Max vs. Murat (Diskriminierung, Migrationshintergrund, Studie)

Liebe interessierte Neu-Rabeneltern,

wenn Ihr Euch für das Forum registrieren möchtet, schickt uns bitte eine Mail an kontakt@rabeneltern.org mit eurem Wunschnickname.
Auch bei Fragen erreicht ihr uns unter der obigen Mail-Adresse.

Herzliche Grüße
das Team von Rabeneltern.org
  • Ein Mathebeispiel habe ich oben schon gebracht und wenn man den Rechenweg auf bewertet, dann ist es sowieso schnell nicht mehr objektiv.

    Beim Diktat geht das genauso. Braucht man nur ein wenig schlampig schreiben und der Lehrer kann es wohlwollend als richtig oder eben nicht sehen. Oder es gibt halbe Fehler...

  • Ich hab mich das gestern auch gefragt, als ich das auf Facebook gelesen habe, wie die Benotung denn in dem Experiment zustande kam. Denn nur mit den Informationen, die oben genannt werden, ergibt es ja keinen Sinn. Der Notenschlüssel ist doch im allgemeinen verbindlich je nach Anzahl der Fehler.


    Da das aber ein Experiment mit Studenten war, könnte ich mir vorstellen, das die Studenten auch selber sofort einen Notenschlüssel entwickeln mussten. So würde es dann irgendwie Sinn ergeben und spiegelt schon Vorurteile.


    Die Mathenote weiter unten kann man sich über die sonstige Mitarbeit erklären. Die Klassenarbeiten müssten ja theoretisch weitestgehend einheitlich bewertet werden. Aber gerade mündliche Leistungen sind doch sowas von relativ... da könnten sich sicherlich leicht Fehler einschleichen. Ein Bewusstsein dafür ist meiner Meinung nach an unserer Schule sogar durchaus vorhanden. Dennoch sicherlich schwierig, auch für Lehrer.

    Und selbst bei Klassenarbeiten... mein jüngerer Sohn hat sich gerade für eine extrem aufwändige Matheprojektarbeit eine 4 eingehandelt, weil er die Mathewege nicht ausführlich genug dargestellt hat und die Antwortsätze zu kurz formuliert waren. Lächerlich eigentlich.

    LG Miriam mit 2 Jungs (2004 und 2006)

    Einmal editiert, zuletzt von Miriam ()

  • In der Studie waren es doch verschiedene Probanden: Du nimmst 206 angehende Lehrkräfte, gibst allen das gleiche Diktat, auf 103 davon schreibst du Max, auf 103 Murat. Dann sollen die Lehrkräfte korrigieren und benoten und dann ist die Durchschnittsnote für das Diktat von Murat schlechter war als die für das von Max. Wenn das dann deutlich genug ist, dass man nicht mehr von Zufall ausgehen kann, geht man dann davon aus, dass die Unterschiede in der Bewertung eben die Vorurteile der Lehrkräfte widerspiegeln. Murat wird also schlechter bewertet weil die Lehrkräfte unbewusst davon ausgehen, dass jemand mit Namen "Murat" ein eher schlechtes Diktat schreibt. Die Lehrkräfte vergleichen also nicht direkt die Diktate von Max und Murat. (Das steht auch so in der Beschreibung im allerersten Post) Aber auch bei direkten Vergleichen gibt es selbst bei Diktaten echt noch viel Spielraum: Kann ich ein Wort lesen oder sage ich, "unlesbar, Fehler"? Nehme ich an, dass das Kind eigentlich ein r schreiben wollte und ein bisschen weit nach untengerutscht ist, oder sage ich "ich sehe da ein n, Fehler" usw.)

  • In der Studie bekam jede/r TeilnehmerIn ein Diktat vorgelegt mit der Information, dass es von Max or Murat geschrieben wurde, und dafür Fehler identifiziert und eine Note festgelegt. In der Methodik wird auch erklärt, dass in einem namenlosen Test im Schnitt nicht alle Fehler gefunden werden, egal welcher Name. Damit hat man etwas Varianz beim Fehlerfinden und etwas Varianz beim Festlegen der Note aufgrund der Fehler, die hier die Teilnehmer gemacht haben.

  • Zitat

    Teachers assigned a grade for the dictation (a less rule-based judgment) and also counted the number of errors (a rule-based judgment). This allowed us to test whether the biased performance assessment was more pronounced for less rule-based judgments than for rule-based judgments.

    In summary, this study examined whether there were differences in grades and errors between students with or without a migrant background, and whether these differences depended on the performance level and the implicit attitude of the person assessing the performance.



    Es wurde scheinbar zweischrittig vorgegangen, einmal wurden Fehler gezählt, einmal Noten vergeben. Vielleicht macht das schon den Unterschied?

    Ich habe die Studie (also den Originaltext) noch nicht komplett gelesen, verstehe aber bisher, dass es vor allem einen Unterschied macht, ob das Diktat generell eher gut oder schlecht ist.

    Leider muss ich mich jetzt mit anderen Dingen beschäftigen, würde aber mal noch als These in den Raum werfen, dass mglw. der deutsche Artikel nicht alle Feinheiten der Original-Studie wiedergibt...

  • Danke für die Erklärungen.:)

    Es wäre schön, wenn man nicht gleich abgebügelt werden würde, nur weil man es nicht sofort nachvollziehen kann und fragen stellt.

  • Ich denke schon, dass auch bei einem Diktat das Korrigieren sehr subjektiv ist. Die LehrerInnnen sind doch keine Computer. Da werden schon mal Fehler übersehen, oder ein Buchstabe wird wohlwollend als der richtige, nur halt ein bisschen geschmiert, oder von Anfang an als Rechtschreibfehler angesehen.

    Sepia mit Tochter 09/2006 + Sohn 07/2010

  • So wie ich es verstanden habe, war es so, dass die Lehrer


    1.) die Fehler zählen sollten

    2.) Eine Note vergeben sollten


    Zu 1.) Bei Murat und Max wurden gleich viele Fehler gefunden

    Zu 2.) Max hat eine bessere Note bekommen


    D.h. im Klartext: Sobald es klare Regeln gibt (Fehler oder nicht) ist die Bewertung ähnlich. Sobald das nicht der Fall ist (Welcher Note entsprechend 5 Fehler?) , spielen Vorurteile eine Rolle.


    Und: Lehrkräfte haben Vorurteile gegenüber nicht Biodeutschen. Damit haben Murats ggf. nicht nur aufgrund des Elternhauses Nachteile (Stichwort bildungsfern), sondern die Vorurteile der Lehrpersonen verstärken diese Nachteile u.U. noch.

  • das ist doch echt Quark. Ich hab jetzt explizit nachgelesen - es geht um Grundschule.


    Da steht drin - bei gleicher Fehlerzahl gabs schlechtere Noten.

    Es gibt doch dezidierte Notenschlüssel, die nicht mal die Schule selbst erfindet.


    Entweder sollte da jetzt gezeigt werden, dass Namen Vorurteile hervorrufen (und das ist ja nun nicht wirklich neues - siehe den Kevin - warum sind das eigentlich immer Jungennamen?)


    Aber den Alltag in der Schule spiegelt das ganz bestimmt nicht wieder.


    In den weiterführenden Schulen mag das anders sein - da sind die Diktate länger, die Schüler haben eine eigene Schrift entwickelt......


    Aber da frag ich mich echt - haben wir eigentlich keine anderen Probleme?

    Zum Beispiel den Lehrern Strategien an die Hand zu geben, wie sie möglichst fair und objektiv bewerten - und das bei allen Schülern?


    Wir haben hier auch eine Lehrerin, die bevorzugt ganz klar die lieben angepassten Mädchen


    Bei den Schulen und der Lehrerausbildung liegt so viel im Argen. Ich würde mir wünschen, dass die leider nun mal begrenzten Mittel für sinnvollere Sachen ausgegeben werden als für Studien, die auch nix Neues rausfinden.


    .

    Grüße von Claraluna


    Shoot for the moon. Even if you miss you will land among the stars.

  • Naja, erstens ist es wichtig "Experimente" zu wiederholen. Gerade im sozialen/ psychologischen Bereich. Da kann ein verändertes Setting nämlich zu gegenteiligen Ergebnissen führen.

    Zweitens zeigt die Studie ja eine Strategie Diskriminierung zu vermindern, nämlich möglichst objektive Kriterien zu finden und vorab zu definieren. (Regelbasierte Kriterien)

  • Ich finde das schon kein kleines Problem #weissnicht das zieht sich ja durch alle Bereiche. Die Studie soll glaube ich zeigen, dass selbst wenn die Lehrkräfte davon ausgehen, hier völlig objektiv zu bewerten, dies eben nicht so ist.


    Und ich habe durchaus schon gesehen, wie so eine unterschiedliche Auslegung aussehen kann, auch bei Diktaten, auch in der Grundschule.


    Mir ist eh nicht so ganz klar, warum man solche Tests nicht einfach namenlos abgibt als Standard, nur mit einer Nummer oder so. Im Studium gab es Klausuren, da würde nur die matrikelnummer draufgeschrieben, da ist dann zumindest nicht sofort ein Bild vor dem inneren Auge.


    Ich selbst hab in der Oberstufe irgendwann meine Bilder nur noch ohne Namen abgegeben bei einer Lehrerin die mich nicht mochte. Dann war die Note um 1-2 Stufen besser

    We must accept finite disappointment, but never lose infinite hope.

    Martin Luther King, Jr.

    ———-

    ebura mit S (*04), E (*05) und I (*12/21)

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde die Studie prisant. Ja, bei Diktaten in der Schule wird ein einheitlicher Notenspiegel angewendet, sodass die Diktate vermutlich nicht so verschieden bewertet werden.


    Die Studie hat aber gezeigt, dass Lehrer Vorurteile haben, die dazu führen, dass ein Kind mit türkischem Namen im Durchschnitt falchlich als schlechter wahrgenommen wird, trotz gleicher Leistung. Dieser Mechanismus wird abseits von Diktaten sicher auch wirken und da gibt es umfangreiche Gelegenheiten, wo die Bewertung sehr viel weniger eindeutig ist als bei Diktaten. Beginnt schon bei der Mitarbeit, deren Beurteilung immer recht unscharf ist. Aber auch bei Aufsätzen ist die Bewertung nicht eindeutig und es gibt Raum für Benachteiligung durch Vorurteile.

    • Offizieller Beitrag

    Die Studie hat aufgezeigt, dass viele LehrerInnen Vorurteile gegenüber Türken haben. Die Diktatnote ist da ja nur ein winziger Puzzlestein. Es wird sich ja dann auch in vielen Anderen, mehr subjektiven Noten ausdrücken, aber auch an Unterstützung und Förderangeboten, in der Erwartungshaltung und Empfehlungen für weiterführenden Schulen. Das hat klare Konsequenzen langfristig - Menschen mit Migrantenhintergrund sind in Deutschland in akademischen Jobs unterrepräsentiert, auch wenn man diverse Faktoren berücksichtigt. Das wird in der Studie auch ein wenig dargestellt und diskutiert.


    Es ist doch erschreckend, dass schon in der Grundschule Kinder Hinkelsteine in den Weg gelegt bekommen und wie sie sich mehr beweisen müssen.



    Darüber muss man reden.

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde es tatsächlich schade, dass es nur "männliche" Probandennamen gab. Sehr interessant fände ich tatsächlich wie die Vorurteile bei Ayse und Mia daneben aussehen.

    Und: Die Vorurteile gegen "Türken" (werden ja verschiedenste Menschen in diese Schublade gepackt :( ) liegen mMn durchaus auch mit an Vorurteilen gegen bildungsferne Eltern/Kindern (aka Kevin, Jaqueline-Chantal). Da wir viele Gastarbeiter hatten, die für einfache Tätigkeiten gebraucht wurden ist die Bildungsferne mit an der staatlichen Zugehörigkeit festgemacht worden. Seit 9/11 haben die es vielfach schwerer, weil die Vorurteile und Angriffe aufgrund von Religionszugehörigkeit noch oben drauf kommen

    Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht!


    Aber es hilft ungemein, wenn man ihm im Rahmen seiner Möglichkeiten Wasser gibt, ab und an etwas Dünger und gute Erde zur Verfügung stellt und ihm Schatten spendet wo die Sonne zu stark scheint

    Einmal editiert, zuletzt von Anaba ()

    • Offizieller Beitrag

    Gastarbeiter sind ja aber nicht unbedingt bildungsfern. Ich kenne Ein Ehepaar, die arbeiten als Hausmeister oder Putzfrau, waren in ihrem Heimatland aber Grundschullehrerib und akwsicherheitsbeauftragte.

  • ich finde es auch kein kleines Problem, wobei ich es seltsam finde, das man das rein als Benachteiligung der Kinder mit türkischen Verbindungen sieht.

    Das wird dann schon auf alle zutreffen....