Invisible Women - Pharmazie-, Medizin-, Wirtschaftsfragen

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  • Die These ist nämlich, dass Medikamente gerade in Phase 1 in ihrer Wirkung getestet werden und dass auf diese Weise Medikamente, die bei Frauen wirken, bei Männern jedoch nicht, direkt aussortiert werden.

    Tut mir leid, das hatte ich falsch wiedergegeben. Habe nochmal nachgelesen: Das mit dem Aussortieren passiert vorher, wenn im Tierversuch (auch da: überwiegend männliche Mäuse) die Wirkung getestet wird.


    Wenn ich jetzt weiß, dass (in Phase 1) fast nur an Männern getetstet wird, wie das Medikament verstoffwechselt wird, wundert mich die ursprünglich überraschende Information, dass Schmerzmittel bei Frauen anders wirken, gar nicht mehr so sehr.


    Ich verstehe, warum das so ist. Aber irgendwie scheint "man" mit den Schultern zu zucken und zu sagen, "tja, was soll man da machen? Frauen sind zu kompliziert mit dem Zyklus und so und außerdem können sie schwanger werden. Da kann man nichts dran ändern".

    Eine andere Möglichkeit wäre zu sagen: "Das kann ja gar nicht sein, das ist ein Skandal und wir müssen Lösungen finden". Mir würden z.B. Gruppen von Frauen einfallen, die nicht schwanger werden können, obwohl sie nicht die Pille nehmen. Sterilisierte; partnerlose; lesbische (mal abgesehen von denen, die aktiv dran arbeiten ;)); zuverlässig mit anderen Mitteln verhütende.


    hierzu habe ich soeben diesen Beitrag gesehen:


    Neo Magazin Royale - Telelupe


    sehr erschreckend.

    Genau.


    Danke auf jeden Fall an alle!


    Weiß noch jemand was Schlaues zur die Herzinfarkt- oder die BSP-Frage beizutragen? janos - bist du nicht Ärztin? (oder trügt mich meine Erinnerung?)

  • Klar gibt es Gruppen von Frauen, die aus unterschiedlichsten Gründen auch ohne Verhütung nicht schwanger werden - aber wollen diese Gruppen alle an Medikamentenstudien teilnehmen, die ja auch immer ein gewisses Risiko mit sich bringen.

  • Das Herzinfarkte sich mannigfaltig äußern können ist mittlerweile denke ich schon allgemein bekannt, so dass vielleicht eher dran gedacht wird. Unabhängig davon, welches Geschlecht der Kranke hat.


    Wie groß die Geschlechterrolle bei der Entwicklung von Symptomen ist weiß ich nicht. Jedoch zeigen die geschilderten Symptome schon bei Menschen gleichen Geschlechtes eine derartig große streubreite (in Abhängigkeit von Vorerkrankungen, Bildungsniveau, Krankheitsverständnis), dass ich das Geschlecht jetzt nur als einen unter vielen Faktoren dabei betrachten würde.

  • Medizin

    Sie sagt, dass der Herzinfarkt zunächst andere als die (für Männer) "typischen" Symptome zeigt, dann aber auch im EKG anders aussieht und sogar bei Messungen, die den Verstopfungsgrad der Herz-Gefäße zeigen sollen, nicht erkannt wird, weil bei Frauen oft keine Verengung zu sehen ist. So, jetzt frage ich mich: Ist es denn dann ein Infarkt? Ich dachte immer "Infarkt = verstopfte Gefäße". Ist das nicht so?

    Danke, janos ! Mir geht es eher um o.g. Frage. Wie kann es sein (unabhängig von Mann oder Frau), dass man keine Verengung sieht? Und wenn man keine Verengung sieht - ist es dann überhaupt ein Infarkt? Oder was ist daran dann ein Infarkt?

    Klar gibt es Gruppen von Frauen, die aus unterschiedlichsten Gründen auch ohne Verhütung nicht schwanger werden - aber wollen diese Gruppen alle an Medikamentenstudien teilnehmen, die ja auch immer ein gewisses Risiko mit sich bringen.

    Vermutlich ist es generell schwer, Versuchspersonen zu finden (ich möchte auch keine sein). Aktuell brauchen die Unternehmen ja auch keine Mühe in die Suche nach entsprechenden Gruppen zu stecken, weil die Studien ohne diese Gruppen nicht als minderwertig angesehen sind. Gäbe es Vorgaben, dass Medikamente nur zugelassen werden könnten, wenn sie an 50% Männern und 50% Frauen getestet sind, würden sie die 50% bestimmt auftreiben können, auch wenn es dann eben eventuell länger dauern würde, bis die Tests abgeschlossen sind.

    Dazu kommt, dass die Ergebnisse meist nicht nach "Frauen" und "Männer" differenziert werden. Man könnte vielleicht auch jetzt schon "Frauen"-Daten haben, wenn man nur die, sagen wir mal, 30% Frauen-Ergebnisse separat auswerten würde. (Aber das ist nur meine Vermutung, ich weiß nicht, wie groß die Stichprobe dann wäre.)

  • Nochmal: In Studien wo es um die Wirksamkeit geht werden i.d.R. Frauen und Männer eingeschlossen. Und das Geschlecht ist nur einer von vielen vielen Faktoren, der unterschiedliche Wirkung eines Medikaments bedeuten kann. Alter, Ethnie, BMI, Begleitmedikamente, und ganz wichtig: Unterschiedliche Genvarianten von z.B. Enzymen bei der Verstoffwechslung.


    Und was das Schwangerwerden betrifft: Da muss man klar unterscheiden zwischen gut verhütend / abstinent / sterilisiert / Single vs "diese Frau kann biologisch kein Kind mehr bekommen (Hysterektomie/Menopause)". Wenn ich ein Pharmaunternehmen bin und ein Medikament mit unzureichender Datenlage zur Fruchtschädigung erstmals am Menschen teste, werde ich nicht das Risiko von Eventualitäten (Schwanger trotz Eileiterunterbindung oder nichteinvernehmlicher Verkehr oder lesbische Frau hat sich doch befruchten lassen) eingehen denn am Ende ist dann da immer die Schlagzeile "Contergan Teil 2: Behindertes Kind nach Medikamentenstudie".

  • Medizin

    Sie sagt, dass der Herzinfarkt zunächst andere als die (für Männer) "typischen" Symptome zeigt, dann aber auch im EKG anders aussieht und sogar bei Messungen, die den Verstopfungsgrad der Herz-Gefäße zeigen sollen, nicht erkannt wird, weil bei Frauen oft keine Verengung zu sehen ist. So, jetzt frage ich mich: Ist es denn dann ein Infarkt? Ich dachte immer "Infarkt = verstopfte Gefäße". Ist das nicht so?

    Danke, janos ! Mir geht es eher um o.g. Frage. Wie kann es sein (unabhängig von Mann oder Frau), dass man keine Verengung sieht? Und wenn man keine Verengung sieht - ist es dann überhaupt ein Infarkt? Oder was ist daran dann ein Infarkt?

    Warscheinlich meinen die die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie. Die macht Beschwerden wie ein Infarkt und Labor wie ein Infarkt und EKG wie ein Infarkt, aber es liegt eben keine Auffälligkeit der Herzkranzgefäße zugrunde. Davon sind vor allem Frauen nach der Menopause betroffen und man bekommt die Diagnose wohl nur durch eine Herzkatheteruntersuchung.


    Das wird auch der Grund sein, warum das Krankheitsbild erst vor einigen Jahren beschrieben wurde: die bessere Verfügbarkeit von apparativer Diagnostik. Heute gibt es in jedem größeren Krankenhaus ein herzkatheterlabor, so dass Patienten in großer Anzahl unkompliziert untersucht werden können.


    Das gilt auch für spezielle MRT oder originelle Labordiagnostik: solange das nicht flächendeckend verfügbar ist werden bestimmte Diagnosen eben nicht gestellt.


    Wieviel davon genderspezifisch ist weiß ich nicht. Es gibt wie gesagt neben dem Geschlecht so unglaublich viele Parameter, die allein schon die Anamnese beeinflussen und einen damit auf völlig falsche Pfade führen können, dass ich die geschlechterspezifische Medizin nicht als wichtiger ansehe als die altersspezifische oder ethnienspezifische.


    Es gibt ja auch Krankheiten, die vorwiegend Frauen betreffen und "trotzdem" gut erforscht sind. Migräne zB.

  • Danke, janos , das war die Art der Info, die ich mir erhofft hatte!

    Und das Geschlecht ist nur einer von vielen vielen Faktoren, der unterschiedliche Wirkung eines Medikaments bedeuten kann. Alter, Ethnie, BMI, Begleitmedikamente, und ganz wichtig: Unterschiedliche Genvarianten von z.B. Enzymen bei der Verstoffwechslung

    Ja, das habe ich auch oft gedacht beim Lesen des Buchs. Es gibt z.B. auch ein Kapitel über Crashtest-Dummies, die alle Männern eines bestimmten Gewichts und einer bestimmten Statur nachempfunden sind. Der Durchschnittsmann. Der trifft ja nicht nur auf die "durchschnittliche Frau" nicht zu, sondern auch auf den "durchschnittlichen adipösen Mann" oder vermutlich auch auf den "durchschnittlichen asiatischen Mann". Genauso wäre ein Crashtest-Dummie, der der "durchschnittlichen" Frau nachempfunden wäre, auch eben nur eine Normgröße, die Individuen nicht abbilden kann.

    Dann habe ich aber weiter gedacht, und überlegt, ob das bedeutet, dass die Forderung nach weiblichen Dummies (oder Testpersonen) daher irrelevant wäre und kam zum Schluss, dass das ja auch in die "Whataboutism"-Richtung geht: Ja, Frauen sind hier (im Durchschnitt) benachteiligt, außerdem auch: besonders Dicke , besonders Dünne, besonders schwache, besonders Muskelbepackte, solche mit Querschnittslähmung, ... . Heißt die Tatsache, dass diese Gruppen auch alle betroffen sind, ich dürfe nicht aus der weiblichen Perspektive argumentieren? Nein :)

    Eigentlich bedeutet die Erkenntnis, dass ganz ganz viele Faktoren bei der Medikamenten-Wirkung eine Rolle spielen, dass ein idealer Test die Diversität bestmöglich abbilden sollte. (ich stelle mir gerade vor, es käme heraus, dass - der besseren Vergleichbarkeit wegen - Medikamententests hauptsächlich an - sagen wir mal - Frauen zwischen 50 und 70 durchgeführt würden. Wäre die Akzeptanz so groß, wie wenn die Versuchspersonen Männer zwischen 20 und 40 sind?) Idealerweise wären die jeweiligen Stichproben so groß, dass man Unterschiede und damit individuelle (Dosis-)Empfehlungen feststellen bzw. aussprechen kann. Wenn die Stichproben nicht groß genug wären, hätten wenigstens alle beteiligten Gruppen die gleichen Vor- und Nachteile.

    Das ist nämlich auch noch ein Punkt. So sehr ich einsehe, dass man Normgrößen braucht (siehe Crashtest-Dummies), um z.B. die Vergleichbarkeit zu gewährleisten und weil man ja nicht alle möglichen individuellen Besonderheiten abdecken kann, so sehr ärgert mich, dass die Norm (fast) immer der Mann ist. Man kann das historisch erklären, aber muss es so bleiben? Oder: Sollte es so bleiben?


    So, Bruttosozialprodukt jemand?

    • Offizieller Beitrag

    janos ja, erst letztens etwas darueber gelesen. Es liegt wohl (unter anderem) daran, dass zunaechst einmal Frauen besser in Gedächtnistest sind als Maenner, wenn die Leistungen abfallen, dann faellt das im Vergleich zum auf den Mann geeichten Test erstmal nicht so auf.

  • janos ja, erst letztens etwas darueber gelesen. Es liegt wohl (unter anderem) daran, dass zunaechst einmal Frauen besser in Gedächtnistest sind als Maenner, wenn die Leistungen abfallen, dann faellt das im Vergleich zum auf den Mann geeichten Test erstmal nicht so auf.

    Das kommt mir ein bisschen schräg vor.... Haben Frauen generell bessere Gedächtnisleistungen? Ein höheres Bildingsniveau? Gehen sie früher zum Arzt? Differenzierte Tests lassen nach Geschlecht, Alter und Bildungsniveau unterscheiden.

    • Offizieller Beitrag

    janos, ich habe das vor einiger Zeit gelesen, ich kann gucken ob ich etwas finde, vielleicht erinnere ich mich auch falsch ;)


    https://eu.usatoday.com/story/…ference-study/3928618002/


    Da wird zumindest das erwähnt. Ich hatte da aber etwas ausführlicheres gelesen.

  • janos, ich habe das vor einiger Zeit gelesen, ich kann gucken ob ich etwas finde, vielleicht erinnere ich mich auch falsch ;)


    https://eu.usatoday.com/story/…ference-study/3928618002/


    Da wird zumindest das erwähnt. Ich hatte da aber etwas ausführlicheres gelesen.

    Den Artikel verstehe ich nicht. Für "mild cognitive impairment" gibt es gar keinen Konsens darüber, dass eine Therapie indiziert ist. Zugelassen ist keine.


    Die Kurztests, die in der Praxis gemacht werden, sind nicht mehr als ein grobes screeninginstrument. Eben weil sie viele Einflussfaktoren haben und schlecht differenzieren. Auch das betrifft aber nicht vor allem Frauen, sondern alle Menschen mit Komorbiditäten. Deshalb sollen davon keine Diagnosen abgeleitet werden und verlaufskontrollen gemacht werden.


    Interessant wäre zu wissen, ob Männer eher darauf pochen, mediziert zu werden, während Frauen sich eher auf Verlaufskontrollen einlassen

    • Offizieller Beitrag

    janos, ich habe den original-Artikel nicht mehr gefunden, der ging da noch etwas mehr auf die Details ein. Klar, mag das alles nicht so stimmen, aber was, wenn doch? Ist das nicht ein weiterer Puzzlestein, wo Frauen eben doch anders funktionieren und demnach auch vom medizinischen Standpunkt aus anders zu bewerten sind? Mein Mann bekommt als Asiate auch immer alles mögliche zu hoeren, wie er hoeheres oder niedrigeres Risiko fuer dies oder das hat.


    Hier wird es noch einmal etwas ausführlicher erklärt, was die Studie herausfand und warum es schlecht ist, wenn Alzheimers in Frauen erst spaeter diagnostiziert wird: https://www.forbes.com/sites/n…t-on-alzheimers-in-women/


    Aber ich verstehe, dass du da vielleicht mehr Hintergrundserfahrungen hast :)

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    Pierre Marc Orlan


    If something won't matter in 5 years, don't waste more than 5 minutes worrying about it now.

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  • ich finde es auch kreuzverkehrt, alle über einen Kamm zu scheren. Es wäre sehr wünschenswert, wenn alle Menschen individuell gesehen werden, da stimme ich dir völlig zu.


    Gerade bei diesen frühen demenzgeschichten kommen so viele Faktoren zusammen, viele psychiatrische Komponenten, viele Nebenwirkungen und ganz oft ein "nicht alt werden können".


    Die screeningtests sind einfach für eine gute Diagnostik nicht geeignet und haben einen ordentlichen deckeleffekt. Das betrifft v.a. besser Gebildete, Männer und Frauen.


    Ich habe neulich so eine Studie gelesen, in der postuliert wurde, dass nicht-weiße in den USA-hospitälern schlechter behandelt werden. Die haben da einen Algorithmus, der ihnen sagt, wer am kränksten ist. Ein Wert, der einfließt ist, wie häufigim Vorfeld das Gesundheitssystem genutzt wurde. Nachdem das weiße Menschen anscheinend häufiger tun (bessere Versicherung?) wurden die schneller behandelt.


    Ist finde ich auch ein Beispiel für eine verzerrte Wahrnehmung, die nicht dadurch ausgeglichen wird, nicht-weißen pauschal drei Punkte mehr zuzuordnen. Sondern man müsste sich eher fragen, woher der bias kommt

  • Solch populäre, pauschalisierende Artikel entsprechen oft nicht ganz den Tatsachen, wobei diese Mischung aus Wahrheit und Lüge gerade so realitätsverzerrend wirkt.


    Wie Medikamente entwickelt werden, da kenne ich mich nicht aus, aber was medizinische Studien angeht, möchte ich mich meinen Vorrednerinnen anschließen. Patientenkollektiv wird anhand mehrerer Kriterien ausgesucht und schließt beide Geschlechter ein. Bei der Menge an Studien, die zu allen möglichen Themen an beiden Geschlechter durchgeführt werden, wäre es mit Sicherheit aufgefallen, wenn Frauen konsequent andere Ergebnisse liefern würden. Da bringt ethnische Zugehörigkeit zum Beispiel deutlich mehr Stoffwechselunterschiede.


    Tatsächlich ist es bekannt und ein Lehrbuchstoff, dass Frauen bei Herzinfarkt oft unspezifische Symptome aufweisen. Jedoch sagt meine persönliche klinische Praxis, dass individuelle Unterschiede in der Realität relevanter sind.


    Was ich zum Thema beisteuern kann, vor etwa 11 Jahren wurde eine relativ große Studie aus Deutschland publiziert, in der rausgekommen ist, dass bei gleichen Symptomen und gleich äem klinischen Zustand bei Männer öfter invasive weiterführende diagnostische Maßnahmen ergriffen wurden und invasive therapeutische Maßnahmen zum Einsatz kamen. Die gute Nachricht: Outcome war gleich#cool.


    (Damals hat es vielmehr die Diskussion ausgelöst bzw. angeheizt, ob die und jene Maßnahmen überhaupt sinnvoll sind. )


    Professionell Kamm ich über Bruttosozialprodukt nicht sprechen. Aber persönlich finde ich schon diesen Blickwinkel völlig frauenfeindlich. Warum wird selbstverständlich angenommen, dass die ganze unbezahlte Care-Arbeit durch Frauen erledigt wird? Da finde ich, müssen wir uns alle dafür einsetzen, diese gleichmäßig auf Frauen- und Männerschulter zu verteilen.


    Ich empfinde meinen Beruf deutlich leichter zu bewältigen, als die ganze Haushalts- und Elterntätigkeiten. Warum müssen Frauen das Schwerste erledigen? Das ist meines Erachtens eher Wert, daran zu arbeiten und es konsequent zu ändern.

  • Wieviel davon genderspezifisch ist weiß ich nicht.

    In dem Buch, also speziell in dem Kapitel über die Medizin, steht dazu auf der einen Seite, dass diese Frage tatsächlich oft nicht untersucht ist. Z.B. waren in 31 "landmark trials", also wichtigen Untersuchungen, zur Herzinsuffizienz von 1987-2012 (nur) 25% der Teilnehmer*innen Frauen (S. 200).

    Auf der anderen Seite steht da, dass Frauen (in UK) mit 50-60% höherer Wahrscheinlichkeit eine Fehldiagnose erhalten, wenn sie sich mit Herzinfarkt vorstellen. Einerseits weil sie "atypische" Symptome zeigen (was die Autorin nicht gut findet; also die Bezeichnung als atypisch, wenn es doch für Frauen eher typisch ist, die männlichen Symptome nicht zu zeigen), was dazu führt, dass die Gefährlichkeit nicht erkannt wird. (S. 219)

    In UK ist es wohl so, dass "akute Schmerzen im Brustkorb" ein Kriterium sind, das zur Überweisung in spezialisierte Herzzentren führt. Da Frauen die oft nicht haben, werden sie seltener diesen Herzzentren zugewiesen, und bekommen keine adäquate Versorgung. (S. 219)

    Hier eine ihrer Quellen (League of European Research Univsities), auf Seite fünf (des PDF) bzw. Seite 8 (des Dokuments) im gelben Kasten steht etwas zur Genderspezifität von Herzinfarkten.

    (Auf der gleichen Seite übrigens auch was zu den Crashtest-Dummies.)

    Wie Medikamente entwickelt werden, da kenne ich mich nicht aus, aber was medizinische Studien angeht, möchte ich mich meinen Vorrednerinnen anschließen. Patientenkollektiv wird anhand mehrerer Kriterien ausgesucht und schließt beide Geschlechter ein. Bei der Menge an Studien, die zu allen möglichen Themen an beiden Geschlechter durchgeführt werden, wäre es mit Sicherheit aufgefallen, wenn Frauen konsequent andere Ergebnisse liefern würden. Da bringt ethnische Zugehörigkeit zum Beispiel deutlich mehr Stoffwechselunterschiede.

    Auch hier die Antwort aus dem Buch: Während in Phase 2 und 3 der Tests der Frauenanteil bei ca 50% liegt, sind es in Phase 1 22% Frauen. Die Autorin findet das sehr relevant, da die zweithäufigste unerwünschte Medikamentenwirkung bei Frauen sei, dass eben keine Wirkung eintritt, während das Medikament bei Männern wirkt. Der Umkehrschluss laut der Autorin: Wenn es Medikamente gibt, die bei Männern wirken, bei Frauen aber nicht, gibt es bestimmt auch Medikamente, bei denen das andersherum auch der Fall ist, die aber - weil sie in Phase 1und in den Präklinischen Studien zu 80% an Männern (bzw. männlichen Zellen und Tieren) getestet werden - möglicherweise gar nicht in Phase 2 kommen.

    Und- weil die Verstoffwechslung hauptsächlich an Männern getestet wird (Phase 1), wird auch die Dosierung an Männer angepasst. Die Autorin hält das für einen Hauptgrund, warum Frauen mehr Nebenwirkungen haben (S. 214).


    Und - siehe oben - das fällt leider nicht "mit Sicherheit" auf, wenn die Daten a) nicht nach Frauen und Männern getrennt analysiert werden oder b) der Frauenanteil der Stichprobe zu gering ist. Ein Beispiel, das die Autorin bringt, sind Untersuchungen zu CRT-D (ich weiß nicht, wie das auf deutsch heißt, eine Art implantierter Mini-Defi), an denen Frauen zu 20% beteiligt waren. Die einzelnen Untersuchungen ergaben keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wenn man aber alle Untersuchungen zusammennimmt (und damit die Zahl der Frauen erhöht), stellt man wohl fest, dass der Zeitpunkt des Auslösens des Defi für Frauen zu spät kommt. (S. 209). Jetzt weiß man das offenbar (ob es auch was an den Einstellungen geändert hat, weiß ich natürlich nicht), aber selbstverständlich ist das nicht.

  • Liebe Hella,


    Wenn Dein Buch seriös recherchiert ist, gibt es da bestimmt Literaturverzeichnis. Die Behauptung, Frauen haben mehr Medikamentennebenwirkzngen, ist sehr ernst, dazu müssen Quellen angegeben werden. Kannst Du mir bitte die Quellen, die im Buch angegeben sind, verraten? Dazu würde ich mich selbst gerne informieren.

  • Gerne. Bin gespannt, was deine Prüfung ergibt:


    Herzrhythmusstörungen als Nebenwirkung häufiger bei Frauen

    Soldin et al Sex Differences in Drug Disposition Journal of Biomedicine and Biotechnology, 2011:187103

    Anderson Sex And Racial Differences In Pharmacological Response: Where is the Evidence? Journal of Women's Health, 2005, 14:1


    allgemein verschriebene Bluthochdruckmedikamente senken die Sterblichkeit bei Männern, steigern die herz-kreislauf-bedingten Todesfälle bei Frauen

    Schiebinger Women's Health and Clinical Trials The Journal of Clinical Investigation, 2003, 112(7): 973–977


    manche HIV-Medikamente verursachen 6-8x wahrscheinlicher unerwünschte Wirkungen bei Frauen

    Whitley and Lindsey 2009 (leider nicht genauer)


    FDA-Datenbank von 2014: Frauen doppelt so viele Nebenwirkungen wie Männer (FDA=Food and Drug Administration)

    Sie gibt diesen Zeitungsartikel als Quelle an, wo man aber auch die FDA-Grafen sieht.


    Eine große Zahl von Medikamenten und medizinischen Geräten wurden von der FDA vom Markt genommen, die für Frauen größere Gesundheitsgefahren bargen

    Carey et al Drugs and Medical Devices: Adverse Events and the Impact on Women's Health Clinical Therapeutics, 2017, 39:1

  • das sind interessante Beobachtungen, ist echt spannend.


    Manches wirkt aber verzerrt , zb der Artikel mit den Nebenwirkungen, die bei Frauen doppelt so häufig seien wie bei Männern. Wenn es so ist, dass bei den Frauen die Mehrzahl durch die Patientinnen selbst gemeldet wird, während es bei Männern vor allem deren Ärzte oder Rechtsanwälte (!) sind stellt das doch eine ganz andere Datenbasis dar? Wollten die Männer das nicht melden? Waren sie zu blöd dafür? Haben sie keinen Zusammenhang zur Einnahme gesehen?


    Dass die Diagnostik bei den Leitsymptomen "Übelkeit, Schwäche, vermehrtes Schwitzen" eher in andere Richtungen, zb abdomineller Erkrankungen geht kann ich mir vorstellen. Wäre interessant, ob Frauen zb häufiger abdominelle Diagnostik bekommen als Männer.