Was spricht für einen No-Deal/Hard-Brexit?

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  • Ich finde es nur nach wie vor ziemlich unfassbar, dass etliche britische Politiker nach dem Motto "wird schon klappen" verfahren. Und das, wo sie ziemlich sicher nicht die Konsequenzen tragen werden.

    Das finde ich auch erschreckend.


    Und ja, es fühlt sich irreal an, so als ob es am Ende nicht so weit kommt.

    Ich arbeite an einer schweizer Uni und habe mitbekommen, wie plötzlich eine solche Situation bestand, in der die Schweiz durch das Referendum nicht mehr an Forschungsprojekten teilnehmen konnte.

    Klar, es wurde dann verhandelt und es wurden Lösungen gefunden. Aber es gab eben eine zeitlang keine.


    Und das haben auch viele nicht für möglich gehalten.

    Verlasse die Welt ein bisschen besser, als du sie vorgefunden hast (B.P)

  • @happy spider: das hat in der schweiz aber auch nicht verhindert, dass leistungsbilanzüberschüsse erzielt wurden. offensichtlich schaden diese faktoren nicht dem export.

  • Weil die Schweiz ja auch Zugang zum Single market hat. Das ist schon praktisch. Ein Markt ist viel leichter zu bedienen als 20+ einzelne.

    • Offizieller Beitrag

    Was ist deine Schlussfolgerung daraus VivaLaVida ? Bzw. worum geht es dir gerade? Dass das Schweizer Modell besser ist? Dass das Schweizer Modell besser für die Schweiz ist? Oder noch was ganz anderes?

  • es geht mir darum zu ergründen, welche konsequenzen (zb. ökonomische, fiskalische) eine nichtmitgliedschaft in der eu für ein wirtschaftsstarkes land in zentraleuropa hat.


    das wäre ja so ein bisschen das kernthema auch in bezug auf GB.

  • Weil die Schweiz ja auch Zugang zum Single market hat. Das ist schon praktisch. Ein Markt ist viel leichter zu bedienen als 20+ einzelne.

    das würde für GB nach dem brexit auch gelten. nur mit dem unterschied, dass die schweiz bereits bilaterale verträge hat, die beim hard brexit so bald wohl eher unwahrscheinlich sind.

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube, solange man das meiste mitträgt, hat es wenig Konsequenzen (was die Schweiz ja macht, wenn mich nicht alles täuscht - in den bilateralen Verträgen schließt sie sich ja den meisten EU-Regeln an - zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht).


    Aber dann muss es eben zu entsprechenden bilateralen Verträgen kommen. Entsprechend kann ich die Haltung zu einem Deal nachvollziehen. Aber wenn es zu einem Hard Brexit kommt, dann ist es ja so als ob es zwischen der Schweiz und der EU keine bilateralen Verträge mehr gäbe. Was vermutlich auch für die Schweiz nicht so vorteilhaft wäre.

  • ja, also hängt alles an den austrittsverhandlungen. würden diese seitens der eu entgegenkommend laufen, wäre ein brexit sehr wahrscheinlich überhaupt kein problem. zumindest in ökonomischer hinsicht. und auch in anderen bereichen wie personenfreizügigkeit usw. sind verträge wie mit der schweiz natürlich möglich.


    also ist nicht per se der brexit das problem, sondern der machtkampf zwischen den verschiedenen verhandlungspartnern. ich finde das wichtig zu benennen.


    und natürlich ist verständlich, dass die eu es keinem land leicht machen möchte auszutreten.

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube im Moment an einen hard brexit. Ich glaube, die allerwenigsten wollen wirklich einen. Aber der Gesichtsverlust wäre zu groß, jetzt zurückzurudern. Und ich glaube, die Häme von vielen Seiten wäre tatsächlich groß... Es ist wirklich ein großer Mist, der da passiert ist. Irgendwie hat sich die Politik da in eine böse Sackgasse manövriert.

  • VivaLaVida wer da mauert, weiß ich nicht. Aber die Schweiz hat kein Nordirland. Das ist schon mal ein riesen Unterschied. Außerdem gibt es in GB eine Menge Politiker und Bürger, die jegliches der EU Entgegenkommen ablehnt.

  • ja, richtig. die banken haben ihr business schon teilweise verlagert. das barclays-bank eu-geschäft läuft jetzt über irland. ich bin mir nicht sicher, welche konsequenzen das für gb wirklich hat. firmensitze sind ja im heutigen wirtschaftslayout ohnehin sehr „beweglich“.

  • Vor allen Dingen gibt es nicht das Problem des Nordirlandkonfliktes. Die Iren wollen einfach keine "harte" Grenze auf ihrer Insel und die Briten keine auf ihrem Hoheitsgebiet. Beides verständlich.

  • ja, also hängt alles an den austrittsverhandlungen. würden diese seitens der eu entgegenkommend laufen, wäre ein brexit sehr wahrscheinlich überhaupt kein problem. zumindest in ökonomischer hinsicht. und auch in anderen bereichen wie personenfreizügigkeit usw. sind verträge wie mit der schweiz natürlich möglich.

    Wo siehst du denn die Verhandlungen von seiten der EU als nicht entgegenkommend? Ich fand die EU-Verhandlungsführung tatsächlich relativ fair. Also klar, sie wollen möglichst wenig Zugeständnisse machen und sie haben es erstaunlich gut geschafft, sich nicht intern zu zerfleischen (was ja so ein bisschen die Strategie der Briten war) aber tatsächlich fand ich die Verhandlungsposition der EU sehr vorhersehbar. Also, dass Irland absolut keine feste Grenze zwischen Nordirland und der Republik will, ist nicht überraschend, dass die EU die Freizügigkeiten nur ganz oder gar nicht will, doch auch nicht.


    Ich sehe das Proble eher darin, dass die Brexiteers stellenweise schon vor der Abstimmung mal einfach gelogen haben (die berühmten 350 Millionen Pfund) und teilweise auch offensichtliche Themen völlig negiert haben. Dass man in Nordirland nicht gleichzeitig eine offene Grenze, die wichtig für den Friedensprozess ist, und eine feste Grenze, die man braucht um aus dem gemeinsamen Markt auszutreten, haben kann, hat wenig mit der EU zu tun, das ist halt einfach so. Die Brexit-Kampagne hat dann "technische Lösungen" versprochen, die sie aber auch nicht liefern kann weswegen sie sich jetzt auch nicht auf den backstop einlassen will. Ich sehe schon viele Probleme, die nicht entstehen durch Bösartigkeit oder auch nur harte Verhandlung der EU sondern die einfach vorgegeben sind wenn man lange ökonomisch verflochten war. Weder Dover noch Calais haben z.B. Kapazitäten um Zollkontrollen in dem Maße durchzuführen wie sie nötig werden. Sie werden aber nötig wenn man aus dem gemeinsamen Markt austritt. Meiner Meinung nach war das Hauptproblem, dass die britische Regierung vor allem lange gar nicht wusste was sie wollte und unheimlich viel wertvolle Verhandlungszeit (in der man manche Probleme sicher hätte lösen können) verschwendet hat.


    Da haben alle die für den Brexit waren, den Arsch nicht in der Hose gehabt, um das auch wirklich umzusetzen (meiner persönlichen Meinung nach wollte ja außer Farage niemand wirklich den Brexit, Boris Johnson hat nur darauf spekuliert, dass er mit dieser Kampagne UKIP-Wähler abwerben kann und dann Premierminister werden). Deswegen verhandelt die EU jetzt mit Frau May, die halt vor allem darin gut ist, sich nicht festzulegen, Und anstatt sich in der eh schon kurzen Zeit hauptsächlich um diese doch wirklich wichtigen Verhandlungen zu kümmern, hat sie erstmal noch eine Parlamentswahl durchgeführt... Seither bekriegt sich die Partei intern welchen Verhandlungsposition sie denn der EU gegenüber einnehmen soll, völlig losgelöst von der Frage wie realistisch diese Positionen sind.


    (Irgendwo habe ich den gemeinen aber ganz treffenden Vergleich gelesen: Das Checkers-Abkommen ist ungefähr so als gäbe es in Großbritannien zwei konkurriende Fußball-Vereinigungen, die erbittert Streit über die Frage führen ob man mit 12 oder 14 Spielern spielen darf. Nach langen, zähen und erbitterten Verhandlungen kommen sie also zu dem Kompromiss, dass man die erste Hälfte mit 12 und die zweite mit 13 Spielern spielen darf. Dann gehen sie zur Fifa und sind ganz erstaunt, dass die diesen Kompromiss nicht einfach nur toll findet und das sofort bei der nächsten WM umsetzt.)

  • Die jetzigen Staaten außerhalb der EU profitieren, wie oben beschrieben, enorm vom Binnenmarkt. Würden einige andere reiche Länder außerhalb der EU sein und der Binnenmarkt wäre nicht so finanzstark, sähe es auch für Norwegen und die Schweiz schlechter aus als jetzt. Ich denke schon, dass es ein geben und nehmen ist.

    Für Großbritannien wird mit einem harten Brexit nicht nur der Handel auf dem EU-Markt hinfällig, jeder Handel mit Ländern oder Gemeinschaften außerhalb der EU läuft über Abkommen, welche die EU geschlossen hat. Mit dem Austritt hat GB diese auch nicht mehr. Die zwei Jahre sind völlig vergeudet worden, da hätten zumindest Grundsteine gelegt werden können.

    Die EU hat das getan, was vorher klar war: wer am Binnenmarkt teilnehmen möchte, muss sich an die Regeln halten. Das war vor dem Votum deutlich. Teile GBs sind aber offensichtlich davon ausgegangen, dass HB so mächtig ist, dass es am längeren Hebel sitzt. Und bzw, GB hat massig Vergünstigungen gehabt, jahrelang.

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

    Einmal editiert, zuletzt von CaRoSo ()

  • Im Unternehmen, in dem ich arbeite, bin ich Teil des Brexit-Projektteams in Bezug auf Supply Chain und Customs Processes.


    Unsere größe Sorge ist, dass wir nicht wissen, ja noch nicht einmal ahnen können, wie UK sich zollseitig positionieren wird.

    Soweit es geht, legen wir daher innerhalb der EU und auch bei unserer UK-Niederlassung höhere Lagerbestände an, bis absehbar ist, in welche Richtung die Zollreise in UK geht.


    Wenn UK es wie die Schweiz macht und sich, trotz Unabähngigkeit, an das EU-Zollrecht anlehnt, ist die Wirkung relativ gering in bezug auf Warenflüsse und die damit zusammenhängenden Einfuhrangaben.

    Sollten sie aber auf einige Waren plötzlich 10% oder 15% Zoll erheben (de jetzt bei 0% liegen innerhalb der EU), wird das ganze schwieriger; verschärft wird das Thema noch die Einfuhrumsatzsteuer, die sich finanziell auswirken kann (da gibt es jetzt ein EU-internes, relativ einfaches Verrechnungsverfahren, das würde bei einem harten Brexit dann natürlich wegfallen.)

    Deswegen...

    Nach einem hard brexit darf die EU die Briten gar nicht anders behandeln als andere WTO-Länder. Selbst wenn sie wollte, könnte sie die Zölle für die Briten nicht auf 0 setzen außer sie tut das für alle anderen Länder auch.

    ... bin ich mir hier nicht so sicher. Die EU kann durchaus beschließen, Waren oder gewisse Kontingente von bestimmten Produkten mit Präferenz zu behandeln, entsprechende Zertifikate gibt es auch bei anderen Ländern, da fällt dann kein oder nur ein geringerer Zollsatz an, als üblich.

    Wer mag: Präferenzpapier

    Nur... der EU fehlen momentan der Motivator das zu tun, denke ich. Es sei denn, sie sind heiß auf gewisse Produkte, die vorzugweise aus UK kommen, aber welche sind das denn noch? Die Fisch- und Stahlindustrie ist dort am Boden, schon seit Jahrzehnten.

    Und wenn wir davon ausgehen müssen, dass UK keine Präferenzen auf EU-Waren genehmigen wird, dann wird es echt tricky, denn das kostet uns dann richtig Kohle und wir werden überlegen, ob das dann noch Sinn hat.

    Immerhin ist die Schweiz eine der wirtschaftlich erfolgreichsten Nationen von Europa und das ohne EU-Beitritt.

    Stimmt, dennoch sollte man nicht unerwähnt lassen, dass sie zumindest ihre Zollverfahren und Zollsätze eng an die EU angelehnt haben.



    Anderes Thema:

    Mein Bruder hat eine Firmen-Niederlassung in UK, der ist beim Brexit tiefenentspannt, weil er sagt, dass er zu 100% sicher ist, dass UK nach dem Brexit die Unternehmenssteuern drastisch reduzieren muss, um für Firmen attraktiv zu bleiben/sein/werden.

    Das kann auch die lokale Wirtschaft beleben, es muss halt nur auch wirklich "business" stattfinden.



    LG,

    Anne

    "Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der lasse sich begraben" ~ Johann Wolfgang von Goethe

    • Offizieller Beitrag

    dass er zu 100% sicher ist, dass UK nach dem Brexit die Unternehmenssteuern drastisch reduzieren muss,

    Dass ist ehrlich gesagt meine Befürchtung in Bezug auf GB: dass da jetzt ein richtig harter, neoliberaler Wettbewerb anfängt. USA in klein sozusagen. Ob das so viel mit "take back control" zu tun hat? Vorher waren sie ein gleichberechtigter Partner in der Staatengemeinschaft, jetzt müssen sie schauen, mit wem sie bilaterale Verträge abschließen können zu welchen Bedingungen.


    Weil mich das Thema noch umtreibt, habe ich mir heute das hier angehört: https://www.bbc.co.uk/programmes/w3cswkf5 und fand es recht spannend - zwar 2 Remaineers gegen 1 Brexiteer (letztere Position interessiert mich mehr, da ich sie schwer nachvollziehen kann), aber insgesamt wurden viele Punkte noch mal angesprochen.

    Hermine und drei Jungs (04, 07 und 09)

    ---

    demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen

    Willy Brandt, 1969

  • Dass ist ehrlich gesagt meine Befürchtung in Bezug auf GB: dass da jetzt ein richtig harter, neoliberaler Wettbewerb anfängt. USA in klein sozusagen.

    Ja, das denke ich auch.


    Alles hat seinen Preis:

    WENN sie es schaffen, die lokale Wirtschaft zu beleben, indem sie Steuererleichterungen für Unternehmen gewähren, dann ist das auf den ersten Blick gut. Auf längere Sicht kommt dann der Raubtierkapitalismus voll zum Tragen und am Ende leiden wieder diejenigen am meisten, die am Ende der Nahrungskette stehen.

    WENN sie es NICHT schaffen, mit Steuererleichterung für Unternehmen die lokale Wirtschaft zu beleben, dann wird es Massenentlassungen geben und damit leiden auch wieder diejenigen am meisten, die am Ende der Nahrungskette stehen.


    Kann natürlich gut sein, dass die Enschätzungen diesbezüglich in UK andere sind oder dass sie das Wohl des eigenen Volkes nicht so sehr im Blick haben, wie das Wohl der in UK ansässigen Unternehmen.


    Ob das so viel mit "take back control" zu tun hat? Vorher waren sie ein gleichberechtigter Partner in der Staatengemeinschaft, jetzt müssen sie schauen, mit wem sie bilaterale Verträge abschließen können zu welchen Bedingungen.

    Ja, so kann man das sehen mit der "gleichberechtigten Partnerschaft innerhalb der EU".

    Wenn ich aber der Argumentationskette der Brexiteers so lausche, dann geht es ihnen in erster Linie um mehr Selbstbestimmung und da kann UK natürlich auch Dinge beschließen und bestimmen, die in der EU so nicht möglich wären/waren/sind.


    Wenn UK davon ausgeht, Firmen durch niedige Unternehmenssteuern anzulocken, dann kann das klappen. Es kann auch eine Milchmädchenrechnung sein, weil keine Firma, kein Konzern extra Leute einstellen will, um der vergrößerten Bürokratie durch Geschäfte mit UK Rechnung zu tragen. Andererseits, wenn sich das rechnet... ?


    Es kommt halt darauf an, wie attraktiv die Geschäftsbeziehungen zu UK heute sind. Möchte man diese unbedingt erhalten oder kann man das auch einfach nach Irland verlagern und gut ist's?


    Ich denke aber, dass UK meint, diesen Prozess selbst beinflussen zu können, indenen sie an bestimmten Stellschrauben (z.B. Unternehmenssteuern) drehen.


    Man weiß halt nicht, was passieren wird. Dadurch gibt es Raum für die verschiedendsten Blickwinkel. Welcher sich als zutreffend erweisen wird, kann nur die Zukuft zeigen.


    LG,

    Anne

    "Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der lasse sich begraben" ~ Johann Wolfgang von Goethe