Was geschah da im Hintergrund mit den Betrieben?
Ich erinnere mich daran, dass im Sommer 1990 die Läden immer leerer wurden und dann, am Tag der Währungsreform, vom einen auf den anderen Tag keine Ostartikel mehr zu kaufen waren. Alles war plötzlich in Westverpackungen, von der Milchsorte bis zur Zahnpasta mussten wir alles neu durchdenken und uns für ein Produkt entscheiden
So jetzt von vorne. Leider hat sich ja noch niemand gemeldet und eigene Erfahrungen zu den Hintergründen in den Betrieben beisteuern können. Ich kann das leider auch nicht. Aber ich finde das Thema total spannend und habe noch ein bisschen gesucht.
Zum immer leerer Werden der Läden habe ich das hier gefunden: Eine Dynamik aus Hamsterei und das Warten auf "bessere" Produkte:
Zitat„Die Leute kauften alles auf, was man aufheben konnte und wofür ihnen die DM zu schade war“, erinnert sich Sybille Reider, die heute wie damals in der Nähe von Weißenfels in Sachsen-Anhalt lebt. Das gilt im verrückten Juni 1990 auch für Mehl, Salz, Öl und Kartoffeln. Aber nicht
nur die Hamsterer reißen Lücken ins Angebot. Reihenweise bestellen die Läden einfach nichts mehr bei DDR-Herstellern. Sie haben Angst, die Produkte nach der Währungsunion nicht mehr loszuwerden. Denn nicht nur das Geld aus dem Westen hat die bessere Qualität. Das irrationale
Verhalten der Kunden, die sich einerseits über Versorgungslücken beklagen, aber andererseits auch keine heimischen Waren mehr kaufen wollen, gibt dem Ganzen eine besondere Dynamik.
So entsteht eine paradoxe Situation. Viele Betriebe bleiben auf ihren Erzeugnissen sitzen, während es in den Geschäften nichts zu kaufen gibt. Derweil wächst der Druck auf die DDR-Regierung. Auf der einen Seite stehen die unterversorgten DDR-Bürger, auf der anderen die Betriebe und Bauern, denen das Wasser bis zum Hals steht, weil ihnen keiner etwas abnimmt.
Es wurden in der Tat viele Ost-Produkte im Sommer 1990 vernichtet. Eis zum Beispiel, Molkereiprodukte und Obst:
Zitat"Da bekam ich Montag früh einen Anruf aus einer Kaufhalle, dass wir unser Eis wieder abholen sollen." Margot Siedow fuhr hin und fragte den Verkaufsstellenleiter, warum er das Eis nicht mehr haben will. "Hat der wortwörtlich gesagt: 'Wir haben 40 Jahre Ihr Eis gegessen, jetzt nehmen wir das andere.'" [...]
Frau Siedow von der Leipziger Firma "Eis-Mayer" musste in der ersten Juli-Woche 1990 tatsächlich Hunderte Kartons Eis am Stiel aus den Kaufhallen zurückholen. "Wir haben dann alles auf eine Müllkippe gefahren. Dort wurden die Kartons abgeladen, ausgeschüttet und eingestampft." Einige Wochen später war die traditionsreiche Firma "Eis-Mayer" am Ende.
Und:
ZitatUnd so vernichteten Molkereien tonnenweise Butter, Milch und Joghurt, Bauern ließen das Obst an den Bäumen vergammeln, pflügten reifes Getreide unter und Schweinezüchter töteten ihre Ferkel: "Es ist
jammervoll, aber was sollen wir machen?", fragte ein verzweifelter Bauer in der Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera".
http://www.mdr.de/damals/archiv/artikel97784.html
Da gibt es auch ein Geschichts-Special dazu, habe ich jetzt aber nicht angesehen.