgin").

    Das führt dazu, dass er keinen grundlegend richtigen Erstspracherwerb hat und sich damit auch mit dem Zweitspracherwerb schwertut.

    Ja, das war genau, was ich meinte. Oft sind die Eltern von Migranten auch schon über Generationen hinweg entwurzelt, Fluchtgeschichten ziehen sich durch. Da ging es dann viel mehr ums Überleben als um ein Ankommen in irgend einer Sprachgruppe.

    Die seit Generationen in Schwaben lebende Familie dagegen ist verwurzelt, die Sprachtradition seit Generationen gewachsen. Natürlich macht das eine reiche Sprache leichter.

  • @happy spider natürlich und man sollte entsprechende Verbesserungen anstrebenden und möglichst allen Kindern vielfältige Lernmöglichkeiten bieten.


    Nur war Diskussionsgegenstand hier Kinder, die keine Sprache auf Bildungsniveau erlernen. Und hier denke ich, dass der Vergleich zwischen Lukas und Ahmed zu kurz greift. Auch ist m.M.n. die Schule viel zu spät. Es muss eben ganz gezielt früher eingegriffen werden. Mit Spielgruppen, mit Ermunterungen durch Fachpersonal, mit dem Kind die Muttersprache zu sprechen, mit der Zurverfügungstellung von fremdsprachigen Kinderbüchern etc.

    Nein, das ist mMn nichts anderes. Meine Mutter kam aus einem Handwerker - Haushalt, in dem sicher niemand Zeit hatte, zu lesen oder den Kindern vorzulesen. Ganz klassisch was neuerdings so abschätzig "bildungsfern" bezeichnet wird. Nur weil neuerdings der zweisprachlichkeit die Schuld gegeben wird, ändert es nichts daran, dass das Bildungssystem Kriterien festlegt, die vom Elternhaus erfüllt sein sollen, und wo das nicht der Fall ist, haben die Kinder halt Pech gehabt und das Bildungssystem fühlt sich nicht zuständig.


    Früher waren es klassenmerkmale, jetzt sind es klassenmerkmale plus migrationsmerkmale die als Kriterien herangezogen werden.

  • Balkantütsch", von dem Du sprichst, hat in der Sprachforschung gar keinen sooooo schlechten Ruf. Es wird als kreativer Umgang mit Sprache gewertet - sofern die Sprecherinnen in der Lage sind, auch andere Idiome zu nutzen, je nach Kontext. Und in meiner Erfahrung können die das meist wunderbar. Ebenso das Code-switching bei bilinguen Sprecherinnen: das gilt als durchaus erstrebenswerte Art, Sprache zu nutzen.

    aber genau das wurde hier ja angezweifelt.


    Der schwäbische Lukas dagegen spricht schwäbisch und hochdeutsch, aber (im besten Falle) beides sehr differenziert und wortschatzreich.

    eben nicht. der nachbarjunge lukas, von dem ich die ganze zeit spreche, hat kontakt zum hochdeutschen erst ab schuleintritt (und im konkreten fall nicht mal ab klasse 1) und zwar eindeutig als fremdsprache. es gibt keine schriftsprache, die er kennenlernt bis dahin (ausser er schaut deutsches kinder-TV, was achmed sicher auch macht).

  • nachtrag: das mit dem schwäbisch kann man eigentlich weglassen, es verwirrt nur (denn die lage ist mit schwaben oder überhaupt dt. nicht vergleichbar). mein beispiel war nicht besonders gut. ein normales, bildungsfernes kind hier aus der region reicht eigentlich als exempel.

  • Ich wollte noch ergänzen, dass es immer Leute gab, die dagegen angearbeitet haben, z. B. mit Volkshochschulen, Arbeiter- und Bauernfakultäten, oder z. B Kälte Strobel, die erste bundesministerin der SPD, die mit der Einführung des schülerbafögs vor allem Mädchen aus arbeiterfamilien das Abitur ermöglichen wollte.

  • eben nicht. der nachbarjunge lukas, von dem ich die ganze zeit spreche, hat kontakt zum hochdeutschen erst ab schuleintritt (und im konkreten fall nicht mal ab klasse 1) und zwar eindeutig als fremdsprache. es gibt keine schriftsprache, die er kennenlernt bis dahin (ausser er schaut deutsches kinder-TV, was achmed sicher auch macht).

    In Lukas Familie gibt es keine Zeitungen, keine Bücher? Er geht nicht in die Kita? Er hat keine Verwandten, die andere Einflüsse einbringen? - Wenn dem alles so ist: sicher. Ich kann da aus eigener Erfahrung nicht so viel sagen, weil das Berlinerische ja kein starker Dialekt ist. Sach ick ma!

  • Bei uns in der Gegend gibt's Landkinder, deren gesamtes Umfeld Platt spricht. Platt wird auch in Supermärkten, auf Behörden und überall gesprochen, es gibt auch zweisprachige KiTas (hätte ich für meine Tochter toll gefunden, aber sei's drum). Ich kenne Leute, die wirklich von sich sagen, Hochdeutsch sei ihre erste Fremdsprache gewesen.

    Kids don't drive you crazy, you were crazy already. That's why you had them.


    Lieben Gruß vom Rattenkind mit dem Kätzchen (10/2015) und dem Katerchen (09/2018).


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    In meinem Waldland geht ein Monster um...

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  • Wenn Lukas komplexen Dialekt spricht, wird er wahrscheinlich recht problemlos hochdeutsche Schriftsprache lernen. Er wird sich im Durchschnitt etwas leichter tun als ein Kind, dass komplexes Türkisch spricht (weil es eben doch ein deutscher Dialekt ist) und viel leichter als ein Kind, das keine komplexe Sprache spricht.

  • tulan: in der kita des lukas wird nur mundart gesprochen. auch in den behörden, im nationalen tv und radio. die verwandten tun das ebenfalls. jede schriftsprache ist damit eine fremdsprache, die oberhalb der ersten klasse eingeführt wird und als fremdsprache behandelt wird. sie wird nirgendwo in der umgebung des lukas gesprochen. er könnte in entsprechender umgebung (keine hochschule etc.) sein leben lang extrem wenig berührung mit einer schriftsprache haben.


    das hatte ich doch mehrfach ausgeführt.


    es ist ü-ber-haupt nicht mit berlinerisch zu vergleichen. mit süddeutschen dialekten auch nicht wirklich.