Steinzeitfrage

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  • WOW - ich kann mich einigen Vorrednerinnen nur anschließen; was für ein toller Thread und ich hatte bisher keine Ahnung über nichts, davon aber viel. Welch geballtes Wissen und wieviel gebildete Rabinnen hier schreiben.

    Vielen Dank und den arte-Bericht werde ich mir baldmöglichst anschauen; Ich bin richtig geflasht von diesem Thema, irre interessant.

    Too many assholes, not enough axes!

    • Offizieller Beitrag

    Oh, ich gebe nicht den Lehrpersonen die Schuld, im Gegenteil - ich erlebe ja hauptsächlich, wie engagiert und mit Herzblut die an die Themen rangehen. Problem ist echt das grottenschlechte Material!

    Gerade quasi druckfrisch auf meinem Schreibtisch: ein Arbeitsbuch, ansprechend gestaltet, viele spielerisch-entdeckende Arbeitsblätter und -ideen für die LP... aber es strotzt vor fachlichen Fehlern, die einem zum Heulen bringen könnten.

    Zum Beispiel gibt es eine kurze Beschreibung zur Neolithisierung, insbesondere Domestikation (Haustiere) - als Auftrag für die Lernenden dann ein Text (Wissen aus Quellen heraus finden) über....










    ....tataaa: den Hund!

    #hammer

    Tja, leider einfach mal so um 10 000 Jahre verfehlt.



    Liebe Grüsse


    Talpa

  • ach harari... warum nicht-historiker*innen immer so auf den abfahren....

    Mich interessiert das Thema und und finde es gerade für "Nicht-Historikerinnen" sehr unterhaltsam und anschaulich geschrieben. Ich habe sehr viele Denkanstöße erhalten und wir haben einiges in der Familie rege diskutiert.


    Natürlich ist mir bewusst, dass die ganze Entwicklungsgeschichte nicht in ein Buch passt. Es ist mir auch klar, dass es Gedankenspielereien sind, besonders in den ganz frühen Epochen. Es hat mir trotzdem einige neue Perspektiven vermittelt.

    Die Kapitel aus der Neuzeit haben mich nicht mehr so gefesselt, da stimme ich vielen Rezensionen zu.


    Archäologie und Geschichte haben mich schon immer interessiert und viele Themen regen mich dann auch dazu an, genauer dazu zu recherchieren. Passend zu der Steinzeit habe ich dann beispielsweise dieses Jahr GEO Epoche gelesen:


    https://www.geo.de/magazine/ge…eo-epoche-nr-96-steinzeit


    Und so führt eines zum anderen.

  • Was stimmt denn mit dem Hund nicht, wenn es um domestikation geht?


    Ich fürchte, ich oute mich gerade als der letzte volldepp

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

    • Offizieller Beitrag

    Was stimmt denn mit dem Hund nicht, wenn es um domestikation geht?


    Ich fürchte, ich oute mich gerade als der letzte volldepp

    Nein, natürlich nicht - es gibt nur dumme Antworten, niemals dumme Fragen!


    Die Domestikation des Hundes ist eine komplett eigenständige Geschichte und erfolgte wahrscheinlich vor über 20 000 Jahren. Wahrscheinlich war es eher eine gegenseitige Annäherung, die Wölfe haben die Vorteile der Menschen mit ihren Jagdresten zu schätzen gelernt, die Menschen haben den Schutz durch benachbarte Wolfsrudel geschätzt. Und dann hat sich - vielleicht durch verwaiste, handaufgezogene Wolfswelpen - langsam eine Jagd/Arbeitsgemeinschaft herausgebildet.


    Zu Beginn der Sesshaftwerdung passierte was ganz anderes: Herdentiere wurden immer mehr kontrolliert, erst vielleicht durch bestimmte Jagdauswahl, ein einfaches "Herdenmanagement", unerwünschte Tiere werden getötet, erwünschte angefüttert, teilweise dann eingesperrt.... So verändern sich über viele Generationen die menschennahen Herden und es wird immer einfacher, sie zu beeinflussen - bis dann eben irgendwann die Tiere nicht mehr frei herumstreifen und zu Haustieren geworden sind. Der ganze Prozess dauerte gute 1000 Jahre, wird geschätzt.

    Nicht verwunderlich waren es die Tiergruppen, die eine Herdenstruktur kannten, einen "Chef" akzeptierten und vorher beliebte Jagdtiere waren, weil sie nicht allzu gross und gefährlich waren: Schaf, Ziege, Schwein und Rind.

    Aus den Jagdtieren wurden sozusagen Kühlschränke auf vier Beinen - eine andere Nutzung für "sekundäre" Produkte (Milch, Wolle, Zugkraft) entsteht erst tausende Jahre später.


    Sprich: die Domestikation der Hunde hat schlicht und ergreifend nichts mit der Sesshaftwerdung zu tun. Und den Kindern das in einem Atemzug so zu vermitteln ist eine der pöösen Vereinfachungen/Verkürzungen, die in der Vermittlung sehr verpönt sind: sie vermitteln ein völlig falsches Bild und setzen sich dennoch extrem hartnäckig fest.

    In der Vermittlung von Wissen darf vereinfacht werden, ja, klar. Aber niemals so, dass die Vereinfachung falsch ist. Das ist, als würde man das Planetensystem so erklären, dass die Erde um die Sonne kreist, weil die Kids das besser verstehen so - und dann in der Oberstufe wird ihnen das richtige System beigebracht.


    Ach ja: Katze ist nochmal was anderes - ehrlich gesagt haben die selbstständig beschlossen, den Menschen zu domestizieren, auch wenn Menschen was anderes glauben.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Oh wie cool! Es könnte sein, dass ich mal auf sein Insiderwissen zurück greifen muss. Falls er sich von mir befragen lassen mag?

    Du kannst mir gerne eine PN schicken, jetzt ist er schon unterwegs um sich mit Freunden zu treffen. Ich habe aber keine Ahnung, ob er überhaupt viel Insiderwissen hat, in der Lotsengruppe wurde natürlich über die Konzeption gesprochen und Brainstorming gemacht. Wenn ich mich recht erinnere, wurden teilweise auch Hintergründe erstellt, Lehmwände gebaut, etc...

  • Rune

    Lustig, dann hat er vielleicht Kolleg_innen von mir durch die Ausstellung geführt! Der Besuch war Teil von deren Weihnachtsfeier

    Das kann leider nicht sein, weil die Kulturlotsen nur Kindergruppen führen. Sie entstanden aus einem Projekt "Von Kind zu Kind – Museum der offenen Türen“:


    https://freunde-arco.de/junges-arco/kulturlotsen/


    Ich hoffe, es hat Deinen Kolleg_innen gefallen!


    Momentan läuft noch ein digitales Rollenspiel: Tales & Identities - die Ausstellung dazu wurde bis zum 1.12. verlängert.

    Bei der Entwicklung der App zur Ausstellung war mein Sohn noch dabei.


    https://www.freiburg.de/pb/,Lde/1276996.html


    Tja, ich finde es richtig schade, dass er nun "herausgewachsen" ist und natürlich auch keine Zeit mehr dafür hat, es war sehr bereichernd und sein Faible für die Römer hat ihm auch beim Lateinunterricht viel gebracht.

  • Eine, das ist ja echt cool, das Projekt kannte ich gar nicht. Dabei waren wir eine Weile echt oft im Colombimuseum- Playmo angucken ;)

    Oh ja 2011, die große Römer-Ausstellung. Und dann wurden die riesigen Playmo-Figuren vom Dach geklaut......


    In der jetzigen Ausstellung gibts auch Playmo:


    https://www.badische-zeitung.d…reise-x2x--166979839.html


    Die App kann man sich kostenlos runterladen.


    Aber jetzt sind wir schon etwas weit entfernt von der Steinzeitfrage.....#angst

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    LG Rune mit Junior 11/99

    Einmal editiert, zuletzt von Rune ()

  • Bessere Datierungsmöglichkeiten und ein besseres Verständnis der komplexen Prozesse zeichnen ein viel interessanteres Bild der Neolithisierung als ursprünglich geglaubt.

    Ist es Mainstream/Minderheitenmeinung/widerlegt dass die Seßhaftwerdung sich vermutlich einfach dadurch ausgebreitet hat, dass sich die seßhafte Kultur(en) ganz langsam ausgebreitet haben?


    Das, was ich dazu gelesen habe, hat quasi niemand das Jagen und Sammeln aufgegeben, sondern es haben einfach immer wieder junge Leute ihren eigenen Hof ein bisschen weiter draußen aufgebaut, bisschen weiter weg von dem Dorf der Eltern, dahin wo bisher nur die Jäger und Sammler unterwegs gewesen waren.

  • ich lese auch sehr interessiert mich, habe gleich auch ne Frage


    Bin irgendwann im Laufe meines lauftrainings auf die Geschichte gestoßen, dass Menschen früher gejagt haben, indem sie das Wild über Stunden/ Tage zu Tode gehetzt haben.


    Ist das auch Mythos?

    Life is a mountain - ride it like a wave

  • Vielen Dank für diesen interessanten und spannenden Thread. Ich bin gerade zufällig in der Nähe von Biel und Talpa s Tipp kam genau richtig. Danke! Heute war ich in der Ausstellung und es war richtig toll! 8o

    Liebe Grüße,
    Saraid



    Faschismus ist keine Meinung, es ist ein Verbrechen.

  • womit wir wieder bei den kulturellen Unterschieden wären: Besitztum stärkt diejenigen Kulturen/Gesellschaften, die eine patriarchalische Struktur haben und da werden in Mangelsituationen regelhaft die Frauen schlechter versorgt):

    Da drängt sich mir doch die Frage auf:

    Warum?


    Meines Wissen (aus der Ethnologie) hat die Seßhaftwerdung etwas mit dem Anbau zutun, und der hängt daran, dass man mit Anbau und später Ackerbau immer mehr Nahrung aus immer weniger Land ziehen kann.

    WIr sind schlicht zu viele, um als Wildbeuter zu leben, und das schon recht lange.

    Aber warum stärkt dass dann patriarchale Strukturen?




    Was die Beteiligung der Frauen an der Jagd angeht: Ich kenne noch eine ganz andere Begründung, gerade junge Frauen nicht auf die Jagd zu schicken: Ihr Leben war zu kostbar, da durch die Anzahl von Frauen die Fortpflanzung beschränkt ist: Wenn in einer Gruppe 10 Frauen sind, können die vielleicht 40 Kinder bekommen (ich gehe von Wildbeutern aus, da ist das schon eingeschränkt: Schwanger werden, Kind so weit großziehen, bis es alleine mitkommt, dann wieder schwanger werden, das macht gut 6 Jahre je Kind, 6x4 =24 Jahre).


    Es ist egal ob in der Gruppe 1 Mann ist, 10 oder 100, es werden nicht mehr Kinder.

    It all started with the big BANG!


    (Big Bang Theory)

    • Offizieller Beitrag

    Da drängt sich mir doch die Frage auf:

    Warum?

    Meines Wissen (aus der Ethnologie) hat die Seßhaftwerdung etwas mit dem Anbau zutun, und der hängt daran, dass man mit Anbau und später Ackerbau immer mehr Nahrung aus immer weniger Land ziehen kann.

    WIr sind schlicht zu viele, um als Wildbeuter zu leben, und das schon recht lange.

    Aber warum stärkt dass dann patriarchale Strukturen?

    Das hat in der ersten Phase der Sesshaftwerdung schlicht und ergreifend keinen Einfluss, weil die Anzahl der Menschen auf der ganzen Welt sehr überschaubar war. Es gab keinen Druck wegen wachsender Bevölkerungsdichte.

    Die Gründe, warum damals Sesshaftigkeit "erfunden" wurde, waren vielschichtig und sind bis jetzt nur ansatzweise bekannt (bzw. plausibel erklärt).

    Zu viele, um als Wildbeuter zu leben sind wir noch nicht soooo lange - aber das ist wahrscheinlich Ansichtssache, mir als Prähistorikerin erscheinen die letzten 2000 Jahre halt immer noch als neumodischer Gerümpel.


    Warum Besitz patriarchale Strukturen begünstigt? Frag mich nicht, das müssten Psychologinnen erklären können. Fakt ist, jedesmal in der Menschheitsgeschichte, wenn sich mit etwas Macht/Besitz/Reichtum anhäufen liess, sprangen die Männchen unserer Art offenbar deutlich schneller aus dem Gebüsch und rissen die Sache an sich...

    Das müsste Dir aus der Ethnologie bekannt sein: die matrilinearen Erbstrukturen in agro-pastoralen Substistenzwirtschaftssystemen (sorry, ich liiiiiiiebe diese Wörter und frau kann sie so selten anwenden) sind äusserst selten. Im Normalfall herrscht patrilineares Erbrecht vor.


    Was die Beteiligung der Frauen an der Jagd angeht: Ich kenne noch eine ganz andere Begründung, gerade junge Frauen nicht auf die Jagd zu schicken: Ihr Leben war zu kostbar, da durch die Anzahl von Frauen die Fortpflanzung beschränkt ist: Wenn in einer Gruppe 10 Frauen sind, können die vielleicht 40 Kinder bekommen (ich gehe von Wildbeutern aus, da ist das schon eingeschränkt: Schwanger werden, Kind so weit großziehen, bis es alleine mitkommt, dann wieder schwanger werden, das macht gut 6 Jahre je Kind, 6x4 =24 Jahre).


    Es ist egal ob in der Gruppe 1 Mann ist, 10 oder 100, es werden nicht mehr Kinder.

    Da gibt es keine belastbaren Beweise aus der Urgeschichte dafür, dass die "Fortpflanzungskraft" der Frau ihren Wert bestimmt hat. Und sie von bestimmten Tätigkeiten ausgeschlossen hat.

    Aus Verletzungs- und Abnutzungsmustern an den vorhandenen Skeletten kann ich nur sagen: nein, offenbar war das nicht so. Bis zum Beginn der Sesshaftigkeit führten Männer und Frauen einer Gruppe ein ziemlich ähnlich "gefährliches" Leben.


    Liebe Grüsse


    Talpa