Frage an die USA-Raben bzgl. Kaepernick

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  • Ich bin in Facebook mit jemandem befreundet, der in den USA lebt und wiederum mit jemandem anderen befreundet ist, der viel Zeit zu haben scheint und ganz gruselige Beiträge teilt. Ein Großteil davon unterste-Schublade-diffamierende-Posts gegen Hillary Clinton.
    Über diesen Weg habe ich erfahren, dass Kaepernick sich weigerte, bei einem Spiel aufzustehen, als die Nationalhymne gespielt wurde. Damit wollte er gegen Rassismus in den USA protestieren (so habe ich das jetzt verstanden).


    Wie ist das denn in den USA? Ich hätte das hier in D ja überhaupt nicht mitbekommen. Ist das in den USA ein großes Thema? In Facebook ist das ja - hmm - man könnte glauben, die ganze Nation spricht von nichts anderem mehr. Zumindest diejenigen, die ihn dafür hassen. Und ähnlich wie die Hillary-hate-speech-Kommentare ist ein Großteil der Kommentare, die sich nun auf Kaepernick beziehen, allerunterste Schublade. Mich würde nun interessieren, ob die Aufregung in fb halbwegs repräsentativ ist oder nicht.


    Sind hier USA-Raben, die mir diese Frage beantworten können? :)

    Alle Möpse bellen, alle Möpse bellen, nur der kleine Rollmops nicht...

  • Ich habe darueber auch schon bei der Tagesschau gelesen (allerdings Wochen spaeter).


    Ja, ist ein sehr grosses Thema. Hier natuerlich besonders, weil die 49ers hier spielen. Die Flagge ist fuer Amerikaner aller Arten ein recht wichtiges Symbol .. durchaus auch fuer eher links ausgerichtete. Und die Polizeigewalt Debatte um die es Kaepernick ja geht ist auch ein sehr wichtiges Thema. Es gibt nun Leute, die das was die Polizei teilweise macht fuer vollkommen gerechtfertigt halten und keinerlei Verstaendnis fuer einen derartigen Umgang mit der Flagge haben. Und es gibt solche, die den Protest ansich nachvollziehen koennen, aber die Form nicht unterstuetzen, weil Flagge usw. usf. Und welche, die beides ansich gut finden, aber sich dann daran stossen, dass Kaepernick z.B. bei irgendnem Training (mW aber weiter zurueckliegend) Socken mit Schweinen in Polizeiuniform anhatte, weil eben nicht alle Polizisten in eine Schublade passen. Und hier in der Gegend auch eine sehr grosse Gruppe an Menschen, die beides gutheissen. Mittlerweile folgen auch etliche andere Sportler seinem Protest. Einige knien, andere heben die Faust, wieder andere bilden Armkreise und Schweigeminuten.


    Ist ein sehr wichtiges Thema, das auch deutlich ueber Footballkreise hinaus eine Rolle spielt

  • ... was belleamie sagt, plus dann noch die Fraktion die nicht akzeptieren kann, dass er das Land kritisiert/nicht respektiert, dass es ihm ermöglicht, ein hochbezahlter Profisportler zu sein. "Wander doch aus Du Heuchler!" sagen die... oder die sagen, "Hey, hört erst mal auf Euch gegenseitig (= die Schwarzen untereinander) abzuknallen, bevor ihr Euch über Polizisten beklagt."

  • Riesenthema, kann ich bestätigen. Die Flagge zu respektieren, ist hier sehr wichtig - das hat quasireligiöse Züge. Das sieht man zB hier an den Regeln der Flag Etiquette. An sehr vielen (auch staatlichen) Schulen wird täglich ein Fahnengelöbnis, der Pledge of Allegiance, von den Kindern aufgesagt - wenn man da nicht mitmacht, gibt's Ärger. :/
    Und das vertreten nicht nur nationalistische/Rechte Leute...ist hier einfach ein 'heiliges' Symbol. Das nur um den kulturellen Kontext etwas zu erklären.

  • Re: Fahnengelöbnis: das kann ich so nicht bestätigen. In meiner Schule darf man als Schüler die Pledge of Allegiance still aussitzen, solange man sie nicht stört, zur Teilnahme oder zum Aufstehen ist niemand gezwungen. Das deckt sich auch mit Artikel 2 der Verfassung, und wurde von der American Civil Libertys Union mehrfach verteidigt. Aber da gibt es wohl, wie bei so vielen Themen in diesem riesigen Land, regionale Unterschiede der Handhabung...

  • Ja, ist bei uns im schuldistrikt auch festgelegt, dass jeder aus individuellen Gruenden entscheiden darf nicht teilzunehmen. Das Geloebnis ist in Kalifornien auch keine Pflicht und wird von etlichen Schulen nicht mehr gemacht. Meine grosse hatte auch 1 Jahr eine lehrerin, die es mit "I pledge allegiance to the world" (und dann ging es um respect aller lebewesen und frieden und gleichberechtigung aller Menschen) ersetzt hat.
    Ich stoer mich ja vor allem an dem "one nation under God" (was von Eisenhower hinzugefuegt wurde). Das widerspricht dem inhalt und Gedanken des pledges fuer mich komplett.

    Einmal editiert, zuletzt von belleamie ()

  • Bei uns im District gibts natürlich keinen Pledge. Hier wurde allerdings neulich auch eine Lehrerin gefeuert, weil sie auf Seiten der Antifa Nazis verprügelt hat...also die Lehrer hier sind schon eher extrem links :)


    Ich hab aber, jetzt mal von Berkeley abgesehen,schon den Eindruck, dass das in ganz vielen Districts hier (trotz der rechtlich eindeutigen Lage!) ein ziemlich starkes/umstrittenes Statement wäre, da nicht mitzumachen oder gar offen 'dagegen' zu sein. Mich erinnert das an die deutschen (ok...bayrischen) Kämpfe um das Kruzifix im Klassenzimmer bzw allgemeiner den Reli-Unterricht oder Schulgottesdienste. Natürlich hatte man damals bei uns (bayrische Kleinstadt) das Recht, alle staatlich verordnete Zwangsreligion abzulehnen, aber man stand dann schon sehr als Außenseiter da, von den Lehrern waren schnippische Kommentare zu erwarten...vor allem in den niedrigeren Klassen hat sich das kaum einer getraut...in der Großstadt wird es, hier wie dort, anders gehandhabt. Naja, führt jetzt vom Thema ab. :) Mein Punkt war der, dass die Flagge in den USA auch für Normalos einen total anderen Stellenwert hat als in Deutschland.

  • Ich glaube das ist auch eher ein Thema an High Schools oder oberer Middle School. Und dann eben von Schuelern, die bewusst protestieren und das auch aushalten.
    Laut meiner Grossen machen sie den pledge ab und an mal. Meine Mittlere meinte, ihr teacher vergisst den meistens.


    Aber es ist definitiv so, dass sich etliche durch einen derartigen protest verletzt fuehlen oder er sie wuetend macht.. Was sicher auch an der bedeutung des symbols hier liegt. Ich denke aber es ist schon eine spezielle (grosse) gruppe, die das zudem auch vom grund her nicht akzeptieren koennen.


    Fuer mich hat die US Flagge definitiv auch einen wichtigeren stellenwert als die deutsche.. Wie du schon sagtest.. Mehr was heiliges - emotionales.
    Aber ab dem moment wo ein symbol hoeher bewertet wird als die Freiheit es zu kritisieren, wird das problematisch.

    Einmal editiert, zuletzt von belleamie ()

  • Ich habe auch in den deutschen (weniger) und britischen (sehr viel) Medien darüber gelesen.


    Ich glaube die Emitionalität dahinter ist wirklich eine ganz andere, als wir uns das in D vorstellen können. Wen juckt es, ob ein Fußballspieler bei der Nationalhymne mitsingt?
    Ich kann es natürlich nicht 100% nachvollziehen (weil mir solche Symbole egal sind), aber ich verstehe, dass es für viele eben etwas ganz wichtiges ist.
    Deswegen hat er ja wahrscheinlich auch diese Form des Protests gewählt.

    We must accept finite disappointment, but never lose infinite hope.

    Martin Luther King, Jr.

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    ebura mit S (*04), E (*05) und I (*12/21)