Nachteile Hauptwohnsitz Kind beim Vater?

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  • Hallo,


    Mein Mann und ich wollen uns scheiden lassen und nun tauchen zahlreiche Fragen auf. Einiges konnte ich durchaus schon klären aber in vielen Fragen bin ich ratlos.


    Also hier die Eckdaten: -

    - seit 2012 verheiratet,

    - ich deutsch, er niederländisch

    -ein Kind von 11 Jahren (2008)

    -Eigentumswohnung (75 qm, 4 Zimmer), die allerdings nur mir gehört, vor der Ehe gekauft, vollständig abbezahlt, keine Schulden.


    -Ich arbeite Vollzeit ( netto 1770 €, Stklasse III),

    -mein Mann hat keine Arbeit, ist langzeitkrank und in der Erwerbsminderung (vollständig), erhält aber keine Rente.


    Bis vor 3 Monaten habe ich ALG II bezogen, da ich eine Umschulung gemacht habe und mein Mann hat Sozialgeld bezogen. Nun leben wir von meinem Einkommen, seit September 2019.


    Mein Mann möchte nun ausziehen und Sozialhilfe beantragen, bzw. er hat wohl den Antrag schon gestellt. Wir streben das Wechselmodell an, sind uns aber noch nicht ganz einig über die Zeiten. Er möchte, dass unser Kind seinen Hauptwohnsitz in seiner Wohnung erhält, damit er vom Sozialamt eine große Wohnung erhält. Er behauptet, er bekommt sonst kein Zimmer für das Kind. Meine Recherche hat aber ergeben, dass dies eventuell für mich ein Nachteil sein kann, da ich sonst kein Kindergeld erhalten werde und somit weniger Unterhalt für das Kind und umso mehr Unterhalt für ihn zahlen muss. Ist das richtig?


    Des Weiteren, wenn ich in der Wohnung bleibe, wie berechnet sich dann der Wohnvorteil (wohnwert?)? Und wie wirkt sich das auf mein Einkommen aus. Also ich habe auf einer Homepage im Netz gelesen, dass im Trennungsjahr der Mangelfall eintritt und ich auf jeden Fall den Selbstbehalt zur Verfügung habe. Aber was ist nach der Scheidung? Stehe ich dann schlechter da und muss unter Umständen die Wohnung verkaufen oder gilt hier auch der Mangelfall?


    Was ist mit der Krankenkasse? Er ist über mich Familienversichert. Muss ich ihm diese nach der Scheidung finanzieren?


    Und wie lange werde ich für Ihn Unterhalt zahlen müssen, wenn er weiterhin nicht arbeiten kann/will?


    Wird das Sozialamt den Unterhalt bei mir einfordern? Womit muss ich hier rechnen?


    Kann ich bei meinem Gehalt auch irgendwo finanzielle Hilfen bekommen? Ich habe durch den ALgII Bezug nichts ansparen können, um hohe Anwaltsrechnungen zu bezahlen.


    Da ich Vollzeit arbeite behauptet er, ich könne mich nicht genug um das Kind kümmern, was zwar m. E. nicht stimmt, jedoch könnte ich auch meine Stunden auf der Arbeit reduzieren. Aber darf ich das überhaupt ? Dann würde ich ja auch weniger verdienen und mache ich mich damit strafbar?


    Ich habe Tausend Fragen aber in erster Linie kommt es mir auf die Frage mit dem Hauptwohnsitz an, da er mich hier unter Druck setzt und eine Entscheidung verlangt. Wenn er meine Zusage in dem Fall nicht erhält, wird er vermutlich nicht freiwillig ausziehen. Ich möchte aber sicher sein, dass es wegen des Wohnvorteils und des Kindergelds für mich kein Nachteil sein wird, bzw. ich habe auch Sorge, dass ich die Wohnung verkaufen muss.


    Vielen Dank im Voraus , hoffe sie haben die eine oder andere Antwort für mich

  • Liebe Fragestellerin,


    vorausschicken möchte ich, dass ich zusammengefasst einer Ummeldung des Kindes nicht zustimmen würde, insbesondere nicht, weil der Vater schon jetzt andeutet, dass er das Wechselmodell anzweifelt (weil sie angeblich nicht genügend Betreuung leisten können). Sie sind nicht verpflichtet zuzustimmen und wenn man sich nicht einigt, bleibt der bisherige Wohnsitz des Kindes Hauptwohnsitz. (BVerwG, Urteil vom 30.09.2015, 6 C 38.14)


    Mein Mann möchte nun ausziehen und Sozialhilfe beantragen, bzw. er hat wohl den Antrag schon gestellt. Wir streben das Wechselmodell an, sind uns aber noch nicht ganz einig über die Zeiten. Er möchte, dass unser Kind seinen Hauptwohnsitz in seiner Wohnung erhält, damit er vom Sozialamt eine große Wohnung erhält. Er behauptet, er bekommt sonst kein Zimmer für das Kind. Meine Recherche hat aber ergeben, dass dies eventuell für mich ein Nachteil sein kann, da ich sonst kein Kindergeld erhalten werde und somit weniger Unterhalt für das Kind und umso mehr Unterhalt für ihn zahlen muss. Ist das richtig?


    Die Zuteilung der Wohnungsgröße hängt nicht davon ab, ob das Kind mit Hauptwohnsitz bei Ihrem Mann gemeldet ist. Auch bei nur Ausübung des Umgangs kann eine größere Wohnung zugeteilt werden, das kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an und ist eine Ermesensentscheidung, gegen die im Zweifelsfall geklagt werden muss.


    Das Kindergeld wird an denjenigen ausgezahlt, bei dem das Kind gemeldet ist, bei paritätischem Wechselmodell hat dann der andere Anspruch auf Auszahlung eines Viertels des Kindergeldes (also die Hälfte der Hälfte, die gedanklich der Betreuung zugeordnet ist) und bei Vorliegen der Vorausetzungen (da geht es um unterschiedlich hohe Einkommen, Gesamtausgleich im Unterhalt) auf Azuszahlung des weiteren Viertels. Wenn das Kind also bei Ihnen gemeldet ist, bekommen sie das Kindergeld und können es hälftig auskehren, wenn das Kind beim Vater gemeldet ist, bekommt er es ausbezahlt und sie müssen ihren Anteil im Zweifel erstreiten und eine Kürzung hinnehmen.


    Den Schluss, dass Sie mehr Unterhalt an ihn bezahlen müssen, wenn Sie weniger Geld für das Kind bekommen, verstehe ich allerdings nicht.

    Des Weiteren, wenn ich in der Wohnung bleibe, wie berechnet sich dann der Wohnvorteil (wohnwert?)? Und wie wirkt sich das auf mein Einkommen aus. Also ich habe auf einer Homepage im Netz gelesen, dass im Trennungsjahr der Mangelfall eintritt und ich auf jeden Fall den Selbstbehalt zur Verfügung habe. Aber was ist nach der Scheidung? Stehe ich dann schlechter da und muss unter Umständen die Wohnung verkaufen oder gilt hier auch der Mangelfall?


    Ihr Einkommen wird bei gedanklich zumutbarer Vermietung Ihrer Wohnung um den objektiven Wohnwert (erzielbare Miete) fiktiv erhöht und dann dieses Einkommen der Unterhaltsberechnung zugrundegelegt. Wenn eine Vermierung nicht denkbar oder zumutbar ist, dann wird stattdessen Ihr Selbstbehalt um die ersparten Mietkosten herangesetzt.


    Man müsste den objektiven Wohnwert kennen und die näheren Unstände, um das einschätzen zu können aber grundsätzlich dürfte bei Ihrem Einkommen dadurch kein Magelfall entstehen, denn Sie sparen ja die Miete tatsächlich ein.


    Ich kann mir auch keinen Umstand vorstellen, der Sie aufgrund der Unterhaltszahlung zum Verkauf der Wohnung zwingen würde, Sie sind nicht verpflichtet, den Bestand Ihres Vermögens für den Unterhalt einzusetzen.


    Was ist mit der Krankenkasse? Er ist über mich Familienversichert. Muss ich ihm diese nach der Scheidung finanzieren?


    Ihr Mann bleibt bis zur rechtskräftigen Scheidung mit in der Familienversicherung, danach wird er entweder über die ARGE versichert oder über eine eigene Tätigkeit.

    Wird das Sozialamt den Unterhalt bei mir einfordern? Womit muss ich hier rechnen?


    Ja, die ARGE wird Sie wegen Unterhaltszahlungen anschreiben, wenn Ihr Mann dort einen Antrag auf Hilfen stellt. Die konkrete Unterhaltsberechnung führt hier zu weit. Sie können sich unter diesem Link einen Überblick verschaffen.


    Kann ich bei meinem Gehalt auch irgendwo finanzielle Hilfen bekommen? Ich habe durch den ALgII Bezug nichts ansparen können, um hohe Anwaltsrechnungen zu bezahlen.


    Insbesondere aufgrund der lastenfreien Immobilie gehe ich davon aus, dass Sie keinen Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe haben werden. Sie können hier Ihre Werte eingeben und sich einen Überblick verschaffen. https://www.pkh-rechner.de/


    Wenn die Scheidung tatsächlich hohe Kosten verursacht, müssen Sie evtl. einen Kredit aufnehmen, durch die Immobilie können Sie ja eine Sicherung anbieten. Die Darlehensbelastung mindert i übrigen ihr unterhaltsrelevantes Einkommen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass eine Wertsteigerung der Immobilie während der Ehe und auch sonstige Vermögenszuwächse oder Schuldentilgung dem Zugewinnausgleich unterfallen, es kann also durchaus sein, dass Ihr Mann bei Scheidung einen Zugewinnausgleichsanspruch hat, den Sie auszahlen müssen, auch hier kann eine Kreditaufnahme notwendig werden oder ggf. ein Verkauf der Immobilie.

    Da ich Vollzeit arbeite behauptet er, ich könne mich nicht genug um das Kind kümmern, was zwar m. E. nicht stimmt, jedoch könnte ich auch meine Stunden auf der Arbeit reduzieren. Aber darf ich das überhaupt ? Dann würde ich ja auch weniger verdienen und mache ich mich damit strafbar?

    Sie machen sich damit keinesfalls strafbar. Sollte die Trennungssituation tatsächlich erfordern, dass Sie Stunden reduzieren, um ihr Kind angemessen zu betreuen, dürfe Sie das. Ich sehe hier aber bei einem 11jährigen Kind keinen entsprechenden Anlass.


    Sie sollten (auch zur vermeidung von Anwaltskosten) versuchen, ob sie sich nicht mit dem Vater auf eine schriftliche Betreuungsregelung einigen können. Sie finden hier http://www.elternvereinbarung.de/muster_2.php Erläuterungen und am Ende der Seite zwei Vorschläge für eine Vereinbarung.


    Und wie lange werde ich für Ihn Unterhalt zahlen müssen, wenn er weiterhin nicht arbeiten kann/will?

    Eine detaillierte Auseinandersetzung zu dieser Frage finden Sie bei diesen Kollegen https://www.kanzlei-hasselbach…-krankheit/09/#befristung


    Wenn ihr Mann tatsächlich nachweisbar dauerhaft erwerbsunfähig bleibt, ist eine zeitliche Begrenzung oder Herabsetzung des Unterhaltes dann möglich, wenn der Unterhalt sonst unangemessen wäre, dabei spielt der Einfluss der Ehe auf die Krankheit und die Dauer der Ehe eine Rolle. Ihr Mann ist aber umfassen beweispflichtig im Hinblick auf den Bestand der Krankheit, seine tatsächliche Erwerbsum´nfähigkeit und deren Umfang und seine Therapiebemühungen. Kann er diesen Nachweispflichten nicht nachkommen, entfällt der Unterhalt wegen Krankheit, evtl. wird dann auch beim Wechselmodell aber noch Betreuungsunterhalt geschuldet, mit steiegendem Alter des Kindes wird dies aber unwahrscheinlicher. auch befristeter Aufstockungsunterhalt kommt dann in betracht aber dies ist an den konkreten Umständen zu beurteilen und letztlich immer einer Einzelfallentscheidung des Gerichtes.


    Ich hoffe, Sie haben nun erstmal einen Überblick. Melden Sie sich gerne wenn noch Fragen offen sind oder neue Fragen auftauchen.


    Beste Grüße

    Bettina Simon

  • Liebe Frau Simon,


    vielen lieben Dank für Ihre ausführliche Antwort. Es hat mich erstmal in dem Gedanken bestärkt, meinem Mann vorerst nicht zuzustimmen, bei der Idee den Hauptwohnsitz bei ihm anzumelden. Dazu bräuchte ich dann noch mehr Infos. Ich werde wohl einen Anwalt aufsuchen, zumal ja auch das Sozialamt oder Jobcenter auf mich zukommen wird, dafür würde ich aber gerne ausreichend gerüstet sein, daher habe ich noch ein paar Fragen.

    Den Schluss, dass Sie mehr Unterhalt an ihn bezahlen müssen, wenn Sie weniger Geld für das Kind bekommen, verstehe ich allerdings nicht.

    Ich meine das so: Wenn ich zunächst den Unterhalt für das Kind abziehe von meinem Netto- Gehalt (ohne Wohnvorteil gerechnet), dann bleiben ca. 1770-ca.330= 1440, und davon müsste ja der Ehegattenunterhalt berechnet werden, also 3/7 von 1440=617, das dann wiederum abgezogen , ergibt deutlich weniger als der Selbstbehalt von 1280 € und somit kann darf der Wohnwert nicht so hoch angerechnet werden. Weil der Mangelfall eintritt. Ist das so richtig? Zumindest während des Trennungsjahres ist das so, oder? Würde er das Kindergeld erhalten, müsste ich ihm ja deutlich weniger Unterhalt für das Kind zahlen und somit fällt das Netto-Gehalt von dem der Ehegattenunterhalt berechnet wird höher aus und ich müsste mehr an ihn zahlen, aber wegen Mangelfall behalte ich trotzdem 1280. So, nach der Scheidung kann der Mangelfall nicht mehr berücksichtigt werden und der Wohnwert wird in voller Höhe auf mein Einkommen fiktiv drauf gerechnet. Also z.B 1770+700 =2470, dann minus Kindesunterhalt =2140 und minus Ehegattenunterhalt von ca 900 € blieben nur noch 1770 -330-900=540 € übrig, weil nach der Scheidung kein Mangelfall mehr gilt und man davon ausgeht, dass man allein oder zu zweit keine 4 Zimmer Wohnung mehr braucht und der Selbstbehalt in dem Fall sinken kann. Ich hoffe, Sie verstehen was ich meine. Mir ist klar, dass das nur eine oberflächliche Rechnung ist, und noch ganz viel abgezogen oder hinzugerechnet werden könnte und ein Profi das berechnen muss. Meine Frage ist nur: Kann es mir in irgendeinem Fall passieren, dass mir netto von meinem Gehalt jemals weniger als 1280 € bleiben?


    noch ein Gedankenspiel: ich könnte mit meinem Freund zusammenziehen und er könnte über das Sozialamt eine kleine Wohnung erhalten und das Kind bleibt in der Wohnung, die ich weiterhin zahle und wir leben das Nestmodell, wie würde man in diesem Fall den Unterhalt berechnen, wenn ich meinem Freund ein wenig Miete zahle und noch die Eigentumswohnung unterhalte , in der wir dann aber beide abwechselnd leben und das Kind betreuen?

    Wenn eine Vermierung nicht denkbar oder zumutbar ist, dann wird stattdessen Ihr Selbstbehalt um die ersparten Mietkosten herangesetzt.

    Diesen Satz verstehe ich nicht.


    Vielen Dank nochmal


    Liebe Grüße


    Alias

  • Meine Frage ist nur: Kann es mir in irgendeinem Fall passieren, dass mir netto von meinem Gehalt jemals weniger als 1280 € bleiben?

    Ja, weil hier der Wohnvorteil als fiktiver Einkommenbetandteil mitgerechnet wird oder wenn die Vermietung faktisch nicht zumutbar ist, der Selbstbahlt um die ersparte Miete abgesenkt wird.


    Eine Vermietung ist z.B. dann nicht zumutbar, wenn im Ergebnis die Immobilie verkauft werden soll und die vermietung den Verkauf erschweren würde.


    Wenn sie sich zum Wohnvorteil in den verschiedenen Konstellationen genauer einlesen möchten habe ich hier den Link zu einem Kollegen:


    https://www.michaelbertling.de…altsrecht/wohnvorteil.htm


    Ihr Annahmen zum Mangelfall sind nicht richtig, es gibt ihn während der Trennung ebenso wie nach der Scheidung, aber der Wohnvorteil wird während der Trennung anders gewichtet als nach der Scheidung.


    Das Kindergeld ist kein Einkommen der Eltern sondern das des Kindes und wird auch nur beim Kindesunterhalt angerechnet!


    Wenn sie sich im Nestmodell die Wohnung zur Nutzung 50/50 teilen, fällt rechnerisch für sie kein Wohnvorteil an. Diese Lösung ist aber so selten, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass die ARGE bei Berechnung seiner Unterhaltsansprüche da zumindest Nachfragen hat. Aber letztlich wäre es auch logisch: die ARGE muss nur eine kleine Wohnung finanzieren und keine, die auch groß genug für 50% Aufenthalt des Kindes ist, dafür zahlen Sie weniger Barunterhalt an ihren Mann.


    VG

    Bettina Simon