Geschichte: Logistik der D-Mark-Einführung in der DDR

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  • Ich recherchiere nun schon seit Tagen zu einem Thema, das mich interessiert. Leider habe ich keine wirklichen Antworten gefunden und hoffe, einige versierte Rabinnen wissen mehr. Grob habe ich mich zu den Hintergründen der D-Mark-Einführung belesen können, dass es da Druck gab, weil so viele DDR-Bürger das Land verließen, dass es Streit der Politiker gab, ob die Einführung so schlau sei, dass viele DDR-Betriebe die Einführung der D-Mark nicht überstanden usw usf. Mir leuchtet aber die knappe Erklärung "die Produktivität der DDR-Betriebe war so schlecht, sie waren nicht konkurrenzfähig" nicht ein. Klar wollte 1990 niemand mehr einen Trabant oder einen DDR-Fernseher kaufen, aber dass sämtliche Produkte und fast alle Firmen unbeliebt waren, wenn es Konkurrenz gab, das glaube ich nicht. Ich erinnere mich, wie froh die Leute in meinem Umfeld waren, als es Jahre später einige Dinge dann doch wieder gab. Das ist also ein Teil der Frage: Was geschah da im Hintergrund mit den Betrieben?

    Ich erinnere mich daran, dass im Sommer 1990 die Läden immer leerer wurden und dann, am Tag der Währungsreform, vom einen auf den anderen Tag keine Ostartikel mehr zu kaufen waren. Alles war plötzlich in Westverpackungen, von der Milchsorte bis zur Zahnpasta mussten wir alles neu durchdenken und uns für ein Produkt entscheiden.

    Was mich daran heute interessiert, ist die Logistik dahinter: Was passierte denn mit den Kühen, die vorher "meine" Milch gegeben hatten? War da vorher eine neue Verpackungsstraße hingestellt worden? Wurde die Milch zur Westmolkereien gekarrt? Oder kam all unsere Milch plötzlich aus der BRD und die Ost-Kühe wurden reihenweise geschlachtet? Was taten die Einzelhändler mit all den DDR-Produkten, die sie nun nicht mehr im Laden anboten? Mussten ihre Familien wochenlang vom vorher sehr begehrten Ostketchup leben? Und was war mit den Lieferanten und Herstellern dahinter? Brach wirklich von einem Tag auf den anderen die ganze Lieferkette zusammen, weil niemand mehr DDR-Milch, Quark, Zahnpasta oder Seife kaufte?


    Weiß jemand etwas darüber? Vielleicht mögen ja auch einige von ihren Erfahrungen berichten. Hier gibt es doch sicher Leute, die oder deren Eltern damals in der Produktion gearbeitet haben und erlebten, was geschah. Meine Mutter arbeitete in der elektronischen Produktion und fast sofort arbeitslos, weil der gesamte Betrieb geschlossen wurde.

  • spannend. abo.


    kennst du diesen grossartigen film? da wird schon mal einiges recht deutlich. für mich einer der wichtigsten zum thema ökonomie der "wiedervereinigung":


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    zum eigentlichen thema recherchier ich jetzt mal.

  • Mir leuchtet aber die knappe Erklärung "die Produktivität der DDR-Betriebe war so schlecht, sie waren nicht konkurrenzfähig" nicht ein.

    Durch die Währungsreform wurden Löhne, Mieten etc. 1 : 1 von Ostmark auf DM umgestellt. Wenn man davon ausgeht, dass das reale Verhältnis der beiden Währungen eher bei 4 : 1 stand (Schwarzmarktkurs), wurde die Ostmark durch die Währungsreform um 400% aufgewertet. Aber selbst wenn es "nur" 200% oder 100% gewesen wären, so etwas übersteht keine Volkswirtschaft. Stell dir mal vor, der Euro würde gegenüber dem Dollar in diesem Maße aufgewertet, dann wäre kein einziges deutsches Exportprodukt in den USA mehr konkurrenzfähig.

    Im Grunde war die Währungsreform mit der 1:1-Umstellung eine durch und durch populistische Entscheidung. Und maßgeblich dafür verantwortlich, dass Ost-Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig waren.

    Zu deiner eigentlichen Frage, wie das im Detail abgelaufen ist, kann ich aber nichts betragen.

  • Meine Erinnerung an die Läden und deren Inhalt ist anders, ich war im Sommer der Währungsunion als Westerlerin an der DDR Ostseeküste und ich kann mich noch sehr gut an die vielen DDR Produkte erinnern. Die Preise für Brötchen ect. kamen uns so extrem niedrig vor.

    Nona mit großer (03) und und kleiner (05) Tochter und kleinem Sohn (2008 )

  • Ich habe Im Herbst nach der WährungsUnion ostsüßIgkeiten in einem speziellenladen gekauft..... Also wie Intershop ein ostshop.....


    Das Eis aus meiner Eisdiele war in meiner Realität das gleiche Eis.... Also zumindest hat sich das nicht von heute auf morgen verändert.... Aber da sich die gesamte Ökonomie verändert hat, gab's die Eisdiele dann leider bald nicht mehr

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Im Grunde war die Währungsreform mit der 1:1-Umstellung eine durch und durch populistische Entscheidung. Und maßgeblich dafür verantwortlich, dass Ost-Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig waren.

    Mit einer 1:4 Umstellung hätte das auch nicht funktioniert. Die Löhne im Osten waren deutlich niedriger als im Westen. Ein Niedriglohnland funktioniert nur, wenn es dazwischen eine gut bewachte Grenze (wahrweise ein Meer) gibt, insbesondere, wenn die Leute im "Niedriglohnland" auch noch die gleiche Sprache sprechen.


    Dass viele Ost-Unternehmen schließen mussten, hat sehr unterschiedliche Gründe und die Schließungen der Firmen, die konkurrenzfähig gewesen wären, lagen durchaus im Interesse vieler Westunternehmen.


    Interessant ist es, sich die Geschichten der Firmen anzuschauen, die es geschafft haben (z.B. Rotkäppchen) und welche Steine denen in den Weg gelegt wurden.


    Zu den Produkten: nach der Wende wollten viele doch erstmal die Waren aus den "bunten Westverpackungen". Es dauerte eine Weile, bis viele wieder die Waren schätzten, die sie schon vor der Wende kannten.

  • Ja, Katrin, so etwa ist auch mein Wissensstand über die wirtschaftlichen Aspekte der Wendezeit. Allerdings ist die pauschale Aussage über eine 1:1-Umstellung von Ost- auf Westmark nicht richtig. 1:1 wurde außerhalb der Gehälter nur in sehr engen Grenzen umgestellt. Insbesondere die Sparguthaben wurden zum größten Teil einem Währungsschnitt von 2:1 unterworfen.

    Zitat

    Im Rahmen der Einführung der Deutschen Mark in der DDR am 1. Juli 1990 im Vorfeld der Wiedervereinigung
    am 3. Oktober 1990 wurden verschiedene Arten von Geldern mit unterschiedlichen Sätzen umgetauscht (1:1, 2:1). Löhne, Gehälter,
    Renten, Mieten und andere "wiederkehrende Zahlungen" wurden 1:1 umgestellt. Bei Bargeld und Bankguthaben waren die Regelungen
    komplizierter: Kinder unter 14 Jahren konnten bis zu 2.000 DDR-Mark im Verhältnis 1:1 umtauschen, 15- bis 59-Jährige bis zu 4.000 DDR-Mark, wer älter war bis 6.000 DDR-Mark. Darüber hinausgehende Beträge, also auch größere Geldvermögen, wurden im Verhältnis 2:1 umgestellt; Kredite und andere Verbindlichkeiten wurden im Satz 2:1 umgestellt. Im Durchschnitt ergab sich nach Stellungnahme Hans Tietmeiers, des damaligen Chef-Unterhändlers der Deutschen Bundesbank, somit ein Umstellungskurs von 1,8:1.

    Quelle: Wikipedia


    VivaLaVida, deinen Link finde ich auch interessant, der Vergleich der Nachwendesituation in Ostdeutschland mit den Folgen der sowjetischen Demontagen der Nachkriegszeit (letzte Seite des Artikels) ist sehr anschaulich.

  • das abonniere ich auch. Interessiert mich sehr.


    Anfänglich war zumindest das münzgeld noch gültig und ich meine im Wert von 1:1. Ich war damals auf einem kleinen Dorf in Sachsen Anhalt zu einem SchulPraktikum. Die dortige Kaufhalle war zum Zeitpunkt marginal mit westprodukten bestückt. Vorrangig Süßigkeiten und Cola. Zugegebenermasssen war die Bestückung schon vorher mau aber das war man ja gewöhnt.

    Life is a mountain - ride it like a wave

  • Den Film kannte ich noch nicht, da muss ich mir mal Zeit dafür nehmen. Den ersten Artikel habe ich bei meiner Recherche schon gefunden und finde ihn interessant. Der zweite scheint auch spannend, allerdings habe ich nicht genug Ahnung von VWL um ihn wirklich zu verstehen. Vielleicht kann jemand das übersetzen?


    Der plötzliche Wechsel der Produkte in den Läden war vielleicht wirklich nur in Berlin? Ich geh mal davon aus, dass die Ladeninhaber befürchten mussten, dass die Leute sonst nach Westberlin einkaufen fahren.

  • Der zweite scheint auch spannend, allerdings habe ich nicht genug Ahnung von VWL um ihn wirklich zu verstehen. Vielleicht kann jemand das übersetzen?

    Oh, genau meine Gedanken. Ich fand den Text anstrengend. #angst


    Danke für das Thema! Ich hab diesbezüglich auch ganz viele Fragen und lese interessiert hier mit - sofern ich es kapiere. #schäm

  • So viel wie ich noch weiß, durfte jede Familie die ersten 1000 Mark 1:1 tauschen. Alles weitere Geld wurde 1:2 umgetauscht. Ich hatte auf meinem Sparkonto nämlich statt 2000Mark nur noch 1000 DM.

  • Der plötzliche Wechsel der Produkte in den Läden war vielleicht wirklich nur in Berlin? Ich geh mal davon aus, dass die Ladeninhaber befürchten mussten, dass die Leute sonst nach Westberlin einkaufen fahren.

    Das war nicht nur Befürchtung.... Das war Realität.... Also im Sommer und Herbst 90 bin ich gefühlt immer in West-Berlin einkaufen gewesen, weil "hier gibt's ja nix, dann laufen wir eben die 500m in die bernauerstraße...."

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Der plötzliche Wechsel der Produkte in den Läden war vielleicht wirklich nur in Berlin?

    In meiner Heimatgegend eher nicht, aber tatsächlich sind ja nach der Umstellung tatsächlich viele Produktionsstätten den Bach 'runter gegangen und deren Produkte gab es dann irgendwann nicht mehr.


    Ost-Kühe: Die DDR hatte eine eigene Milchrindrasse (SMR, das Schwarzbunte Milchrind), mit einem 25%igen Jersey-Anteil für den (möglichst hohen) Fettgehalt. Holstein-Friesian sollte "schrittweise" eingekreuzt werden, weil die Milchleistung höher ist als bei der anderen Ausgangsrasse "Schwarzbuntes Niederungsrind".

    Nach 1990 hat man dann versucht, durch möglichst rasche Einkreuzung von Holstein-Friesian die Milchleistung zu steigern, was durch die nicht ganz passenden Größenverhältnisse eine Zeitlang zu Schwergeburten und Verkalbungen führte. Inzwischen gibt es das SMR wohl nicht mehr in der Milchproduktion.

  • Ms Oakenshield; Danke. Ich wusste nicht, dass es verschiedene Rinderrassen gab. Nur dass die bei uns um die Ecke recht plötzlich weg waren.

  • Ich weiß dazu, dass die LPGs umgewandelt werden konnten, erst nur in Genossenschaften nach westdeutschem Recht, später dann auch in andere westdeutsche Gesellschaftsformen. Dabei gab es ziemlich viel Schmuh, gierige West- und Ostdeutsche und schlechte Rechtsberatung. Hier, das wäre dazu ein ganz guter Einstiegspunkt:


    https://de.wikipedia.org/wiki/…rtschaftsanpassungsgesetz

    http://www.deutsche-landwirte.de/010100a.htm