Wann entsteht das "Ich"?

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  • Komischer Titel, ich weiß... #schäm


    Wir waren letztens bei einem Kollegen meines Mannes zum Grillen eingeladen. War ein netter Abend mit vielen guten Gesprächen... Eines davon lässt mich aber nicht los. Der Gastgeber (Professor einer Sozialwissenschaft übrigens ;) ) meinte, dass das Ich-Bewusstsein eines Menschen dann entsteht, wenn der Mensch in der Lage ist, Erinnerungen zu speichern, also etwa mit 3 Jahren. Er schlussfolgerte dann, dass es auch erst dann möglich sei, Schmerz zu fühlen, weil man sich ja sonst nicht an ihn erinnern könnte.


    Das war dann der Punkt, an dem ich scherzhaft meinte, dass ich ihm - wenn ich mein Baby nicht so sehr lieben würde - sehr einfach demonstrieren könnte, dass diese Schlussfolgerung absolut falsch ist. Ich müsste meinen Sohn nur mal kurz zwicken.


    Ich will jetzt gar nicht auf dieser Schmerz-Geschichte rumreiten (die absolut überholt ist. Ich gehe nichtmal davon aus, dass der Kommentar dazu wirklich ernst gemeint war - zumindest hoffe ich das #freu ).


    Was mich aber nicht loslässt ist folgende Frage: ab wann gibt es das Bewusstsein darüber, eine eigene Person zu sein, ein "Ich" zu haben? Dass ganz kleine Babys am Anfang irgendwie noch mit der Mutter / der sich um sie kümmernden Person verschmolzen sind, leuchtet mir ein. Einen eigenen Willen gibt es aber doch schon sehr früh. Mein Sohn mit 6 Monaten weiß sehr genau, was er essen will und in welchem Tempo, was er greifen will und er wird auch ärgerlich, wenn ich ihm spannende Sachen wieder abnehme. Mir will nicht in den Kopf, dass es das Ich-Bewusstsein erst mit drei Jahren geben soll. Das halte ich für Quatsch. Nun habe ich aber viele Fagen im Kopf:


    Hängt das "Ich" wirklich mit der Erinnerung zusammen? Warum? Und gibt es diese Erinnerung wirklich erst so spät?
    Sind der eigene Wille und das Bewusstsein darüber, eine eigene und Unabhängige Person zu sein, wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe?
    Was ist es überhaupt, das eigene "Ich"? Und was ist es davor? Ein "Wir"?


    Fragen über Fragen... Habt ihr Antworten?

    Die Kosmonautin, der Bartträger, bald vier Kinder und eine Flüchtlingsunterkunft im Nebenhaus.
    wir berichten

  • oh, spannende fragen!
    wissenschaftlich anerkannte antworten hab ich keine, nur so meine gedanken dazu (allerdings ziemlich eso und ich hab leider zu wenig zeit, die aufzuschreiben).


    wenigstens kurz dies:

    wenn der Mensch in der Lage ist, Erinnerungen zu speichern, also etwa mit 3 Jahren.

    ich glaube, (körper)erinnerungen reichen weiter zurück, eventuell sogar bis vor der geburt! unter bestimmten bedingungen (spontane flashbacks bei traumatisierungen, hypnose, holotropes atmen, bewußtseinserweiternde substanzen...) können bilder, geräusche, gerüche, sensitive wahrnehmungen, schmerzen (!) vor, während und nach der geburt erinnert werden. hab ich selbst schon erlebt. (kritiker*innen mögen dazu sagen, das sei konstruiert / zusammenphantasiert. aber da ist ja die frage, wie erinnerung überhaupt funktioniert.)


    daß schmerz nur schmerz ist, wenn er erinnert werden kann, halte ich für völligen blödsinn. ich würde dagegen behaupten, frühkindlicher schmerz ist so immens existenziell, daß er absolut verdrängt werden muß und nicht oder nur ein bißchen erinnert werden darf, weil wir das sonst nicht überleben würden.


    aber zum "ich": unabhängig von dem erinnerungs-thema gibt es ja in der psychologie (analyse, v.a. lacan) das ding mit dem spiegelstadium, also daß kinder sich erst ab etwa 18 monaten im spiegel als eigenes wesen erkennen. davor sind sie noch ganz symbiotisch mit der mutter bzw. mit dem ganzen universum verbunden.


    ah, keine zeit mehr zum weiterschreiben, sorry.
    bin gespannt, wsa andere dazu schreiben... -


    liebe grüße,
    casa.

  • Das erste Wort meiner Tochter war "Mama" und meinte unsere Katze.
    Das zweite Wort mit ca 10/11 Monaten war "öss" und bedeutete "Ändere die Situation" - also wenn das Licht aus was "öss" zur Aufforderung es anzuschalten, wenn sie im Buggy sass "öss" um raus zu können - die Situation sollte geändert werden.
    Das dritte Wort kurz vor ihrem ersten Geburtstag war "ich" anfangs immer verbunden mit einem deutlichen Schlag mit der Hand auf die eigene Brust. Es gab da keinen Zweifel, dass sie sich selbst meint und auch wusste was es bedeutet.

  • Das erste Wort meiner Tochter war "Mama" und meinte unsere Katze.


    :D
    ich kann dazu nicht so viel sagen weil ich nichts drüber weiß, nur eins:
    ich habe mal gelesen, dass menschenkinder sich erst sehr sehr spät selbst im spiegel oder auf einer videoaufnahme oder ähnlichem erkennen. können ja eh nur ganz wenige tiere, aber der mensch eben als spätestes. ich hab uch drei jahre im kopf, was ja mit dem, was der professor gesagt hat, einher gehen würde. wissenschaftliche belege dafür habe ich aber auch nicht #weissnicht



    wenn man das googlet findet man da auch hundert verschiedene meinungen drüber..

    kLeiN- uNd GrOß-SchrEibUnG hat mein Handy gefressen...

    Einmal editiert, zuletzt von Reeza ()

  • wenn man das "ich" so definiert, wie du es tust, haben tiere auch ein "ich". wenn man es tut, wie der bekannte, dann nicht (wie praktisch).


    das ist schlicht und einfach eine akademische definitionsfrage, eine festlegung, die die derzeitige weltsicht der wissenschaften widerspiegelt. würde ich nicht zu ernst nehmen.


    ein anderes konzept wäre z.b. das der seele. (ich bin auch hier der meinung, dass diese nicht nur den menschen vorbehalten ist)

    • Offizieller Beitrag

    Also, das mit der Erinnerung glaube ich nicht. Erstens kann ich mich an meine Oma erinnern und die starb als ich 2 Jahre alt war. Und es sind echte Erinnerungen, es sind eindeutig Bilder aus Kinderperspektive.


    Und dann sehe ich ja auch, dass sich der Kleine Nerd an Sachen und Personen erinnert. Zum beispiel an die 10 Jährige Nachbarin L. Sie spielt sehr gerne uns sehr einfühlsam mit ihm. Wenn er sie sieht, dann jauchzt er begeistert und will zu ihr. Dafür muß er sich aber doch daran erinnern, dass es total super ist mit L. zu spielen. Oder? Sie sehen sich nicht täglich, sie müßte ja dann jedes mal eine Fremde sein, wenn er sich nicht erinnern würde.


    Klar, so ein kindliches Erinnern läuft sicher anders ab als bei Erwachsenen, schon alleine, weil die Sprache fehlt. Da sind die Erinnerungen vermutlich hauptsächlich Bilder und Emotionen/Gefühle. Daher kann es schon sein, dass das ich mit den Erinnerungen zusammen hängt, aber ich bin davon überzeugt, dass das schon viel früher anfängt und halt 'anders' ist als bei Erwachsenen. Außerdem erlebt/erinnert man später einfach so viel Neues, dass diese ganz frühen Erinnerungen verschwinden.


    Nur mal so frisch von der Leber weg dahinphilosophiert....

  • Danke für eure spannenden Antworten. Ich bin leider auf dem Sprung und komme erst heute Abend dazu, euch ausführlich zu antworten.


    wenn man das "ich" so definiert, wie du es tust, haben tiere auch ein "ich". wenn man es tut, wie der bekannte, dann nicht (wie praktisch).


    das ist schlicht und einfach eine akademische definitionsfrage


    Wie wird denn in "der Wissenschaft" (ich schätze, je nach Fachrichtung voneinander abweichend) das "Ich" definiert? Weiß das jemand?

    Die Kosmonautin, der Bartträger, bald vier Kinder und eine Flüchtlingsunterkunft im Nebenhaus.
    wir berichten

    • Offizieller Beitrag

    ich habe mal gelesen, dass menschenkinder sich erst sehr sehr spät selbst im spiegel oder auf einer videoaufnahme oder ähnlichem erkennen.


    Das hab ich auch mal gelesen, aber auch das wiederlegt der Kleine Nerd. Er erkennt sich eindeutig auf Fotos und im Spiegel. Er hat den Spiegeltest mit 14 Monaten bestanden. (Punkt auf die Stirne malen, Kind schaut in den Spiegel und greift nicht auf das Spiegelbild sondern auf den Punkt auf der eigenen Stirne.)

  • Wie ist denn das mit den Erinnerungen gemeint? Es ist ja nicht so, dass U3-Jährige keine Erinnerungen hätten, die wissen doch auch nach Monaten noch wer die Oma ist, dass mal ein Hund zu ihnen gerannt kam, wie Ihr Lieblingsbabyspielzeug hieß, wenn es in irgendeiner Kiste wieder auftaucht etc etc


    Sicher wird er manches, was er jetzt weiß, mit 30 vielleicht nicht mehr wissen, aber ich weiß auch oft nicht mehr was ich vor 5 Minuten noch machen wollte, insofern trifft das dann vielleicht auch auf mich zu #confused

  • Das hab ich auch mal gelesen, aber auch das wiederlegt der Kleine Nerd. Er erkennt sich eindeutig auf Fotos und im Spiegel. Er hat den Spiegeltest mit 14 Monaten bestanden. (Punkt auf die Stirne malen, Kind schaut in den Spiegel und greift nicht auf das Spiegelbild sondern auf den Punkt auf der eigenen Stirne.)


    oooh wie spannend das muss ich ma ausprobieren!

    kLeiN- uNd GrOß-SchrEibUnG hat mein Handy gefressen...

  • Rein theoretisch habe ich gerade gelernt (Erzieherausbildung), dass die Findung des Ichs um den ersten Geburtstag ist. Dann wenn die Kinder sich selbst im Spiegel erkennen und anfangen Kreise mit Srahlen und Augen malen.

  • Zu wissen, dass der Gegenstand noch da ist, auch wenn er nicht zu sehen ist, nennt sich Objektpermanenz und ist schon mit 8 Monaten. Sogar Rabenkrähen ;) , Papageien und Menschenaffen. Hat aber mit der Findung des Ichs nicht zu tun.

  • viele tiere erkennen ihr spiegelbild. delfine, primaten, elefanten, elstern, tauben, keas usw.


    wenn wir also diesen spiegel-test für das "ich-bewusstsein" heranziehen, dann bekommen wir probleme mit dem unterschied zwischen menschenrechten und den eigenschaften von tieren (die rechtlich für uns "sachen" sind).


    in der wissenschaft besteht zu einigen grundannahmen derzeit konsens. diese sind:


    das Tätigkeitsgefühl als Aktivitätsbewusstsein
    das Bewusstsein der Einfachheit des Ichs im gleichen Augenblick
    das Bewusstsein der Identität von jeher, d. h. in der Zeitfolge, dem Ablauf der Zeit
    das Ichbewusstsein im Gegensatz zum Außen und zum Andern


    hier wird das erklärt: http://de.wikipedia.org/wiki/Ichbewusstsein


    aber - wie das so ist - wissenschaftliche annahmen sind einfach axiome, die überhaupt erst das arbeiten eines forschers ermöglichen. dh. definitionen, grundannahmen (die innerhalb der jeweiligen schule erst einmal nicht mehr hinterfragt werden) und die natürlich nicht eine universelle wahrheit repräsentieren können.
    zudem ist die frage, wie wichtig einem der begriff ich-bewusstsein ist, wenn man die welt erkennen will. es ist nur ein begriff.

  • Das mit den verschiedenen "Ich"-Definitionen mag ja alles sein, aber daraus zu schlussfolgern, dass kleine Kinder ohne "Ich"-Bewusstsein keinen Schmerz spüren #confused 8I . Das ist doch irgendwie nicht besonders logisch. Auch Tiere spüren Schmerz und leiden. Selbstverständlich auch schon Neugeborene. Wobei sie sich dann vielleicht im Nachhinein vielleicht nicht mehr an das einzelne Ereignis erinnern, aber ein Schmerzgedächtnis im Unterbewusstsein kann sich bestimmt schon aufbauen. Und auch schon Kinder unter 3 entwickeln Vermeidungsstrategien, um Schmerz vorzubeugen.

  • Es klingt eher so, als habe der gute Mann das Instanzenmodell nach Freud (welches in der Tat nach Altersabschnitten untereilt ist) mit ein paar anderen (überholten) Theorien vermischt.

    * Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt *

  • ja, das wäre möglich und auch interessant, das zu diskutieren. denn wenn man "es" und "über-ich" nicht ausschließt, sondern ebenfalls als existent voraussetzt, kann daraus eine recht spannende diskussion werden. wobei ich das bei einem modernen sozialwissenschaftler eher nicht annehme. ich fürchte, seine welt beschränkt sich auf das "ich".


  • Das hab ich auch mal gelesen, aber auch das wiederlegt der Kleine Nerd. Er erkennt sich eindeutig auf Fotos und im Spiegel. Er hat den Spiegeltest mit 14 Monaten bestanden. (Punkt auf die Stirne malen, Kind schaut in den Spiegel und greift nicht auf das Spiegelbild sondern auf den Punkt auf der eigenen Stirne.)

    Ja, mein Sohn konnte das auch früher. Seinen Namen zum ersten Mal gesagt hat er mit 16/17 Monaten als ich ihm eine Videoaufnahme von ihm gezeigt hab, die unmittelbar vorher entstanden war und gefragt hab wer das sei.



    Spannende Frage, ich les mal mit!

  • Nur kurz vom Handy.


    Es gibt einen Test um das Ich-Bewusstsein zu testen. Da wird dem Kind ein Punkt ins Gesicht gemalt und dann vor den Spiegel gestellt. Wenn das Kind sich ins Gesicht fasst, um den Punkt wegzuwischen, dann hat es ein Ich-Bewusstsein, wenn es jedoch in den Spiegel fasst, hat es sich noch nicht als eigene Personen wahrgenommen.


    Ich glaube, dass passiert so mit ca. 18 Monaten. Muss ich aber nochmal nachschauen.

    The Buddha wasn't joking when he said, "Every morning we are born again. What we do today is what matters most."

  • viele tiere erkennen ihr spiegelbild. delfine, primaten, elefanten, elstern, tauben, keas usw.


    naja, viele sind das ja dennoch nicht in anbetracht der unglaublichen Anzah an verschiedenen Spezies.

    kLeiN- uNd GrOß-SchrEibUnG hat mein Handy gefressen...

  • Spannendes Thema! Aber irgendwie stehe ich, glaube ich, gerade auf dem Schlauch: warum meint der gute Mann, Erinnerung und Schmerzempfinden wäre erst ab dem 3. LJ möglich? Worauf fußt diese Annahme?



    Die These, dass Kinder erst ugf. ab dem 18. LM durch den "red-point-test" beweisen können, sich selbst im Spiegel zu erkennen, kenne ich auch, halte ich aber auch schon für sehr weit nach hinten geschoben, möglicherweise sollte ein klares "spätestens" davor stehen?!
    Darüber hinaus, war zum Zeitpunkt meines Studiums (hach ja,...) noch die These aktuell, dass die Ich-Bildung damit einhergeht, dass Kinder anfangen, sich durch bewusste Täuschung einen Vorteil zu verschaffen. Das reine Erkennen des eigenen Gesichts, des "Ichs" reichte demnach also noch nicht aus, sondern erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Kinder in einem Test aus rein egoistischen Motiven logen, wurde das Ich-Bewusstsein postuliert. Ich versuche gerade krampfhaft, mich an den genauen Versuchsablauf zu erinnern, aber ich weiß nur noch, dass es um Kekse ging :D

    Wenn Du damit beginnst, Dich denen aufzuopfern, die Du liebst, wirst Du damit enden, die zu hassen, denen Du Dich aufgeopfert hast.
    (George Bernard Shaw)