Wie kommen Eltern zu ihrer Erziehungseinstellung?

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  • Naja, Stillen ist ernährungstechnisch das Beste für ein Kind und erfüllt darüberhinaus weitere Bedürfnisse. Es kommt aber auf das Gesamtpaket an. Wenn der Versuch zu Stillen aufgrund von was auch immer (schlechte Beratung, schwierige Geburt, körperliche Probleme. ..) die Mutter von ihrem Kind entfremdet, dann ist die Entscheidung die Flasche zu geben sicher nicht falsch. So geschehen bei einer Freundin. Sie hat sich unter Druck gesetzt, gespült, gepumpt und sterilisiert und ein schlechtes Gewissen gehabt. Erst mit dem Abstillen kam das Baby genießen. Ich kann sie verstehen!
    Und so ist es doch mit vielem. Es kommt nicht auf die einzelne Entscheidung an, sondern das Gesamtpaket an Zuwendung bzw. Hinwendung zum Kind muss stimmen.


    Meiner Meinung nach fängt bedürfnisorientierte Erziehung an bei der Fähigkeit der Eltern die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und einzuschätzen. Erst dann ist es nämlich möglich auch dafür zu sorgen, dass ganz elementare Elternbedürfnisse soweit befriedigt werden können, dass ein quakendes Kind nicht als der garstige Tyrann, der mir z.B. meinen Schlaf nicht gönnt wahrgenommen wird. Hingabe an das Kind darf nicht zur Selbstaufgabe der Eltern führen.
    Mir z.B. ist es wichtig, dass ich essen und schlafen kann. Also sorge ich dafür, dass das weitestgehend geht. Mit Ausschlafen am Wochenende, Stillen zum schnellen Weiterschlafen, mit Baby hinlegen u.s.w.
    Aber ohne das wäre ich sehr schnell überfordert und "unrabig"


    Ich finde übrigens den Familenbettkrams, Stillen und entspannt, weil es mir entspricht. Anstrengend finde ich Dinge, die nicht meiner Natur entsprechen.

  • und jetzt versuche ich zusammenzufassen:


    - rabige softmarker (a la dreifaltigkeit #top ) sagen noch nichts über bindung und liebe aus, können aber begünstigend wirken, durch die nähe
    - "antirabige" softmarker können trotzdem zu einem liebevollen umgang führen und zu einer sicheren bindung, können aber erschwerend wirken, da sie oft mit distanz einher gehen
    - neueltern können ihre vorgeburtlichen einstellungen ändern, es kann minuten oder jahre brauchen und in beide richtungen gehen, hin oder weg von bedürfnisorientiertheit


    - die aussenwelt und die eigene kindheit hat einen starken einfluss auf unsere erziehungsideale, aber man kann sie überwinden. wobei es in der babyzeit leichter ist, ein rabiges oder antirabiges programm durchzuziehen. im späteren umgang mit den kindern ist vor allem elterliche emphatie wichtig. und viel mehr emotionale kraftanstrengungen, wenn man nicht in "schlechte" bekannte rollen reinfallen möchte




    habt ihr eine idee, warum einige die "hat mir nicht geschadet" schiene und andere die "es muss auch anders/besser gehen" schiene fahren?


    lg quark

    lg quark


    Einmal editiert, zuletzt von quark ()

  • quark, ich weiß es nicht? reflektion?


    bei meiner freundin läuft den ganzen tag der fernseher. und sie sagt: war früher auch so, hat mir auch nicht geschadet.


    die "es muss auch anders/besser gehen" Schiene ist vielleicht aufwendiger? Und das "es hat mir auch nicht geschadet" eine Möglichkeit, sich rauszureden.

  • Ich denke, dass ehrliches Reflektieren der eigenen Erziehung einfach verdammt schmerzhaft sein kann. Man zahlt einen hohen Preis, entwickelt vielleicht eine Depression oder andere Symptome während der Verarbeitung. Außerdem muss man ja die eigenen Eltern entthronen und gibt damit vielleicht eine Vertrautheit auf, die vorher so sicher erschien. Man verlässt das bekannte Terrain und begibt sich erstmal auf völliges Neuland.
    Deshalb bleiben mMn Viele eher bei "hat mir auch nicht geschadet", um nicht ganz loslassen zu müssen.

    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Goethe)

  • - rabige softmarker (a la dreifaltigkeit ) sagen noch nichts über bindung und liebe aus, können aber begünstigend wirken, durch die nähe
    - "antirabige" softmarker können trotzdem zu einem liebevollen umgang führen und zu einer sicheren bindung, können aber erschwerend wirken, da sie oft mit distanz einher gehen
    - neueltern können ihre vorgeburtlichen einstellungen ändern, es kann minuten oder jahre brauchen und in beide richtungen gehen, hin oder weg von bedürfnisorientiertheit


    Ich sehe die Kausalität anders rum. Pflege ich einen liebevollen Umgang und bin bindungsfähig, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ich "rabige" Softmarker aufweise. Habe ich ein eher distanziertes Verhältnis zu meinem Kind, kann sich das in antirabigen Verhaltensweisen äußern.


    Punkt drei unterschreibe ich völlig!

  • es gibt etwas, das heisst resilienz. es gibt also vermutlich tatsächlich menschen, denen welcher umgang auch immer nicht geschadet hat. während andere daran zerbrechen.
    und menschen sind verschieden. ich merke das immr wieder im forum, dass menschen dinge als beleidigend und schlimm empfinden, die bei mir irgendwie nicht so viel auslösen, dafür sind es dann bei mir andere sachen, die ich als schlimm empfinde, die andere menschen mit schulterzucken quittieren.

    mit elfchen 04/09 und minielfchen 03/12


    quand ta thèse te pousse à bout et que tu veux tout arrêter kannste vergessen.


    #rose 49,7

  • ich fahre beide schienen.


    einiges hat mir nicht geschadet, einiges schon. Einiges ändere ich trotzdem, den rest deswegen und manches - nun, keine ahnung wie meine eltern es gemacht haben.

    Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:
    Wer du auch seist, nur eines – sei es ganz!
    (mascha kaleko)

  • es gibt etwas, das heisst resilienz. es gibt also vermutlich tatsächlich menschen, denen welcher umgang auch immer nicht geschadet hat. während andere daran zerbrechen.
    und menschen sind verschieden. ich merke das immr wieder im forum, dass menschen dinge als beleidigend und schlimm empfinden, die bei mir irgendwie nicht so viel auslösen, dafür sind es dann bei mir andere sachen, die ich als schlimm empfinde, die andere menschen mit schulterzucken quittieren.


    Das sehe ich auch so. Und dann ist eben Überzeugung gefragt, die Überzeugung, dass Dinge, die einem evtl.Nicht geschadet haben trotzdem nicht gut waren/sind. Wie Bryn gesagt hat, Flaschenmilch hat meiner Großen “nicht geschadet“, trotzdem wäre ein entspanntes Stillen das Non plus ultra gewesen, und war daher grundsätzlich angestrebt.


    Kiwi


    Kiwi

    Einmal editiert, zuletzt von Kiwi ()

  • Ich glaube an sich auch, daß es viel mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion zu tun hat. Bequemer ist es vermutlich, nicht zu hinterfragen, ob die eigene Kindheit gut oder schlecht war und was genau besser gemacht werden könnte. Schmerzfreier und einfacher.
    Für mich war manches selbstverständlich - stillen z.B. Ich hab gar nicht in Frage gestellt, daß es Alternativen gäbe - ja, wurde mir in meiner Kindheit auch so vermittelt. Als es mit J. dann bei weitem nicht so problemlos lief, wie ich es mir vorgestellt habe, bin ich aus allen Wolken gefallen. Für mich war auch windelfrei normal, Windeln an einem 4jährigen Kind dagegen z.B. nicht - ich vermute, viele Frauen sind da genau anders gepolt. Für mich war es normal, daß das Kind im ersten Jahr in Zimmer der Eltern schläft - aber nicht im Bett der Eltern. Tja, J. war da anderer Meinung, also ist sie doch bei uns im Bett gelandet, obwohl das keiner so geplant hat.
    Bei meinen Eltern war´s auch selbstverständlich, daß ein Baby nicht schreien mußte, dann hat man´s halt so lange rumgetragen oder geschaukelt, bis es ruhig war. Klingt bis dahin halbwegs rabenkonform, nicht?
    Für mich war es aber auch normal, daß Kinder geschlagen werden - war Teil der normalen Erziehung. Strafen wie in der Ecke stehen incl. Und gegen diese Normalität mußte ich sehr lange ankämpfen und tue es bis heute noch. Das Wissen ist das eine, die tief eingeprägten Verhaltensmuster noch mal das andere. Es war ein sehr sehr langer Weg vom Wissen bis zu den richtigen Verhaltensmustern...
    Will man diesen Weg nicht gehen oder nimmt ihn nicht mal wahr, landet man bei "hat uns auch nicht geschadet".

    LG H. mit J. (volljährig) und S. (Teenie)

  • Ich finde das kann man eigentlich immer an der grundsaetzlichen Einstellung gegenueber Kindern oder Babies festmachen.


    Fuer manche ist ein Baby ein unfertiges Ding, dass zum Tyrannentum neigt, wenn man nicht aufpasst und von Anfang an klar festlegt, wer der eigentlich Boss ist. Das ist doch genau das was hinter den meisten klassischen Ansichten liegt und mE auch oft als Begruendung fuer JKKSL genannt wird (Nicht in diesem uebertriebenen Wortlaut, aber vom Gedanklichen dahinter).


    Und das zieht sich dann meist (wenn nicht ein Umdenken erfolgt) durch die Kindheit hinfort, bzw. wird da dann teils auch weiter verbreitet. Da kommt dann halt oft (auch bei mir als) diese Angst hinzu, dass das Kind einem spaeter mal gar nimmer "gehorcht", wenn man nicht aufpasst. Es ist halt nicht immer so klar ersichtlich, dass das Wichtigste dafuer (mM) eine gute und sichere Beziehung ist .. und nicht eine stark reglementierende Erziehung. Letztere kann nur funktionieren, wenn die Kinder eben nicht so resilient sind und sich nicht auflehnen, sondern zerbrechen.


    Und alles andere .. Softmarker oder wat auch immer .. sind dann laengst nicht so wichtig und in vielen BEreichen einfach Geschmackssache. Manche wollen eben ihr Bett nicht mit Kindern teilen oder tragen nicht gerne .. aber wenn das kind sonst respektiert wird und nicht im eigenen Bett/Kiwa rumschreien muss .. passt das ganz genauso mM.


    Ist halt wichtig, ob man das Kind als gleichberechtigtes Wesen mit genauso wichtigen Beduerfnissen wie man selbst ansieht (und je nach Alter koennen die auch mal wichtiger sein, weil meine Existenz nunmal nicht in Gefahr ist, wenn ich ne Stunde laenger auf meinen Kaffee warten muss) .. oder ob man ein Kind als eine Art zu formende Aufgabe/Besitz ansieht mit sich selbst als Mittelpunkt.

  • die "es muss auch anders/besser gehen" Schiene ist vielleicht aufwendiger?


    Danke für diesen Satz. Ich mache so ziemlich alles anders als das meine Eltern gemacht haben, und manchmal ist das so ein harter Kampf für mich, weil das Alte, Bekannte so sehr in mir drin ist. Es gab eine Zeit, da hatte ich jeden Tag das Gefühl, einen Krieg mit mir selbst austragen zu müssen. Es war ganz harte Arbeit. Jetzt ist es schon deutlich besser, aber an manchen Tagen muss ich immer noch sehr, sehr achtsam sein, um nicht in Muster zu verfallen, die ich kenne.


    Es hat etwas zu tun mit der Bereitschaft, sein Verhalten zu reflektieren, sich Fehler einzugestehen und an sich zu arbeiten.

    You never forget a person who came to you with a torch in the dark.

  • Oh, das ist tatsächlich interessant, dass so viele hier vor dem Kinderhaben so anders dachten über das Kinderhaben als danach.
    Für mich war zB Familienbett klar, als ich etwa 10 war und im Matratzenlager mit meinen Freundinnen schlafen durfte. Da wusste ich, dass meine Kinder immer so schlafen dürfen würden. Und so wars dann auch. Bei meiner ersten Tochter haben wir sofort das Matratzenlager auf gebaut, das haben wir nun seit 13 Jahren aufgeschlagen.
    Selbst wurde ich nicht gestillt, dafür geohrfeigt, hab alleine geschlafen, und bin im allgemeinen einem strengen Erziehungsstil mit vielen Demütigungen ausgesetzt gewesen. Und ja, es hat geschadet, aber dennoch wusste ich schon als kleines Kind, dass das von Grund auf falsch ist.
    Und ja, ich finde es auch bei kleinen Kindern einfacher, einen liebevollen Umgang zu pflegen. So bald die Kinder zur Schule gehen, kommt ein gesellschaftlicher Druck dazu, dem zu widerstehen für mich wirklich schwer ist.

    lg Ona mit grosse Grosse (2001) und kleine Grosse (2003) und kleine Kleine (2012)

  • Das klingt jetzt aber nicht so sehr nach "Erziehungeinstellung", sondern in Fall 1 fast schon nach postnataler Depression. Und in Fall 2 massiv nach Genderkacke (genau so hab ich das selber auch als kind erlebt, auch wenn ich schon 4 war. Von einem Tag auf den anderen war ich komplett emotional abgemeldet bei meinen Eltern, und mein Bruder wurde extrem bevorzugt).

  • Ich denke auch, es hängt viel davon ab, welches Grundbild man vom Kind hat und welche Stellung man bereit ist, dem Kind oder den Kindern in der Familie einzuräumen. Und das nicht matriell sondern v.a. emotional.
    Diese Einstellung ist sicher vorgeprägt und von außen beeinflussbar, aber auch vom Charakter des Kindes, der durchaus auch die Eltern "formen" kann.


    Wichtig finde ich auch, sich einzugestehen, dass man bei allen guten Vorsätzen längst nicht immer in der Lage ist, das umzusetzen, was einem als Ideal vorschwebt. Ich glaube, es gibt bei den meisten Eltern kaum einen Tag, auf dem man zurückblickt und sagt: "Heute habe ich mit meinen Kindern den Tag ideal verbracht und alle Bedürfnisse umfassend befriedigt." Eine entscheidende Eigenschaft ist es sicher, dass man das reflektieren kann und sich (und auch gegenüber den Kindern) sagen kann: Das war nicht in Ordnung, wie ich mich da verhalten habe.

  • Kysyra: ich würde sogar sagen, das fall 2 einfach überforderung ist. Ich fand und finde das nächst ältere kind auf jeden fall anstrengender als vor der geburt, weil es eben nicht so mitmacht wie ich es bräuchte. Und das ist, denke ich auch in ordnung. Aber wenn man dann nicht reflektiert, sondern das problem nur aufs kind schiebt, verlässt man aus übeforderung seine erziehungsideale. Ganz unabhängig vom geschlecht.

  • Also, bei mir war das sehr bewusst, ich hab aufgrund einer "nicht so schönen" Kindheit im frühen Erwachsenenalter eine lange Therapie gemacht, wo auch sehr viel aufgearbeitet wurde, so daß ich am Anfang gedacht hab, ich möchte keine Kinder, weil ich immer so ein Bild vor Augen hatte, wie man einen wunderschönen Kristall geschenkt bekommt, und den dann - mehr oder weniger aus Versehen - zertrümmert. Das wollte ich nicht.
    In der Therapie hat sich das dann aber geändert.


    Mir war ziemlich früh klar, das es bei uns nix geben wird was "mir auch nicht geschadet hat". Keine Schläge, keine Demütigungen. Ich schreie die Kinder relativ häufig an, was ich ganz schrecklich finde. Wenn ich mich daneben benehme, entschuldige ich mich.


    Ich hab ganz viel gelesen, Alice Miller vor allem. Und so ähnliche Bücher. Später dann die "rabigen" Bücher. Hab mich in der Schwangerschaft über "Alternativen" informiert, weil ich immer noch sehr klare Erinnerung daran habe, wie ich als Kind alleine im Dunkeln liege und Angst habe, sogar Angst zu rufen oder zu weinen, weil 1) die Monster das ja hören und 2) Mama/Papa genervt sind. Das wollte ich meinem Kind nie antun. Deshalb schlafen immer noch alle in Hörweite, wenn auch nicht mehr alle im Familienbett. Nachts abgewiesen wird keiner. (Es können nur nicht alle bei Mama im Arm schlafen... :) )


    Ich weiss auch noch, wie ungeliebt ich mich gefühlt habe, und das hilft mir, mit dem (manchmal bodenlosem) Liebesbedürfnissen meiner Tochter zurechtzukommen, da ich ja weiss, das es egal ist, ob ICH MEINER MEINUNG nach ihr zeige, dass ich sie liebe, sondern das nur wichtig ist, ob es bei ihr auch ankommt. Das ist schon manchmal sehr anstrengend. Aber es ist es mir wert.


    Ich glaub, dass bei mir dabei auch herausgekommen ist, dass ich eine ziemlich niedrige Schwelle hab, mir Hilfsangebote zu suchen. Weil mein Mutterinstinkt mir gesagt hat, dass mein Sohn sich eben nicht normal verhält, haben wir früh mit Ergotherapie angefangen, und ich hab früh angefangen mich über ADHS Erziehungsalternativen zu informieren. Ich glaube fest daran, dass uns das geholfen hat, das wir es jetzt (zumindest im Moment) gut im Griff haben.

    Trinity mit DerGroßen (9 jahre) DemGroßen (7) und DerKleinen (3 Jahre) & Mini ( 5/14)

  • Ich kenne mich mit postnataler Depression leider nicht aus, aber das könnte natürlich eine mögliche Erklärung sein. Kann man so was gut diagnostizieren und vor allem gut behandeln? Vielleicht kann ich sie ja mal drauf ansprechen. Sie war auch früher schon in Therapie, ihre eigene Kindheit ist ja leider alles andere als glücklich verlaufen, die Eltern früh geschieden, der Vater im Ausland, die Mutter überfordert, die Tochter (Einzelkind) ohne Schulabschluss, hat Drogen genommen und eine Essstörung entwickelt - und mühsam, Stück für Stück als erwachsene Frau ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen. Aus Magersucht wurde zwar massives Übergewicht, aber dafür hat sie sich von Drogen und Zigaretten komplett verabschiedet, eine Ausbildung gemacht (und abgeschlossen), den Führerschein nachgeholt, den Mann fürs Leben kennen gelernt, geheiratet, mit dem Mann ein altes Bauernhaus gekauft und hergerichtet (Never-Ending-Baustelle), und letztes Jahr wunsch- und plangemäß ein Töchterchen zur Welt gebracht.


    Allerdings war schon die Geburt eine einzige Katastrophe, sie musste eingeleitet werden, hat sich auf dem Weg ins KKH auch noch den Fuß gebrochen (!), hat sich zwei Tage lang gequält, bis die Kleine endlich draußen war. Verschnaufpause gab's aber natürlich keine, und dann kamen auch noch (eigentlich normale) Startschwierigkeiten beim Stillen dazu, und zuhause ein Neugeborenes wochenlang mit geschientem Bein und Krücken versorgen zu müssen, stelle ich mir auch nicht gerade spaßig vor. Immerhin hatte sie von Anfang an ihren Mann und ihre Mutter an der Seite, was aber auf der anderen Seite vielleicht auch nicht unbedingt förderlich für die Bindung zum Kind war ...


    Eigentlich kann sie einem echt leid tun. Die Mutter, meine ich. Die kleine Tochter aber auch. Was kann man denn da machen? Wie kann man den beiden helfen?



    Und was den zweiten Fall betrifft: Ich glaube auch nicht, dass das was mit dem Geschlecht zu tun hat. Vielleicht beim Vater ein bisschen, obwohl der am Anfang auch ganz vernarrt in seine Tochter war, und die Mutter hatte sich ursprünglich sogar ein zweites Mädchen gewünscht, war in den ersten Monaten mit ihrem häufig weinenden Sohn auch nicht wirklich so glücklich. Ich vermute da auch eher eine Überforderung dahinter, weil zwei Kinder mit recht kurzem Altersabstand halt doch noch mal deutlich anstrengender sind und weil man mit einem Baby im Arm die Bedürfnisse der "großen" Kinder häufig übersieht oder missdeutet, eben weil man gar nicht beiden Kinder gleichermaßen gerecht werden KANN. Aber inzwischen sind ja beide Geschwister schon etwas größer, eigentlich sollte sich die Lage etwas entspannt haben. Ich fürchte nur, dass mittlerweile (so zumindest mein Eindruck) sich auch die Erziehungsansichten der Eltern gewandelt haben. Das merke ich auch an Sprüchen wie "Das war bei uns früher auch schon so" und dergleichen. Die fahren da wirklich einen komplett andere Schiene, und ich bin mir fast sicher, dass sie da auch von diversen Familienmitgliedern (Stichwort: Schwiegerdrache) beeinflusst wurden ... :S

    Es gibt nichts das höher, stärker,
    gesünder und nützlicher für das Leben ist,
    als eine gute Erinnerung aus der Kindheit.

    - Fjodor M. Dostojewskij -