An die Redakteurin der ARD in Berlin habe ich eine Email geschrieben:
Sehr geehrte Frau Anthony,
allgemein ist die ARD ja für Qualität in der Berichterstattung bekannt. Grundlage dafür ist Sachkenntnis.
Ihr Beitrag gestern Abend ließ das allerdings vermissen.
Zunächst geht es nicht um Fehlgeburten. Hier die Definition von Fehlgeburten bei Wikipedia:
"Eine Fehlgeburt, auch Abort (lat. abortus; veraltet auch Missfall) genannt, ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Ausstoßung und/oder Absterben einer unter 500 Gramm wiegenden Frucht."
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Fehlgeburt
Eine Fehlgeburt ist für die einzelne Frau natürlich ein tragisches Ereignis, aber darum geht es gar nicht. Es geht um Schädigungen des Kindes im Verlauf der Geburt. Eine Fehlgeburt findet dagegen viel früher statt und da ist in der Regel keine Hebamme anwesend.
Ihr zweiter Fehler besteht darin, dass es nicht nur eine Problematik der außerklinischen Geburtshilfe ist.
Viele Krankenhäuser (gerade auch kleinere Häuser) haben ihr Haftpflichtrisiko outgescorct und beschäftigen nur noch freiberufliche Hebammen im Schichtsystem, die sich natürlich auch absichern müssen. Den Schwangeren, die zur Geburt in ein Krankenhaus kommen, ist dies in der Regel nicht bewusst. Ob die Hebamme festangestellt ist oder freiberuflich tätig, steht ihr nicht auf der Stirn geschrieben.
Außerdem möchten manche Schwangere eine individuelle Begleitung durch eine vertraute Hebamme, aber dennoch nicht auf die medizinischen Möglichkeiten eines Krankenhauses verzichten. Auch hier gibt es Beleghebammen, die sie betreuen.
Zum Teil sind festangestellte Hebammen auch nicht genügend durch den AG abgesichert und müssen das zusätzliche Risiko absichern.
Außerdem sind auch Hebammen betroffen, die gar keine Geburtshilfe mehr anbieten: Sie nutzen nämlich auch in der Regel den Versicherungs-Gruppentarif der Hebammenverbände, der ab Sommer 2015 nicht mehr bestehen wird. Wochenbettbetreuung, Rückbildungs- und Vorbereitungskurse stehen auch auf dem Spiel. Die Hebammen haben dabei die Krankenhäuser stark entlastet, da die Liegedauer seit Jahren zurückgeht (ich persönlich kenne Frauen, die drei Tage nach einem Kaiserschnitt entlassen wurden. Dies geht nur, wenn eine Hebamme zu Hause kontrolliert, ob auch alles in Ordnung ist).
Selbst wenn man davon ausgeht, dass nur freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe keine Versicherungen mehr haben, so sind das ca. 20% aller Geburten.
Es wäre sinnvoll das Haftpflichtproblem auch weiter zu sehen: In Bassum (LK Diepholz) wurde zum Beispiel die Geburtsstation geschlossen, weil die Belegärzte aufgehört haben: Sie müssen Haftpflichtbeiträge von mehreren 10.000 € zahlen, wenn sie in der Geburtshilfe tätig sind.
Das Problem ist der medizinische Fortschritt: Wir als Gesellschaft müssen uns fragen, wie wir mit diesem Problem umgehen wollen:
- Wie in den USA, wo hohe Schadenersatzforderungen gestellt werden können und in der Folge in manchen Bereichen kaum noch Ärzte zu finden sind und es auch kaum Hebammen gibt (die WHO-Statistik zeigt eine doppelt so hohe Mütter-und-Säuglingssterblichkeit wie in D),
- ein staatlicher Haftungsfond wie in den Niederlanden, wo die medizinischen Kosten von der Allgemeinheit getragen werden und Hebammen und Ärzte nur Schmerzensgeld absichern müssen,
- oder vielleicht eine ganz andere Lösung.
Die Hebammenproblematik ist da nur die Spitze des Eisbergs, über kurz und lang wird es alle medizinischen Bereiche treffen, zuerst die operativ tätigen.
Die Geburt ist ein kein planbares Ereignis und bedarf einer individuellen Versorgung.
Dies kann in der Zukunft eventuell nicht mehr möglich sein.
Ich wäre sehr erfreut, wenn Sie in der Zukunft besser recherchieren würden, gerade, wenn Sie sich das Thema Sozialpolitik auf die Fahnen geschrieben haben.
Im Anhang eine kurze Information unseres Vereins zur Problematik.
Mit freundlichen Grüßen
Astrid Ahlers
1. Vorsitzende Rabeneltern.org e.V.
Ich habe ihr dann noch unsere FAQs zum Thema angehängt.