Zugegeben, als Kassenpatientin habe ich mir nie viele Gedanken gemacht, was ärztliche Leistungen kosten, zumal ich ja auch die Rechnungen nie zu Gesicht bekommen habe. Wenn man privat versichert ist, ist das durchaus was anderes ...
Mein Mann ist privat versichert und unsere Tochter ist bei ihm mitversichert. Jetzt haben wir einen Tarif, bei dem wir 50% der Monatsbeiträge am Jahresende zurückerstattet bekommen, wenn wir in den vergangenen 12 Monaten keine medizinischen Leistungen in Anspruch genommen bzw. keine Rechnungen bei der Krankenkasse eingereicht haben. Vorsorgeuntersuchungen sind davon ausgenommen. Aber bei den Kosten für etwaige Behandlungen ist das ein einfaches Rechenspiel: Wenn die ärztlichen Behandlungen mehr kosten, als wir von der Krankenkasse erstattet bekommen, dann reichen wir die Rechnungen ein (ist innerhalb vom Kalenderjahr auch rückwirkend noch möglich), bis zum Erreichen dieser Summe (ist nicht wenig!) zahlen wir unsere Arztrechnungen aber erst mal selber. Und wenn man selber zahlen muss, achtet man natürlich auch ganz anders drauf, was da so auf der Rechnung steht und was die einzelnen Positionen kosten. Und die werden bei Privatpatienten ohnehin schon mit Faktor 2 angesetzt ...
Nun hat sich unlängst folgendes zugetragen: Tochter war bei Nachbarn zum Spielen in deren Garten und ist mit ihren Freunden auf dem Trampolin rumgehüpft. Die Zwerge sind dabei auf die furchtbar intelligente Idee gekommen, außen am Netz entlang zu klettern. Tochter stürzte vom Trampolin und fiel mit dem Rücken auf ein darunter geparktes Kinderfahrrad. Die Nachbarin und eine zweite Mutter waren dabei und völlig aus dem Häuschen vor Sorge. Ok, ich kann mir schon vorstellen, dass das schlimm ausgesehen hat. Meine Tochter hat sich über den halben Rücken riesige Schürfwunden zugezogen, aber letztlich waren es eben doch nur Schürfwunden. Als ich kam, saß sie verheult auf dem Küchentisch, aber sie saß aufrecht, konnte sich bewegen und hat auch nicht vor Schmerzen aufgeschrien, als ich sie in den Arm genommen habe. Ich hätte jetzt im Normalfall vorsichtig ein Kühlpack auf die Wunde gelegt bzw. die Wunde mit Wunddesinfektion, Bepanthen und 'nem sauberen Wunderverband versorgt und ein paar Minuten später wäre meine Tochter wieder mit ihren Freunden herumgehüpft. Ist nicht das erste mal, dass sie gestürzt ist. Aber die beiden anderen Mütter waren mega besorgt und haben auf mich eingeredet, dass ich das lieber vom Arzt angucken lassen soll, nicht das was gebrochen ist oder so. Ich habe mich tatsächlich verunsichern lassen (und wollte auch nicht als Rabenmutter dastehen), also bin ich mit ihr zum Unfallchirurgen gefahren. Und was war: Nur eine große, oberflächliche Wunde, versorgt mit Wunddesinfektion, Bepanthen und Wunderverband, und kaum waren wir wieder zuhause, tobte Tochter wieder mit ihrem Freunden auf der Strasse, als wäre nichts gewesen. Sag' ich doch! Ich sollte lernen, mehr auf meine Instinkte zu hören!
Der Doc hat uns dann aber trotzdem noch mal gebeten, zur Nachkontrolle und zum Verbandswechsel zu kommen (was ich durchaus auch alleine hinbekommen hätte ...). Insgesamt waren wir also drei mal da, jeweils nicht länger als 10 Minuten, kurze Untersuchung (Blickkontakt), Verbandswechsel und das war's. So, und heute kam die Rechnung: 145,- Euröner!!!! Für eine Schürfwunde, die ich mit ein bisschen pusten und trösten genauso gut selber hätte versorgen können. Mein Gott, wie oft fallen Kinder irgendwo runter und verletzen sich. Nicht dass mir meine Tochter das nicht wert wäre. Aber dass mich der Spaß fast 150,- EUR kosten würde, damit habe ich defintiv nicht gerechnet.
Ich glaube, was mich am meisten daran ärgert ist, dass ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört und mich gegen die übervorsichtigen Ratschläge der anderen Mütter gewehrt habe. Ich weiß, die haben es nur gut gemeint. Die müssen ja auch ihre Arztrechnungen nicht selber zahlen. Die können jederzeit "vorsichtshalber" mal schnell zum Arzt, das Kind angucken lassen. Selbst wenn dann nichts sein sollte, aber sicher ist sicher. Kennt man ja. Die Zeiten in denen Kinder von Bäumen oder Klettergerüsten fielen und dann mit einem Bonbon getröstet und wieder losgeschickt wurden, sind vorbei. Ich habe mir damals noch eine Standpauke eingefangen, wenn ich so dumm war vom Baum zu fallen und mir dabei noch die Hose zerrissen habe. Aber solange ich noch aufrecht laufen konnte, ist meine Mutter sicher nicht mit mir zum Arzt gefahren. Aber heute rennt man wegen jeder Beule gleich zum Unfallchirurgen.
Ich glaube, wenn mehr Menschen ihre Arztrechnungen selber zahlen müssten, wären unsere Wartezimmer nur halb so voll. Oder zumindest die Transparenz, was ärztliche Leistungen kosten, würde vielleicht bei dem einen oder anderen zu mehr Mitverantwortung führen. Ich finde es sicher nicht ok, wenn man auf sinnvolle und notwendige Behandlungen verzichtet, weil man sie sich nicht leisten kann (oder nicht leisten will). Ich bin froh, dass wir in Deutschland ein funktionierendes Gesundheitssystem haben, in dem jeder Bürger Anrecht auf eine umfassende medizinische Versorgung hat. Bitte nicht falsch verstehen. Aber das eben genannte Beispiel zeigt deutlich, dass man vielleicht nicht immer wegen jedem Pups zum Arzt rennen muss und sich ruhig auch mal bewusst machen sollte, was selbst eine harmlose Schürfwunde an Kosten verursacht.
Mich würde mal interessieren, wie viele Eltern trotzdem mit ihrem Kind zum Arzt gerannt wären, wenn sie vorher gewusst hätten, dass sie dafür 150,- EUR aus eigener Tasche bezahlen müssen. Und ja, ich weiß, dass ist ein Luxus-Problem, denn wir bekommen das Geld ja im Endeffekt trotzdem von der Krankenkasse wieder, halt am Jahresende. Mir geht es auch nicht darum, dass ich nicht bereit bin die Rechnung zu bezahlen oder dass mir meine Tochter das nicht wert wäre. Ich fand nur, dass ein Ärztehonorar von fast 150,- EUR für die (streng genommen unnötige) Behandlung einer Schürfwunde in keinem Verhältnis steht. Und ich rege mich noch nicht mal darüber auf, dass der Arzt vermeintlich zu teuer ist (bei einem Kassenpatienten hätte er für die tupfengleiche Leistung nicht mal die Hälfte bekommen!), sondern ich ärgere mich über mich selbst, dass ich wegen einer Lappalie wider besseren Wissens zum Arzt gerannt bin.
Kann das irgendwer nachvollziehen? Gibt es hier noch andere Selbstzahler, die sich schon mal über überteuerte Arztrechnungen geärgert haben? Oder ist das so ein Tabuthema, über das man nicht meckern darf, weil Hauptsache gesund, egal was es kostet?