Körperwelten mit Vorschulkind?

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  • Ich habe das jetzt tatsächlich für das Kind erstmal nur aus rein wissenschaftlicher Perspektive betrachtet.

    Der ist da halt wirklich mega interssiert an Anatomie (der spielt im Kindergarten auch mal Uterus und Eizelle) und fände das sicher spannend.


    Aber ihr habt recht mit dem ethischen Aspekt und wir werden es lassen, evtl. ffassen wir es später nochmal ins Auge, wenn er älter ist und die Hintergründe besser einschätzen kann.

    Und ich mir dazu eine Meinung gebildet habe.

    Der Papa ist sowieso strikt dagegen aus Euren genannten Gründen.


    Vielen Dank!

  • Dann setzen wir auch einen echten krebskranken in eine Ausstellung? Oder lassen Menschen Gefängnisse besichtigen, um echte kriminelle betrachten zu können?


    Objekte und meinetwegen auch Tiere kann man gerne von allen Seiten betrachten. Aber doch nicht Menschen?


    Ich fürchte vor allem, dass bei vielen Besuchern der "Thrill" das leitende Motiv ist und nicht ein wie auch immer geartete wissenschaftliches interesse: "Boah, guck mal, eine echte Leiche!" Unterscheidet sich für mich nur gering von der Motivation der Gaffer am Unfallort.


    Den leichen im Anatomiekurs wird da mit sehr viel mehr Ehrfurcht begegnet, obwohl da ja alle nur dran rumschnippeln damit sie was lernen.

  • Andererseits, Modelle kann man anfassen. Und gerade in der Anatomie des Bewegungsapparates ist das ausprobieren hilfreich weil immer mehrere Muskeln zusammen spielen.

    Es gibt auch diese anatomischen Torsi in denen die Bauch und Brust Organe wie ein Puzzle angeordnet sind ( zum rausnehmen).

    Ich glaube es gibt erheblich bessere Alternativen um sich die Funktionsweise des menschlichen Körpers zu erschließen.

    Als ich meinem damals neunjährigen Neffen mein "Skelett" (Lebensgroße Fotos eines Kunststoffskelett mit anatomischen Beschriftungen) mitgebracht habe, stach dieses "Geschenk" etliche andere teure Geschenke aus. Und es war eigentlich nur ein "vielleicht hat er ja Spass dran, hier liegt's nur noch rum und gehört eigentlich ins Altpapier" Mitbringsel .Daher, ich würde das Interesse an Anatomie Ernst nehmen, aber ernst bedeutet eben auch die Würde des Menschen zu achten.und die endet nicht mit dem Tod.

    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

    • Offizieller Beitrag

    Ich kann Dir versichern, dass "boah, eine echte Leiche" bei den wenigsten Besuchern die übliche Reaktion ist. Ich denke, Du unterschätzt die Reflektionsfähigkeit von Museums/Ausstellungsbesuchern (jeglichen Alters übrigens, Kinder und Jugendliche sind da echt sehr spannende Gesprächspartner).


    Edit:

    Schokojunkie: echte Exponate auszustellen, bedeutet ja nicht, dass man nicht zusätzlich Modelle verwendet.


    Das Schöne an anatomischen Museen ist ja, dass man da hin kann, wenn man möchte - oder es eben bleiben lässt.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Würde man die Besucher fragen, würde natürlich jeder sagen, dass es nur darum geht, dass man "in echt" zu sehen, weil es interessiert, wie was funktioniert


    Ich denke jedoch, dass es nicht diese Motivation ist, die 50 Millionen Menschen in Ausstellungen treibt....


    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass da überhaupt Interesse an anatomischen Zusammenhängen und Körperfunktionen überhaupt bei so vielen Menschen besteht.

  • Ich fand die Ausstellung damals in München sehr interessant und würde auch in Beröin rein gehen.

    Aber wohl nicht mit meinen Kindern, die Tochter ist sensibel, der Kleine zu klein.


    Was das Thema „Leichen ausstellen“ angeht:


    Seht ihr euch in Museen keine Mumien oder andere, irgendwo ausgegrabene Exponate an? Ötzi ist eine Leiche.

    Jedes Dinoskelett ist, grob gesehen, eine Leiche.


    Und warum scheint es in Ordnung, wie oben vorgeschlagen, tote Tiere aufzuschneiden, wenn man es unbedingt wissen will, anstatt in diese Ausstellung zu gehen? Die Tiere haben sicher keine Einverständniserklärung abgegeben, anders als die Verstorbenen, die in diesen Ausstellungen gezeigt werden.


    Versteht mich nicht falsch, ich möchte niemanden überreden, sich etwas anzusehen, was einen schaudert. Das muss nicht.

    Aber ich möchte ein Nachdenken darüber anstoßen, warum uns das eine anpiekst und das andere nicht?

    • Offizieller Beitrag

    Nochmal, ich bin kein Hagen-Fan und würde seine Ausstellungen nicht besuchen.


    Die Absolutigkeit, mit der Du, Janos, anatomische (bzw menschliche) Ausstellungsobjekte per se ablehnst, kann ich nicht teilen. Wäre bei meinem beruflichen Hintergrund auch etwas schwierig.

    Und eben, da ich tagtäglich mit Menschen in Ausstellungen zu tun habe, teile ich auch Deine pessimistische Sicht auf deren Motivation nicht.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Wir waren in München in dieser Ausstellung, zusammen mit den Kindern, und zwar im Rahmen einer speziell auf Kinder ausgerichteten Einzelführung, die ich in einem Käseblättchen gewonnen hatte. Das war sehr gut gemacht, einzelne Bereiche der Ausstellung wurden ausgelassen und die anderen sehr empathisch und kindgerecht erklärt.

    Die Kinder waren damals aber schon deutlich älter, 15 und 11.

  • Stellt ihr auch Leichen aus? Bzw habt ihr Ausstellungen, bei denen ausschließlich Leichen inszeniert werden?


    Ich denke, es macht einen gewaltigen Unterschied, ob es meinethalben um die alten Ägypter geht und unter verschiedenen Aspekten Schmuck, Werkzeuge, Möbel, Geschirr und dann eben auch bestattungsriten gezeigt werden.


    Oder ob jemand etwas konzipiert, wo nur Leichen in unterschiedlicher Aufbereitung ausgestellt werden.


    Ich könnte mir zB so was naturwissenschaftliches vorstellen, wo es eine Ausstellung zum Blutkreislauf geht: da gibt es verschiedene Zellen, Modelle des gasaustausches oder was auch immer. Und dann steht da irgendwo auch noch ein anatomisches Präparat, an dem Arterien rot und Venen blau sind. Dahinter steht ein komplett anderes Konzept, in dem diese eine Leiche anders "gewürdigt" wird.


    Auch da fände ich ein plastikmodell ausreichend, aber hätte nicht gleich das Gefühl der Wir-gehen-leiche-gucken-motivation.

  • Ich würde meinen Körper durchaus für sowas zur Verfügung stellen, insofern hab ich ethisch kein Problem damit.


    Meine Große hätte das mit 6 problemlos gemacht, die Jüngere eher nicht. Im Zweifelsfall also lieber noch etwas abwarten.

    We must accept finite disappointment, but never lose infinite hope.

    Martin Luther King, Jr.

    ———-

    ebura mit S (*04), E (*05) und I (*12/21)

  • Einer der grössten Unterschiede: Menschen haben bei (nicht-historischen) Exponaten ihre Einverständnis gegeben, bei vollem Bewusstsein des eigenen Bewusstseins. Tiere nicht.


    Liebe Grüsse


    Talpa

    Naja, wenn man anfängt, die Rechte der Tiere zu Lebzeiten aufzuwerten, dann darf man gerne auch überlegen, ob es ok ist, tote Tiere auszustellen. Bis dahin ... vermuten wir mal, dass es dem Tier egal ist? Oder vielleicht hätte es doch lieber eine friedhofsbestattung?


    Zur Motivation der Körperspender gibt es ja auch eine Reihe von Untersuchungen, wobei die meisten sich um Spenden fürs Studium drehen. Viele wollen "nützlich" sein noch mach dem Tod. Aber genau das würde ich bei den körperwelten eben so nicht sehen.

    • Offizieller Beitrag

    Was ich ausstelle, ist hier nicht wichtig - aber ich entnehme Deiner Erklärung, dass Du unter Umständen menschliche Exponate "ok" finden kannst.

    Ich bin wie gesagt absolut kein Hagen-Fan und finde einige Aspekte seiner Arbeit sehr schwierig. Aber ich übertrage das nicht auf die Besucher der Ausstellungen, denn ausnahmslos alle, mit denen ich gesprochen habe, hatten eindeutig keine "Boah"-Attitüde.

    Ich denke, da gibt es eine Menge mehr zwischen "no-go" und "super".


    Mumien sind übrigens ethisch wahrscheinlich deutlich fragwürdiger, denn die haben sich ihre Totenruhe doch sehr anders vorgestellt.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Talpa bloß sind nicht inszenierende Ausstellungen zur Anatomie extreme Raritäten. Die Anatomischen Sammlungen an den Universitäten sind nur für Angehörige der Fakultät zugänglich, und das idr auch nicht Mal so einfach.

    Die Körperwelten hat da tatsächlich eine Marktlücke gefunden, ich bezweifle nur daß es richtig ist.

    Schoko

    Schokojunkie mit Töchtern (5/07 und7/09)

  • Ich finde es nicht eklig, sondern einen unwürdigen, bloßstellenden Umgang mit Toten.

    Das hat nix mit Ekel zu tun sondern mit Respekt.

    Ich sehe in der Ausstellung nichts Unwürdiges und auch keinen Mangel an Respekt. Die Menschen, deren Körper plastiniert und ausgestellt sind, haben sich freiwillig dafür entschieden, und sie wussten, in welcher grundsätzlichen Form und für was für ein Publikum die Präsentation stattfinden wird.


    Im Augenblick ist mein Körper für den Fall meines Todes zwar noch zum potenziellen Ausweiden für eine Organspende vorgesehen, aber wenn er dafür mal nicht mehr taugen sollte, könnte er gerne auch plastiniert und ausgestellt werden.


    Ich weiß, dass es in der Presse gelegentlich mal Diskussionen darum gab, ob diese Freiwilligkeit tatsächlich für alle ausgestellten Körper gilt, aber ich habe das nicht wirklich verfolgt, denn das erscheint mir ehrlichgesagt an den Haaren herbeigezogen. Als ich in der Ausstellung war, konnte man eine Karte ausfüllen und in eine Box werfen, wenn man Interesse daran hat, Körperspender*in zu werden. Und die Box war so gut wie voll, auch während wir dort waren saßen Leute an dem Tischchen und haben die Karte ausgefüllt. Selbst wenn nicht alle von denen tatsächlich dann eine formellere Körperspendebereitschaftserklärung unterzeichnen - bei den Massen an Freiwilligen sehe ich die Notwendigkeit nicht, Körper von Personen zu nutzen, die nicht damit einverstanden waren.


    Was ich an der Augsburger Ausstellung grenzwertig fand war die Präsentation einer Schwangeren mit Baby. Denn da hat das Baby natürlich nicht seine Zustimmung gegeben. Andererseits gestehe ich (und auch das Gesetz) einer Schwangeren zu, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ein Kind behalten oder abtreiben will - da wäre es vielleicht auch inkonsequent zu sagen: Die Schwangere darf zwar über Leben oder Tod ihres Ungeborenen entscheiden, aber nicht darüber, was mit seinem Körper passiert, wenn es durch Zufall sterben sollte. Aber wohler gefühlt hätte ich mich trotzdem, wenn es dieses Exponat nicht gegeben hätte.


    Abgesehen davon bin ich nicht der Ansicht, dass ich das, was ich dort in der Ausstellung sehe, auch anderswo sehen kann. Besonders das Exponat, bei dem nur die Blutgefäße (und bei einem anderen nur die Nerven) übriggelassen waren, fand ich ehrfurchgebietend. Selbst bei Fotos der Exponate kommt das nicht so rüber, *wie* filigran und umspannend und eben den gesamten Körper vom Scheitel bis zur Sohle durchziehend diese Systeme angelegt sind.


    Darüber hinaus plastiniere ich auch selber (hauptsächlich PIlze, aber T hat auch schon mal einen Fischkopf von einem Fisch, den er geangelt hat, plastiniert). Nur schmalspurmäßig, aber ich habe sogar schon mal einen Artikel für eine Pilzzeitschrift darüber geschrieben, und die Inspiration dafür, dass ich Pilze auf diese Weise konservieren könnte, habe ich aus der Ausstellung.


    edit: gerade kam T herein und ich fragte ihn, ob er sich noch an die Ausstellung erinnern könne: Nein. Allerdings gilt das leider für ziemlich viel, war wir in dem Alter mit ihm unternommen haben. Ich denke, zu dem Zeitpunkt, als er den Fisch plastiniert hat, war ihm die Ausstellung noch in Erinnerung (und an das Plastinieren des Fisches erinnert er sich auch noch gut - der hing schließlich auch jahrelang in seinem Zimmer an der Wand...).

    Liebe Grüße

    Sabine mit T. 10/02 und Q. 11/05

  • ich finde die körperwelten mit einer inszenierten Darstellung von Leichen völlig daneben und voyeristisch. Ich würde meinen Kindern einen solchen Umgang mit Menschen nicht nahebringen.

    Das ist auch meine Meinung. Niemals würde ich in die Ausstellung gehen, mit Kindern erst recht nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Hierzulande sind die meisten anatomischen Sammlungen öffentlich zugänglich. Nicht immer alles, aber zumindest teilweise.

    Das hat rechtliche Gründe, universitäre Sammlungen sind kantonal und damit verpflichtet, zugänglich zu sein.


    Man kann Hagen vieles vorwerfen, aber ein Punkt, den er - wie ich persönlich finde - neu erfunden hat, ist die Ausstellung von Körpern in ästhetischem Umfeld. Erfunden ist das falsche Wort, eher ein wieder gefunden, denn sehr frühe anatomische Ausstellungen hatten diesen Anspruch auch, während die durchschnittliche anatomische Sammlung des 20.Jhdts den Charme eines alten Bahnhofklos hatte.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Mumien sind übrigens ethisch wahrscheinlich deutlich fragwürdiger, denn die haben sich ihre Totenruhe doch sehr anders vorgestellt.

    Ich weiß nicht, ob das als Gegenargument gemeint ist; jedenfalls finde ich das ebenfalls ethisch problematisch, das schließt sich doch nicht aus?