Zeugnisformulierung - dürfen Fähigkeiten zu- oder abgesprochen werden?

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  • Hallo zusammen,

    sind hier LehrerInnen an Bord? Ich habe eine Verständnisfrage und brauche 'ne Einschätzung.

    Hier hat die Schule wieder begonnen und ich habe mir nochmals das Zeugnis von Sohn (Abschluss 3.Klasse, neue Klassenlehrerin seit dem Halbjahr) angeschaut, hatte mich vor den Ferien ziemlich über eine Formulierung geärgert, es aber erst mal ruhen lassen. Nun lese ich es wieder und finde einen Teil nach wie vor unverhältnismäßig hart oder eben auch ungeschickt formuliert (die drei Sätze stehen direkt hintereinander:

    "Seine Aufgaben erledigt er meist vollständig und in angemessener Zeit." (ok, das passt.)

    "Er hatte oft Schwierigkeiten, sich über längere Zeit voll auf eine Sache zu konzentrieren." (ok, hier wird der Satz davor erklärt, und ich kann die Beobachtung nachvollziehen.)

    "Durch seine geringe Konzentrationsfähigkeit sowie hohe Ablenkbarkeit unterliefen ihm häufig Fehler in seinen Arbeiten."

    Und den Satz finde ich zu hart, da ihm hier eine Fähigkeit abgesprochen wird. Als ob das in Stein gemeißelt wäre. Das übrige Zeugnis liest sich dann aber wieder so, dass er eben doch die Arbeiten schafft (und zum Beispiel in Kunst: "Er malt, zeichnet und bastelt mit großer Ausdauer.", was doch bedeutet, dass er die Fähigkeit sich zu konzentrieren besitzt).

    Meine erste Frage:

    Wie seht Ihr den Satz?



    Auf meine Frage wie die Lehrerin denn probiert hat die Konzentration zu fördern, erklärte sie sie hätte ihm eine Sanduhr (10min) gegeben, damit er schrittweise lernen soll, sich zu konzentrieren. Er hätte das Angebot aber irgendwann nicht mehr angenommen.

    Und das ärgert mich auch, weil ich finde, dass man es keinem 3. Klässler überlassen kann, ob er Lust hat eine Methode anzuwenden.

    Und daher meine zweite Frage an Euch mit (pädagogischer) Erfahrung: welche Methoden gibt es denn noch, die Konzentration zu fördern? Vielleicht kann ich ja auch zu Hause mit ihm üben.


    Ich werde wohl nochmal das Gespräch mit der Lehrerin suchen...

    Mahatma Pech, Mahatma Glück, Mahatma Ghandi ...
    B.Stelter

    Einmal editiert, zuletzt von Chamomilla () aus folgendem Grund: Satzzeichen

  • Ich finde die Formulierung völlig okay.


    Mit einem Timer haben wir bei den Hausaufgaben große Erfolge erzielt.

    Meine Tochter darf nach zehn Minuten aufhören, wenn sie in dieser wirklich konzentriert arbeitet.

    Im Laufe der letzten Monate hat sie in diesen zehn Minuten immer mehr geschafft und freut sich über den Erfolg.

  • Ich finde die Formulierung auch ok.

    Sie erklärt die Fehler so und nicht mit mangelnder Kenntniss.


    Sanduhr finde ich auch gut. Kenne das von meiner Tochter aber auch das die sowas oft nicht annimmt. Dann hat die Lehrerin nicht viel Möglichkeiten... Dafür sind (leider) meist die Kapazitäten nicht da, sich mit dem einzelnen Kind ausdauernd zu beschäftigen.


    Zu Hause üben finde ich eine gute Idee.


    Lg Erised

  • In vielen Klassen werden mittlerweile Ohrenschützer angeboten, damit sich Kinder nicht so von anderen Geräuschen ablenken lassen. Manche Kinder finden das angenehm und suchen sie sich zur Einzelarbeit gern aus.

    Die Konzentrationsfähigkeit ist abhängig von der Tätigkeit. Wahrscheinlich kann er sich ins Malen richtig versenken...

  • "Er hatte oft Schwierigkeiten, sich über längere Zeit voll auf eine Sache zu konzentrieren." (ok, hier wird der Satz davor erklärt, und ich kann die Beobachtung nachvollziehen.)

    "Durch seine geringe Konzentrationsfähigkeit sowie hohe Ablenkbarkeit unterliefen ihm häufig Fehler in seinen Arbeiten."

    Ersetze den markierten Satzteil mit "Dadurch", dann hört es sich schlüssiger an. Für mich liest es sich so, als ob der Satz den oben drüber nur konkretisiert was die Auswirkungen davon sind. Er hats wohl versucht, in einfachem Deutsch zu verfassen ("Dadurch" ist oft schwierig) und deswegen klingts schräg.

    So take courage, hold on, be strong, remember where your help comes from.

  • "Geringe Konzentrationsfähigkeit" klingt für mich, so nur als Mutter, auch nach Diagnose und würde mich anpieksen, aber sagen würde ich deshalb nichts, nur dem Kind, dass ich weiß, dass er sich Dinge konzentriert tun kann.

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

    • Offizieller Beitrag

    nach Diagnose

    aber genau das ist es ja nicht. Sondern eine Zustandsbeschreibung. Es läse sich sicherlich weniger problematisch, wenn da ein "momentan" eingefügt wäre - aber ein Zeugnis ist ja per definitionem eine Bestandsaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt.

    Hermine und drei Jungs (04, 07 und 09)

    ---

    demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen

    Willy Brandt, 1969

  • Daher schrieb ich ja, dass es sich für mich so liest. Vielleicht ist ja auch der Unterricht langweilig, daher konzentriert er sich schlecht. ;)

    Das konzentriert sich schlecht ist für mich eine Zustandsbeschreibung, dass das Kind eine schlechte Konzentrationsfähigkeit hat, eine Zuschreibung einer Eigenschaft, etwas absolutes, unverändersbares. "Du bist dumm" vs "Jetzt hast du dich grad dumm angestellt."

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

    • Offizieller Beitrag

    Daher schrieb ich ja, dass es sich für mich so liest. Vielleicht ist ja auch der Unterricht langweilig, daher konzentriert er sich schlecht. ;)

    Das konzentriert sich schlecht ist für mich eine Zustandsbeschreibung, dass das Kind eine schlechte Konzentrationsfähigkeit hat, eine Zuschreibung einer Eigenschaft, etwas absolutes, unverändersbares. "Du bist dumm" vs "Jetzt hast du dich grad dumm angestellt."

    Ja, so kann ich schon verstehen, dass Chamomilla da etwas angepiekst war. Aber ich würde es auch als Formulierungsschwäche sehen und statt "geringer Konzentrationsfähigkeit" eher ein "Schwierigkeiten sich zu konzentrieren" oder sowas in der Art reinlesen.


    Aber ja, mit der Lehrerin sprechen ist sicher ne gute Idee... und das Zeugnis nicht überbewerten. Ich finde es ja schon mal gut, dass sie den Versuch mit der Sanduhr gestartet hat. Dass sie es dann nicht durchgezogen hat, muss ja nicht zwingend pädagogische Hintergründe haben, vermutlich ist sie alleine in einer großen Klasse und da werden oft nur die spezifisch gefördert, bei denen es am meisten brennt. Ist nicht optimal aber meist Realität. Ich glaube, man kann da durch elterliche Beharrlichkeit schon auch was ausrichten. Ihr könntet ja die Sanduhr-Methode z.B. auch zuhause einführen und ihn anleiten, das auch in der Schule weiter zu machen. Für die Lehrerin wird es dann einfacher dranzubleiben und das Ergebnis ist sicher noch besser....

  • nach Diagnose

    aber genau das ist es ja nicht. Sondern eine Zustandsbeschreibung. Es läse sich sicherlich weniger problematisch, wenn da ein "momentan" eingefügt wäre - aber ein Zeugnis ist ja per definitionem eine Bestandsaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt.

    Für mich klingt das auch nach Diagnose, aber ich würde deshalb keine Diskussion beginnen. Es könnte ja auch sein, dass das Kind über hervorvorragende Konzentrationsfähigkeit verfügt, sich aber nicht auf Sachen konzentriert, die es (gerade) langweilig findet.

  • Sorry, dass ich eine Meinung habe #zwinker

    Klar können die sich verändern, und man kann sie sogar haben, ohne sie zu zeigen :)

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

  • Hallo,


    Lehrer haben ja einen ziemlich direkten Vergleich zu den gleichaltrigen. Und da kann es schon sein, daß sie mert, daß nicht der Inhalt als solcher ihm Schwierigkeiten bereitet - was ja sehr gut ist, aber daß er durch geringe Konzentration bei bestimmten Aufgaben auffällt. Daher würde ich es einfach als Hinweis werten, daß ihr da im Vergleich zu dem Durchschnitt der Klassenkameraden etwas aufgefallen ist.


    Das muss nichts Dramatisches sein, Menschen sind halt verschieden, man sollte aber halt auch im Blick behalten, ob des Kind sich damit irgendwann selbst im Wege steht, denn das Schulsystem ist nun mal, wie es ist. Wenn das nicht der Fall ist, kann man es abhaken, nie wird einer nach der Beurteilung aus der dritten Klasse fragen.


    Der Vergleich zu Dingen wie Kneten, basteln, spielen... ist allerdings schwierig, selbst ADS-Kinder können bestimmte Dinge extrem ausdauernd tun (Thema Hyperfokussierung).


    Zur Sanduhr - was soll die Lehrerin denn machen, wenn die ihm egal ist? Vor allem, wenn noch 20 andere Kinder mit verschiedenen Problemen da sitzen. Bei meinen Kindern hat jede Methode nur für eine bestimmte Zeit geholfen, dann ist sie zu gewohnt und "packt" das Gehirn nicht mehr und wird zur zusätzlichen Last, auf die man auch noch achten muss. Mir geht es da übrigens selbst als Erwachsene ganz genau so. Wie oft dachte ich schon DIE Methode gefunden zu haben, um mich zu sortieren, zu motivieren und um alles in den Griff zu bekommen...

    Von daher ist ein Methodenwechsel keine schlechte Sache, man sollte aber auch die realen Möglichkeiten einer Lehrerin vor einer vollen klasse im Blick haben.


    Wenn tatsächlich der Verdacht auf eine leichte Konzentrationsstörung im Raum steht, würde ich mit sehen, ob ich ein Rezept für Ergotherapie bekomme und mir dann eine geeignete aussuchen, die sich auf so etwas spezialisiert hat. Die haben dann auch tolle Tipps, was man zu Hause machen kann.


    Generell ist alles gut, alles, wo man "dranbleiben" muss (Gesellschaftsspiele, backen nach Rezept, handwerkliche Dinge...) , aber nur, so lange das Kind Freud dran hat.


    Alles Gute!