Berechnung Unterhalt, fiktives EInkomen, Aufenthaltsbestimmungsrecht

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  • Sehr geehrter Frau Simon,


    Ich lebe von meinem Mann getrennt, unser großer Sohn (12) lebt bei ihm, unser kleiner Sohn (5) bei mir.

    Ursprünglich hatten wir für den Großen das Wechselmodell vereinbart. Leider halten sich weder Sohn noch Vater daran. Ich habe bereits einen Antrag beim Familiengericht auf Einhaltung des Wechselmodells gestellt, aber die Chancen stehen sehr schlecht, es wird voraussichtlich so ausgehen, dass das Residenzmodell beim Vater entschieden wird.

    Zu aller Schmach muss ich dann auch noch Unterhalt zahlen…

    Seit einem Monat habe ich eine Arbeit für 20 Stunden pro Woche.

    Ich habe schon gehört, dass für den Kindesunterhalt ggf. ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt wird, damit der Mindestunterhalt gewährleistet ist.

    Ich frage mich nun, inwieweit man mir eine 40-Stunden-Woche zumuten und in der Berechnung meines Einkommens zugrunde legen kann, wenn das bedeuten würde, dass der Kleine mit seinen 5 Jahren dann jeden Tag von 8 bis 18 Uhr in der Kita wäre. 10 Stunden, das empfinde ich als Zumutung für so ein kleines Kind. Aber da es ja in Familienrechtssachen oft leider nicht nach gesundem Menschenverstand geht, hier nun meine Frage:

    Muss ich dennoch damit rechnen, dass mir eine 40-Stunden-Woche angerechnet wird?


    Wie ist es, wenn mein Chef mich aber nicht 40 Stunden gebrauchen kann, sondern nur 20? Dann müsste ich einen 2. Job annehmen, habe ich gehört. Da wären dann aber Fahrtzeiten zu berücksichtigen, oder? Also nicht 40 Stunden Arbeit wöchentlich, sondern nur 35, wenn ich täglich eine Stunde Fahrtweg zwischendurch habe.


    Und ich hätte beim 2. Job eine wesentlich schlechtere Steuerklasse (5 statt 2).

    Wird das auch irgendwie berücksichtigt?


    Und: Wie hoch ist mein Selbstbehalt, wenn meine Miete 550 Euro beträgt?

    Zählt der Unterhalt, den der KV für den Kleinen an mich zahlt, zu meinem Einkommen dazu?

    Zählt der Unterhalt, den der KV an mich zahlt (Getrenntlebendunterhalt), zu meinem Einkommen dazu?


    Ich habe einfach Panik, dass ich mit meinem geringen Gehalt und einem - für mich - hohen zu zahlenden Unterhalt (379 Euro, das Kindergeld bekomme ich dann auch nicht mehr ausgezahlt…) für den Großen meine Lebenshaltungskosten nicht mehr tragen kann, wenn mir ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt wird, welches ich aber real nicht erzielen kann bzw. nicht will, weil dann der Kleine darunter leiden würde (v.a. jetzt nach der Trennung, wo ich ihm v.a. Sicherheit bieten will, satt ihn den ganzen Tag in der Kita zu parken.). Was können Sie mir raten?




    Der KV will für den Großen neben dem Residenzmodell das "alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht" durchsetzen.

    Was bedeutet das? Dass er alleine entscheiden kann, wann mein Kind mich besucht? Oder ist das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht automatisch "enthalten", wenn man ihm bei Gericht das Residenzmodell zugesteht?

    Oder ist es gleichbedeutend mit "Sorgerechtsentzug"?

    Was müssen für Anforderungen erfüllt sein, damit man ihm das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zuspricht? Reicht es, dass er das Residenzmodell bei sich hat? Oder hätte ich mir - wie wenn das Sorgerecht entzogen werden soll - etwas Schlimmes (Gewalt, Alkohol…) zuschulde kommen lassen müssen?


    Haben Sie vielen Dank für Ihr tolles Engagement!!!

  • Liebe Fragestellerin,


    zunächst möchte ich vorausschicken, dass Sie all diese Fragen mit Ihrer anwaltlichen Vertretung besprechen sollten, die Sie dringend für Ihren Antrag auf Einhaltung des Wechselmodells benötigen, ein solches Verfahren sollten Sie nicht alleine bestreiten! Ich schicke das deshalb voraus, weil regional erhebliche Unterschiede bestehen, wie die Familiengerichte in diesen Fragen (Wechselmodell, Verpflichtung zu Vollzeittätigkeit bzw. Anrechnung entsprechendes Einkommen) entscheiden.


    Grundsätzlich kann ich Ihnen aber schon eine Orientierung geben.


    - Bei bestehender Betreuung eines 5-jährigen Kindes wird in der Regel keine Vollzeittätigkeit gefordert. Das kann z.T. mit Einschulung schon wieder anders entschieden werden, z.T. aber auch erst mit Beginn der weiterführenden Schule; wenn die Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit festgestellt werden sollte, müssten Sie zur Vermeidung der Zurechnung eines fiktiven Einkommens nachweisen, dass Sie sich vergeblich bemüht haben, eine solche erweitere oder zusätzliche Tätigkeit zu finden bzw. vergeblich um eine Kinderbetreuung bemüht haben, die Ihnen eine solche Tätigkeit ermöglicht. Die Anforderungen dafür sind hoch. Eine schlechtere Steuerklasse im Zweitjob wird berücksichtigt, es zählt immer das Nettoeinkommen.


    - Ein Auseinanderreißen der Geschwister wird in der Regel nicht als kindeswohlentsprechend angesehen, man sollte also noch nicht aufgeben, was das Wechselmodell dür den Älteren angeht. Wenn dies vereinbart ist, aber ein Elternteil dies boykottiert, setzt ihn das nicht in eine gute Ausgangslage für das Residenzmodell, andererseits ist mit 12 Jahren der Kindeswille jedenfalls maßgeblich zu beachten


    - eine Erhöhung des Selbstbehaltes wegen höherer Mietkosten (eingerechnet sind € 380) ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der geprüft werden muss, ob auch das Anmieten einer günstigeren Wohnung möglich/ zumutbar ist, dazu muss man die örtlichen Gegebenheuten kennen. Sicherlich ist dabei zu berücksichtigen, dass das jüngere Kind im Residenzmodell bei Ihnen lebt. Grundsätzlich liegt der Selbstbehalt gegenüber Minderjährigen Kindern bei € 1.080, gegenüber geschiedenem Ehegatten bei € 1.200.


    - Der Betreuungsunterhalt zählt zu Ihrem Einkommen, allerdings kann sich hier an der Berechnung noch etwas ändern, weil grundsätzlich mit einem Residenzmodell des Äteren beim Vater ja dort auch ein Unterhaltsanspruch entsteht; Der Kindesunterhalt zählt nicht zu Ihrem Einkommen


    - Das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater würde bedeuten, dass z.B. bei Auslandsreisen oder einem Wegzug Ihre Zustimmung nicht eingeholt werden muss; ich sehe bei Ihnen keinerlei Anhaltspunkt, dass ein solcher Antrag durchgehen könnte, dazu müssten Sie sich in der Vergangenheit extrem unkooperativ verhalten haben oder ein Kindesentzug durch Sie drohen (Wegzug ins Ausland o.ä.); Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teilbereich des Sorgerechtes, ein vollständiger Entzug hat sehr hohe Voraussetzungen in deren Fokus das Kindeswohl steht; grundsätzlich ist vom Gesetz gewollt, dass beide Eltern das Sorgerecht ausüben;


    Beste Grüße

    Bettina Simon