Den Kindern vom Mauerfall erzählen

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  • Hallo,


    erzählt Ihr Euren Kindern vom Mauerfall? Und interessieren sie sich dafür? Und wie geht es Euch damit?


    Meine Tochter ist sehr begierig darüber zu hören, gleichzeitig fällt es mir sehr schwer davon zu erzählen ohne in Tränen auszubrechen, ich bin ja so'ne emotionale Heulsuse.


    Und wir reden auch über das, was nach der Grenzöffnung kam, und klar, wie es dazu kam... Weites Thema und so schwer manchmal zu schildern. Und dann komm ich mir manchmal vor wie meine Oma, die vom Krieg erzählt hat.

    Fiawin mit d9be21343ykoa.gif

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    Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur so selten dazu.


    Lass die Hoffnungswaschmaschine laufen!


    Whatever you want, it isn't me.

    Other people's ambitions are not my specialty.

    Sometimes I can see from here clear to the ocean.

    Sometimes I'm blind.

    Als die Vielfalt ging, entzündete die Einfalt ein Freudenfeuer.

  • Wir erzählen darüber. Was sehr hilfreich bei uns war, sind die Filme aus der Sendung mit der Maus und von Willi wills wissen, welche dieses Thema aufgreifen. So waren im Sommer vier Teile der Maus, mit Armins Reise entlang der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West.

  • Wir hatten das Thema auch vor einiger Zeit, weil mein Bruder heute Geburtstag hat und meine Tochter sich für den Tag der deutschen Einheit interessiert hat. Dann natürlich auch darüber, dass krieg war (und was krieg bedeutet), deutschland verloren hat, aufgeteilt worden ist und eine große Mauer gebaut worden ist.


    Weil ich 86 geboren bin, kann ich natürlich nichts persönliches erzählen, sie hat sich aber damit zufriedengegeben.

  • Ja, die haben wir auch gesehen. In einem kam sogar die Einhornhöhle drin vor, in der wir kurz zuvor gewesen waren. Auf dem Weg dorthin sind wir optisch auch den Spuren der Teilung gefolgt, meine Mutter war mit dabei.


    Auch gab es da Bilder von der deutsch-deutschen Grenze, die ich als Kind auf dem Weg von Berlin durch die Ostzone selbst durchquert habe. Da konnte ich auch viel aus einer Sicht erzählen, die der meines Kindes angepasst ist, da Alter ähnlich.

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  • Es gibt auch Comics zum Thema (z. B. Simon Schwartz "drüben!") Aber klar, es ist ein trauriges Thema. Finde ich toll, dass Deine Tochter sich damit auseinandersetzen möchte. Ich komme ja a.d. neuen Bundesländern, war aber erst 11 Jahre alt, als die Grenze geöffnet wurde.

    • Offizieller Beitrag

    Bei uns wars heute auch Thema - bei der Gelegenheit hat mir Klein-Talpo noch was über die Entstehung vom 1. Mai erzählt, was er offenbar in der Freilesestunde in der Schule gelesen hat.
    Er findet so Sachen spannend, auch wie unterschiedlich wir Eltern das erlebt haben - alters- und wohnortbedingt.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ich glaube, ich werde Fröschlein auch nicht davon erzählen können, ohne an einem ganz bestimmten Punkt in Tränen auszubrechen. Nämlich da, wo Genscher auf dem Balkon der Botschaft diesen Satz sagte, den er vor lauter Jubel nicht beenden konnte. Ich weiß noch gut, dass ich 89 auch losgeheult habe, als ich das in den Nachrichten hörte.

  • Für mich ist das nicht nur mit diesen Momenten verbunden, die einen so tief rühren, Genscher auf dem Balkon, die Öffnung der Mauer und wie die Leute Spalier gestanden haben auf der anderen Seite für die Trabbis und Bananen verteilt haben (uah, da heul ich ja schon, wenn ich es hier schreibe), sondern auch mit so viel Leid und Angst und (unerfüllten) Hoffnungen und Enttäuschungen, als die Wende dem "Volk" wieder entrissen wurde und Ostdeutschland an Westdeutschland verscherbelt wurde (so habe ich das damals als politisierte Jugendliche empfunden, und die Gefühle werden da sofort wieder wach, egal, ob ich das heute dialektischer und unemotionaler durchdenken kann).


    Unsere Bekannten, die mit dem ersten Zug aus der Botschaft in Prag kamen, mit zwei kleinen Kindern, die sich aber aus irgendeinem Grund nicht bei meinen Eltern meldeten, und dann nicht Fuß fassen konnten und wieder zurück sind, tagelang in Haft waren, getrennt, nicht wussten, was kommt. Und wie die uns dann zu Silvester besucht haben, der desolate psychische Zustand, in dem der Mann von denen war.


    Ach, und so viel mehr. Auch die ganzen "Schmerzen", die die Trennung mit sich gebracht hat, wie meine Großeltern erzählt haben, dass sie immer an einen Aussichtspunkt gegangen sind (damals war da nur ein Zaun), und die Verwandten in der Ostzone im Sperrgebiet einen Acker hatten. Dann sind sie auf den Acker gegangen (das war ein heimlich fest vereinbarter "Besuchszyklus") und haben Steine abgesammelt und so, und haben dsa rüberwinken als Steine vom Acker werfen getarnt, und meine Großeltern in West durften nicht zurückwinken, damit die keine Probleme kriegten. Geteilte Familie.

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  • Ja, wir reden darüber, weil wir ja direkt an der ehem. Grenze wohnen. Da kommt das Thema ganz automatisch auf.


    Mir kommen immer die Tränen, wenn ich an meinen Opa denke. Er stand damals, als die Grenze geöffnet war vor dem Wachmann und bat darum, bitte in die DDR reinzudürfen. "Nur ein Stückchen, damit ich es glauben kann." Der Mann wollte erst nicht, aber mein Opa hat nicht locker gelassen. Mein Opa war nach dem Krieg geflüchtet, er kam aus Pommern. Und für ihn war das alles so unwirklich, er dachte, das wäre nicht wahr und die Grenze würde morgen wieder geschlossen.


    Daran erinnere ich mich noch ganz genau. Es war kalt und wir waren völlig durchgefroren, aber die Menschen waren alle fröhlich und haben gelacht und lagen sich in den Armen. Ich war damals 9 Jahre alt.

    Happiness can be found even in the darkest of times, if one only remembers to turn on the light. -Albus Dumbledore-

  • Ja, das weiß ich auch noch, diese unausgesprochene Angst, dass die Grenze wieder geschlossen wird.


    Ich war 16.


    Wir sind 10 Tage nach Grenzöffnung mit dem Auto stundenlang durch's Randgebiet auf Ostseite gefahren, meine Eltern sind ihrem Gefühl für Orientierung, wenigen Straßenschildern und den erinnerten Erzählungen meiner Großeltern und ihrer Generation gefolgt... "Papa hat immer erzählt, dass sie samstags oft vom Rathausplatz in Irgendwasrode nach Woanderslingen zu Fuß auf der Fahrstraße gegangen sind, das muss dann HIER gewesen sein, lass uns da mal langfahren, er hat gesagt, da gab es eine große Eiche mit einer Birke daneben und man konnte den Kirchtum von Nochwoanderstum sehen..."


    Meine Schule stand wenige Meter von der Mauer in Berlin entfernt, hinterm Pausenhof war ein Weg und dann die Mauer. Wir waren auch genau instruiert von unseren Eltern. Nichts rüberwerfen, nicht hochklettern. Wenn da was los ist, dann nicht zuschauen, sondern SOFORT nach Hause kommen.

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  • ja, wir reden darüber, aber so richtig spannend findet Kleinchen das wohl (noch) nicht
    dabei würde es sie ohne Grenzöffnung gar nicht geben ;)
    für uns ist das ein Stück gelebte Geschichte
    Mein Freund war mit auf den Montagsdemos in Leipzig und hat das alles so miterlebt
    ich hab in Grenznähe im Westen gelebt und miterlebt wie die grenznahen Regionen in den Tagen nach der Grenzöffnung "überflutet" wurden.
    also, wir waren dabei :D

  • Meine Oma erzählte uns immer, wie sie mal mit sämtlichen Nachbarn auf Kindersuche waren, weil alle ja den ganzen Tag draußen waren. Irgendwer erzählte, sie wären im "Grenzwald" und meine Oma hat fast einen Herzinfarkt bekommen.


    Sie haben dann allen Kindern eingeschärft, niemals in die Nähe des Waldstückes zu gehen.

    Happiness can be found even in the darkest of times, if one only remembers to turn on the light. -Albus Dumbledore-

  • Jepp, wir reden da häufiger drüber, also nicht direkt den mauerfall. Aber über Besatzungszonen, Aufteilung, Wiedervereinigung (heute geht es ja auch um den einheitsvertrag, nicht um den mauerfall), wie ich das erste mal im Westen war, usw. Die Kinder finden es interessant.

  • Ja, na klar. Wir haben schließlich "gemischtdeutsche" Kinder die es ohne die Wende garnicht gegeben hätte. Sie sind aber noch zu klein um das richtig zu erfassen.

    Manchmal is im Kopp Licht an und trotzdem keiner zuhause.

  • Nein, das Thema hatten wir noch gar nicht. Ich wuesste auch nicht wie ich ihr das vermitteln soll. Ich bin tief im Westen aufgewachsen, in dem Bewußtsein dass die DDR ein anderer Staat ist. Ich habe keine Verwandten dort gehabt und mich hatte die DDR bis dahin auch nicht sonderlich interessiert. Das war soo weit weg und so jet vun schael sick ("falsche" Rheinseite in Koeln). Ich war deutlich mehr Richtung Frankreich orientiert.
    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Für mich hat das auch was mit einem Lebensgefühl zu tun. Der Kalte Krieg, die atomare Bedrohung... Alles Dinge, die so nicht mehr existieren. Zum Glück hat man dann ja das neue Feindbild Islam(ismus) gefunden, damit es wieder Gut und Böse geben kann. Und alte Fronten lassen sich ja auch immer mal wieder wiederbeleben, wie wir gerade beobachten dürfen.

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  • Hallo,
    erzählt Ihr Euren Kindern vom Mauerfall? Und interessieren sie sich dafür? Und wie geht es Euch damit?


    Ja, auf jeden Fall. Wobei meine Tochter inzwischen wesentlich mehr davon versteht als mit vier Jahren.


    Wir sind ja jeden Sommer in Berlin und von daher ist sie mit dem Wissen aufgewachsen, daß da mal ne Mauer war. Letztendlich ist sie schon ganz früh damit in Berührung gekommen, da wir genau dort immer baden gehen wo meine Mutter als Kind aufgewachsen ist und ihr nun auch noch ein kleiner Landstreifen dort gehört. Da kommen dann automatisch Fragen warum sie nicht dort geblieben ist, denn dort ist's ja so schön etc.


    Wir waren diesen Sommer auch im Museum am Checkpoint Charlie und die Fluchtfahrzeuge haben sie außerordentlich beeindruckt.


    Wir fahren auch eher zufällig ganz oft mit dem Bus dort entlang wo ich damals, '89 gewohnt habe (sehr nah am Potsdamer Platz) und ich hab ihr in sämtlichen Details erzählt wie das war als ich an besagtem Tag abends in den Nachrichten gehört habe, daß ganz viele Berliner an der Mauer sind und daß sich da wohl "irgendwas bewegen wird". Ich stand ja dann mit diesen ganzen Menschen auf der Mauer und meine Tochter will immer noch in allen Details wissen wie das was als ich dann runtergesprungen bin und warum ich mich nicht früher getraut habe etc. Also sie findet alles extrem spannend und beeindruckend, was es ja auch war.


    Die Mauer ging auch mitten durch, durch meine Familie - genauer gesagt sie halbierte die Ehe meiner Großeltern, Oma in Ostberlin, Opa im Schwarzwald - und ich glaube diese ganze Dramatik in ihrer gesamten Konsequenz kann sie mit 8 Jahren noch nicht ganz nachvollziehen. Aber es interessiert sie und es kommen auch immer wieder ganz spezielle Fragen.


    Da wir genau so viel in Ost- wie in Westdeutschland rumreisen, ist ihr allerdings diese (für sie uralte) Trennung nicht bewußt, denn für sie gibt es ja von Anfang an nur Gesamtdeutschland.



    Ach, mir fällt gerade ein, daß sie mich vor wenigen Tagen nach dem Mann gefragt hat, der über den Stacheldrahtzaun gesprungen ist (das berühmte Photo von 1961) und ich hab dann gegoogelt nach ihm und hab ihr dann erzählt daß dieser gar nicht mehr lebt und schon Ende '90 gestorben ist. (Ich war ein bißchen erschüttert, denn er hatte Suizid begangen)



    Was mich sehr sentimental werden läßt, ist eher die Familiensituation meiner Mutter. Also ich werd nie vergessen wie der Anruf aus der DDR kam, daß meine Oma nicht mehr lebt, die damals Ende '60 an Magenkrebs gestorben ist. (Es wurde mir immer vermittelt, daß dieser Magenkrebs für die Tragik dieser Geschichte stand, daß sie sich quasi todgegrämt hat) Oder wie mein Vater von der Beerdigung zurückkam und erzählte, daß er in Ostberlin beinahe verhaftet worden wäre, da er ja (als Wessi!) die Wohnung aufgelöst hatte (was natürlich absolut verboten war, was er aber gar nicht wußte) und dann mit einem Sparbuch in die Bank marschiert ist. Der Bankangestellte war sehr nett und zischt ihm nur zu er soll so schnell und so unauffällig wie möglich die Bank verlassen und nie mehr wiederkommen.

  • Meine Eltern haben mir nie groß irgendwas davon erzählt. Soweit ich mitbekommen habe, hat sich für sie damals nicht groß etwas geändert. Sie sind beide in der DDR aufgewachsen, sie waren zum Mauerfall selbst in der Endphase vom Studium und im Übergang zum Beruf, ich war knapp 2. Von daher ist das für mich ein eher neutrales Ereignis - von dem ich weiß, dass es für viele sehr emotional war.


    Mein Opa hat sich in der DDR sehr wohlgefühlt und kam mit Gesamtdeutschland nicht klar. Ich kannte ihn nur als diesen verschrobenen für mich blöden Opa und bin ihm daher eher aus dem Weg gegangen.

    Do one thing everyday that scares you - Eleanor Roosevelt
    When you reach for the stars, you may not quite get one, but you won't come up with a handful of mud either - Leo Burnett

  • Nein, das Thema hatten wir noch gar nicht. Ich wuesste auch nicht wie ich ihr das vermitteln soll. Ich bin tief im Westen aufgewachsen, in dem Bewußtsein dass die DDR ein anderer Staat ist. Ich habe keine Verwandten dort gehabt und mich hatte die DDR bis dahin auch nicht sonderlich interessiert. Das war soo weit weg und so jet vun schael sick ("falsche" Rheinseite in Koeln). Ich war deutlich mehr Richtung Frankreich orientiert.
    Schoko


    So ist es hier auch.

    Ich finde, Erwachsene verstehen manchmal nicht so viel vom Leben. Nicht mal Mama.
    Tara aus dem Möwenweg (Kirsten Boie)