Rassistische Kacke im Alltag und sonstwo

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  • Bei "Ureinwohner" schwingt bei mir "uralt, Urmensch und daher weniger entwickelt als andere" mit. Bei vielem denken wir halt in linearer oder Stufenentwicklung von einfachen zum komplexen. Was nicht der Realität entspricht. Denn alle Ethnien, Gesellschaften oder Gruppen entwickeln sich weiter. Qualitativ ist das nicht zu vergleichen, es ist nur anders

    Daher verwende ich Ureinwohner nicht

  • Weil "Ur-" im normalen Sprachgebrauch was Abwertendes hat: Urmensch ist immer ein bisschen "der noch nicht fertig entwickelte..."

  • Ich dachte immer, Ureinwohner kommt von "ursprüngliche Einwohner ". Und das wäre ja der korrekteste Begriff. #gruebel

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  • Weil "Ur-" im normalen Sprachgebrauch was Abwertendes hat: Urmensch ist immer ein bisschen "der noch nicht fertig entwickelte..."

    Das höre ich tatsächlich zum ersten mal. Uroma, Urahn etc. das ist doch alles nicht negativ?

    LG, Kalliope


    Und bist du nicht willig, so brauch ich Geduld! (Prof. Peter Kruse) tap.gif

  • Ja, so nicht - aber für Menschengruppen schon. Urmenschen, Ureinwohner, Urvolk... das hat - im deutschen Sprachgebrauch eine Geschichte von "dem Primitiven" - und Ureinwohner klingelt bei mir dieselbe Hintergrundebene an. Das wurde - für meinen Geschmack - zu lange negativ gebraucht, um es heute locker gebrauchen zu können.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • ok. Ist mir bislang nie aufgefallen und habe die von dir genannten Wörter bislang nie negativ konnotiert wahrgenommen.

    "Primitiv" - ja klar, alles mit "unter" davor und "volk" an sich ist ein problematisches Wort. Aber "Urmensch" oder "Ureinwohner" habe ich da nie mit einsortiert.

    Gibt es dazu was zu lesen?

    LG, Kalliope


    Und bist du nicht willig, so brauch ich Geduld! (Prof. Peter Kruse) tap.gif

  • Puh, da überfragst du mich gerade.

    Ich habe das im Lauf des Studiums so mehr nebenbei mitgenommen - Urmensch wird nicht mehr verwendet, passender ist Vormensch, Frühmensch.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ich bin ja schon ein bisschen älter und habe daher für ganz verschiedene Menschen und Sachverhalte schon etliche Bezeichnungen durch, an die ich mich jeweils akribisch halte, weil ich wirklich niemanden verletzen oder beleidigen möchte.

    Allein für PoC könnte ich mindestens fünf Bezeichnungen aufzählen, die zu einem Zeitpunkt meines Lebens die übliche oder korrekte oder unbedingt zu verwendende Bezeichnung waren und ein paar Jahre später dann ein No Go.

    Und ganz ehrlich: wenn man nicht im beruflichen oder privaten Kontext ständig damit zu tun hat, dann ist es wirklich nicht leicht, da den Überblick zu behalten, selbst wenn einem das sehr wichtig ist.

    Ein schönes Beispiel ist auch „schwul“, das durfte man lang auf gar keinen Fall sagen, inzwischen bitte unbedingt, und meine Mutter schaut immer noch ganz entsetzt, wenn sie mich „schwul“ sagen hört.

    Eine Zeitlang war „Inuit“ und „Sinti und Roma“ statt des E- und des Z-Wortes korrekt, aber das ist es nicht mehr, und in beiden Fällen wüsste ich spontan nicht, wie ich sagen soll.


    Ich lese ja sehr viel hier im Forum, und ich kann mir auch viel merken, daher bin ich mir oft ziemlich sicher, wie ich wen gerade nennen darf. Was „indigen“ heißt, wusste ich zum Beispiel nicht, und sowas merke ich mir dann für immer. Manchmal komme ich aber ins Schleudern und google erst mal wie wild herum, um nur ja nichts Falsches zu schreiben.


    Aber wie machen das denn Leute, die kein Rabenforum haben? Die vielleicht überhaupt nicht viel lesen? Die vielleicht auch gar keine Kapazitäten haben, sich ständig einen neuen Wortschatz drauf zu schaffen?


    Und dreht sich die Wortspirale wirklich immer schneller, oder kommt mir das nur so vor, weil die Zeit so schnell vergeht?


    Ich hoffe, das fasst jetzt niemand als Provokation auf. Ich frage mich das aktuell wirklich oft. Und meine Eltern zum Beispiel bekommen das auch nicht mehr hin. Besonders für meine Mutter ist das schlimm, weil sie es eigentlich gerne richtig machen möchte.

  • In dem Buch "Afrika und die deutsche Sprache" steht viel zu diesen Begrifflichkeiten, kann es sehr empfehlen und auch verleihen.

    "Warum haben Sie das getan?" frage ich.

    "Um die neue Welt schneller anfangen zu lassen, denn die alte muss geschubst werden, damit sie schneller umfällt..."

  • Aber wie machen das denn Leute, die kein Rabenforum haben? Die vielleicht überhaupt nicht viel lesen? Die vielleicht auch gar keine Kapazitäten haben, sich ständig einen neuen Wortschatz drauf zu schaffen?

    Ich kann da ja nur sagen, wie ich es empfinde: mich stört das dann einfach nicht - ich finde, den Hintergrund hört man (vor allem bei Menschen, die man kennt) schon.

    Beispiel: meine Oma ist über 90. Nö, die muss nicht "Indigene" sagen. Ich weiss aber, dass sie "den Indianer" an ihrem Tisch genau gleich behandeln würde wie "den Wiener".

    Andere kennen sich perfekt mit dem neuesten Wortschatz aus - und sind und bleiben Rassisten.


    Schriftlich ist es aber deutlich schwerer - und ich gebe zu, an die Rabinnen habe ich recht hohe Ansprüche. Hier sind so viele interessierte und kluge Frauen versammelt. Da liegt die Latte hoch.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ehrlich gesagt ist das in meinem Leben selten ein praktisches Problem. Obwohl ich in einem globalen Unternehmen arbeite und auch viel mit Kolleginnen aus andren Ländern zu tun habe.


    Was ich echt nervig finde, sind die vielen Frauen, die heiraten und dann ihren Namen ändern. :P Aber da mache ich es letztlich genauso, wie auch bei der Bezeichnung von Gruppen: Ich verwende den mir zuletzt bekannten Namen und falls ich korrigiert werde, bemühe ich mich, das zu berücksichtigen. Das klappt mal besser, mal schlechter und damit müssen wir dann halt alle leben. #weissnicht



    Andere kennen sich perfekt mit dem neuesten Wortschatz aus - und sind und bleiben Rassisten.

    Ich habe neulich auf Netflix "Partner Track" geschaut, da kommt eine Szene vor, in der ein weißer Anwalt auf einem Betriebsausflug Stand-up comedy macht und über "White Fragility" spricht, auf eine Art und Weise, dass die nicht-weißen (und einige weiße) Personen im Raum völlig entsetzt sind. Sie zeigen dann in der Folge danach schön die Bandbreite der möglichen Reaktionen von "schmeißt den Rassisten raus" bis "ach, das war doch nur ein dummer Witz".

  • Sprache entwickelt sich. Hier im Forum ist das auch ein wenig idealisierte Welt und man tauscht sich aus und lernt dazu. Draußen in der Welt höre ich zu und habe gelernt, dass man immer wieder anpassen muss und sollte. Mit betroffenen Menschen im Gespräch bleiben. Mal auch Artikel und Erfahrungsberichte lesen. So wie bei anderen Themen halt auch.


    jeder wird mal daneben liegen. Wichtig ist doch dann aber, dass wenn einem der gegenüber sagt, dass der Begriff oder die Wortwahl schlecht war, dass man das respektiert und achtet. Das galt vor 30 Jahren schon genauso wie jetzt. Damals ging es um andere Begriffe als heutzutage.

    "C'est ici que l'aventure se mêle au vent de la mer."

    Pierre Marc Orlan


    If something won't matter in 5 years, don't waste more than 5 minutes worrying about it now.

  • Ehrlich gesagt ist das in meinem Leben selten ein praktisches Problem. Obwohl ich in einem globalen Unternehmen arbeite und auch viel mit Kolleginnen aus andren Ländern zu tun habe

    Im direkten Umgang hatte ich bis jetzt auch noch nie ein Wortwahlproblem. Es gibt ja auch selten Gelegenheiten zu denen ich über "alle Menschen mit Hautfarbe x" oder so im Alltag sprechen muss. Also ehrlich gesagt noch nie.


    Schwierig wird es bei Personenbeschreibungen. Das kommt hier häufiger vor. Die Kinder erzählen, sie hätten mit x in KiTa / Schule gespielt. Einer der Erwachsenen fragt dann: Wer ist x? Und der andere stammelt dann rum. Die Kinder sagen dann schon mal "Na, die mit der Peppa Wutz-Leggings und der braunen Haut"


    Oder eben, wenn es so wie aktuell, tatsächlich um die ganze Gruppe geht, Kolonialisierung / Sklaverei /...


    Nur ehrlich gesagt, weiß ich da auch nicht viel. Ich versuche es mir dann anzulesen, wenn ich Zeit habe. Es sind aber sehr komplexe Sachverhalte irgendwie ... auf der anderen Seite auch sehr einfach "Weißer Mann besser als dumme Wilde. Deswegen darf weißer Mann dumme Wilde alles wegnehmen und selbst behalten und dumme Wilde müssen dankbar sein"

    Rassismus an sich verändert sich ja nicht im Laufe der Zeit.

  • FrauMahlzahn : lustigerweise hat mein jüngster nie die Hautfarbe zur Beschreibung von Mitschüler:innen benutzt. Da fiel mir auf, dass es offensichtlich für MICH eine auffällige Eigenschaft ist, für ihn nicht. Die Kinder haben Namen und viele andere Eigenschaften - das finde ich immer wieder schön.

  • FrauMahlzahn : lustigerweise hat mein jüngster nie die Hautfarbe zur Beschreibung von Mitschüler:innen benutzt. Da fiel mir auf, dass es offensichtlich für MICH eine auffällige Eigenschaft ist, für ihn nicht. Die Kinder haben Namen und viele andere Eigenschaften - das finde ich immer wieder schön.

    Das war zu Beginn des Kindergarten so. Mit ca. 4 oder 5 änderte sich das. Warum auch immer, ich konnte das nie raus finden.

  • Ja, Vormensch, Frühmemsch - alles logisch.


    Aber Ureinwohner bei z.b. den Aborigines find ich sagt ganz klar : denen gehört das Land eigentlich, die waren ursprünglich = schon immer da. Ist in meinen Augen sogar ein Statement gegen Ausgrenzung denn wem das Land seit jeher gehört der hat Hausrecht und darf bestimmen, nicht der Zugezogene


    Das Wort nicht mehr zu benutzen heisst für mich, nicht mehr dran zu erinnern wem das Land eigentlich schon immer gehört = legitimiert Landraub und Ausgrenzung

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  • Solid Ground google doch einfachmal Ureinwohner und gucke dir die Bilder dazu an. Ich finde da wird sehr schnell klar, welche Bilder und Assoziationen in den Köpfen der meisten Menschen stecken.

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    Pierre Marc Orlan


    If something won't matter in 5 years, don't waste more than 5 minutes worrying about it now.

  • Keine Hautfarben sehen und sprechen ist ja auch nicht Lösung. Menschen haben nunmal unterschiedliche Hautfarben genauso wie es unterschiedliche Haarfarben gibt. Darueber nicht zu sprechen, tabuisiert das Thema. Es gibt Studien, dass Kinderschon sehr früh (mit 3-4 Jahren) Hautfarben wahrnehmen und auch Menschen danach kategorisieren und ausgrenzen.

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    Pierre Marc Orlan


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  • Keine Hautfarben sehen und sprechen ist ja auch nicht Lösung. Menschen haben nunmal unterschiedliche Hautfarben genauso wie es unterschiedliche Haarfarben gibt. Darueber nicht zu sprechen, tabuisiert das Thema. Es gibt Studien, dass Kinderschon sehr früh (mit 3-4 Jahren) Hautfarben wahrnehmen und auch Menschen danach kategorisieren und ausgrenzen.

    Ich habe bisher auch noch gar nicht verstanden, warum es schlimm ist, eine Hautfarbe zu benennen, wenn ich jemanden beschreibe. Für mich ist das bei einer Personenbeschreibung das gleiche wie die Haarfarbe. Warum ist das schlimm? Für mich ist das nicht einleuchtend. Und warum ist es schön, wenn ein Kind die Hautfarbe nicht erwähnt? Meint ihr, das Kind sieht das nicht? Und ist es auch falsch, wenn mein damals Siebenjähriger von einem ganz hellen Kind mit den weißen Haaren spricht?

    Ich würde das wirklich gerne verstehen.

    Liebe Grüße
    Silke mit dem Großen 06/2006 und der Kleinen 06/2009