Psych. Fehldiagnosen bei Vitaminmangel & Co. - die Raben wissen es ja schon längst

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    Dann verstehe ich die Aussagen weiter oben nicht (‚keine große Ahnung von Medizin“, „liegt am Ausbildungssystem“) ?

    Ja, in D stimmt das definitiv nicht. Genau das ist der Unterschied zum Psychologen.. ein Psychiater studiert Medizin und spezialisiert sich erst mit dem Facharzt. Die ersten 12 Semester sind also völlig gleich, ganz egal welche Richtung ein Mediziner später einschlagen wird . Ausserdem müssen Psychiater während der Facharztausbildung1 Jahr in der Neurologie absolvieren.


    Der Psychologe studiert Psychologie, aber nicht Medizin.

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    Wunder 1: 07


    Wunder2: 11

  • jascha Zumal in der Weiterbildung zum Psychiater ein Jahr Neurologie verpflichtend ist.


    Es ist wie in anderen Fächern der Medizin auch. Die eine weiß mehr interdisziplinär, der andere weniger. Das was es zu wissen gibt an körperlichen Ursachen für psychische Erkrankungen wird in der Facharztausbildung definitiv vermittelt. Allerdings gab es Anfang/Mitte der 90er eine Änderung der Weiterbildungsordnung. Ich weiß nicht was vorher an Wissen vermittelt wurde.


    Das was in dem verlinkten Artikel erläutert wird (der sich laut Autoren auf Frankreich bezieht), ist eigentlich nichts Neues und bei uns in der Klinik schon lange Alltag, ebenso in anderen Kliniken die ich kenne. Auch nach der erwähnten NMDA-Rezeptor-Antikörper-Enzephalitis schauen wir regelmäßig, wenn der Krankheitsverlauf dazu passt (keine Uniklinik, sondern Basisversorgungs-psychiatrisches KH). Die im Artikel geschilderte Art und Weise wie Psychiater (und Psychotherapeuten) zu ihren Diagnosen kommen, finde ich befremdlich und hat mit dem Vorgehen wie ich es kenne nur wenig zu tun.


    Ich weiß aber auch, dass es andere psychiatrische KH oder Praxen gibt, wo weniger untersucht wird. In solchen Fällen hat man die Möglichkeit zu fragen, warum sie von den Leitlinien abweichen und sich das erklären lassen. In den meisten Fällen wird es dafür einen Grund geben. Leitlinien sind Diagnostik- und Behandlungsempfehlungen für viele Erkrankungen von den jeweiligen Fachgesellschaften und sind online frei einsehbar. Ein Arzt ist allerdings nicht zwingend an die Leitlinien gebunden, sollte aber ggf begründen können warum er abweicht.

  • Auf jeden Fall sollte man versuchen, körperlich möglichst viele Ursachen abzuklären, bevor die "psychisch bedingt"-Keule geschwungen wird.

    Warum eigentlich? Der Artikel, den ich auch zu reißerisch finde, tut ja so, als sei nur eine körperliche Diagnose eine richtige und alles andere eben zweitrangig. Und bei dir lese ich es auch so: lieber 10 Mal Blut abnehmen, noch eine Magenspiegelung und dies und jenes, als ein Mal falsch auf Depression tippen. Warum?

    ....

    ich möchte hierzu gerne nochmal etwas sagen.

    Ich finde es extrem wichtig, dass zuerst (bzw zumindest parallel!) mögliche körperliche Ursachen abgeklärt werden, da es ohne Behandlung dieser nicht zu einem langfristigen Erfolg kommen wird bzw in manchen Fällen sogar Eile geboten ist.

    Und dann finde ich es eben gefährlich, erstmal fälschlicherweise auf Depressionen zu tippen.


    Meine Tochter wurde sehr krank erstmal zur Psychologin geschickt. Ua das hat sie ein Teil ihres Sehvermögens gekostet und hätte auch noch schlimmer ausgehen können. Dabei stört mich nicht das Hinzuziehen psychologischer Hilfe bei bestimmten Symptomen (das kann ja sehr oft trotz allem hilfreich sein, bzw gerade auch bei ernsten Erkrankungen), sondern das vernachlässigen der körperlichen Probleme- und das passiert leider bei bestimmten Symptomen schnell; nicht nur durch Psychologen selbst, sondern auch durch (allgemein)Ärzte.


    Meine Mutter ging mit starkem Zittern, Schweißausbrüchen, leichtem Fieber und Jucken am ganzen Körper zum Arzt. Diagnose: Angststörung (ohne jegliche Vorgeschichte), Beruhigungsmittel.

    Ich hab vermutete eine überfunktion der Schilddrüse (thyroxin zu hoch dosiert, da 20kg abgenommen), schickte sie am nächsten Tag zur blutentnahme. Nachmittags der Anruf- massive Überfunktion. Nach Reduktion der Dosis ging es ihr schnell besser. Sowas finde ich halt fahrlässig.



    Interessant übrigens auch der Zusammenhang zwischen Depressionen und Entzündungen, da habe ich ein paar interessante paper gelesen.

    We must accept finite disappointment, but never lose infinite hope.

    Martin Luther King, Jr.

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    ebura mit S (*04), E (*05) und I (*12/21)

  • Ich habe es vielleicht überspitzt ausgedrückt, natürlich haben Psychiater Ahnung von Medizin. Aber vieles verblasst eben auch mit den Jahren in einem etwas abgeschiedenen Fachgebiet. In der Neurologie sind Psychiater meist noch up to date aber hier geht es um so Dinge wie Endokrinologie, damit haben die allermeisten Psychiater seit Jahren nichts mehr zu tun gehabt.

    Und das Wissen in der Medizin hat einen hohen turnover. Vieles was man im Studium gelernt hat ist 10 Jahre später nicht mehr richtig. Das ist nicht schlimm, weil man ja im Normalfall im täglichen Leben die Veränderungen einfach mitnimmt. Das bedeutet allerdings auch dass weiter entfernte Fachgebiete nur grob überblickt werden.

    Ich wollte niemandem auf die Füße treten, Psychiatrie ist ein wichtiges und schwieriges Fachgebiet. Da war ich wohl etwas flapsig.

    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Mein Problem an der Sache ist, dass derartige Artikel so tun, als wüssten wir, das x oder y Depressionen auslöst. Wobei Fakt ist, dass wir das eben ganz oft nicht wissen. Wir wissen, das die beiden Dinge korrelieren, also oft gemeinsam auftreten. Über eine Ursache sagt das leider nicht das geringste aus. Daher ergibt für mich leider auch das nur bedingt Sinn:

    tulan: weil es in meinen Augen keinen Sinn macht, die Symptome zu bekämpfen, wenn man die Ursache nicht kennt.

    Wenn z.B. eine unerkannte Zöliakie/Asthma etc. die psychischen Beschwerden verursachen erreicht man mit einer Psychotherapiebehandlung wahrscheinlich nur temporär etwas. Damit wird am Ende doch nur verschleiert, was die eigentlichen Probleme macht.

    Medizin bekämpft in sehr sehr vielen Fällen nur Symptome. Weil eben niemand die Ursachen kennt. Und das wird sich auch nicht ändern, wenn es gerade Mode ist, allerlei Befindensstörungen auf Zöliakie oder Asthma zu schieben. Das heißt gar nicht, dass es nicht Fälle gibt, wo Zöliakie oder Asthma die Ursache ist. Aber zumindest in meinem Umfeld erlebe ich es immer mal wieder, das Leute zu wirklich einschränkenden Diäten greifen, weil sie den Verdacht haben, dies oder jenes nicht zu vertragen und sich dann besser fühlen. Dass aber dann nach einiger Zeit alles beim Alten ist.


    Warum? Weil mein Sohn dann immer noch auf psychosomatische Probleme behandelt werden würde. Bei ihm war erst der 3. Test auf Zöliakie überhaupt mal positiv, die anderen vorher negativ.. (mittlerweile haben wir aber 3 positive Tests, schwach positiv aber positiv). Bei G. war es definitiv NICHT psychisch, auch wenn uns alle Ärzte in die Richtung drängen wollten!

    Das würde ich gern verstehen. Es heißt also, dass Zöliakie gar nicht zuverlässig getestet werden kann? Denn wenn die Tests negativ sind, obwohl er eigentlich Zöliakie hat, dann taugen doch die Texts nichts, oder? Es käme doch kaum jemand auf die Idee, etwas drei Mal zu testen, wenn ihm das Ergebnis der ersten beiden Testungen nicht gefällt, oder? Und was sollte mich dann dazu bringen, dem dritten Test zu glauben, den beiden davor aber nicht? Offenbar habt ihr ja danach noch weitere zwei Tests gemacht. Wozu, wenn sie so unzuverlässig sind?

    Zum Thema (also nicht zum Artikel, weil noch nicht gelesen):

    Ein Mangel an Omega3-Fettsäuren kann Depressionen auslösen, ebenso ein Mangel an Testosteron bzw. Progesteron.

    Jop, das ist genau was ich meine: Man kann allerlei Dinge mit Depression korrelieren. Und je nachdem, was grade Mode ist, wird da noch einiges dazu kommen. Nur daraus dann zu machen, dass der Mangel an x oder y die eigentliche Ursache ist - das verstehe ich nicht ganz. Was natürlich nicht heißt, dass man diesen Mangel nicht beheben sollte.

    Meine eigene Erfahrung ist: Bei mir wurde bei entsprechender Symptomatik alles Mögliche untersucht. Auch Vitamin D und B12 und Eisen und Schilddrüse. Und dann wurde alles mögliche substituiert, weil da ne Menge fehlte. An meiner Symptomatik hat das nicht das Geringste geändert.

    Ich glaube ja gerne dass tatsächlich was dran ist. Die Psychiater die ich kennengelernt habe hatten oft keine große Ahnung von Medizin. Das liegt aber am Ausbildungssystem und daran dass psychiatrische Kliniken oft separat sind und nicht in allgemeine Krankenhäuser integriert sind.

    Das ist für eine ganzheitliche Betrachtung tatsächlich hinderlich.

    Einiges was im Artikel als brandneue Erkenntnis dargestellt wird sind altbekannte Binsenweisheiten. Eine Hypothyreose macht Antriebslos? Mensch das ist ja mal eine Erkenntnis *Ironie off * und dass man Testosteronanaloga einsetzt bei hypodynamen Patienten ist auch nicht neu.

    Man darf bloß nicht vergessen dass auch hormonsubstitution Nebenwirkungen haben. Viele kennen wir doch gar nicht genau, weil es langzeitwurkungen sind und im Körper regelkreise ineinander greifen.

    Da kennst du eine eigenwillige Auswahl an PsychiaterInnen. Die, die ich kenne, sind alle medizinisch sehr fit. Bei entsprechenden Symptomen die Schilddrüsenhormone oder den Vitaminstatus zu testen war in den Krankenhäusern und Rehakliniken, in denen ich gearbeitet habe, völlig üblich. Selbst ich als Psychologin weise ggf. darauf hin. Der Artikel benennt also gar nichts Neues. Wenn jemand zu mir kommt, der hormonsubstituiert ist, frage ich immer, ob er oder sie eine/n gute/n Endokrinologen/in hat und lasse das ggf. prüfen. KeinE PsychotherapeutIn hat Interesse daran, jemanden zu behandeln, dem es aufgrund körperlicher Ursachen nicht besser gehen kann.

    Die im Artikel geschilderte Art und Weise wie Psychiater (und Psychotherapeuten) zu ihren Diagnosen kommen, finde ich befremdlich und hat mit dem Vorgehen wie ich es kenne nur wenig zu tun.

    Ja, geht mir genauso.

    Dabei stört mich nicht das Hinzuziehen psychologischer Hilfe bei bestimmten Symptomen (das kann ja sehr oft trotz allem hilfreich sein, bzw gerade auch bei ernsten Erkrankungen), sondern das vernachlässigen der körperlichen Probleme- und das passiert leider bei bestimmten Symptomen schnell; nicht nur durch Psychologen selbst, sondern auch durch (allgemein)Ärzte.

    Naja PsychologInnen sind dafür ja explizit nicht ausgebildet. Trotzdem müssen auch diese lernen, welche anderen möglichen Einflüsse es gibt. Das Problem ist: Oft findet man keine eindeutige Ursache für bestimmte Symptome. Ich selbst bin da ja ein gutes Beispiel für: Man hat mich durchuntersucht noch und nöcher, dies und jenes versucht und mediziert. Und nichts half. Natürlich könnte ich nun den xten Arzt aufsuchen und auf noch neue Untersuchungen drängen, weil sich bestimmt Parameter finden lassen, die noch niemand geprüft hat. Aber wenn ich eh allen ÄrztInnen misstraue, weil die ja eh nicht wissen, wie man Medizin macht - wieso sollte ich das tun?

    Das ist für mich das Hauptproblem an dem Artikel: Er tut so, als könne man sich mal eben im Netz was anlesen und sei dann schlauer als alle, die x jahre studiert und sich ausgebildet haben. Ich finde das eine schwierige und wenig wertschätzende Haltung.

  • tulan - mein Handy will nicht nur ein teilzitat nehmen, ich beziehe mich auf deinen Satz mit dem "das Problem ist:".

    Jein.

    Mein Problem im Moment ist, dass ich nach jedem test selbst fragen muss und vor der Überweisung zum Psychotherapeuten keinerlei Untersuchungen auf körperliche Ursachen stattfand. Um die Schilddrüsenwerte muss ich jedesmal betteln und s. O., zumindest ist das ganze auffällig. Sollte sich herausstellen, dass körperlich nix vorliegt, kann ich durchaus damit leben, dass doch alles psychosomatisch ist. Aber imho darf man es nicht von vornherein darauf schieben... Passiert aber. Zig Geschichten im Bekanntenkreis gehört.

    LG H. mit J. (volljährig) und S. (Teenie)

  • KeinE PsychotherapeutIn hat Interesse daran, jemanden zu behandeln, dem es aufgrund körperlicher Ursachen nicht besser gehen kann.

    Das ist aber ja nicht der Fall. Jedenfalls nicht, wenn die körperlichen Ursachen was stabiles sind und nichts fortschreitend sich verschlechterndes.


    Ich würde aber mal vermuten, dass jemand, der aufgrund von Vitamin- oder Hormonmangel psychische Probleme zeigt, ist sehr viel angenehmer zu behandeln, als jemand, bei dem das psychische Problem „echt“ ist. Weil in dem körperlich-ausgelösten Fall nur das Energielevel das Problem ist, und das kann man durch Zuwendung (also durch die psychotherapeutische Beziehung) ganz gut kurzfristig aktivieren. Ohne dass man wirklich fachlich etwas können müsste.

  • Ich sehe das wie tulan.


    Es gibt eben leider auch zig Geschichten, bei denen gravierende Mängel vorliegen und die Patienten beschwerdefrei sind. Das macht die Beurteilung der Laborwerte sehr schwierig. So schwierig, dass man dann dazu neigt, lieber auf seine klinische Erfahrung zu vertrauen als auf laborwerte, deren Relevanz man nicht einschätzen kann.


    Eine manifeste Hyperthyreose kann symptomatisch sein. Muss es aber nicht. Aber ein gerade eben erhöhter Wert macht es schwierig, zu entscheiden, ob man da jetzt was draus machen will oder nicht. Und bis der optimal eingestellt ist und man sagen kann, dass es eben nicht die Schilddrüse ist, die den Patienten so krank macht gehen dann gerne ein paar Wochen ins Land.


    Mir reicht für meine Fragestellungen ein guter TSH-wert in den letzten Monaten. Und wenn ein Patient mehr möchte, dann mache ich das nur, wenn irgendetwas am Verlauf der Beschwerden untypisch ist.


    Neurologen glauben zB an andere normwerte für b12 als internisten. Ich sehe so viel Gießkannenlabordiagnostik - da wird dann querbeet alles mögliche bestimmt und kontrolliert und niemand weiß dann wirklich was mit den Werten anzufangen.


    Mein Lieblingsbeispiel sind da die borrelienbefunde, die je nach Charakter von Patient oder Arzt zwischen "kann keine Beschwerden machen " und "intravenöse antibiose über ein jahr" zur Folge hat. Weil es eben einfach keiner weiß.

  • tulan Ganz einfach, weil Zöliakie ein Chamäleon ist. Wenn du dich eingehender mit dem Thema beschäftigst, dann werden die Hintergründe einfach klarer. Eine Zöliakie ist nicht einfach _da_. Sie entwickelt sich. Und genau aus dem Grund muss man gegebenenfalls auch öfters testen. Stark positive Tests sind schon aussagekräftig, die Antikörper werden ja aus einem bestimmten Grund gebildet. Es gibt aber eben auch Fälle, bei denen die Tests unspezifischere Werte zeigen. Und genau um diese Grenzfälle geht es.

    Bei uns gab es folgende Entwicklung: Kind hat seit dem 6. Lebensjahr immer wieder unspezifische Bauchschmerzen, verträgt keinen Apfel mehr. Das geht über einige Jahre, KiA sieht nie einen Grund zu Testung da kein Durchfall vorhanden. Kind soll sich halt nicht "so anstellen" und nicht so empfindlich sein.

    Mit ca 10 Jahren werden die Schmerzen immer mehr, es kommen andere Symptome hinzu: Abgeschlagenheit, Depressionen, Krämpfe in den Armen und den Beinen, Histaminreaktionen, Restless Legs, Panikattacken, starke Darmgeräusche

    Der KiA sieht zwar immer noch keine Veranlassung, irgendwelche Unverträglichkeiten zu testen, tut es im März 2017 zum ersten Mal doch. Gemacht wird ein großes Blutbild und Zöliakiedaignostik. Das ist alles negativ. OTon wieder: das Kind ist gesund, dem fehlt nichts.

    Da der Zustand immer schlechter wird habe ich uns quasi selbst ins KH eingewiesen (ok, der KiA dann doch auf mein Drängen hin). Dort wird eine umfassende Diagnostik gemacht, es wird eine Fruktoseintoleranz festgestellt (mittels Atemtest), die genau an der Grenze zum Positiven ist. Aufgrund der zeitgleich auftretenden Bauchschmerzen wird aber FI als Diagnose gestellt. Zöliakie war wieder negativ. Wir waren in einem KinderKH mit angeschlossener KinderGastro (einer der Oberärzte ist einer von zwei Zöli-Spezialisten hier im weitem Umkreis).

    Also Fruktose-Auslassdiät begonnen mit Karenzzeit und langsamer Steigerung. Da die Symptome aber nicht wirklich besser sondern eher schlimmer werden geht die Suche weiter.

    Im November 17 nochmal Termin in der Kindergastro, es wird auf mein Drängen hin nochmal auf Zöliakie getestet. Und nun waren die Werte zum ersten Mal auch positiv (!!). Allerdings nur leicht positiv. Der Grenzwert ist bei 10, G. hatte als ersten Wert 27. Etwa zum gleichen Zeitpunkt (kurz vorher) waren wir beim Hausarzt, der auch eine Zöliakiediagnostik gemacht hat, um Laborfehler auszuschliessen (was ja auch mal sein kann). Wert lag bei diesem Labor gemessen bei 34 (in etwa gleich also).

    Nun haben Zöliakiepatienten aber gewöhnlich einen Wert um die 200. Der Arzt hat eine beginnende Zöliakie vermutet, war sich aber nicht sicher. Diagnostiziert wurden aber schon mal psychisch bedingte Bauchschmerzen.

    Deshalb mussten wir auf Anweisung des Arztes das Immunsystem "reizen", sprich G. musste vermehrt glutenhaltig essen und nach 4 Monaten nochmals testen. Da lag der Wert dann bei 17. also nicht höher, aber immer noch positiv.

    Wohlgemerkt waren die Symptome aber weiterhin alle vorhanden (es war mittlerweile Frühjahr 2018). Das Kind fehlte 17 WOCHEN in der Schule und war quasi nicht beschulbar.

    Wir sollten aber auf Anraten des Gastrenenterologen immer noch reizen (6 Monate), um zu schaun ob die Werte nicht doch höher gehen und man von einer "echten" Zöliakie sprechen könnte. Veranlassung für eine Darmbiopsie sah der Gastro nicht. Die würde seiner Erfahrung nach bei derart niedrig positiven Blutwerten auch kein anderes Ergebnis liefern.

    Meinem Kind ging es damit aber so schlecht, dass ich (schon mehr als verzweifelt) nochmal zur Hausärztin bin. Sie meinte dann, ihr würden die 3 positiven Tests ausreichen. G. sollte ab sofort (Frühsommer 2018) streng glutenfrei essen.

    Und das brachte den Durchbruch. Es dauerte mehrere Wochen, bis sich Gs Körper umgestellt hatte, aber seitdem sind ALLE (!!) Symptome verschwunden.

    Die Erklärung, warum es Patienten gibt, bei denen die Tests nicht stark positiv oder auch gar nicht positiv´sind, ist folgende: es wird ja auf spezifische Antikörper getestet, es kann aber auch sein, dass bei einigen Patienten andere Aminosäuren gebildet werden, als die getesteten.

    Das scheint bei G. der Fall zu sein.


    Eine Zöliakie kann sich aber in der Tat schleichend entwickeln, drum kann es auch Sinn machen, die Werte öfters zu testen. Nur hätte dieses Vorgehen mein Kind fast zerbrochen.

    Einfach, weil seine Blutwerte so unspezifisch positiv sind, dass die Mediziner sie trotz starker Symptome nicht als "positiv genug" angesehen haben. Eine Ursache war dann schnell gefunden: kann ja nur psychisch sein.

    Dabei zeigt die Auslassdiät jetzt ganz klar, dass die Ursache die Glutenunverträglichkeit ist und nicht psychisch! Und das ist auch keine Modediagnose (wenn ich solche Verallgemeinerungen lese werde ich bei unserer Geschichte wirklich sauer!!).


    Ja, die Glutenunverträglichkeit nimmt in den letzten Jahren stark zu, das hat aber nichts mit "Mode" zu tun, sondern mit den genetischen Veränderungen des Getreides, das sich, stark auf Ertrag gezüchtet, einfach verändert hat.

    Und ganz viele Menschen scheinen diese Veränderungen nicht zu vertragen.

    Ihre Probleme werden aber als psychisch abgetan. Und man hört genau solche Worte, wie Du sie verwendet hast: Modediagnose, kann ja gar nicht sein etc..

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    Wunder 1: 07


    Wunder2: 11

  • Weil danach gefragt wurde, doch eigentlich ist die Zöliakiediagnostik recht zuverlässig wenn sie richtig gemacht wird. Das bedeutet zunächst (unter weiterhin glutenhaltiger Ernährung) Antikörpertestung. Bei weiterhin bestehenden Verdacht oder positiven test wird eine Dünndarmbiopsie genommen, möglichst zeitnah und ebenfalls während noch Gluten gegessen wird. Diese biopsien müssen speziell aufbereitet werden und sind sehr Aussagekräftig wenn sie positiv sind.

    Das Verfahren insgesamt ist ja aufwändig und verlangt Kooperation. Da sind Fehlerquellen vorprogrammiert.

    Des Weiteren gibt es Überschneidungen mit einer diffus als "Weizenunverträglichkeit" bezeichneten Störung die wohl im Antikörpertest auch positiv ausschlagen kann.


    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Mich macht gerade sauer, dass der schwarze Peter den misstrauenden, besserwisserischen Patienten zugeschoben wird... :( So als wolle der Patient gar keine Linderung..


    Ich sehe das doch gerade an den Arztberichten. Wenn man dem Facharzt genau die Symptome aufzählt, die man hat, schwere körperliche, aber lehrbuchartige Symptome und die im Arztbericht nicht mal autauchen, mit keinem Wort, und dann an einem Wert, der gut war, festgehalten wird, dafür zwei schlechte Werte ignoriert werden, da läuft doch was falsch, das liegt doch nicht am Patienten?


    Der heutig eingetrudelte Arztbericht von einem anderen Facharzt nennt die Beschwerden, nennt die Werte, schreibt eine Therapie vor. SO müsste das immer laufen, finde ich.


    Beide Fachärzte haben dieselbe Sache innerhalb einer Woche bewertet. Und ja, wenn man verzweifelt ist, mit Schmerzen und allem, klappert man die Ärzte ab, und dann googlet man auch irgendwann, das finde ich normal.

    Einmal editiert, zuletzt von Schnickschnack ()

  • Da scheint der erste nicht zugehört zu haben, das ist schlecht.


    Ich weiß nicht, wie hoch die Quote an fehldiagnosen durch unzureichende Labordiagnostik ist. Ich sehe aber nicht wenige Patienten, deren organischen krankheitsanteil ich in Frage stelle. Meist ist es ungemein schwierig, jemanden zu einer Psychotherapie zu motivieren, solange der glaube daran besteht, dass ein Laborwert all das erklären könnte. Und dann ist der b12-wert am unteren Ende und dann muss es das ja sein. Und dann geht der wert nicht hoch und man macht noch ne magenspiegelung und dieses und jenes und ist gar kein kleines bisschen weiter gekommen.


    Das ist ein Problem in dem Beruf: man muss sich aktiv entscheiden, welche Diagnostik man machen will und wo man es für unwahrscheinlich hält, dass eine Diagnostik weiterhilft.


    Natürlich könnte man immer die gesamte Diagnostikmaschine hochfahren. Aber solange es einfach nicht klar ist, welche körperlichen Konsequenzen bestimmte Laborveränderungen haben macht das eher mehr Probleme als dass es dem Patienten hilft.


    Und wie in jedem anderen Beruf auch kann auch ein Arzt Fehlentscheidungen treffen, weil seine Erfahrungen eben dagegen sprechen, dass das Problem durch den laborwert x oder y geklärt werden kann.

  • Erschwerend kommt hinzu dass Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen sich auch nicht immer frisch und abwechslungsreich ernähren. Da muss man durchaus die Frage nach Henne und Ei stellen.

    Aber, da glaube ich durchaus dass wenn die Patienten in psychiatrische Behandlung gehen die vorhandenen Ernährungsdefizite versucht werden aufzufangen.

    Es ist leider immer noch einfacher an einer organischen Krankheit zu leiden als an einer psychischen. Wobei es in der Psychiatrie ja auch jede Menge organische behandlungsansätze gibt.



    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Tja, ich weiß nicht, meine Schwester und Mutter haben denselben Kropf, Symptome etc. Bei mir wurde nun körperlich untersucht, Kropf rausoperiert, Körper wird neu eingestellt, bei richtiger Dosis bin ich psychisch stabil. Meine Schwester wurde nur psychiatrisch behandelt, TSH wurde als normal angesehen, seit Jahrzehnten Rückfälle, schwere körperliche Krisen, keine Besserung, keine Heilung, meine Mutter geht gar nicht erst zum Arzt, nachdem ein Arzt nach US meinte, Schilddrüsenknoten hätte jeder, säuft sich dafür halt nun tot, weil sie ihr Leben nicht aushält.


    Hier in der Gegend sind Schilddrüsensachen echt noch was ganz Exotisches. #hammer In MV hat der Hausarzt die Werte gleich alle mitgetestet ohne Probleme...

    Einmal editiert, zuletzt von Schnickschnack ()

  • Es spricht doch aber eigentlich nichts dagegen, das parallel zu untersuchen/ behandeln, oder?


    Ich bin nun wirklich niemand, die exzessiv Ärztebashing betreibt oder grundsätzlich kein Vertrauen hat. Im Gegenteil.


    Dennoch beobachte ich schon, dass gerade bei nicht sofort eindeutigen Erkrankungen gerne mal direkt alles auf die Psyche geschoben wird. Und dabei körperliche Ursachen oder auch nur beitragende Faktoren übersehen werden.


    Und ich würde einfach erwarten, dass zb bei Bauchschmerzen erstmal nach Nahrungsmittelunverträglichkeiten und anderen organischen Ursachen geschaut wird.

    Ebenso bei anderen schmerzen, Erschöpfung etc. Das heißt ja nicht, dass eine Depression ausgeschlossen wird oder eine begleitende Psychotherapie nicht auch sinnvoll ist.

    Aber wenn ich die körperlichen Ursachen bekämpfen kann, ist das doch ein großer Schritt in die richtige Richtung bzw hilft auch, eine vielleicht vorliegende psychische Erkrankung erst richtig behandeln zu können.

    We must accept finite disappointment, but never lose infinite hope.

    Martin Luther King, Jr.

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    ebura mit S (*04), E (*05) und I (*12/21)

  • Das ist aber ja nicht der Fall. Jedenfalls nicht, wenn die körperlichen Ursachen was stabiles sind und nichts fortschreitend sich verschlechterndes.


    Ich würde aber mal vermuten, dass jemand, der aufgrund von Vitamin- oder Hormonmangel psychische Probleme zeigt, ist sehr viel angenehmer zu behandeln, als jemand, bei dem das psychische Problem „echt“ ist. Weil in dem körperlich-ausgelösten Fall nur das Energielevel das Problem ist, und das kann man durch Zuwendung (also durch die psychotherapeutische Beziehung) ganz gut kurzfristig aktivieren. Ohne dass man wirklich fachlich etwas können müsste.

    Die ersten beiden Sätze verstehe ich nicht. Und den zweiten Absatz finde ich ziemlich abwegig. Du scheinst auch davon auszugehen, dass etwas immer entweder psychisch oder körperlich ist. Das ist aber meiner Erfahrung nach nicht der Fall.

    Ja, die Glutenunverträglichkeit nimmt in den letzten Jahren stark zu, das hat aber nichts mit "Mode" zu tun, sondern mit den genetischen Veränderungen des Getreides, das sich, stark auf Ertrag gezüchtet, einfach verändert hat.

    Und ganz viele Menschen scheinen diese Veränderungen nicht zu vertragen.

    Ihre Probleme werden aber als psychisch abgetan. Und man hört genau solche Worte, wie Du sie verwendet hast: Modediagnose, kann ja gar nicht sein etc..

    Danke für deine Schilderung und die anderen Infos zu Zöliakie. Ich verstehe, dass du einen anderen Blick darauf hast als ich, die Menschen sieht, die sich in selbstschädigender Weise in Diäten begeben. Aber diese Menschen gibt es auch, daher finde ich es wichtig, immer genau hinzusehen.

    Mich macht gerade sauer, dass der schwarze Peter den misstrauenden, besserwisserischen Patienten zugeschoben wird...

    Nein, da missverstehst du etwas. Ich schiebe niemandem den schwarzen Peter zu. Ich plädiere für Augenmaß, so wie auch Janos das plastisch beschreibt:

    Ich weiß nicht, wie hoch die Quote an fehldiagnosen durch unzureichende Labordiagnostik ist. Ich sehe aber nicht wenige Patienten, deren organischen krankheitsanteil ich in Frage stelle. Meist ist es ungemein schwierig, jemanden zu einer Psychotherapie zu motivieren, solange der glaube daran besteht, dass ein Laborwert all das erklären könnte. Und dann ist der b12-wert am unteren Ende und dann muss es das ja sein. Und dann geht der wert nicht hoch und man macht noch ne magenspiegelung und dieses und jenes und ist gar kein kleines bisschen weiter gekommen.

    Wir Menschen lassen uns nicht durch ein Sammelsurium an Labor- und Testwerten erklären. Das ist schwer auszuhalten, aber oft weiß man nicht, wie Symptome zu erklären sind. Meine Erfahrung ist, dass Leute oft erst Jahre (und oft weit über 10 Jahre!) mit psychischen Störungen herumlaufen, bevor sie in psychotherapeutische Behandlung bekommen. Und selbst dann ist es ihnen, wegen der großen Stigmatisierung!, lieber, sie hätten einfach einen Mangel an x oder y. Und das verhindert, dass sie das nutzen, was sie grad für sich tun können.

    Ja, es gibt sicher Fälle, wie den von Gwynifers Sohn, wo endlich eine körperliche Ursache gefunden und behoben wird. Es gibt aber mindestens ebensoviele Fälle, wo die jahrelange Suche nach körperlichen Ursachen zu zig Untersuchungen, unnötigen Eingriffen und zu einer Verschleppung psychotherapeutischer Behandlung führt. Beides ist tragisch.

  • Wir sprechen doch von Hashimoto Thyreoiditis? Dann ist Tsh allein nicht ausreichend. Der Ultraschall der Schilddrüse ist ziemlich aussagekräftig und eigentlich beim Endokrinologen machbar.

    Ich denke dass der bei dir auch gemacht wurde, oder? Und danach ziemlich sicher die Diagnose stand.

    Da sollte deine Familie mal Nachhaken

    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Ebura gegen eine organische Diagnostik über das basismaß hinaus spricht das, was tulan und ich oben geschrieben haben: vieles ist ungemein unspezifisch. Und der deutlich größere Anteil der Patienten verwahrt sich gegen eine psychiatrische Diagnose, so lange eine rein organische Ursache noch im Rennen ist.


    Verständlicher Weise. Psychotherapie ist anstrengend. Erfordert Zeit und Eigeninitiative. Pillen schlucken ist den meisten lieber.


    Psychotherapeuten berichten auch immer davon dass es müßig ist, jemanden zu therapieren, der eigentlich sicher ist, dass er keine Psychotherapie braucht.