Steinzeitfrage

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  • Ich habe mich ja nun mit Ethnologie und weniger mit Früh- und Uhrgeschichte beschäftigt, darum kann ich nur von heute oder bis vor kurzem existierenden Gesellschaftsformen ausgehen:


    Es gibt ja durchaus matriarchale Kulturen. Die sind allerdings äußerst selten (geworden?) und an den Rand gedrängt.

    Die sind auch nicht alles Wildbeuter.


    Wir haben aber mittlerweile einen mehrere Jahrtausende dauernden Prozess hinter uns. In diesem Prozess haben sich bestimmte Kulturen ausgebreitet und andere wurden an den Rand gedrängt. Und es waren recht deutlich die aggressiveren, die sich stärker ausgebreitet haben, und da waren einige patriarchale Kulturen weit vorne mit dabei. Wir können also schon davon ausgehen, dass die existierenden agro-pastoralen Substistenzwirtschaftssysteme meistens patriarchal sind, aber eben, weil diese sich aggressiv ausgebreitet haben, nicht weil sie automatisch so entstehen.


    Bei dem verlinkten Film fand ich auffallend, dass sie ja bestimmte Kulturen verglichen haben, die alle pariarchal waren. Matriarchale Kulturen oder Kulturen in denen ein ausgeglichenes Geschlechter Verhätlnis vorherschte kamen gar nicht vor. Da wäre es schon interessant, ob dort die Männer auch größer sind, als die Frauen und ob die Frauen dort größer sind, als Frauen in patriarchalen Kulturen.

    Außerdem ist meines Wissens die größe des Beckens nicht nur von der Körperlänge abhängig. Eine Frau kann sehr lang und dünn sein und eher kurz und breit. Zweites dürfte für die Fortpflanzung wichtiger sein.




    Was die Fortpflanzung angeht: Es mag sein, dass die Leute dass damals nicht so geschätzt haben, das ändert nichts daran, dass die Fortpflanzung durch die Anzahl der Frauen und nicht durch die der Männer bestimmt wird.

    Es hängt eben an den Frauen wie viele Nachkommen es geben kann, nicht an den Männern. Das ist nun mal echt Biologie.

    Wenn das den Menschen egal war, dann waren Nachkommen in den Gruppen wohl nicht das Problem, oder die Jagd gar nicht so gefährlich.

    It all started with the big BANG!


    (Big Bang Theory)

    • Offizieller Beitrag

    Ich muss zugeben, mir ist gerade nicht ganz klar, was Deine Frage ist?


    Das kaum matriarchalische Strukturen verglichen wurden, könnte unter anderem daran liegen, dass die extrem selten sind (zumindest habe ich das in dem wenigen, was ich von Ethnographie mitbekommen habe, so verstanden).

    Und wenn wir von Steinzeit und deren Geschlechterverhältnissen reden, ja, da hast Du recht - da hilft uns die Ethnographie nur bedingt. Deshalb wird auch anderes hinzugezogen, Osteologie zum Beispiel. Und die zeigt uns in erster Linie, dass praktisch keine der heute dokumentierbaren Kulturen mit denen der Altsteinzeit vergleichbar ist.

    Was in erster Linie heisst: wir müssen da deutlich offener denken, als wir es für gewöhnlich tun.


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Was die Fortpflanzung angeht: Es mag sein, dass die Leute dass damals nicht so geschätzt haben, das ändert nichts daran, dass die Fortpflanzung durch die Anzahl der Frauen und nicht durch die der Männer bestimmt wird.

    Es hängt eben an den Frauen wie viele Nachkommen es geben kann, nicht an den Männern. Das ist nun mal echt Biologie.

    Wenn das den Menschen egal war, dann waren Nachkommen in den Gruppen wohl nicht das Problem, oder die Jagd gar nicht so gefährlich.

    Ich sagte nicht, dass die Menschen das nicht geschätzt haben. Ich sagte, es gibt keine belastbaren Nachweise dafür. Es wäre eine ziemlich mutige Aussage, wenn ich behaupten würde, ich wüsste, was die Menschen der Altsteinzeit gedacht haben.

    Da sind andere Wissenschaften zuständig, nicht unsereins.


    Ja, die Biologie sorgt dafür, dass die meisten Säugetiere ca. 50/50 Nachkommen haben.


    Und ja, daran liegt es in erster Linie... das Bild der ach so gefährlichen Grosswildjagd ist ein vielgeliebtes, aber halt nunmal auch ein nicht besonders realistisches... Ich wage mich in die sehr mutige Weissagung, dass den Menschen in der ganzen Steinzeit (wie gesagt, gute 3,3 Millionen Jahre) das Leben an sich wertvoll war. Da wurde schon darauf geachtet, dass die Kalorien in erster Linie nahrhaft und nicht gefährlich waren.

    Das zeigen die Knochenfunde in den bekannten Fundstellen sehr schön: Kleintier war sehr wichtig, wenn Grosswild dann bevorzugt eher das weniger beeindruckende wie Wildpferd, Rentier...


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Warum hat sich das Erbrecht in so vielen Kulturen so entwickelt, dass die Väter an die Söhne erben (ich kann nicht so viele tolle Wörter schreiben ;)) )

    Das muss doch den Leuten, lange bis die Kulturen gefestigt waren klar gewesen sein, dass die Vaterschaft unklarer ist, als die Mutterschaft.


    Oder ist das genau deswegen? Hat sich das Patriachat so oft durchgesetzt, weil die Vaterschaft unsicher war?

    Wo finde ich dazu Erklärungen????



    Ich liebe diesen Thread....

    Hier kommt man vons hundertstel ins Tausendstel

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

    • Offizieller Beitrag

    Das flüssige Aussprechen solcher lustiger Wörter gehörte zum Feierabendspass in meinem Studium - ich kann heute noch eine Menge cooler Wörter runterrattern... nutzt einem nur so gar nix im Leben, eigentlich...


    Leslie, da verlasse ich jetzt ziemlich fest mein angestammtes Gebiet - ich bin eher so diejenige, die echte, fassbare Beweise sucht (in den Knochen).


    Aber ja, Kontrolle über die Fortpflanzung der Frau ist eine der Grundvoraussetzungen für patriarchales Erbrecht - und dementsprechend haben sich wohl weltweit in so vielen Kulturen auch so viele Kontrollsysteme entwickelt.

    Für die Urgeschichte können wir da aber nur sehr wenig echtes darüber aussagen - das lässt unsere Quellenlage einfach nicht zu. Die kleine Gruppengrösse, die wir zum Beispiel für die späte Altsteinzeit in Mitteleuropa annehmen, kann aber davon ausgegangen werden, dass den Mitgliedern schon recht gut klar war, wer mit wem was macht. Und dementsprechend auch die Vaterschaft kein grosses Thema war, weil wahrscheinlich bekannt - aber eben, Achtung, das ist reine Spekulation meinerseits.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Talpa Bist du ein Knochenspezi?

    Aus den Knochen kann man doch herauslesen, wo jemand aufgewachsen ist. Weil sich irgendwas aus der (damals lokalen) Nahrung in den Knochen eingelagert hat .

    Wie ist das dann aber heutzutage, wo das Essen quer über die Welt verteilt wird?Tomaten aus China, Gurken aus Spanien, Käse aus den Niederlanden, Getreide von Sonstwo. Einzig das Trinkwasser ist lokal, aber manchmal eben auch nicht. Kann man dann überhaupt noch anhand der Knochen erkennen, wo der Mensch aufgewachsen ist.


    Edit : Vielleicht waren es doch die Zähne statt der Knochen. #gruebel

    • Offizieller Beitrag

    Kann man dann überhaupt noch anhand der Knochen erkennen, wo der Mensch aufgewachsen ist.

    Meines Wissens nach - ich bin nicht sooo die Isotopenfachfrau - wird das immer schwieriger werden, genau aus den Gründen, die Du erwähnst.


    Und ja, eine gewisse Leidenschaft für Knochen kann ich nicht verleugnen. Extrem spannendes Zeugs!


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Och, das ist aber schade für die Generationen von Forschern nach uns.


    Früher dachte ich mir, wenn ich mal tot bin, will ich so eingebuddelt werden, dass man mich in einigen tausend Jahren wieder ausbuddeln kann und dann forschen kann, wie die Menschen heute so gelebt haben. #hammer

    • Offizieller Beitrag

    Früher dachte ich mir, wenn ich mal tot bin, will ich so eingebuddelt werden, dass man mich in einigen tausend Jahren wieder ausbuddeln kann und dann forschen kann, wie die Menschen heute so gelebt haben. #hammer

    Aber nur mit so einem richtigen Hügelgrab, mit allem Pipapo, Prunkgefässe, Schmuck etc...


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Tja, da bin ich leider raus. Sowas kann ich mir nicht leisten. Bleibt noch die Möglichkeit als Ötzi-Nachahmer.


    Jetzt stell ich mir gerade vor, was Forscher in 20.000 Jahren über die heutige Zeit im Boden finden würden. Wahrscheinlich eine meterdicke Plastikschicht. Ob die Kinder dann in der Schule lernen, nach der Eisenzeit kam die Plastikzeit?

  • Warum hat sich das Erbrecht in so vielen Kulturen so entwickelt, dass die Väter an die Söhne erben (ich kann nicht so viele tolle Wörter schreiben ;)) )

    Das muss doch den Leuten, lange bis die Kulturen gefestigt waren klar gewesen sein, dass die Vaterschaft unklarer ist, als die Mutterschaft.


    Oder ist das genau deswegen? Hat sich das Patriachat so oft durchgesetzt, weil die Vaterschaft unsicher war?

    Wo finde ich dazu Erklärungen????

    So oft hat sich das gar nicht entwickelt.

    Die Irokesen (als eine sehr bedeutende Ethnie in Amerika bevor die Europäer kamen) waren z.B. matrilinear.

    Die patrilinearen Kulturen haben sich aber sehr massiv ausgebreitet, und häufig kamen auch die Europäer, walzten alles nieder was da war und setzten ihr eigenes patrilineares System einfach drauf.

    It all started with the big BANG!


    (Big Bang Theory)

  • Da kann ich nur ein Kult-Buch aller Archäologie-Studierenden empfehlen: Motel der Mysterien.

    Das klingt dem Klappentext nach witzig. Kannst du das wirklich empfehlen, oder ist das ironisch gemeint?

    Liebe Grüße

    Sabine mit T. 10/02 und Q. 11/05

    • Offizieller Beitrag

    Nein, es ist witzig, wenn auch nicht gerade hohe Literatur - wobei ich nicht weiss, ob es für Nicht-Archäologinnen gleich witzig ist. Wie schwierig es jedoch ist, aus wenigen Informationen das wirkliche Bild zu rekonstruieren ist aber eine wirklich tiefgehende Botschaft des Buches.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Kann man dann überhaupt noch anhand der Knochen erkennen, wo der Mensch aufgewachsen ist.

    Meines Wissens nach - ich bin nicht sooo die Isotopenfachfrau - wird das immer schwieriger werden, genau aus den Gründen, die Du erwähnst.

    Die Erkenntnis "Diese Kultur hat so viel Handel getrieben, dass sogar das Wasser importiert wurde" kann für zukünftige ForscherInnen ja auch ganz spannend sein.

  • Tja, da bin ich leider raus. Sowas kann ich mir nicht leisten. Bleibt noch die Möglichkeit als Ötzi-Nachahmer.


    Jetzt stell ich mir gerade vor, was Forscher in 20.000 Jahren über die heutige Zeit im Boden finden würden. Wahrscheinlich eine meterdicke Plastikschicht. Ob die Kinder dann in der Schule lernen, nach der Eisenzeit kam die Plastikzeit?

    wahrscheinlich leider genau das.

    zumindest mein einer Professor sagte das auch so.



    und dann kommt die phase des mikroplastiks, was hoffentlich die letzte phase des plastiks ist :)

  • Danke für diesen tollen thread! Das ist so toll und so interessant.


    Darf ich gleich noch eine Frage stellen? Wenn davon ausgegangen wird, dass in Wildbeutergruppen der Abstand zwischen den Kindern etwa 5 bis 6 Jahre betragen haben muss, geht damit doch automatisch auch eine Form der Geburtenkontrolle einher und damit auch ein ziemlich gutes Wissen darüber, wie der Körper funktioniert inklusive Fruchtbarkeitszyklen, oder? Und wie stelle ich mir Menstruation in dieser Zeit vor, haben die Frauen damals nicht so stark geblutet? Und zieht Blut nicht fleischfressende Raubtiere an und wäre damit eine Gefährdung?

  • Wenn davon ausgegangen wird, dass in Wildbeutergruppen der Abstand zwischen den Kindern etwa 5 bis 6 Jahre betragen haben muss,

    Vielleicht waren es aber auch doch eher 4-5 Jahre.

    geht damit doch automatisch auch eine Form der Geburtenkontrolle einher und damit auch ein ziemlich gutes Wissen darüber, wie der Körper funktioniert inklusive Fruchtbarkeitszyklen, oder?

    Mir fallen noch mindestens 3 andere Möglichkeiten ein.


    Erstens: Ein gesellschaftlich verankertes Tabu: Wer stillt, hat keinen Sex .

    Zweites: Ernährung, die so kohlenhydratarm ist, dass der Zyklus nach einer Geburt automatisch recht lange Pausen macht. (Auch mit moderner Ernährung sind ja 2 Jahre Pause durchaus normal, wenn das Baby nur die Brust zum saugen hat und keinen Schnuller benutzt.)

    Drittens: Säuglinge, die zu früh geboren wurden, und um die sich keiner kümmern konnte (oder die einen zu schwächlichen Eindruck machten), um die hat sich dann halt auch keiner gekümmert.

  • Danke für diesen tollen thread! Das ist so toll und so interessant.


    Darf ich gleich noch eine Frage stellen? Wenn davon ausgegangen wird, dass in Wildbeutergruppen der Abstand zwischen den Kindern etwa 5 bis 6 Jahre betragen haben muss, geht damit doch automatisch auch eine Form der Geburtenkontrolle einher und damit auch ein ziemlich gutes Wissen darüber, wie der Körper funktioniert inklusive Fruchtbarkeitszyklen, oder? Und wie stelle ich mir Menstruation in dieser Zeit vor, haben die Frauen damals nicht so stark geblutet? Und zieht Blut nicht fleischfressende Raubtiere an und wäre damit eine Gefährdung?

    Ich könnte mir vorstellen, dass die Fruchtbarkeit sich zumindest teilweise von selbst reguliert hat. So ist ja z.B. vor 150 Jahren auch die Menarche sehr viel später eingetreten als heute, und zwar nicht nur bei mangelernährten Frauen. In der Forschung ist von einer "sozialen Amenorrhoe" die Rede. Ist zwar reine Spekulation meinerseits, aber warum sollte dieser Mechanismus zu manchen Zeiten der Menschheitsgeschichte nicht auch nach den Geburten funktioniert haben? Also ich vermute, dass damals bei vielen Frauen nach einer Schwangerschaft die Fruchtbarkeit erst mit einigen Jahren Verzögerung zurück gekehrt ist.


    Hier der Stand der Forschung zum Thema Menarche: https://www.kindergynaekologie…mfeldes-damals-und-heute/

  • Ich finde das mit einem natürlichen Altersabstand von durchschnittlich 4-5 Jahren auch schwierig zu glauben, da bei mir nach beiden Schwangerschaft die Menstruation ab dem 5. Monat eingesetzt hat, obwohl ich beide Male bis 6 Monate vollgestillt und dann langzeitgestillt habe bzw. noch stille. Das mag vielleicht überdurchschnittlich früh sein, aber dass es damals im Durchschnitt 3-4 Jahre bis zur Fruchtbarkeit gedauert haben soll? Vielleicht gab es da wirklich gesellschaftliche Strategien zur Verhütung.