Ich mache mal für das Thema einen neuen Thread auf. Viele haben ja schon bei mir mitgehibbelt, als ich mich um eine Traumstelle beworben und diese dann ganz knapp nicht bekommen habe.
Nun ist der alte Job definitiv weg, die Firma beschäftigt ab sofort keine Behinderten und keine Mütter mehr. (Fragt nicht, wie das rechtlich war. Rechtlich ein Witz. Aber US-Konzerne habe ihre Mittel und Wege, unliebsame Mitarbeiter loszuwerden, und lassen sich das richtig was kosten.) Ich war ja auch nur 15 Jahre dabei und die mit Abstand (!) effektivste und bei den Kunden beliebteste Vertriebs-Mitarbeiterin, das zählt natürlich nicht, wenn man ohne Approval einfach schwanger wird und außerdem durch die attestierte Behinderung schlecht für das Jung-Dynamisch-Power-Team-Image ist.
(Nein, ich bin nicht verbittert, das sieht nur so aus.)
Wie auch immer. Ich bin gelernte Europasekretärin. In meinem zweiten Beruf bin ich Heilpraktikerin, aber selbständig möchte ich nicht wieder arbeiten, das klappt einfach nicht mit den Betreuungszeiten der Kinder. Meine Praxis habe ich in der zweiten Schwangerschaft geschlossen und vermisse sie auch nicht wirklich. Der Traumjob wäre Marketing und Vertrieb für eine naturheilkundliche Pharma-Firma gewesen, das hätte perfekt meine beiden Ausbildungen miteinander vereint. Aber das sollte nicht sein. Also nochmal von vorn suchen.
Es laufen zig Bewerbungen auf langweilige Sachbearbeiter- und Sekretariatsstellen und eine als Assistentin eines Betriebsarztes in einer Firma in der direkten Nachbarschaft. So richtig kommen die aber alle nicht aus dem Quark.
Also hab ich viel Zeit, in mich zu gehen, zu schauen was mir eigentlich liegt. Mir liegen Worte. Das geschriebene und das gesprochene Wort. Ich mag gern kreativ arbeiten, kann aber weder zeichnen noch singen. (Was mich nicht davon abhält, es trotzdem zu tun, aber bislang hat Köttelfisch keinen Plattenvertrag angeboten bekommen, verdammt.) Also lieber am geschriebenen und gesprochenen Wortwitz weiter arbeiten.
Jetzt ist da eine ganz tolle Möglichkeit. Schon nächste Woche kann ich ein unbezahltes Praktikum bei einem Radiosender hier in der Nähe beginnen. Praktikum ist da nicht Kaffeekochen, da geht es um Hintergrundrecherche, Texte aufbereiten, O-Töne einholen usw. Das würde mir total liegen. Ich glaub, das wäre irre stressig und würde Riesenspaß machen. Ich mag Stress.
Und jetzt kommt sie, die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. "Da verschwendest Du nur Deine Zeit. Unbezahlt! Die beuten Dich da nur aus, und nach drei Monaten stehst Du doch wieder auf der Straße." Und natürlich die seit Jahren im Kopf laufende Dauerschleife "Kind, mach was Kaufmännisches, da haste was Seriöses und langfristige Perspektiven." Naja, ich hab ja gesehen, wohin mich das Kaufmännische gebracht hat... Trotzdem ist da diese Angst. Verschwende ich meine Zeit mit einem Praktikum? Oder kann man im biblischen Alter von 36 nochmal etwas komplett Neues anfangen? Ist der Beruf, für den man sich nach dem Schulabschluss entscheidet, zwangsläufig der Beruf bis zur Rente? Oder muss man sich auf dem eingeschlagenen Weg weiterbilden? Oder darf man nochmal etwas Neues lernen? Und kann man evtl als Quereinsteiger auch etwas ganz anderes machen, ohne das direkt gelernt zu haben? Studiert habe ich nicht, könnte ich theoretisch auch noch, aber da wäre ich ja frühestens mit 40 fertig, und dann? Nee. Mit zwei abgeschlossenen Ausbildungen habe ich eigentlich mein Bildungs-Soll erfüllt. Aber hat man ohne Studium oder Medien-Ausbildung eine Chance beim Radio? Andererseits - die wollen mich echt gern haben, obwohl mein Lebenslauf so unkreativ war bisher.
Ach, Leute, ich weiß gar nicht, was ich von Euch lesen will. Vielleicht ein paar Erfolgsgeschichten im Stil von "vom Praktikumsplatz direkt in den Vorstand" oder Geschichten über Quereinstiege. Ist jemand von Euch im Bereich Rundfunk tätig und weiß, ob Praktikanten da nur ausgebeutet oder auch ab und zu übernommen werden?
Morgen kriege ich den Vertrag. In Ermangelung einer konkreten Alternative werde ich da auch auf jeden Fall anfangen. Aber darf ich mir Hoffnung machen oder sollte ich es als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme betrachten?