Und immer wieder die gleiche Frage: Wie verhalte ich mich da? (Freunde schlagen ihr Kind)

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  • Puh, ... Ich habe gerade mit einem guten Freund telefoniert. Wir kennen uns schon seit einigen Jahren, seine Frau und ich waren gemeinsam schwanger, unsere Töchter sind mit nur 10 Wochen Unterschied zur Welt gekommen. In der Babyzeit haben wir uns regelmäßig mit den Zwergen getroffen, später waren beide Mädchen bei der selben Tagesmutter. Seit der Kindergarten begonnen hat (wir wohnen in zwei Nachbarorten), ist der Kontakt nicht mehr ganz so regelmäßig, aber immer noch freundschaftlich.


    Die Tochter meiner Freunde war von Anfang an ein eher sensibles Kind, die sich gut in etwas "reinsteigern" konnte. Ich habe das ja einige male selbst miterlebt, egal aus welchem Grund sie weinte, ob als Baby oder als Kleinkind, sie fing immer an, ziemlich laut und schrill zu kreischen, fast "hysterisch" würde ich sagen. Irgendwie viel es mir schwer zu unterscheiden, wann es wirklich "ernst" ist und wann doch mehr Trotz. Ok, aus Kindersicht ist es immer ernst. Auch die Eltern wussten nie so recht, wie sie sich verhalten sollen. Mal sind sie auf ihre Tochter eingegangen, haben sie getröstet, mal haben sie selbst eher bockig reagiert und von ihrer Tochter verlangt, sich zusammen zu reißen. Auch haben sie Möglichkeiten gesucht, wie sie ihrer Tochter den Umgang mit ihrer Wut beibringen können, etwa mit Kissen verhauen oder mit der symbolischen "Wutkuh", die verscheucht wurde. Aber das Mädchen ist wie es ist, und so wurde die Situation nur phasenweise besser.


    Seit der kleine Bruder auf der Welt ist, gibt es zusätzlichen Zündstoff in der Familie. "Grenzen austesten" nennen ihre Eltern das. Mal wird der Bruder gehauen, mal nach den Eltern getreten, mal fliegt der Teller beim Essen vom Tisch oder sie macht (mittlerweile 4) beim abendlichen Einschlafen Theater oder fängt mitten in der Nacht so laut an zu brüllen, dass der kleine Bruder, der im selben Zimmer schläft, davon wach wird. Nur weil sie nicht bekommen hat, was sie wollte.


    Ich erzähle das u.a. auch deshalb, weil ich auch die Eltern verstehe. Wie gesagt, ich habe es ja schon selbst einige male miterlebt. Die Kleine kann sich da so reinsteigern und so hysterisch werden, die weint nicht einfach nur, die kreischt richtig und auch laut, und ist argumentativ oft überhaupt nicht mehr zugänglich. Und das geht einem tierisch auf die Nerven. Selbst abwarten, bis sie sich selbst beruhigt hat, hilft oft nicht, weil sie in ihrer Wut nach immer neuen Methoden sucht, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, etwa in dem sie um sich haut oder Dinge kaputt macht.


    Ich kann aber auch nicht sagen, wo dieses Verhalten herkommt. Ich kenne sie wie gesagt seit ihrer Geburt, sie wurde viel getragen, relativ lange gestillt, hat von Anfang an viel Zuwendung bekommen und gerade im ersten Lebensjahr auch viel Verständnis. Aber je älter sie wird, desto dünner werden die Nerven der Eltern. Das führt dazu, dass die Kleine mitunter auch schon den einen oder anderen Klaps bekommen hat, etwa auf die nackten Füße, wenn sie trotz mehrfacher Ermahnung nach den Eltern getreten hat. Aber leider auch schon mal auf den nackten Po. "Nicht doll, und auch nur ein Klaps, aber halt schon so, dass sie es merkt", war der O-Ton ihres Vaters. Also kein "Mir ist mal die Hand ausgerutscht und es tut mir leid" von überforderten Eltern, sondern vorsätzliche Schläge als Erziehungsmaßnahme. Ersteres könnte ich, wenn es eine Ausnahme bleibt und im Gespräch mit dem Kind auch wieder geklärt wird, irgendwie noch entschuldigen. Aber vorsätzliche Klapse oder Schläge als Erziehungsmaßnahme, nein, das kann ich nicht gutheißen.


    Nur: ich traue mich leider nicht, das meinen Freunden gegenüber so deutlich zu sagen. Zumal ich auch keine "bessere" Lösung anzubieten habe. Es erscheint mir irgendwie anmaßend, ihre Kompetenz als Eltern in Frage zu stellen, zumal ich ja nicht in der gleichen Situation bin.


    Ich habe auch selbst eine 4-jährige Tochter und auch wenn ich diese als sehr umgänglich bezeichnen würde, habe ich natürlich auch mit ihr schon die eine oder andere Situation erlebt, in der sie sich weder beruhigen noch ansprechen ließ und mir ihre geballte Wut entgegen schleuderte. In dem Moment wusste ich dann auch oft nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll. Nachgeben wäre falsch, Trösten funktioniert nicht, Anbrüllen provoziert nur noch mehr, ... Und ja, den Impuls ihr eine zu Kleben oder sie zumindest mal kräftig durchzuschütteln, damit sie wieder zu Sinnen kommt, den habe ich auch schon mal verspürt. Aber ich will meiner Tochter beibringen, dass man Konflikte nicht mit Gewalt lösen kann. Und dazu muss ich in aller erster Linie selbst Vorbild sein. Zumal ich in meiner eigenen Kindheit zu genüge schlechte Erfahrungen mit diesem Thema gemacht habe ...


    Wie dem auch sei: Ich fühle mich als "Berater" nicht ausreichend qualifiziert. Aber einfach drüber hinweg gehen, dass meine Freunde ihre Tochter schlagen, finde ich auch falsch. Wie würdet ihr euch verhalten?

    Es gibt nichts das höher, stärker,
    gesünder und nützlicher für das Leben ist,
    als eine gute Erinnerung aus der Kindheit.

    - Fjodor M. Dostojewskij -

  • Aber ich will meiner Tochter beibringen, dass man Konflikte nicht mit Gewalt lösen kann. Und dazu muss ich in aller erster Linie selbst Vorbild sein.

    Und genau das ist doch der Satz, den du bei den Eltern auch sagen kannst!
    Und das Argument, dass man seinen Partner ja auch nicht haut, wenn er sich doof verhält, finde ich immer ganz wichtig!
    Ansonsten finde ich es auch immer schwierig, sich einzumischen, gerade wenn man die Menschen mag. ABER dass Kinder geschlagen werden, darf man nicht tolerieren, find ich! Du kannst es ja auch nett verpacken und ihnen sagen, dass du sie verstehst etc. Und ich würde auch deutlich sagen, dass Kinder schlagen in Deutschland verboten ist!

    "Finish each day and be done with it. You have done what you could. Learn from it; tomorrow is a new day."
    Ralph Waldo Emerson


  • So in etwa kenne ich hier das Verhalten der Mädchens auch, wenn Imogen "ihre Krise kriegt". Dann macht sie total dicht, man kommt nicht an sie ran. Das dauert teilweise auch schon mal bis zu einer Stunde, da können dann auch CDs, Bücher und andere Dinge in ihrem Zimmer aus den Regalen fliegen. Oder sie tritt uns oder haut nach uns. Mittlerweile ist sie ja schon 8,5 Jahre alt, und es kommt nicht allzu oft vor. D. h. nicht regelmäßig jede Woche oder so, sondern vielleicht mal 2 - 3 mal im Monat, dann wieder eine Zeitlang nicht.


    Meistens versuchen wir, in der "heißen Phase" ruhig zu bleiben (was uns oft genug nicht wirklich gelang, es nervt und man fühlt sich auch selbst hilflos, wenn man sieht, dass sein Kind da immer mehr rein gleitet; es ist oft wie ein Schalter bei Imogen). Bei uns ist es ja so, dass hier meine Erkrankung eine große Rolle spielt: Imogen ist auf der einen Seite sehr tapfer, auf der anderen Seite flippt sie dann aus, wenn sie keine Kontrolle mehr in der Situation hat. Wir sind bei einer Familienberatung, die hat uns bisher sehr gut unterstützt.


    Zum Klapsen/Hauen der Eltern (wenn sie das Kind hauen): geht natürlich gar nicht. Wenn die Hand ausrutscht, ok - kann man vielleicht noch in manchen Situationen nachvollziehen, aber als Erziehungsmethode? Nein, absolutes No-Go. Das würde ich den Eltern auch so sagen. Vielleicht auch Jesper Juul zu Rate ziehen (Buch oder ein Interview von ihm zeigen?)


    Lt. meiner TV-Zeitung soll nächsten Dienstag in "Quarks und Co." Erziehung das Thema sein, auch zu Klapse/Schlagen soll war gesagt werden. Vielleicht kannst Du Deine Bekannten ja dann darauf hinweisen?


    Nachtrag: Der Beitrag kam schon vor einem Jahr: http://www.wdr.de/tv/quarks/se…11/0607/004_erziehung.jsp

  • Puh...das ist eine heikle Kiste. Ich kann verstehen, dass du dich nicht traust und dich fühlst, als säßest du zwischen den Stühlen. Solche Gespräche, wenn sie denn geführt werden, sind Gratwanderungen, die schnell ungut ausgehen können.


    Aus deinem Posting geht für mich leider nicht hervor, ob du das Schlagen selbst schon einmal miterlebt hast.


    Wenn ich solche Dinge mitbekommen würde bei Freunden, würde ich es ansprechen. Mir würden solche Erlebnisse keine Ruhe lassen. Für mich ist Schlagen keine akzeptable Möglichkeit zur Erziehungsmaßnahme. Zumal der Kleinen mit ihrer Wut dadurch nicht geholfen ist. Mir wäre lieber, eine Freundschaft zerbricht im äußersten Falle an meiner Offenheit, als das ich geschwiegen hätte.


    Ich würde einen ruhigen und sachlichen Ton wählen und mich erst einmal erkundigen, wie weit das gehen kann und wie sich die Eltern dabei fühlen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Eltern sich mit dieser Art Maßregelung auch nicht gut fühlen, aber keine andere so "wirkt" wie von ihnen gewünscht.
    Wie du erzählst, haben die Eltern ja schon einmal Ansätze versucht, die Wut umzulenken (Wutkuh, Kissen). Solche Ansätze sind prinzipiell ja schon mal nicht schlecht und zeigen mir, dass die Eltern um eine für alle akzeptable Lösung bemüht sind. Darin würde ich sie vielleicht noch einmal bestärken - diesen Weg, eventuell sogar mit professioneller Hilfe, noch einmal und weiter zu gehen.


    Wenn meine Tochter so wütet, schlägt, tritt etc. und ich bei ihr nicht mehr durchkomme, dann rede ich nicht mehr lange, sondern verlasse zunächst das Zimmer. Zum einen, um selbst durchzuatmen, zum anderen, um ihr zu ermöglichen, Abstand von der akuten Situation zu gewinnen. Je mehr ich auf sie zugehe, auf sie einrede, ihre Hände oder Füße wegdrücke, desto aggressiver wird sie. Bevor ich gehe, sage ich ihr, dass es mir hier zu laut wird und sie mir nachkommen kann, wenn sie sich wieder beruhigt hat. Meistens fängt sie dann an zu jammern, ich solle nicht gehen, aber dann wird es nur wieder schlimmer wenn ich doch bleibe. Also bringe ich Abstand zwischen uns und meistens kommt sie dann nach ein paar Minuten zu mir und will kuscheln. Das mache ich dann natürlich. Je nachdem, wie sie anschließend drauf ist, rede ich mit ihr darüber und sage ihr, was mir nicht gefallen hat. Meistens klappt es. Die Wut umzulenken, das versteht meine Tochter noch nicht anzuwenden. Aber sie weiß prinzipiell, dass Schlagen nicht geht und wir dann traurig sind, wenn sie es tut.


    Gute Erfahrungen haben wir mit Büchern gemacht (Der kleine Trotzdrache, Das kleine Wutmonster, Vom Streiten, Quengeln und Vertragen). Ich weiß allerdings nicht, ob das auch etwas für das Kind deiner Freundin wäre.


    Vielleicht wäre Hilfe von außen möglich? Ich weiß nicht, ob das schon in Richtung Kinderpsychologe ginge (vielleicht würde ich das Wort Psychologe nicht direkt sagen, je nachdem wie die Eltern zu dem Thema eingestellt sind). Auf diesem Gebiet kenne ich mich nicht aus, vielleicht weiß einer der anderen hier diesbezüglich mehr.

    Vielleicht kannst du auch selbst schon einmal nachforschen, welche Möglichkeiten es konkret in eurer Stadt gibt. Und dann konkrete Adressen, Telefonnummern oder Flyer an deine Freunde weitergeben.


    Ist alles nur so eine erste Idee von mir. Da ich selbst mit so einer Situation bisher noch nicht konfrontiert wurde, kann ich nur theoretische Tipps geben. Vielleicht schreibt noch jemand, der praxisnähere Vorschläge hat.

  • Ich hatte auch so bekannte und als ich das ganze dan mal live miterlebt habe bin ich in deren kueche holte den kochloeffel und sagte "aber nur auf die fuesse..."


    Das gab den ausschlag fue lange gespraeche - den das hatte sie wachgeruettelt...


    Maennern hoeren gut auf das argument das sie wenn sie schlagen schwach sind weil sie nachgegeben haben.


    Oder man kann sie auch fra:-)gen wo das hinfuehrn soll denn irgendwann sind die kids immun gegen watschen oder klapse die sind dann recht schnell abgehaertet und wenn man dann feeundlich nachfragt was die naechste stufe ist lenken auch viele ein


    Ich habe natuerlich auch verstaendnis wenn es eltern zu viel wird und koerperliche uebergriffe sind trotztdem das allerletze (obwohl verbale gewalt auch sehr sehr schlimm sein kann. ?)


    Waeren meine bekannten immun geblieben gegen freundliche hinweise haette ich sie angezeigt...
    Da bin ich stur sorry...


    Ach ja meine bekannten sind aus der gewaltspirale raus und ihnen haben die kloetearsbriefe geholfen sowie die moeglichkeit mich anzurufen um sich abzureagieren....

  • wenn ich dich richtig verstehe haben die Eltern schon Vieles versucht und sind jetzt bei der "letzten Massnahme" angelangt, Schläge austeilen.
    Ich bekomme das Gefühl, dass sie einfach machtlos sind und greifen auf Etwas Altbewährtes :( zurück, weil alles andere nichts gebracht hat. Wie du kann ich eigenltich gut verstehen, wie mühsam und schwierig es sein muss ein Kind zu haben, der so nicht seine eigene Erwartungen entspricht; und ich glaub es würde mir sehr schwer fallen professionnelle Hilfe zu holen (Niederlagegefühl) aber von Aussen gesehen würde ich deinen Freunden wirklich dazu raten. Es kann nicht so weiter, für Keine in der Familie und mit einem Baby verstärken sind so und so fast immer die unerwünschte Verhalten.

  • Unsere Tochter ist auch so. Wenn sie einen Wutanfall bekommt, kommt man einfach nicht mehr durch. Manchmal kann ich damit leben, manchmal (wenn sie wie von dir beschrieben mitten in der Nacht neben dem kleinen Bruder loskreischt, weil sie um 1Uhr nachts kein Eis bekommt, ich vorher auch schon die halbe Nacht mit dem Frosch verbracht habe, damit er einschläft), da packt mich eine solch ohnmächtige Wut, dass ich sie vor mir in Sicherheit bringen muss. Das klingt jetzt sicherlich sehr krass, aber bevor ich an das Kind gehe, setzte ich sie lieber in ihr Zimmer.
    Ich kann deine Freunde also durchaus verstehen, aber mit Vorsatz schlagen geht gar nicht. Das grenzt für mich immer an Perversität/Misshandlung, egal wie fest es ist.
    Mir ist auch schon die Hand ausgerutscht, nein ich habe zurück gehauen, wenn meine Tochter mir im Anfall immer wieder gegen die KS-Narbe getreten hat, das war aber weder mit Vorsatz, noch, so, dass ich extra "nur" auf die Füße geschlagen hab, es war eben das Bein, weil das ständig geflogen kam. Es tat mir leid, ich wusste nicht, wie ich mich schützen sollte, weggehen ging nicht, weil eingekeilt zwischen Baby und Kind im Familienbett.
    Seitdem ist die Konsequenz für sie (und für mich!), dass ich sie raus trage, wenn sie ausflippt. Das mag übergriffig sein, aber es ist nicht so schlimm wie die Folgen für alle Familienmitglieder,wenn sie sowas mitten in der Nacht veranstaltet.
    Wenn Minipli sich dann beruhigt hat, geht einer von uns zu ihr, fragt warum sie sauer ist und dass es uns traurig macht, wenn sie so wütend auf uns ist. Dann kann man auch mit ihr reden, es tut ihr meistens furchtbar leid und sie knutscht uns ab-mittlerweile sagt sie sogar manchmal, wir sollen sie alle in Ruhe lassen und will dann für 3-5 Minuten weg, eben so lange, wie sie sicch selbst im Weg steht.
    Ich kenne solche Wutanfälle noch von mir als Kind-ich habe geschrien, bis ich blau angelaufen bin. Schlagen hat das Ganze noch schlimmer gemacht, ich musste auch alleine sein, Sachen schmeißen und dann ganz fest in den Arm genommen werden, oder geschüttelt, sonst bin ich echt umgefallen vor Wut. Diese eigene Erfahrung in Verbindung mit "Schlagen macht es nur Schlimmer" hilft immer sehr als Argumentation, wenn Außenstehende denken, man müsse zur "letzten Lösung" greifen (hier vielleicht beim Ehemann?!?).

    Je kaputter die Welt draußen, desto heiler muss sie zu Hause sein. Rheinhard Mey

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