Rassistische Kacke im Alltag und sonstwo

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  • Ich erlebe(t)e Diskriminierung aufgrund der verschiedener Merkmale


    Herkunft (als Ossi ist das Leben in den 90ern nicht immer schön gewesen)

    Geschlecht (müssen wir nicht drüber reden - Iss klar)

    Aussehen (mit Kleidergröße 46 habe ich schon schlimme Sachen gehört. Absolut übel ist es, am Buffet sich essen zu nehmen - was da an Kommentaren kommt)

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Ich bekomme es nur selten mit, wenn ich angeglotzt werde. Nur wenn Leute so richtig starren, frag ich sie gerne, ob ich eventuell einen grünen Punkt auf der Nase habe?


    Aber die Frage: "Wo ist denn der Vater her?", die wirklich, wirklich oft gestellt wird, die nervt. Sehr. Oft in Zusammenhang mit: "Och, ist der süüüûß!" Ich weiß gar nicht, was mich davon mehr stört.

    Beides kenne ich von meinen großen Kindern nicht. Die waren halt nicht so putzig-exotisch, als daß sie ständig kommentiert werden mussten. Ich finde das übergriffig. Ich bin nicht dazu da, anderer Leute Neugier zu befriedigen.

    Julia und Tochter (11/04), Tochter (04/08), Sohn (06/17) und Tochter (12/20)

    Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.


  • janos, @möve: woher weiss meine Tochter, dass es kein freundliches Interesse ist?

    - es ist ihr Gefühl. Wir vorher nie darüber gesprochen. Mit freundlichen Leuten ist sie durchaus bereit, von ihrer Verwandschaft aus einem anderen Land zu sprechen. Aber sie hat seit sie ganz klein ist, ein sehr feines Gespür dafür, von wem sie sich lieber distanzieren möchte.


    Die konkrete Situation: alte Schule, neues Schuljahr, neue Klassenzusammensetzung. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe kennen sich mindestens ungefähr und wissen, welche Freundesclique aus welchem der umliegenden Dörfer kommt. Es gibt viele Themen, über die 12-jährige Kinder einen Gesprächseinstieg finden könnten, so offensichtliche wie welche Musik/youtouber/Filme/Sportarten/ whatever mag. Meine Tochter ist künstlerisch begabt, sie spielt Theater, macht Musik, macht Sport, zieht sich gern mal auffällig an. Tausend Dinge, über die sich normale Kinder gerne austauschen und kennenlernen. Und dann die Frage wo sie EIGENTLICH herkommt. Und auf die Antwort, dass es diejenige Person nichts angeht, kommt der Nachsatz "aber du bist doch Ausländerin!". Es ist tatsächlich so, dass auch ohne diesen Nachsatz, und selbst bei freundlicher Neugier der Hintergrund mitschwingt: "Ich habe jedes Recht hier zu sein, und auch das Recht, dich in frage zu stellen". Und ehrlich gesagt, war ich überrascht, wie deutlich meine Tochter das wahrgenommen hat. Sie ist nämlich eine sehr offene Person, schließt leicht Freundschaft und passt sich an sehr unterschiedliche Freundeskreise an.


    Ich werfe niemandem, der vielleicht diese Fragen freundlich interessiert stellt, direkten Rassissmus vor. Aber ich erläutere gerne, dass auch das freundliche Interesse durchaus einen Hintergrund hat, den es wert ist, sich bewußt zu machen. Und es ist durchaus eine sehr andere Situation, wenn jemand aufgrund einer Dialekteinfärbung nach dem Herkunftsort gefragt wird. Und sogar, wenn der/die Fragende die allerpositivsten Gedanken mit der Herkunft aus Afrika/Lateinamerika/Asien verbindet, weiss jede Person of Colour, dass hier in Deutschland, wie in vielen Ländern auch, sehr viele Menschen Vorurteile haben, dass Nicht-Weisse in der Vergangenheit übelst und auf entwürdigendste Weise diskriminiert wurden. Und all das kann bei einer Person, die vielleicht sehr oft von Fremden nach ihrer "eigentlichen" Herkunft gefragt wird, als Unterton mit ankommen.


    Mir tut es weh, dass meine Tochter sich wahrscheinlich ihr Leben lang damit auseinandersetzen müssen wird, dass viele ihrer Mitmenschen NICHT zuerst wahrnehmen, was sie tut, denkt, redet, sondern erstmal ihre eigenen Klischees auf sie projizieren, egal ob positiv oder negativ.


    Und meine Bitte an alle: Zeigt doch euer freundliches Interesse an einer Person, indem ihr nach anderen Dingen fragt. Auch "exotisch" aussehende Personen haben einen Beruf, Hobbies, Begabungen, Spass an den angesagten Netflix-Serien, eine Meinung zur Unpünklichkeit der deutschen Bahn - whatever!


    lg martita

  • Ich hab mal ein kleines positives Erlebnis zu berichten. Ich war heute auf der Suche nach einer Anleitung für eine Strickmütze fürs Baby, und habe bei Drops Design geguckt. Und da waren auf den ersten paar Seiten mit Baby-Anleitungen Kinder mit heller Haut, dunkler Haut, hellen und dunklen Haaren, sogar eins mit einem Feuermal im Gesicht zu sehen - und überwiegend in neutral gehaltenen Farben gekleidet. Völlig selbstverständlich. So find ich das gut #top

    ~~ Luxa


    Sometimes something will change and that change

    Will change you


    Strong people stand up for themselves.
    Stronger people stand up for others.


  • martita: Danke für die ausführliche Antwort. Die Beschreibungen / Formulierungen klingen wirklich übel. Und ich wünsche Deiner Tochter, dass sie da noch gute Freunde findet und die Idioten, die sie trifft, gut übersteht.

    Es denkt gerade in mir. Es erinnert mich an meinen technischen Beruf. Wie oft mir da Ablehnung und Unverständnis entgegenschlug. Wie oft ich gefragt wurde, warum ich denn nur so etwas studieren würde. Das war so oft abwertend und einfach so oft, dass ich da sicherlich oft patzig geantwortet habe, selbst wenn das einfach echtes Interesse war. (Damit möchte ich das jetzt nicht gleichstellen, denn den Beruf sieht man mir ja nicht an. Einfach nur fürs Verständnis des Mechanismus der Reaktion auf solche Fragen.)

    Ich muss gestehen, ich bleibe neugierig und werde da sicherlich immer noch ab und an fragen. Aber ich werde noch vorsichtiger mit der Situation und der Formulierung.


    luxa-rosenburg: Ich kenne Drops Design nicht, aber ist das natürlich? Also bildet das irgendwie die Gesellschaft ab? Ich hasse diese ganzen tollen Werbefotos und -prospekte von Firmen, in denen die ganze Palette drin ist - Quotenfrau, Quotenschwarzer (??? was ist denn jetzt pc??? ich weiß es wirklich nicht), Quotenasiate, Quotenwasweißich, dazu noch zwei mitteleuropäische Männer. Und in den Firmen sieht es leider ganz anders aus.

  • Möwe ich finde es in dem Fall einfach gut, weil es nicht demonstrativ wirkt. Es sind einfach Kinder, die zahlreiche Strick- und Häkel-Kleider anhaben. Und unterschiedlich aussehen dabei.

    ~~ Luxa


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    Will change you


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  • Was die Herkunft betrifft, dass Konzept der White Fragility erklärt ganz gut, finde ich, warum.es uns so schwer fällt, diese Erfahrungen anzunehmen als das, was sie sind: diskriminierend. Wir kennen es nicht. Wir sind die "Guten", die, die immer bestätigt werden als "normal". Wir sind nicht die Ausnahme.

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

  • danke, martita für deinen bericht.

    ich habe mir wirklich abgewöhnt, leute nach ihrer "ursprungsherkunft" zu fragen, um kein Othering zu betreiben, auch wenn ich neugierig bin, kann ich das hintenanstellen. meine neugierde ist nicht wichtiger als das recht meines gegenübers darauf, sich als gleichberechtigte gesprächsteilnehmerin zu fühlen.

    "Warum haben Sie das getan?" frage ich.

    "Um die neue Welt schneller anfangen zu lassen, denn die alte muss geschubst werden, damit sie schneller umfällt..."

    • Offizieller Beitrag

    martita danke fuer deine ausfuerhlichen Worte. Fuer mich ist es immer wieder erhellend, wenn wir in Gegenden oder Ländern sind, in denen meine Kinder oder Mann weniger oder auch gar nicht herausstechen, wie normaler sie behandelt werden, wie weniger sie als anders (gut wie schlecht) wahrgenommen werden. Das sind einfach ganz ganz subtile Dinge, die da vorgehen, und ich denke nicht, dass die meisten irgendetwas böses meinen (rassistisch denken oder handeln), aber sie werden halt zunaechst immer als nicht dazugehoerig wahrgenommen.

  • was mir immer wieder auffällt, ist der blinde fleck ganz vieler leute, wenn es um fremdenfeindlichkeit gegenüber osteuropäern geht.


    da wird vieles an reaktionen und sprüchen toleriert, was bezüglich anderer regionen der welt ein totales no go wäre.

  • VivaLaVida es gibt einen blinden Fleck bzgl. Diskriminierung von Osteuropäern?

    Also ich erlebe sie sehr häufig. Insbesondere Polen, Russen und Sinti und Roma. Damit wird doch auch immer wieder gespielt. Das ist doch nicht offensichtlich.

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Achso, ja das mag sein, über klauende Polen und saufende Russen Witze zu reißen, wird eher toleriert als über Kriminelle Afrikaner.


    Okay, da stimme ich dir zu

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Ich glaube ganz lässt sich dieses "Auffallen, weil anders" auch nicht abstellen für Menschen mit z.B. asiatischem oder afrikanischen Aussehen. Genauso wenig wie für Menschen im Rollstuhl, Kleinwüchsige oder sonst wie anders als die meisten aussehenden.


    Nebenbei eine Geschichte von der Arbeit, nicht rassistisch, aber zum Thema passend: Eine Kollegin mit (wie ich seitdem weiß türkischem Hintergrund) erzählte sie fahre in den Urlaub, ein Kollege fragte "wohin?". Sie sagte "in die Heimat" er :"Ah, Du machst Urlaub in *Wohnort der Kollegin*". - Sie: "Nein, ich fahre in die Türkei"

  • Achso, ja das mag sein, über klauende Polen und saufende Russen Witze zu reißen, wird eher toleriert als über Kriminelle Afrikaner.

    genau das. bei russen und polen (z.b.) geht man offenbar von einer genetisch vorgegebenen oder göttlich geschenkten „schmerzfreiheit“ diesbezüglich aus. die können das eher ab. oder so.

  • Als ich mal eine längere Zugreise über Prag nach Polen bis an die Ukrainische Grenze gemacht habe, fiel mir sehr auf, dass das, was am östlichen Rand Deutschlands der „Polenmarkt“ für Schnäppchen (und Witze) war, dann in Polen der „Russenmarkt“ war - geht das immer so weiter mit dem jeweils östlichen Nachbarn?

  • danke, martita für deinen bericht.

    ich habe mir wirklich abgewöhnt, leute nach ihrer "ursprungsherkunft" zu fragen, um kein Othering zu betreiben, auch wenn ich neugierig bin, kann ich das hintenanstellen. meine neugierde ist nicht wichtiger als das recht meines gegenübers darauf, sich als gleichberechtigte gesprächsteilnehmerin zu fühlen.

    Das moechte ich ganz dick unterstreichen.

    Mit der Großen (2011), dem Mittleren (2014), dem Ministernchen (2015) und der Kleinen (2018)

  • Fuer mich ist es immer wieder erhellend, wenn wir in Gegenden oder Ländern sind, in denen meine Kinder oder Mann weniger oder auch gar nicht herausstechen, wie normaler sie behandelt werden, wie weniger sie als anders (gut wie schlecht) wahrgenommen werden. Das sind einfach ganz ganz subtile Dinge, die da vorgehen, und ich denke nicht, dass die meisten irgendetwas böses meinen (rassistisch denken oder handeln), aber sie werden halt zunaechst immer als nicht dazugehoerig wahrgenommen.

    ja genau, das ist es, was mich daran betrübt. Ich denke auch, dass die allermeisten Menschen, denen meine Kinder bisher begegnet sind, überhaupt nichts Schlechtes im Sinn haben. Es ist nur so, dass das unbekümmerte und selbstverständliche Selbstbild, als Kind oder Jugendliche einfach dabei zu sein, irgendwann anfangen wird, Sprünge zu bekommen. Dabei bin ich sehr froh, dass beide Kinder einen sehr netten Freundeskreis haben, wo sie sich sehr unkompliziert zugehörig fühlen.

    Ich glaube ganz lässt sich dieses "Auffallen, weil anders" auch nicht abstellen für Menschen mit z.B. asiatischem oder afrikanischen Aussehen. Genauso wenig wie für Menschen im Rollstuhl, Kleinwüchsige oder sonst wie anders als die meisten aussehenden.


    Ja, damit hast du sicher recht, und es gehört halt einfach zu ihnen, und sie werden auch damit klar kommen. Anderseits ist mir schon bei verschiedenen Gelegenheiten aufgefallen, wie angenehm und entspannt es für mich ist, mich in einer wirklich "diversen" Umgebung zu befinden - in Gruppen/Seminaren, wo man nicht auf den ersten Blick sagen könnte, wer "anders" aussieht, weil alle so unterschiedlich sind und es dabei keine Rolle spielt, weil das Thema davon ganz unabhängig ist. Und wie außergewöhnlich positiv mir Situationen im Gedächtnis geblieben sind, wo ich im beruflichen Kontext genauso ernst und als kompetent wahrgenommen wurde, wie meine männlichen Kollegen.

    Das sage ich nur, um zu verdeutlichen, dass es einerseits nicht zwingend ist, als Person of Colour in die Rolle des "Anderen" zu kommen, andererseits merkt man daran auch, wieviel Energie verzehrt wird - auch unbewusst - allein dadurch, sich permanent in so einer Rolle zu befinden.

    Es denkt gerade in mir. Es erinnert mich an meinen technischen Beruf. Wie oft mir da Ablehnung und Unverständnis entgegenschlug. Wie oft ich gefragt wurde, warum ich denn nur so etwas studieren würde. Das war so oft abwertend und einfach so oft, dass ich da sicherlich oft patzig geantwortet habe, selbst wenn das einfach echtes Interesse war. (Damit möchte ich das jetzt nicht gleichstellen, denn den Beruf sieht man mir ja nicht an. Einfach nur fürs Verständnis des Mechanismus der Reaktion auf solche Fragen.)

    Ich denke schon, dass das Gefühl ähnlich ist - das ist halt Gendermist - denn als Mann in dem Beruf würdest du ja nicht so infrage gestellt werden, oder?


    lg martita