Gentrifizierung (zweiter Versuch)

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  • Hallo ihr,


    Ich weiß, dass dieses Thema schon ziemlich oft hier diskutiert wurde und will euch trotzdem mal an meiner Erfahrung teilhaben lassen.
    Ich wohne seit zwei Jahren in einem Stadtteil im ehemaligen Ost-Berlin und ich kann es kaum glauben in welchem rasanten Tempo sich dieser Stadtteil in dieser Zeit verändert hat.
    Sämtliche Brachgrundstücke wurden und werden erschlossen und mit riesigen Wohnhauskomplexen bebaut. Alle Häuser, bis auf wenige Ausnahmen wurden saniert, die Straßen werden neu gemacht, es haben jede Menge neue Kitas eröffnet. Die Nagelstudios schließen und an ihrer Stelle ziehen Gallerien dort ein. Nahezu jeden Tag eröffnet ein neues Café, oder irgend eine Art von Einzelhandel. Es ist nahezu unmöglich hier in der Gegend noch eine Wohnung zu finden. Die Gehwege und Spielplätze sind voller Kinder und man kommt sich fast schon exotisch vor wenn man selber mal ohne Kinder unterwegs ist.


    Das alles läuft grade wie im Zeitraffer und ich bin einfach nur verblüfft.


    Ich bin bei diesem Thema hin und her gerissen. Auf der einen Seite weiß ich von den negativen Seiten der Gentrifizierung, auf der anderen Seite freue ich mich natürlich über den Wandel, da der Stadtteil dadurch interessanter und schöner wird. Und ein Aspekt der mir anfangs als sehr negativ auffiel, verändert sich grade auch. Während es hier vor wenigen Jahren nahezu nur Deutsche gab (mein Eindruck), geht mein Sohn inzwischen mit vielen Kindern aus anderen Ländern und Kulturkreisen in die Kita.


    Jetzt würde mich interessieren, was ihr zu diesem Thema beizutragen habt! :)

    "Zwei Dinge sollten wir unseren Kindern mitzugeben versuchen:
    Das eine sind Wurzeln, das andere Flügel."

    Hodding Carter

    Einmal editiert, zuletzt von Lunatika ()

  • zwiespältig. es kommt immer auf die ausgangssituation an. wenn ich nach britz ziehe,weils so schön dörflich ist und plötzlich baut man mir da ein hellerdorf um die nase, isses sicher nicht witzig.


    wertet ein "neubau" einen stadteil auf, isses doch prima.


    kreuzerg 36, ewig verschrieen als arme-leute-stadtteil, "türkenviertel" - und jetzt? multikulti hippes leben (mit den nachteilen wie gestiegene mieten)

    Was bleibt, sind die Erinnerungen...
    schlaf gut, schlaf ruhig
    Ich werde dich nie vergessen und immer vermissen

    1976-2003-2013


    »Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis.«
    ― Platon

  • Jaja, Berlin, arm und sexy.


    Die Wohnungsämter die Klienten ins geschützte Marktsegment vermitteln haben mittlerweile Wartezeiten von 6 Monaten bis zu einem Jahr. Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen und Wohnheime sind übervoll.


    Dass die Jobcenter in Berlin die Mietobergrenzen angepasst haben (und das will schon was heissen !!) ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein.


    Es vermieten an Hartz4 Empfänger nur noch die ganz großen Wohnungsbaugesellschaften und dann auch nur noch mit sauberer Schufa und nur am Rand. Sprich Hellersdorf, Marzahn und die Platten in Lichtenberg, Spandau und Neukölln.


    Der Rest fällt durchs Raster.


    Ich stehe dem Ganzen sehr zwiegespalten gegenüber und sehe für den doch sehr großen armen Teil Berlins nur eine Abwärtsspirale. Da hilft auch kein Länderfinanzausgleich, Image(haha)Projekt Großflughafen oder die nächste Proseccoveranstaltung Wowereits.


    Berlin braucht Jobs !! Echte, gutbezahlte Jobs und keine 400 € oder Untermindestlohntagelöhnerarbeiten.


    Über ne halbe Million Menschen in Berlin beziehen Hartz4, packt da die (Früh-)Rentner, Billiglöhner, Obdachlosen, Strafgefangene, Ausländer ohne Arbeitserlaubnis (also die Leistungen nicht vom Jobcenter sondern von der Ausländerbehörde bekommen) ALG 1 Bezieher und Studenten drauf wer bleibt denn dann übrig ?


    Ein paar Schwaben und die Beamten die Berlin verwalten.


    Was Berlin braucht sind keine hippen Künstlerviertel und modernisierte unbezahlbare Altbauwohnungen sondern Industrie ! Berlin braucht Arbeit !


  • Ich bin bei diesem Thema hin und her gerissen. Auf der einen Seite weiß ich von den negativen Seiten der Gentrifizierung, auf der anderen Seite freue ich mich natürlich über den Wandel, da der Stadtteil dadurch interessanter und schöner wird. Und ein Aspekt der mir anfangs als sehr negativ auffiel, verändert sich grade auch. Während es hier vor wenigen Jahren nahezu nur Deutsche gab (mein Eindruck), geht mein Sohn inzwischen mit vielen Kindern aus anderen Ländern und Kulturkreisen in die Kita.


    Jetzt würde mich interessieren, was ihr zu diesem Thema beizutragen habt! :)


    Wohnst Du hier um die Ecke? Hier ist es genauso, bloß dass hier erstmal die ganzen schicken Kinderboutiquen aufmachen. Was ich nicht verstanden habe ist: findest Du internationale Mischung gut oder nicht?



    Was denke ich dazu? Ich sehe, dass sich Stadtbezirke mehr unf mehr entmischen. Es war uns unmöglich im alten Kiez wohnen zu bleiben - unbezahlbar. Plötzlich leben in der einen Ecke Berlind nur noch reiche Akademiker (die im Bundesverlgeich trotzdem recht arm sind) und in anderen Ecken nur noch Leute mit weinig Geld und wenig Bildung. Daduch verringern sich Berührungspunkte von Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten. Ich finde das unschön und auch gefährlich, weil es meines Erachtens Standesdünkel vermehrt und die Gesellschaft entsolidarisiert. Es ist viel leichter, zuzustimmen, dass HARTZ IV gekürzt wird, wenn man keinen kennt, der "sowas" kriegt, als wenn der eigene Nachbar ein "Hartzie" ist und man weiß, wie schwer es ist, damit und davon zu leben.

  • @ merin: Auf jeden Fall ist die kulturelle Viefalt eine Bereicherung. Ich habe mich leider etwas missverständlich ausgedrückt. Nachdem du dich hier grade auch über den Fluglärm beklagt hast, gehe ich davon aus, dass wir in der selben Ecke wohnen.


    Ich frage mich auch, warum es nur noch so wenig Wohnraum für Leute mit geringem Einkommen gibt. Könnte man Vermieter denn nicht dazu verpflichten, ab einer bestimmten Anzahl an Wohnparteien eine Wohnung für Leute mit Wohnberechtigungsschein bereit zu stellen. Gibt es für so etwas keine rechtliche Grundlage, oder ist das politisch nicht gewollt?

    "Zwei Dinge sollten wir unseren Kindern mitzugeben versuchen:
    Das eine sind Wurzeln, das andere Flügel."

    Hodding Carter

  • Die WBS-Geschichte ist doch der reinste Witz
    Wir haben in bester City-Lage in einer 3 Zimmerwohnung gewohnt - 700 € warm
    Als wir ne neue Wohnung suchten gab es nur ganz wenige Wohnungen unter 1000€ warm und die waren dann mit WBS
    Welche 3köpfige Familie, die einen WBS bekommt, kann 1000€ für die Wohnung bezahlen?


    Zum Grundthema: Es gibt wohl Gegenden in Berlin, wo eine gute Mischung noch weiterhin gegeben ist. Das sind aber jene Bezirke die nie so wirklich Randgruppen-Gebiete waren und künstlich in Szene gesetzt werden mussten.


    Leslie

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Naja, Wohnungen mit WBS gibt es ja, aber auch da können sich die Vermieter natürlich die solventesten raussuchen.


    Und Zwang dem Wohnungsmarkt günstige Wohnungen zur Verfügung zu stellen gibt es auch, durch das geschützte Marktsegment, allerdings gibt es a) keine Strafen wenn der Soll durch die Wohnungsbaugesellschaften nicht erfüllt wird und b) auch die Wohnungsbaugesellschaften suchen sich von den Bewerbern für eine Marktsegmentwohnung den potentiell ungefährlichsten Bewerber aus.


    Mit der Entmischung sehe ich das wie merin, ich mag Prenzlberg, ich laufe da gerne durch und wäre auch gerne eine "Latte Macchiato Mutter", manchmal, aber dieses rein deutsche, abgehobene, das will ich für meine Kinder nicht, ich möchte Multi-Kulti. Aber das gibt es nicht oder wenn dann nur in kleinen Ecken im unbezahlbaren Kreuzberg.


    In 4 Jahren ziehen wir hier weg und ich zähle schon die Tage *seufz. Berlin war jahrelang meine Wahlheimat, aber dieser ganze Dreck und die Armut und die Leute, diese ganze Scheissegalhaltung machen mich fertig. Ich bin echt zu alt für den Mist.

  • Mit der Entmischung sehe ich das wie merin, ich mag Prenzlberg, ich laufe da gerne durch und wäre auch gerne eine "Latte Macchiato Mutter", manchmal, aber dieses rein deutsche, abgehobene, das will ich für meine Kinder nicht, ich möchte Multi-Kulti. Aber das gibt es nicht oder wenn dann nur in kleinen Ecken im unbezahlbaren Kreuzberg.


    Naja Multi-Kulti haste auch im unbezahlbarem Charlottenburg - im grade noch so bezahlbarem Steglitz auch (also mehr, als im Prenzl Berg) und in Spandau haste das auch und auch in Tempehof und Schönebrg gibts grad noch so bezahlbares Multi-Kulti-Leben.
    Aber wie gesagt, dort sind die Gegenden stabiler, weil nicht künstlich aufgewertet - allerdings werden da auch weniger Wohnungen frei.


    Ich habe Prenzl Berg verlassen, bevor es "chic" und "cool" und "in" wurde.
    Auf dem letzten Klassentreffen haben wir festgestellt, dass keiner, der dort anwesenden noch im Einzugsbereich der Schule wohnt - das fand ich auch krass.


    Leslie

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Naja es passiert halt das was sich in den meisten Städten über Jahrzehnte entwickelt hat, oder? Ich finde es auch erschreckend, aber irgendwie ist das nunmal Realität heute - wer in der Innenstadt leben will muss das entsprechende Einkommen haben. Oder sehe ich das falsch?


    Streckenweise ist das nicht mehr 'mein' Berlin, aber liegt das nicht auch daran dass Berlin lange Zeit zwei Städte war und zumindest Westberlin einen totalen Sonderstatus hatte? Die Zeiten sind längst vorbei, das entdecken jetzt Künstler, Yuppies, Investoren und es passiert im Zeitraffer das, was sich anderswo genauso, nur langsamer abgespielt hat?


    Ich bin ja nun schon fast sechs Jahre aus Berlin weg und verfolge das Thema von aussen. Lasse mich also gerne korrigieren.


    Edit: Luzy, du weisst jetzt schon dass ihr in vier Jahren wegzieht?
    Und ich prophezeie dir, nachdem die anfängliche Euphorie darüber, dem Moloch entkommen zu sein verflogen ist, wirst du dich zurücksehnen ins anonyme Scheissegal-Chaos :D
    (Naja je nachdem wo ihr hinzieht - aus NY evtl nicht ;))

  • Naja es passiert halt das was sich in den meisten Städten über Jahrzehnte entwickelt hat, oder? Ich finde es auch erschreckend, aber irgendwie ist das nunmal Realität heute - wer in der Innenstadt leben will muss das entsprechende Einkommen haben. Oder sehe ich das falsch?


    Streckenweise ist das nicht mehr 'mein' Berlin, aber liegt das nicht auch daran dass Berlin lange Zeit zwei Städte war und zumindest Westberlin einen totalen Sonderstatus hatte? Die Zeiten sind längst vorbei, das entdecken jetzt Künstler, Yuppies, Investoren und es passiert im Zeitraffer das, was sich anderswo genauso, nur langsamer abgespielt hat?


    Ich bin ja nun schon fast sechs Jahre aus Berlin weg und verfolge das Thema von aussen. Lasse mich also gerne korrigieren.


    Interessante Theorie. Das erklärt auch, warum der Westteil der Stadt (also der, der nicht an Ostberlin grenzt) davon wenig betroffen ist.
    Aber warum ist das erst 20 Jahre nach Mauerfall so auffällig, das Menschen das beängstigt?


    Leslie

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Geplant ist es zumindest, mein großes Kind macht in 4 Jahren Abi und die erste meiner kleinen Töchter wird genau dann eingeschult. Sprich, wir wollen genau zu dem Zeitpunkt umziehen so dass sie dort eingeschult werden kann.


    Wir gehen zurück nach Schleswig-Holstein, ich sehe sie hier einfach nicht in der Schule. Mir blutet bei dem Gedanken echt das Herz.


    Ich möchte gerne ein bisschen mehr Natur und saubere Wiesen und Spielplätze. Hier ist alles so zugeschissen und dreckig :(.


    Und ja, ich denke ich werde vorallem die Anonymität vermissen, hier kann man theoretisch in Hausschuhen und Schlafanzug zum Bäcker gehen und es interessiert niemand, wo ich geboren bin wäre das nach 20 Jahren noch Dorfgespräch :D.



    Zum Thema, kann sein dass es ne normale Entwicklung ist und man als "armer" Mensch immer eher am Rand von Großstädten wohnt, das Problem ist, in Berlin ist jeder 2. "arm". Sprich, die Entwicklung geht am Großteil der Menschen hier vorbei.
    Berlin bräuchte große Firmen die hier Produktionsstätten aufbauen, Arbeit für normale Leute eben, normal bezahlte Arbeit.


    Berlin kann ja gerne ne Kunst und Kulturszene haben aber erstmal brauchen die Menschen Jobs !

  • Ich glaube auch, dass das Problem kein berlinspezifisches ist und dass es in gewissem Maße auch politisch gewollt ist, weil zu solidarische Bürger einfach unbequem sind. Beides macht es für mich aber nicht besser, eher bestärkt es mich darin nach Möglichkeiten zu suchen, etwas dagegen zu unternehmen. Wie ich das tun könnt eist mir allerdings momentan noch schleierhaft.


  • Zum Thema, kann sein dass es ne normale Entwicklung ist und man als "armer" Mensch immer eher am Rand von Großstädten wohnt, das Problem ist, in Berlin ist jeder 2. "arm".


    Ist das so...? #confused
    Also ich weiss es nicht, vielleicht hast du recht, aber wenn du ein paar Zahlen hättest wär ich dankbar #blume Interessant!


    Ich glaube auch, dass das Problem kein berlinspezifisches ist und dass es in gewissem Maße auch politisch gewollt ist, weil zu solidarische Bürger einfach unbequem sind.


    Das klingt mir zu sehr nach Verschwörungstheorie #weissnicht


    Was sind denn 'solidarische Bürger'? Soldarisch mit wem? Und welche Politker haben da ein Interesse dran und warum genau?

  • Also, jeder 2. war natürlich ne übertriebene Schätzung. Ich such mal ein paar Zahlen zusammen:


    Berlin hat 3,5mio Einwohner.
    Davon bekommen 580tausend Hartz4
    http://www.morgenpost.de/polit…-Hartz-IV-Hauptstadt.html
    Wohngeld:
    http://www.statistik-berlin-brandenburg.de/BasisZeitreiheGrafik/Bas-Wohngeld.asp?Ptyp=300&Sageb=22003&creg=BBB&anzwer=6
    Geld durch die Ausländerbehörde:
    http://www.statistik-berlin-brandenburg.de/BasisZeitreiheGrafik/Bas-Asylbewerberleistungen.asp?Ptyp=300&Sageb=22002&creg=BBB&anzwer=5
    Sozialhilfe (kein Hartz4)
    http://www.statistik-berlin-brandenburg.de/BasisZeitreiheGrafik/Bas-Sozialhilfe.asp?Ptyp=300&Sageb=22001&creg=BBB&anzwer=4
    Knapp 10k Obdachlose
    http://www.spiegel.de/politik/…der-schnaps-a-452548.html
    50k Illegale
    http://www.tagesspiegel.de/ber…le-in-berlin/1837160.html


    Nicht dabei sind Rentner und Mindestlohn(oder darunter)arbeitnehmer, Jugendliche in der Jugendhilfe, Studenten.


    Lass es jeden 3. Berliner sein. Reicht ja.

  • Mit Verschwörungstheorie hat das nichts zu tun. Nur mit der Richtung, in der die Gesellschaft geht. Die Richtung, in der die großen zeitungen schreiben. Dass das nicht neutral ist weiß ja mittlerweile fast jede.


    Und dass ich solidarisch miteinander meine habe ich ja schon durch Beispiele zu verdeutlichen gesucht.


    Luzy: was ist k?

  • Merin du meist bestimmt das k in 10k Obdachlose
    soll heißen 10 Kilo= 10 Tausend Obdachlose


    Leslie

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Dass das nicht neutral ist weiß ja mittlerweile fast jede.


    Das reicht mir leider nicht als Argument, tut mir leid.
    Mag sein dass das 'fast jede' weiß, ich hinterfrag es trotzdem :P


    (Ich hab mich jetzt gerade ganz arg am Riemen gerissen - so eine Rhetorik finde ich ehrlich gesagt genauso schlimm wie die Bild. Gib mir Argumente anstatt mir durch die Blume zu sagen dass ich dass ja längst wissen müsste.)