Bindungsdiagnostik?!

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    • Offizieller Beitrag

    @Trueffel: exactamente. Eine unsichere Bindung ist einfach eine Variante der Norm und eine alternative Strategie des Kindes und keinesfalls per se pathologisch.
    Je nach Kohorte ,Kultur und Untersuchungsmethoden unterscheiden sich die prozentualen Zusammensetzungen da, aber unsichere Bindungen machen stets einen profunden Teil an der untersuchten Stichprobe aus. Sie sind auch nicht in Stein gemeisselt, denn ein Mensch macht ja im Laufe des Lebens noch viele weitere Erfahrungen, welche sich auf sein sog. Inneres Arbeitsmodel von Beziehungen und andere daran beteiligte Repraesentationen auswirken koennen. So koennen alternative Bindungsmuster entstehen.


    Pathologisch hingegen sind Bindungsstoerungen, und mE ist eine Bindungsdiagnostik genau dann sinnvoll, wenn sowas im Raum steht. Das ist eher bei Pflegekindern u.ae. schwierigen Hintergruenden der Fall.
    Bei einer schlecht gelaufenen Eingewoehnung alleine nach Bindungsdiagnostik zu rufen ist Schmuh.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Die landläufige pseudowissenschaftliche Kurzfassung von "Verlauf der Eingewöhnung erweist Qualität der Bindung", wie sie munter durch alle möglichen Foren, Blogs, Pekipgruppen, und-so-weiter geistert, erfüllt aber wirklich sämtliche Anforderungen an ein Ammenmärchen von der Sorte, die die Rabeneltern sich vorgenommen hatten, aus der Welt zu schaffen.
    Ich bin heilfroh, dass mein schnell und tränenlos eingewöhntes Kind das dritte war und nicht das erste. Beim ersten hätte mich solche Aussagen heftig verunsichert.


    Was für eine treffende Zusammenfassung!!!


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ainu, nein, Quatsch ist das nicht. Es ist nicht so absolut wie geschrieben (siehe auch heidschnuck), aber in Ansätzen bzw. Tendenzen ist da was dran.


    Was ich in dem Zusammenhang mal fragen wollte: ist nicht ein unsicher gebundenes Kind auch gebunden? Unsicher gebunden wird hier immer gerne mit "keine Bindung" gleichgesetzt. Das stimmt doch aber gar nicht, oder?

    Das ist richtig. Alle Bindungsstile sind Strategien des Kindes, mit seinen inneren Arbeitsmodellen und Repräsentationen umzugehen. Mann kann Bindung mehr oder weniger auf einem Kontinuum verorten, an dessen "optimal"-Ende die sichere Bindung steht, die unsicheren Bindungsstile dazwischen und am Ende des immer noch im Bereich des normalen einzuordnenden desorganisierten Bindungsstils geht es dann über zu den Bindungsstörungen, die aber von den Bindungsstilen zu unterscheiden sind.


    Bei "sicher" ist einfach die Bindungs-Explorations-Balance gelungen, bei den anderen nicht so gut. Bindungsstörungen sind wieder ein anderes Kapitel, wobei die auch verschiedentlich klassifiziert werden und häufig gar nicht so klar ist, ob das Phänomen tatsächlich etwas mit der Bindung per se zu tun hat oder Bindungsverhalten und die Verhaltensauffälligkeiten kovariieren.

  • @Trueffel: exactamente. Eine unsichere Bindung ist einfach eine Variante der Norm und eine alternative Strategie des Kindes und keinesfalls per se pathologisch.
    Je nach Kohorte ,Kultur und Untersuchungsmethoden unterscheiden sich die prozentualen Zusammensetzungen da, aber unsichere Bindungen machen stets einen profunden Teil an der untersuchten Stichprobe aus. Sie sind auch nicht in Stein gemeisselt, denn ein Mensch macht ja im Laufe des Lebens noch viele weitere Erfahrungen, welche sich auf sein sog. Inneres Arbeitsmodel von Beziehungen und andere daran beteiligte Repraesentationen auswirken koennen. So koennen alternative Bindungsmuster entstehen.


    Pathologisch hingegen sind Bindungsstoerungen, und mE ist eine Bindungsdiagnostik genau dann sinnvoll, wenn sowas im Raum steht. Das ist eher bei Pflegekindern u.ae. schwierigen Hintergruenden der Fall.
    Bei einer schlecht gelaufenen Eingewoehnung alleine nach Bindungsdiagnostik zu rufen ist Schmuh.

    Ah, da stand ja schon alles.


    Diese Diagnostik (stranger at the door usw.) würde bei so kleinen Kindern m. Mn. nach auch noch gar nicht funktionieren.

  • Ähem, ich bin jetzt auch stark verwirrt.
    Ich bin nicht vom Fach aber eine meiner damals besten Freundinnen, die Kinderpsychologin war, meinte, dass "lt. Bindungstheorie" (welche das immer sein mag, ich kann mich nicht so genau erinnern und sie hat zu mir sicher bewusst "zu einem Laien" gesprochen", also bitte zerfetzt mich hier nicht gleich) gute gebundene Kinder sich in der Regel leichter trennen können. (Individuelle Umstände klarerweise ausgeklammert).
    Das klingt für mich schlüssig. Stichwort Urvertrauen. Jemand, der die Welt und die Menschen positiv erfahren hat, sieht allmöglichen Situationen tendenziell eher positiv entgegen. Hat weniger Angst vor fremden Mensch, weil die ja "gut sein müssen", hat weniger Angst vor der Trennung von der Bezugsperson, weil er ja weiß, dass sie erfahrungsgemäß immer wieder kommt.
    Eigentlich habe ich gerade ein wenig das OT weitergeführt. Aber das passiert hier ja ständig, bietet sich eben oft an ;)

  • Es kommt doch auch stark auf die persönlichkeitsstruktur des Kindes an, oder?
    Wenn ich ein Kind habe, das lieber mal für sich ist und nicht so leicht Kontakt knüpft, so wird es ihm schwerer fallen sich in einer Gruppe zurechtzufinden, als wenn ein anderes Kind extrovertiert ist und schnell auf andere Personen - Erzieher wie kinder zugeht und Kontakt knüpft. Da können beide Kinder die gleiche tolle Bindung an die Mama haben, aber das Verhalten in einer unbekannten Gruppe fällt eben nicht jedem gleich schnell leicht bzw. ist für ihn schwieriger. Hinzu kommen erfahrungen, die man vorher schon mit Gruppen gemacht hat, bspw. In spielkreisen, turngruppen usw. Oder einfach durch Beobachtung, weil die älteren Geschwister auch in einen Kindergarten gehen.

  • ein sicher gebundenes kind kann sich gut trennen, wenn es zur neuen Umgebung eine Bindung aufgebaut hat (das muss nicht zwingend die erzieherin sein, kann auch ein anderes Kind sein, oder ein übergangsobjekt etc.) und zum Aufbau der Bindung, braucht das sicher gebundene Kind stärker die Bezugsperson, als ein unsicher gebundenes Kind.


    Dann spielt natürlich auch das Alter eine Rolle...
    Ein anderthalbjähriges Kind wird eben nicht unbedingt die Erfahrung, dass Mama in anderen Settings (bei Oma bspw. Oder zu Hause beim Papa) bisher immer wieder kam, auf das kindergartensetting transferieren können. Ein 3jähriges durchaus schon.


    Leslie

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Der Bindungsstil zeichnet die mehr oder weniger gelungene Bindungs-Explorations-Balance ab, das heißt: Weiß das Kind, dass der "sichere Hafen" (meist die Mama) da ist und es sich auf die Mama verlassen kann, kann es sich leichter fortbewegen, um seine Umwelt zu erkunden. Oft wird die Mama auch als Referenzpunkt "verwendet", um zu sehen, ob das, was ich (also das Kind) mache, in Ordnung ist.
    Wenn das Kind sicher gebunden ist, ist es eher (nicht unbedingt! Es könnten auch -zig andere Faktoren beteiligt sein, wenn ein Kind mal protestiert!) in der Lage, die Mama gehen zu lassen, weil es weiß, die Mama lässt mich wo, wo ich gut aufgehoben bin und sie kommt sicher wieder. Endlich ist Mama weg und ich kann die Welt erobern, yay!!! ;)


    Ein unsicher gebundenes Kind ist sich da nicht so sicher. Das heißt, dass es auf das Weggehen der Mutter entweder mit Protest reagiert oder sich einfach nicht "traut", zu protestieren, weil es weiß, dass es nicht gehört werden wird. Dann reagiert das Kind auf die Rückkehr der Mutter auch nicht mit freudigem "Mama!" und läuft auf die Mama zu, sondern es ignoriert die Mutter ODER es wird wütend und geht auf sie los.


    Es ist also nicht nur die Trennung, sondern auch ganz entscheidend die Wiedervereinigung zu beachten!


    Und wenn ein Kind MAL die Mama nicht mit dem Hintern anschaut, dann kann das alles Mögliche sein. Wenn ein Kind sich nicht trennen kann, kann das auch vieles bedeuten.


    Wenn ein Kind sich nur von der Erzieherin trösten lässt, von der Mama aber nicht, wenn es nur wütend auf die Mama ist etc., dann würde ich das noch am ehesten als Hinweis auf eine nicht so gelungene Bindung sehen. Und das kann viele Gründe haben - depressive Mutter, Mutter vllt. im Wochenbett nicht verfügbar weil im KH, Kind als Baby lange im KH oder oder oder.

  • Bitte sichere Bindung nicht mit gelungen gleichsetzen.


    Renz-Polster hat ganz gut dargestellt, dass auch das unsichere bindungskonzept evolutionär seine daseinsberechtigung hat

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Leslie, ich kenne es eben so, dass man (relativ gängig sogar) von einer mehr oder weniger gelungenen Bindungstyp-Explorations-Balance spricht. Ich habe auch irgendwo schon geschrieben, dass die unsicheren Bindungsstile Anpassungsreaktionen/Strategiem des Kindes sind.