[Diskussion] Umgang mit Overtourism

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  • Hallo ihr,

    Ich mache mal nochmal einen neuen Thread dazu auf, anstatt mich an den "umweltfreundlich Reisen" Thread zu hängen, weil ich es doch als etwas anderes Thema empfinde.


    Was ist eurer Meinung nach der richtige Umgang mit Overtourism? Was sind absolute NoGos? Was sind Grauzonen?


    Bei mir ist das so, dass ich an vielen von den typischen Overtourism Orten noch nie war. Aber eigentlich gerne mal hin würde.

    Amsterdam, Venedig, generell Italien, etc.


    Da würde ich so gerne mal hinfahren.

    Seit Jahren schon denke ich darüber nach.


    Und jetzt lese ich in den Zeitungen, dass diese Städte von so vielen Touristen besucht werden, dass die Orte/die Menschen dort darunter leiden.


    Wie geht man jetzt damit um?

    Niemals hinfahren?

    Trotzdem hinfahren?

    Außerhalb der Saison hinfahren?


    Amsterdam ist doch bestimmt auch Ende Oktober schön, oder?

    Ende Oktober unter der Woche, zählt das immer noch zu Overtourism?


    Macht ihr euch über sowas Gedanken?

    Lg

    Annanita


    *wartet schon aufs Adventskalenderwichteln* #nägel

  • In Amsterdam war ich schon (außerhalb der Schulferien, im September) und fand es sehr schön und die anderen Touristen haben mich nicht gestört. Das ist eine Stadt, in der es auch noch andere Wirtschaftszweige gibt als nur Tourismus, und die auch ohne Touristen weiterexistieren würde. Deshalb hatte ich dort auch nicht das Gefühl, dass die Stadt irgendwie unecht wäre.


    In Venedig dagegen war ich noch nie und will da auch niemals hin. Seitdem ich in einer Reportage gehört habe, dass dort fast keine Einheimischen mehr leben, es gibt noch nicht mal mehr normale Supermärkte, denn es wohnt dort ja kaum noch einer der sich mit alltäglichen Lebensmitteln versorgen muss. Seitdem ich gehört habe, dass die Stadt längst aufgegeben worden wäre, wenn das Geschäft mit den Venedigtouristen nicht so lukrativ wäre, und dass Venedig im Grunde genommen so etwas wie Disneyland ist - seitdem ist die Stadt für mich vollkommen uninteressant geworden. Wenn ich Urlaub in einer komplett künstlichen Welt machen will, dann fahre ich lieber in einen Center Park, das finde ich ehrlicher und kostengünstiger sowieso.

  • Spannendes Thema, ich hadere da auch sehr mit mir selber. In jungen etwas arroganteren Jahren habe ich mich lange extrem untouristisch gefühlt, weil ich ja total cool gereist bin#hammer Sprich Airbnb, Studentenkneipen etc. Bis ich in Barcelona in einem total hippen Viertel einem Zeitungsartikel über genau dieses Viertel gelesen habe. Und das da keiner mehr wohnen kann, weil Airbnb alles frisst. Und dann ist mir aufgefallen, dass ich möglicherweise zur schlimmsten Kategorie von Touristen gehöre, weil ich mich überall dort einniste, wo die Einheimischen ihre Ruhe haben möchten. So uncoole Bunkerhotels sind eigentlich für die Bevölkerung ja nichts dummes, da werden die Touristen weggepackt...


    Und möglichst günstig ist auch unfair ist, weil ich zwar Platz „klaue“, aber nicht mal Geld dalasse. Gerade in Venedig sind deshalb Kreuzfahrten besonders schlimm, weil die Stadtbevölkerung daran fast gar nichts verdient. Aber wenn ich da mit detektivischem Spürsinn authentische und möglichst günstige Lokale aufspüre, dann ist auch nur mir geholfen. Darum, das hört sich zwar jetzt total kapitalistisch an, aber ich fahr noch hin. Möglichst nicht in der Hauptsaison. Ich versuche mich möglichst wenig störend zu verhalten. Und ich gebe Geld aus. Natürlich meinen Möglichkeiten entsprechend, aber ich sehe Urlaub nicht mehr als Möglichkeit „weniger Geld wie Zuhause auszugeben“. Ich versuche das Geld möglichst dort auszugeben, wo ich hoffe, dass es der lokalen Bevölkerung zu Gute kommt.

  • Amsterdam fand ich auch nicht künstlich sondern in vielen Ecken sehr normal. Ich würde dort Rad fahren, dann ist man schnell abseits der Haupttouri Plätze.


    Ich finde diese Diskussion schwierig. Habe selbst lange in Berlin gewohnt und war immer wieder genervt von Touris, die auf dem Radweg stehe und in die Luft gucken oder Fotografieren und dabei einen umrennen. Andererseits wohnt man ja auch dort, weil es toll da ist. Kann man sich beschweren, dass es auch Anderen gefällt? Gerade Grossstädte stecken das meiner Meinung nach gut weg. Und die Touris sind jetzt in Amsterdam oder Berlin während viele Bewohner ihren Urlaub woanders verbringen.

    • Offizieller Beitrag

    Also bei Städten hab ich mir da noch keine Gedanken gemacht. Die Großstädte brauchen ja schon für Einheimische und Geschäftsreisende viel Infrastruktur, die dann vorwiegend in den Ferien oder am Wochenede von Touristen genutzt wird.


    Ich sehe eher das Reisen in an sich unberührte Natur kritisch. Oder Reisen in Orte, wo die Touristen ein vielfaches der Einwohnerzahl ausmachen und deswegen extra Infrastruktur geschaffen wird. Wir waren aber trotzdem schon im Skiurlaub.

  • Gestern kam im Wdr ein Bericht über Norderney.

    In der Mediathek vom Zdf gibt es auch eine Reportage über Villingen im Sauerland, die greift das Thema auch. Und in der Ard Mediathek über die Ostsee.

    Auf Norderney kommen auf einen Bewohner 9 Touristen.

    Das finde ich so viel.

    Ich finde es für diese Orte so schwierig.

    Viele Orte leben und leiden unter dem Tourismus.

    Dein Gesicht wird Dir geschenkt, lächeln musst Du selber #blume

  • Auf Norderney kommen auf einen Bewohner 9 Touristen.

    Das finde ich so viel.

    Im Durchschnitt ueber das Jahr oder wenn NRW Ferien hat? Auf den Nordseeinseln leben nun mal die meisten Menschen vom Tourismus. Dazu vielleicht auch Typisch-Die Inselkonditorin vom NDR, die v.a. ersten 2 Minuten.

  • Es ist schwierig. Ich habe früher auf Sylt gelebt und gearbeitet, das wäre heute nicht mehr so möglich. Die Insulaner können sich die Mieten nicht mehr leisten und es gibt auch keine Wohnungen mehr zur Miete. An Touristen vermieten ist einfach ein goldenes Geschäft. Die auf der Insel arbeiten kommen zu großen Teilen jeden Tag vom Festland rüber. Die kleinen Supermärkte machen zu, weil die Touristen zu Aldi gehen und es nicht genug Einheimische mehr gibt die in den Dorfläden einkaufen. Außerdem ist die Verlockung zu groß das Geschäft an Investoren zu verkaufen die da Ferienwohnungen hinbauen. Schuld haben da natürlich nicht "nur" die Touristen. Es war ja abzusehen und es hätte rechtzeitig politisch gebremst werden können. Was da für Wohnraum einfach überwiegend leer steht...


    Hier in Berlin wohne ich in einem sehr ruhigen Randbezirk, ich bekomme den Tourismus gar nicht wirklich mit, auch Airbnb ist hier nicht, weil zu weit ab. In den Innenstadt sieht das ganz anders aus. Ich würde diese Plattform verbieten wollen.


    Ich habe in meinem zwanziger Jahren einige Jahre Kreuzfahrten gemacht und auch dort gearbeitet...das war eine super tolle Zeit. Heute sehen ich das kritisch, aber damals waren es relativ kleine Schiffe und nur für wenige überhaupt bezahlbar. Heute pflügen da Kleinstädte durch die Meere und es ist gerade hipp. Ich würde es nicht mehr machen, empfinde es aber schon als ungerecht unseren Kindern gegenüber, dass wir uns Dinge genommen haben die jetzt nicht mehr unbeschwert gehen.

    Ich bin seit Jahren nicht mehr gereist, aber ich kann mich damit nicht rühmen, habe die halbe Welt gesehen und meinen Anteil daran das es jetzt so ausschaut wie es ausschaut. Das einzige was ich immer gemacht habe, ich habe mein Geld im Land gelassen, habe einheimische Lebensmittel gegessen und mich so versorgt wie die Einheimischen. Auch damals als Kreuzfahrer.

    Grüße Jufena


    Alles Große und Edle ist einfacher Art
    (Gottfried Keller)

  • Solch eine Doku lief in den letzten Tagen auch über Usedom. Auf Rügen herrscht bestimmt das gleiche Problem.

    Ja, es gibt auf Rügen Orte, die im Winter total ausgestorben sind, weil dort fast nur Ferienhäuser sind. Schade ist, dass es dort kaum Wohnraum für Einwohner gibt.

    Aber, man muss auch bedenken, dass auf der Insel sehr viele Leute vom Tourismus leben und dass es dort ohne den Tourismus so aussehen würde wie im Rest Mecklenburg-Vorpommerns. Natürlich meckern einige über die vielen Touristen, aber gerade Rügen ist so groß, dass man mit ein bisschen Ortskenntnis genug ruhige Plätze findet. Der Tourismus sorgt für Infrastruktur, sorgt dafür, dass viele Leute einen Zuverdienst durch Vermietung einer Einliegerferienwohnung haben und sorgt auch dafür, dass viele Kunsthandwerker von ihrem Handwerk leben können. Man hat sich darauf eingestellt.

    Schlimm ist allerdings, dass es einigen Investoren nicht genug ist, dass Bettenburgen in kleinen Dörfern geplant sind und dass die Leute oft so unfassbar schlecht bezahlt werden. Das ginge auch anders, liegt aber an der Mentalität der Superkapitalisten, denen vieles gehört.

  • ich bin auf einer Insel aufgewachsen, da gibts kaum noch Wohnraum, der muss mühsam neu gebaut werden, weil die alten Häuser, die auf den Markt kommen, zum großen Teil von ein/zwei Familien aufgekauft werden und zu Ferienwohnungen umgewandelt werden. Die sehen auch keine soziale Verantwortung, leider.

    Ja, die Menschen dort leben zum großen Teil vom Tourismus, aber das ist doch ein Schuss ins Knie, wenn Restaurants schliessen müssen, weil es keinen Wohnraum für Personal oder junge Familien mehr gibt. Total krank!

    In Hamburg gibt es dichte AirBnB-Netze, da wohnen keine normalen Mieter mehr.


    Ich fahre ja nun wenig weg, aus finanziellen Gründen, aber früher war ich oft in kleinen (manchmal auch hygienisch sehr schwierigen) Hotels, habe so tolle Städte und Gegenden gesehen.

    Seit einiger Zeit denke ich, dass dieses "zwanghafte Reisen-müssen" eine Menge durcheinander bringt.

    Ganz, ganz schlimm finde ich eben Kreuzfahrten, ökologisch und menschlich.

    Wenn in Hamburg viele Kreuzfahrtschiffe anlegen, dann merke ich das, weil die Luft einfach schlechter ist, denn viele der Schiffe nutzen den Landstrom nicht, sondern blasen lustig ihre Abgase in die Luft.

    Zudem profitiert die Wirtschaft in den Orten nicht sooo viel davon. Außer vllt. die die etwas fragwürdige Andenken-Industrie.

    Eher selten kaufen die Kreuzfahrer die vor Ort produzierten Dinge (wie jetzt zB. in Norwegen gestrickte Pullover oder oder), weil die eben teurer sind, als die irgendwo in China produzierten Teile.

    Die selbe Tasse von Edinburgh kannste in Hamburg, Mallorca oder St. Lucia kaufen. Nur eben mit angepasstem Motiv.


    Zudem kommt dazu, dass ich ein wenig über-empfindlich(?) bin, weil ich eben in einem Tourismus-Ort aufgewachsen bin, der wachsende Tourismus hat dazu geführt, dass ein Tier fast ausgestorben ist, weil es als super schick galt, das wenigstens einmal während des Urlaubs zu essen. Hat sich zwar etwas reguliert, dank der Arbeit der Wissenschaftler vor Ort und der Einsicht der Fischer, aber trotzdem... Auch das sind Folgen des Über-Tourismusses.

    Havanna + #male (*02.05) & #female (*02.03)
    Filzgleiter sind nur komprimierte Schafe

    --Ist Hotte S. noch im Amt und wenn ja, warum?--


    Wenn ich das Wort "Trottel" oder "Trotteln" schreibe, möge sich die geneigte Leserin dieses Wort in wienerisch denken.

  • Venedig finde ich absolut sehenswert. Ich war vor drei Jahren da mit Hotel in der Altstadt und muss sagen, da fahre ich nicht hin, um mal einen Espresso mit einem "echten Italiener" zu trinken. Sondern ganz klar wegen der Sehenswürdigkeiten. Alte Paläste, Museen, Kunst. Diese Stadt hat so viele Schriftsteller inspiriert. Venedig war mächtig im Mittelmeerraum und wenn ich irgendwo anders im Reiseführer lese "Dieser Hafen/dieses Haus ist im venezianischen Stil erbaut", dann erkenne ich das. Weil ich Venedig gesehen habe.

    In den Ecken um mein Hotel gab es übrigens Gassen mit Einheimischen, da haben Kinder gespielt und Leute Fernsehen geschaut. Es gab einen kleinen Supermarkt, in dem wir auch eingekauft haben. Die Gassen waren schmutzig, die Wohnungen winzig. Da würde ich als Einheimischer wegwollen, und zwar nicht wegen der Touristen.

    Bin mit dem Schiff nach Murano gefahren, und da gab es Schilder mit "Rettet Murano, kauft keine chinesischen Billigprodukte". Und ich hab mir dann Sachen direkt bei zwei kleinen Lädchen gekauft, wo die Glasbläserinnen selbst drin waren. Eins hatte ein Siegel.

    Von AirBnB halte ich auch nichts. Unser direkter Nachbar hat mal seine illegalerweise an Touristen vermietet, und zwar ausschließlich. Er war gar nicht mehr drin. Touristen, die alle anderen für Touristen halten, nur sich selbst nicht, finde ich albern.

  • Ich wohne in keiner Touristengegend und kenne die Situation nur aus Tourisicht.

    Ich war in den 80ern und 90ern viel mit meinen Eltern in Spanien, schon klar, damals war der Tourismus auch schon im vollen Gange. Aber was mittlerweile dort an Hotelburgen steht, ist einfach unfassbar. Und das ist ja überall so. Mich erschreckt das jedes Mal zu sehen, wie ich dazu beitrage, dass Natur und Landschaft zerstört werden.

  • @Alusra Wann warst du denn in Venedig? Ich war einmal Anfang/Mitte der 90er da, und dann wieder im vorletzten Jahr und habe die Stadt nicht wiedererkannt.


    Ich bin deiner Meinung dass die Architektur absolut sehenswert ist und ich bin froh dass wir vor zwei Jahren den Schlenker germacht haben und ich den Kindern die Stadt zeigen konnte, aber es stimmt schon - man latscht sich nen Wolf bis man zu einem ganz normalen Supermarkt kommt. Stattdessen reiht sich ein Touristenstand an den nächsten. Das war 1994 noch ganz anders und sehr sehr erschreckend. In dem Ausmaß für mich auch unvergleichbar mit irgendeiner anderen Stadt die ich gesehen habe.


    Edit: Sorry steht ja da #stirn vor drei Jahren.

    Aber Hotel in der Altstadt und trotzdem Einheimische als Nachbarn? Das kann ich kaum glauben. Zumindest wenn es in der Hauptsaison war. Vielleicht ist es in der Nebensaison anders?

  • Havanna Ich habe auch nur von Rügen gesprochen. Das Problem mit dem Wohnraum auf kleinen Inseln ist mir bekannt und ich finde es schlimm. Auf Rügen kann man noch ganz gut leben, wenn man die Hochburgen meidet. Und selbst da wohnen Menschen.

  • Anja: Ich war 1986 da und August 2016.


    Das Hotel hieß Giorgione, ist ein Stück weg vom Markusplatz. Da gab es einen Supermarkt um die Ecke und Einheimische

  • Super #super dann weiß ich wo ich das nächste Mal absteige :) sollte es ein nächstes Mal geben (mir war nach dem letzten Besuch nicht danach)

  • Ich finde die Problematik auf den Indeln schlimm, ob nun Sylt, Rügen oder kleinere Inseln.

    Venedig würde ich gerne mal sehen aber eher nicht momentan. Ansonsten finde ich ist Tourismus nicht gleich Tourismus. Was mir genaus wie Havanna geht ist das hier:

    Ganz, ganz schlimm finde ich eben Kreuzfahrten, ökologisch und menschlich.

    Wenn in Hamburg viele Kreuzfahrtschiffe anlegen, dann merke ich das, weil die Luft einfach schlechter ist, denn viele der Schiffe nutzen den Landstrom nicht, sondern blasen lustig ihre Abgase in die Luft.

    Das ist für mich eine ganz unagnehme und fiese Art des Tourismus und ich arbeite ja in Kiel (nähe Förde) und was hier im Sommer so abgeht ist das allerletzte, diese Massen an Menschen die in kürzester zeit, mit größtmöglichen Annehmlichkeiten und geringest möglicher Verantwortung Urlaub und Orte konsumieren wollen und die Stadt verpesten ...ätzend. Wir haben hier noch keinen Landstrom für die Kreuzfahrer, daher laufen permanent die dicken Diesel...das könnte ich echt hassen...


    Aber es gibt eben auch noch eine andere Art von Tourismus, einen sanften und nachhaltigen Tourismus und Menschen die wirklich zugewandt sind und vorsichtig , da habe ich keine Probleme mit. Allerdings findet man die sehr selten auf den modernen Kreuzfahrtschiffen ala Aida und Tui...