Bedürfnisorientierung in der Kindererziehung vs. Perfektionismus und Überforderung

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  • Also Mütter, die Kleinkinder nach Bedarf stillen, obwohl sie aus Schlafmangel auf dem Zahnfleisch kriechen. Und das aber dennoch tun, weil sie sonst das Gefühl hätten, versagt zu haben. (Also nicht, weil man sich dafür entscheidet, dass es so am stressärmsten wäre sondern weil man die Überzeugung hat, dass es nur so richtig ist.)

    so war es bei mir. alles andere hätte ich nicht gekonnt und nicht gewollt. und in der schwangerschaft mit e. hat mich die hebamme in -zig gesprächen belabert, ich solle j. aktiv abstillen, und als ich es dann gemacht habe, habe ich stundenlang geheult deshalb. (j. war zu dem zeitpunkt vier...)


    das ist schon ein problem, ja.


    und an dem kaiserschnitt von j. (wegen beckenendlage, die hausgeburtshebamme ist abgesprungen, das krankenhaus machte bei BEL nur sectio) habe ich schrecklich gelitten. weil es keine natürliche geburt war.

    • Offizieller Beitrag

    Ja, Nachtkerze die Bedürfnisse der Mutter, um die es auch gehen muss, kommen mir da routinemäßig zu kurz in den Überlegungen.


    Tragen trotz Rückenschmerzen, weil eben nur Tragen "richtig" ist. Optimierungswahn, ja. (Wer hat das gleich noch mit der Trageberatung geschrieben?)


    Salino du hast da ein hilfreiches, "gesundes" Konzept von BO. So sollte es eigentlich sein. Wenn die Mutter Rückenschmerzen hat, dann sollte sie ihr Kind doch mit bestem Gewissen im Buggy schieben. Und wenn sie kein Bock auf Tragen hat, auch.


    Oh @casa #knuddel

  • (Wer hat das gleich noch mit der Trageberatung geschrieben?)

    das war ich.


    die bedürfnisse der mutter muß ja erstmal die mutter selbst überhaupt spüren. und das spüren der eigenen bedürfnisse ist ja nun auch nicht gerade eine herausragende stärke der meisten frauen. wie auch das spüren, äußern und halten von grenzen.


    und dann ist da so ein winziges wesen, so zart, so abhängig, und guckt dich so an. #herzen


    und bedürfnisorientierte erziehung bedeutet für die mutter zumindest in der ersten zeitschon hauptsächlich die orientierung and en bedürfnissen des kindes. d.h. ein zurückstellen der eigenen bedürfnisse und über die eigenen grenzen gehen. für mich gehört(e) das dazu und so habe ich es damals in der ersten schwangerschaft auch hier bei den raben erfahren. und mich dafür entschieden.


    außerdem war es mir bei einem schreienden baby immer selbst ein bedürfnis, das baby hochzunehmen. es wäre eine qual für mich gewesen, das kind zu ferbern. dann lieber selber schlechter schlafen. der preis fürs durchschlafen wäre mir zu hoch gewesen.

    2 Mal editiert, zuletzt von casa ()

  • Bei einem Baby finde ich es noch viel einfacher und nachvollziehbar, meine Bedürfnisse hinten an zu stellen. Auch wenn es mitunter trotzdem knüppelhart war.

    Mit steigendem Alter der Kinder stieg aber auch wieder mein Bedürfnis nach Ruhe, Durchschlafen, "Feierabend", Berufstätigkeit, Freundinnen außerhalb treffen usw.


    Und dann war es anfangs nicht leicht, wieder "umzuschalten". Dass ein Dreijähriges zwar immer noch mini klein und bedürftig ist, aber vielleicht eventuell doch auch mal ein paar Minuten warten kann, bis ich mit Duschen fertig bin.

    Oder dass das 7-Jährige mein Bedürfnis nach einem ungestörten (kurzen!) Telefonat respektieren lernt.


    Mich hat der hohe Anspruch an mich selbst schon ein Stück weit krank gemacht und ich bin froh, dass wir als Familie d heute eine bessere Balance gefunden haben.


    Auf andere Familien schaue ich selten, Erziehungsratgeber ignoriere ich.


    Mein Kompass sind meine Kinder und ihre individuellen Bedürfnisse. Nicht das, was in einem Blog unter "perfekter Kindergeburtstag" steht.

    Einmal editiert, zuletzt von RoteDahlie ()

  • Also Mütter, die Kleinkinder nach Bedarf stillen, obwohl sie aus Schlafmangel auf dem Zahnfleisch kriechen. Und das aber dennoch tun, weil sie sonst das Gefühl hätten, versagt zu haben.

    Woher kommt das Gefuehl? Einseits vielleicht schon durch manche Medien und Freunde; aber auch das eigene Umfeld - ich fand LLL Treffen da auch unheimlich anstrengend, weil es sehr bald um ein "wer hat mehr gelitten, laenger gestillt, mehr Kinder auf einmal gestillt" ging. Vielleicht auch aus Unerfahrenheit, wenn man selbst nur wenige Kinder kennt, oder in der Familie um sich sah. Vielleicht weil man es anders machen will, als die eigenen Eltern. Vielleicht auch weil Frauen suggeriert wird, dass man alles haben kann und alles gleichzeitig und alles richtig. Weil vergessen wird, dass zur Beduerfnisorientiertenerziehung auch die Bedürfnisse der Mutter gehören.

    Das sehe ich in meinem Umfeld tatsächlich sehr problematisch.

    Das ist wie ein schlechter Wettbewerb und zeitgleich wird erklärt, was passiert, wenn man nicht mindestens xy Jahr stillt.


    Also alle Kinder, die weniger gestillt wurden sind garantiert dauerhaft krank, schwer Bindungsunfähig, immer unglücklich und völlig traumatisiert.


    Woher kommt das? An mangelnder Kinderzahl kann es zumindest in meinem Umfeld nicht liegen.

  • Hallo,


    Was wäre denn z.B. die Alternative zum stillen nach Bedarf, wenn man müde ist?

    Flasche zurechtmachen ist nicht weniger stressig. Also Schlafprogramm?

    Wenn es einen Partner gibt, der nachts einspringen und Flasche kochen und geben kann - fein. Viele Menschen, die ich kenne,m würden aber vermutlich tortzdem davon wacht... Und warum kann der nicht morgens mit dem Kind ausstehen und Mama noch eine Runde schlafen lassen oder abends das satte, aber noch nicht müde Kind herumtragen, damit Mama schon mal schlafen kann oder der Mutter tagsüber ein paar Stunden Schlaf verschaffen?


    Und ich bin wieder bei der Frage weiter vorne: Was ist wirklich Bedürfnis - und was Wunsch? Ist wirklich bei älteren Kindern das Stillen bzw. die Bedürfnisorientierung schuld und damit "falsch" - oder die Tatsache, daß man nicht dazu stehen mag, daß man selber nicht mehr kann/will und darum auch mal Nein sagt und es aushält?


    Ich erlebe es in meinem Umfeld übrigens spannenderweise eher umgekehrt, einen Wettbewerb wer am bedürfnisorientiertesten ist habe ich nie erlebt, eher genau das Gegenteil. Wie man sich durchgesetzt hat und mit welchen Mitteln und Methoden man XY erreicht hat...

    Und es war (und ist) viel üblicher, sich über die Kinder zu beschweren, zu erzählen, wie anstrengend sie doch sind, wie fertig man von den ständigen Machtkämpfen doch ist, wie froh man ist,k daß endlich die Kindergartenschließzeit bzw. die Ferien vorbei sind ... so daß ich mir teilweise fast blöd vorkam, zuzugeben, daß ich meine Kinder GERNE um mich habe.

    Aber es kann schon sein, daß sich das in den letzten Jahren derart gravierend geändert hat, meine Kinder sind ja nun schon größer. (in meinem beruflichen Umfeld ist das allerdings sehr durchmischt, die "man muss sich durchsetzen" Ansichten überwiegen aber mMn)


    Daß es in Blogs und co. anders aussieht, ist klar, aber das weiß man ja,m wenn man sie liest. Da würde ich, wenn ich einen schreiben würde, auch nicht vorrangig das erzählen, was schief läuft. M al mit in einem humorvollen Ton, aber eben nicht als Hauptsache (und ich würde auch keinen Blog lesen wollen, in dem nur ständig auf alles gemeckert wird...)


    So wie bei den Urlaubsfotos - da sind vielleicht auch ein paar verregnete dabei, vielleicht auch m a l jemand drauf zu sehen, der gerade schlechte Laune hat, die meisten aber doch glückliche Menschen mit tollen Erlebnissen zeigen. Und ich eher die schöne Landschaft knipse und zeige als die verdreckte Ecke im Gelände. Das finde ich irgendwie normal und würde trotzdem/deswegen nie erwarten, daß Urlaub immer perfekt und mit Gute-Laune-und-Sonnen-Garantie ist.


    Und ehrlich gesagt fände ich es den Kindern der Blogschreibenden gegenüber auch nicht fair und respektvoll, wenn da ständig stehen würde, was alles schief läuft, was sie angestellt haben, wie lange der Wutanfall gedauert hat. Das Net vergisst nichts und es muss später keiner sagen können:" Ach, der Paul aus deiner Klasse, das ist doch der, der als Kleinkind mal... hab ich im Internet gelesen....

    Und was soll das Kind von sich selber denken, wenn es später mal liest, wie anstrengend und furchtbar die Eltern die Kindheit mit ihm (teilweise) fanden - und dann noch zu wissen daß es im Grunde die ganze Welt lesen kann

    • Offizieller Beitrag

    Ich wollte es ja richtig gut machen.

    Ich habe dann nach der Geburt meines 2001er Kind den Lehrgang zur individualpsychologischen Spielgruppenleiterin gemacht. Da wurden ziemlich "rabige" Grundsätze vertreten. Dann machte ich noch die Weiterbildung zur Waldspielgruppenleiterin, dann zur Eltern- und Erwachsenenbildnerin (eidg. FA), dann zur Kursleiterin "Starke Eltern-starke Kinder", usw. also eigentlich alles ganz gute Sachen.


    Aber ich war nicht darauf vorbereitet ein Kinder mit einer Angststörung zu haben. Ich war nicht vorbereitet, dass alle meine drei Kinder Defizite haben werden. Die ich nicht beheben kann mit vorleben, reflektieren, positiv formulierten Sätzen. Im Gegenteil plötzlich hatte ich das Gefühl, eigentlich nichts mehr zu wissen.


    Ich habe dann keine Elternkurse mehr gegeben.


    Ich denke manchmal, wenn ich mehr Zeit hätte, dann würde ich wieder etwas machen. Genau für so Eltern wie ich es war. Unterstützen mit dem akzeptieren, dass man es trotz aller Liebe, allem Wissen, aller Kraft...nicht besser hinbekommt.


    Sich verzeihen, dass man die Erwartungen, die man an sich hatte, an die Erwartungen wie man mit den Kinder leben möchte, nicht erreichte.

  • Ich habe nach dem Tod eines Familienangehörigen Hilfe beim Jugendamt erbeten, weil ich mich seelisch komplett überfordert gefühlt habe und das überhaupt nicht annehmen konnte, sondern mich richtig, richtig verurteilt habe. Der Mensch dort sagte, ee treffe immer wieder Eltern die Hilfe suchen, weil sie an ihrem Perfektionismus verzagen. Dass es gesund wäre, 80 Prozent zu wollen. Ich glaube, er hat Recht. Icjbt haben früher viel gebrüllt. Sehr viel. Seitdem ich hinnehme, dass nicht alles dem Ideal entspricht, ist es deutlich besser geworden. Und dann sitzen sie manchmal stundenlang vor der Glotze und lernen drei Wochen lang werde Instrument noch Vokabeln. Wenn ich das akzeptiere vor mir selber, dass ich das in der Situation nicht schaffe, dann geht es. Wenn ich meinen Anspruch unbedingt genügen will, nicht. Dann werde ich doof.

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

  • Hallo,


    Ich glaube, schwierig wird es immer dann, wenn ich an ein bestimmtes Handeln von mir eine bestimmte Erwartung beim anderen verknüpfe. Dabei finde ich es völlig egal, ob es um bedürfnisorientierten Umgang geht oder um andre Miteinander-leben-Formen.


    Wenn also meine klare Erwartung ist: Wenn ich auf die Weise XY handle, dann reagiert/wird mein Kind (Partner, Kollege...) Z. Oft sind solche Erwartungen geprägt durch die Gesellschafdt, aber auch durch tatsächliche Erfahrungen oder mein ganz eigenes inneres Perfektionsstreben.

    Wenn dann Kind (Partner, Kollege...) diese Erwartung nicht erfüllen können, habe ich ein Problem - denn irgendwo muss es ja einen Fehler geben, entweder bei mir in meiner Unfähigkeit oder beim anderen, in dessen Willen, Fähigkeiten...


    Nur IST es dann überhaupt noch bedürfnisorientei? Aus meiner Sicht nein, denn die Haupttriebfeder ist eben nicht die Überzeugung, daß das, was ich gerade mache so richtig ist, um ein wichtiges Grundbedürfnis zu stillen - sondern mein Verhalten ist Mittel zum Zweck. Manchmal ganz egoistisch (ich will, daß meine Kinder nicht so viel trotzen) , manchmal schon mit dem anderen im Blick (Ich möchte, daß mein Kind ein glücklicher, selbstbestimmter Mensch wird).

    Aber das tatsächliche aktuelle Bedürfnis spielt eher eine untergeordnete Rolle.


    Ob sich diese Überforderung ändern würde, würde man nur den "Erziehungs-/Umganggsstil" ändern, das heißt,. ist DER tatsächlich die Ursache dafür? Ich persönlich glaube nicht, denn dazu stecken die meisten Probleme/Ansichten/Erwartungen... zu tief in uns - oder in den ganz realen Lebensumständen (zu wenig Unterstützung usw.) . Oder weil das Kind eben ist, wie es ist und auch im Kinderwagen oder mit Flasche oder mit mehr Strenge, Machtworten und co. nicht anders wäre.

  • Hier entsteht die Überforderung dann, wenn ich mir gegenüber nicht bedürfnisorientiert bin und die zumindest ernst nehme, auch wenn sie nicht befriedigt werden können. Immer, wenn ich lange ohne Ausgleich (und das kann eine Stunde alleine oder Mal ein toller Kinofilm oder so sein), über meine Grenzen gehe, wird es eng.

    Liebe Grüße,


    Ich, mit Tochter (2/06) und tochter (12/07).

  • Für mich entsteht Überforderung nicht aus dem bedürfnisorientierten Handeln meinem Kind gegenüber sondern aus dem Fehlen des Dorfes, das mit erzieht.


    Wir sind in unserem Freundeskreis die ersten mit Kind, der sich nach der Geburt dann auch radikal dezimiert hat und es nun nur noch einen harten Kern gibt, der uns zwar mittlerweile als Eltern akzeptiert hat für uns jedoch qua Entlastung oder halt als Dorf nicht wirklich zur Verfügung steht.


    Meine Herkunftsfamilie mit 7 Kindern versteht die Bedürfnisorientierung nicht so ganz und hat mit stillen nix am hut.

    Da wurd ich dann als 'sooo eine Mama' abgestempelt.


    Aber mich für die Zugehörigkeit an ein Dorf 'madame-will-mal-wieder-nix-essen...sollse-mal-sehen-was-sie-davon-hat-Muttis' anschließen nur weil es die hier zu Hauf gibt?

    Neee lieber nicht.


    Meine Entwicklungsaufgabe in dem Sinne dass es nicht zur Überforderung kommt ist es wohl

    a) endlich zu lernen, nicht so viel auf die Meinungen anderer zu geben und

    b) stetig auf der Suche nach einem für uns passenden Dorf zu bleiben.


    Liebe Grüße

  • Ich finde eben, dass der Fehler schon da anfängt, dass bedürfnisorientiert bedeutet (möglichst lange) zu stillen, zu tragen, jahrelang im Familienbett zu schlafen usw.

    Auch ungestillte und ungetragene Kinder ohne Familienbett können bedürfnisorientiert aufwachsen.


    Und ja klar war die Flasche für mich leichter.

    Ich hab gestillt und war da komplett alleine zuständig für die Nahrungsaufnahme des Kindes.


    Als wir dann auf die Flasche gewechselt haben, konnte mein Mann eine komplette Nachtmahlzeit übernehmen.

    Alles war vorbereitet.

    Das ging ziemlich schnell.

    Klar wurde ich wach, aber ich war so müde, dass ich direkt wieder geschlafen habe.

    • Offizieller Beitrag

    Und alles hat zwei Seiten: Familienbett bedeutet Schlafmangel,gibt aber natürlich auch Kraft und Wohlbefinden, Stillen nach Bedarf und ziemlich lange (Kind hat sich nach 3 Jahren abgestillt) kann zehren und eine gewisse Unflexibilität verursachen, gibt aber auch wieder Kraft (und konkret mir die Zeit zum Lesen) und gehört zu den schönsten Erinnerungen an die Baby- und Kleinkindzeit.

    bei mir war familienbett einerseits platzmangel, schlecht schlafen und andererseits eine vereinfachung, weil das kind gleich bei mir lag und ich nicht schlaftrunken zum kinderbett torkeln musste. genauso das stillen. einerseits auszehrend, mehr oder minder alleine verantwortlich für nahrungsaufnahme, andererseits immer und überall in ausreichender menge und wohltemperiert die nahrung fürs kind dabei. (mir fiel es schwer, mich auf jause mitnehmen umzustellen)


    am thema stillen war meine zerrissenheit die: das kind wollte und brauchte das saugen. flasche und schnuller verweigerte es. das reduzieren des stillens war mit einer enormen kraftanstrengung verbunden, weil das kind litt und weinte und ich mitlitt. die nächte waren durchs abstillen schlimmer als mit stillen. für mich war es eine entscheidung zwischen pest oder cholera, weder das nächtliche stillen noch das abstillen erfüllte mein bedrüfnis nach schlaf. trotz absoluter beteiligung des vaters. und trotz meiner absoluten überzeugung, dass ich abstillen will (weil ja auch oft gemeint wird (auch von mir), man müsse sich klar drüber sein, dann akzeptiere das kind es viel eher).


    und dann muss ich mir eingestehen, so spannend ich babys und kleine kinder finde, sie zu beobachten, wie sie die welt entdecken und erobern, wie sie sich entwickeln, wie unterschiedlich sie sind etc. so sehr bin ich keine baby-mama. ich kann als mutter viel besser mit größeren kindern. für ein paar stunden mich um ein baby oder kleinkind kümmern ist kein problem, also die rolle der tante oder oma könnte ich gut erfüllen. aber diese allumfassende verantwortung für ein kleines kind hat mich sehr an meine grenzen und darüber hinaus gebracht. und diese nicht-eignung sollten wir uns auch eingestehen. nur weil wir zwei x-chromosome haben, heisst das nicht, das wir fürs muttersein gemacht sind.

  • Ich find auch: Perfektinismus und Überforderung kann es bei jedem Erziehungsstil geben.

    Viele Eltern, die ich in der Baby- Kleinkinderzeit meiner Kinder kennen gelernt habe, mussten/wollten dauernd erklären, dass ihr Kind aufgrund seines speziellen Naturells diese oder jene Verhaltensweise zeigt, die durch keinen Erziehungsstil zu beeinflussen wäre, und dass/warum sie tragen/Kinderwagen benutzen, stillen/nicht stillen, soundso lange stillen/abstillen, Hausfrau sind/berufstätig sind, impfen/nicht impfen, prophylaktisch glutenfreie Nahrung geben/das Kind alles essen lassen, Familienbett praktizieren/nicht praktizieren .... einige Mütter waren sogar sehr missionarisch drauf.

    Habt ihr das auch erlebt?

    Ich war davon oft überrascht, weil ich nach diesen ganzen Sachen in der Regel gar nicht gefragt hatte und es mir auch total egal war, ob z.B. eine andere Teilnehmerin aus der Babygruppe oder meine Nachbarin oder auch meine Schwägerin stillte oder nicht, oder ob ihr Kind von Natur aus dickköpfig war oder nicht, ob es willensstark oder hochsensibel oder was auch immer war. Die Babys kennenzulernen hat mir Spaß gemacht, bei meinen Nichten und neffen natürlich sowieso, auch bei Nachbarskindern oder den Kindern aus der Babygruppe - aber wie genau die Eltenr nun alles mit ihnen gemacht haben, war mir eigentlich ziemlich egal. Seltsamer- und ehrlich gesagt auch unangenehmerweise war es meinen Schwägerinnen z.B. gar nicht egal, ob ich stillte oder nicht oder wie mein Kind drauf war.

    Manchmal kam es mir so vor, als wären diese Themen so wichtig gewesen, weil viele einfach keine anderen Gesprächsthemen hatten. Fand ich auch schwierig - man lernt über die Kinder lauter Leute kennen, mit denen einen zunächst nichts anderes verbindet, als dass man gleichaltrige Kinder hat. dann redet man eben über dieses ganze Zeugs - impfen, schlafen, stillen, Verhaltensweisen von Babys ... und fängt möglicherweise an zu vergleichen, wer es "besser" macht. Oder man erträgt in der Phase des Mutterschaftsurlaubs die viele unverplante Zeit nicht und fängt an, sich quasi eine eigene Arbeistplatzbeschreibung zu erstellen, was man eben alles zu schaffen hat mit dem eigenen Kind. Stellt Forderungen an sich selbst wie im Job. Schade eigentlich.

    Dass ständig - unabhängig vom eigenen Erziehungsstil - darüber geklagt wurde, wie anstrengend die Kinder doch seien, habe ich auch so erlebt, und hatte schon fast ein schlechtes Gewissen, dass ich das als weniger dramatisch erlebt habe.

    Kinder dürfen für mich durschschnittlich sein, sie müssen nichts Besonderes sein, sie müssen nichts besonders gut können, sie müssen auch nicht ihr Potenzial ausschöpfen. Ich ebenso - ich darf eine durchschnittliche Mutter sein. So lange die Kinder nicht misshandelt oder vernachlässigt werden, sie Eltern als zuverlässige, zugewandte Ansprechpartner erleben, die sich zuverlässig um sie kümmern, ist doch alles gut. In Deutschland doch sowieso, keine Bomben fallen, sie dürfen zur Schule gehen ... das finde ich eigentlich schon ziemlich perfekt.

  • ich lese gespannt und interessiert mit.


    zum "probleme äußern" im bereich erziehung kann ich tatsächlich wenig bis nichts beitragen. da es wirklich keine großen gibt. okay, als mann würde ich meinen sohn nicht haben wollen mit seiner haushaltsmoral, aber das muss ich ja auch nicht. als mama hätte ich mir keinen besseren suchen können. es fiel alles an seinen platz. ganz mühelos. ohne dass ich mir groß einen fertiggemacht hätte. dabei kam die bedürfnisorientierte erziehung ganz von alleine zu mir, ich bin bloß dem gefolgt, was sich jeweils richtig angefühlt hat. auch dann, wenn ich da mal gegen die "grundsätze verstoßen habe" und auch dann, wenn ich so gehandelt habe, wie es in erziehungsratgebern aus dem spektrum nicht propagiert wird (ich HASSE zum beispiel nichts mehr als lügen und habe das stets deutlich gemacht).




    wozu ich aber viel sagen kann, ist der themenkomplex "probleme äußern" allgemein. denn in unserer gesellschaft ist das IN KEINEM BEREICH sexy.

    und für das OFFENE UMGEHEN mit den dunklen seiten bezahlt man teuer. ich weiß es, denn ich mache es...



    in unserer gesellschaft gilt:


    LEISTUNG, LEISTUNG über alles.



    du musst stark sein. und ganz, ganz, GANZ wichtig: indikator nummer 1 dafür ist deine AUTARKIE.


    es gilt:

    DU BIST DEINES GLÜCKES SCHMIED.


    wenn was nicht stimmt, dann kannst nur du das ändern. und du kannst es grundsätzlich immer ändern. und wenn du es nur über deine haltung als rezipientin änderst durch beschissenes reframing, in dem du dir einredest, das billige essen, was du dir nicht anders leisten kannst, sei nostalgie und die schicksalsschläge hätten dich dankbarer und demütiger gemacht.


    der inflationäre gebrauch der mir extrem (!) verhassten vokabel "glaubenssätze" (kennt jemand das meme, wo superman dem anderen eine reinfegt, weil der irgendwas sagt? das bin ich, wenn jemand das wort "glaubenssätze" in den mund nimmt) macht dies ganz hervorragend deutlich.



    ob man dir mit wohlwollen und respekt oder mit fremdscham und ablehnung begegnet, das liegt nicht ausschließlich daran, ob du single, arbeitslos, als mutter überfordert oder bläbberbläh bist.



    es liegt daran, wie du jeweils damit umgehst. und da gibt es regeln.


    single = du musst "glücklich" sein. "gern mit dir allein sein". "stark" sein. sozial sein. ein ausgefülltes leben haben. souverän sein. prinzipien haben (keine arschlöcher nehmen, keine vergebenen etc.). du darfst AUF KEINEN FALL! bedürftig sein, traurig sein, dich nach liebe sehnen, dich nach sex sehnen, du darfst AUF KEINEN FALL explizit einen partner suchen, sondern musst "dich finden lassen".


    arbeitslos = du musst "energiegeladen" sein. du musst bereit sein, jeden drecksjob anzunehmen und als superduperchance zu sehen. du musst wichsarbeit für ausbeuter in jedem fall freizeit, muße etc. vorziehen. du musst maximal flexibel sein. du darfst keinesfalls wählerisch sein, zimperlich, zurückhaltend, mutlos, depressiv, verschüchtert. du musst deine chancen sehen und darfst dich nicht gedemütigt fühlen.



    das führt zum teil dazu, dass die leute, um einen letzten rest selbstrespekt zu behalten in einer würdelosen situation, sich selbst einhämmern, dass sie sich an diese regeln halten können und wollen. wie viele "tschakkkaaaahahaaaaaaa"-singles haben mir tief bewegt im vertrauen geschrieben, dass ich sie berührt habe, und dass ich bei ihnen was ausgelöst habe, weil es ihnen genau so ging wie mir und weil sie sich NIE zugestehen würden, das tatsächlich öffentlich zu machen.




    wenn man nun betrachtet, welchen stellenwert die mutterrolle in unserer gesellschaft hat und was von der mutter erwartet und abverlangt wird,

    WEN WUNDERT ES DA, dass niemand scharf darauf ist, sein "versagen" öffentlich auszustellen?


    zumal abweichungen von gängigen erziehungsdogmen extreeeeeem abgestraft werden. das ist in jeder blase so. eine besonders heilige kuh ist ja die medienbeschränkung, und auch das "privilegien gegen leistung" (schauuuder). auch eigentlich ganz vernünftige und verständige leute haben mir schon sowas erzählt wie "dann schalte das w-lan einfach ab", als ich mich über mangelnde haushaltsbeteiligung beschwert habe. die kennen meinen mutter-stil seit 16 jahren! die müssten eigentlich wissen, dass das nicht zu uns passt und dass ich sowas in jeder situation absurd gefunden hätte.



    es gibt einen ganz animalischen, archaischen anteil in uns, der eben einfach programmiert wurde. auf den neoliberalen glaubenssatzscheißkack genau wie auf misogynie und rassismus. und der sorgt sicher dafür, dass wir vielleicht dankbar lesen, wenn es jemandem schlecht geht mit irgendwas, weil wir uns nicht mehr allein fühlen. aber der empfindet bewunderung und anerkennung deutlich eher für jene, die stark und natürlich und mühelos erscheinen.



    lg patrick