"Menschenkenntnis" - was ist das eigentlich

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  • Hallo liebe Raben,

    Ich frag mich das seit gestern, als ein Bekannter in einem Gespräch gesagt hat, "xy hat sehr viel Menschenkenntnis".

    Was versteht ihr darunter?

    Ich habe überlegt, ob das - jetzt mal ein bisschen negativ formuliert - jemand ist, der seine vorgefertigten Kategorien sehr gut sortiert hat?

    Hat eine Lust mit mir ihre Gedanken zu diesem Ausdruck zu teilen?

    Würde mich freuen :)

    "A complex system that works is invariably found to have evolved from a simple system that works. The inverse proposition also appears to be true: A complex system designed from scratch never works and cannot be made to work. You have to start over with a working simple system. "

    John Gall, The Systems Bible

    • Offizieller Beitrag

    Für mich ist es grundsätzlich ein positiver Ausdruck, und für mich bedeutet es, dass jemand einen breiten Erfahrungsschatz mit unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen hat und sich da auch einfühlen kann.

  • Bei mir ist es so, dass ich relativ schnell merke, ob mir ein Mensch sympathisch ist oder nicht.

    Dazu gehört auch, ob er ehrlich ist oder unehrlich. Ob er manipulativ ist, berechnend.

    Ob ich ihm vertrauen kann usw.


    Ja das sortiere ich ein.


    Aber ich bekomme ja auch Einflüsse von Außen mit und der Mensch reagiert auf mich.

    Also es kann sein, dass mir jemand sympathisch ist, ich ihm aber nicht.


    Ich überprüfe aber meine Einschätzung immer wieder.

    Mit anderen Mitgliedern im Sportverein, Eltern in der Schule, Lehrer usw. Da hat man ja zwangsläufig Kontakt.

    Ich bin dann distanzierter, vorsichtiger.


    Aber mir ist es eigentlich schon immer so gegangen, dass sich mein erster Eindruck bestätigt.

    Und das, dann oft nach einiger Zeit von anderen fassungslos erkannt wurde.


    Den Lehrer, bei dem ich direkt dachte, dass er nicht so nett ist, den aber alle so super finden.

    Da kam dann nach einiger Zeit von vielen: Wie man sich täuschen kann.

    Oder auch die Lehrerin, die ich toll finde, viele andere aber total daneben, bis sie plötzlich für alle die Beste Lehrerin war.


    Oder auch die Mutter aus der Schule, die ich mag, die aber in einer Gruppe ist und sich da komisch benimmt, bis sie es selber merkt und sich entschuldigt, weil sie sich so daneben benommen hat.

    Auch da habe ich gemerkt, wer die Drahtzieher sind und wer nett.


    Und ja, bei mir stimmt es oft und daher denke ich, ich habe eine gute Menschenkenntnis.


    Ich komme auch oft in die Situation, dass ich mich Frage, warum andere das nicht merken oder warum andere einen Menschen so negativ sehen usw.

  • Ich habe überlegt, ob das - jetzt mal ein bisschen negativ formuliert - jemand ist, der seine vorgefertigten Kategorien sehr gut sortiert hat?

    Vermutlich. :D


    Andererseits gehört zu „guter Menschenkenntnis“ mindestens auch noch, dass man sich nicht blenden lässt.


    Also dass man sich selber gut kennt. Weiß, wo die eigenen Schwachstellen und Stärken liegen.

  • Für mich bedeutet es, andere gut einschätzen können. Sich gut in sie einfühlen können und sie verstehen. Also die Welt auch aus ihrem Blickwinkel betrachten zu können.

    Ich würde einfach auch mal behaupten, eine gute Menschenkenntnis zu haben. Es gehört zu meinem Job, den ich schon lange mache, mein Gegenüber einzuschätzen.


    Aus meiner Sicht sammelt man auch viel Erfahrung, im Laufe der Zeit. Heute fällt mir das auf, im KOntakt mit jungen Kollegen, die mich manchmal fragen, woher ich dies oder jenes wusste. Und wenn ich dann erklälre, weil xy... dies oder jenes gesagt hat, sind sie manchmal sehr erstaunt.

    Es gehört auch dazu, nicht nur darauf zu achten, was jemand sagt, sondern auch wie er es sagt... und was er nicht sagt. ;)

    Dazu gehört für mich aber auch eine gewisse Lebenserfahrung.


    Ich glaube, ich lasse mich selten blenden.


    Natürlich birgt es auch die Gefahr, die Welt nur noch durch die Brille der eigenen Einschätzungen/Fehleinschätzungen wahrzunehmen.

  • Kann im positiven Sinne auch was mit Empathie zu tun haben statt nur mit Vorurteilen.

    Das finde ich interessant.

    Empathie ist für mich etwas anderes.

    Das ist für mich sich in den anderen einfühlen und Verständnis dafür haben, warum er so handelt.


    Aber bei Menschenkenntnis muss ich nicht empathisch sein.

    Das hat für mich eher was mit hinter die Fassade gucken zu tun.

    Sowohl positiv, als auch negativ.


    Und es ist keine Frage des Alters.

    Ich kenne schon Kindergartenkinder, die das können.

  • Ich finde es total beeindruckend. Er hat schon als kleiner Knopf manche Menschen konsequent abgelehnt, wo sich dann später heraus stellte, warum.

    Viele Grüße aus dem schönen Bayern!#blume

  • Ich finde es total beeindruckend. Er hat schon als kleiner Knopf manche Menschen konsequent abgelehnt, wo sich dann später heraus stellte, warum.

    Ja, das fand ich auch sehr beeindruckend.

    Auch oft umgekehrt.

    Also Menschen Vertrauen geschenkt, die eher nicht so angesagt waren.

    • Offizieller Beitrag

    Aber bei Menschenkenntnis muss ich nicht empathisch sein.

    Das hat für mich eher was mit hinter die Fassade gucken zu tun.

    Sowohl positiv, als auch negativ.

    Davon halte ich persönlich wenig.

    Weil es sich oft um Vorurteile und selbstprophezeieende Abläufe handelt.

    In meinem Umfeld erlebe ich auch oft, dass gerade Menschen, die so laut für sich proklamieren, sofort Menschen "durchschauen" können, oft unglaublich daneben liegen, das aber selber nicht merken.


    Es gibt ja auch kein Menschen der so oder so ist. Ein Mensch, der immer ehrlich ist oder ein Mensch der immer unehrlich ist.

    Was soll das schon heissen, Ehrlich sein? Ehrlich zu anderen? Ehrlich zu sich selber? Und heisst denn "nicht ehrlich sein", dass man absichtlich lügt, oder dass man sich selber belügt weil man die Wahrheit nicht verträgt, dass man gelegentlich flunkert, dass man in einer Sache einfach nicht ehrlich sein kann, möchte, ja, heisst dass, das die Person überhaupt selber merkt dass sie lügt?


    Menschenkenntnis, kommt ja von Kennen und nicht von "intuitiv ahnen" oder mit dem dritten Auge durchschauen, oder sowas.


    Menschen verändern sich ja auch im Laufe des Lebens, es passieren Dinge, die Spuren hinterlassen, die die ganze Biographie durcheinanderwirbeln, die Grundsätze erschüttern.


    So scheint mir die Vorstellung, man könne bei einem oberflächlichen Gespräch "hinter die Fassade gucken" ein wahnsinniger Anspruch. Eigentlich unmöglich.

  • So scheint mir die Vorstellung, man könne bei einem oberflächlichen Gespräch "hinter die Fassade gucken" ein wahnsinniger Anspruch. Eigentlich unmöglich.

    Doch kann ich, aber nur bei Menschen, die ich gerade kennenlerne. Es funktioniert auch nicht immer. Es ist so eine Eingebung, die mir durch den Kopf schießt.

    Bspw. habe ich beim Studium einen Mitstudenten kennengelernt. Mein erster Gedanke war, dass er ein Mensch ist, der keine Grenze kennt. D.h. ich habe ihn mir auf Abstand gehalten. Er war wirklich so, dass er keine Grenze anerkannte und sozial echte Probleme hatte. Meine anderen Mitstudenten haben es dann später mitbekommen und ihn dann auf Abstand gehalten.

    Ich kann da ganz bei Mondschein unterschreiben.


    Ich mag deshalb auch keine Sonnenbrillen, weil ich sonst die Leute nicht lesen kann.

    Liebe Grüße
    pitcat


    Dumm geborn, dor kanns nix för, Dumm starben dat is'n Malör.

  • Für mich heißt Menschenkenntnis, einen guten Kontakt zu sich selbst zu haben und den Gefühlen, die andere bei mir auslösen, zu trauen. Sie ernstzunehmen und meine Schutzbedürfnisse daran anzupassen. Daraus entsteht dann oft ein wichtiger erster Eindruck. Gleichzeitig heißt Menschenkenntnis für mich aber auch, mich von diesem ersten Eindruck nicht zu sehr leiten zu lassen. Denn gar nicht so selten trügt er.

  • Aber bei Menschenkenntnis muss ich nicht empathisch sein.

    Das hat für mich eher was mit hinter die Fassade gucken zu tun.

    Sowohl positiv, als auch negativ.

    Davon halte ich persönlich wenig.

    Weil es sich oft um Vorurteile

    Eigentlich ist es ja das Gegenteil von Vorurteilen.

    Und es ist ja unabhängig von der Meinung anderer.

    Ich renne damit auch nicht herum.

    Es gibt auch nur zwei Menschen mit denen ich über diesen ersten Eindruck rede (eine Freundin und mein Mann).


    Und es geht auch nicht um Ehrlichkeit im Sinne von nie lügen oder nur die halbe Wahrheit sagen.

    Es geht um sowas wie sich nach dem Wind drehen und überall etwas anderes zu erzählen, um eigene Vorteile zu haben.

    Oder Menschen zu benutzen, weil man dadurch Vorteile hat und eben auch zu lügen usw.


    Und ja natürlich ändern sich Menschen auch, deswegen schrieb ich ja, dass man das auch immer wieder überprüft. Aber natürlich nur bei Menschen mit denen man auch Kontakt hat.

    • Offizieller Beitrag

    Für mich heißt Menschenkenntnis, einen guten Kontakt zu sich selbst zu haben und den Gefühlen, die andere bei mir auslösen, zu trauen. Sie ernstzunehmen und meine Schutzbedürfnisse daran anzupassen. Daraus entsteht dann oft ein wichtiger erster Eindruck. Gleichzeitig heißt Menschenkenntnis für mich aber auch, mich von diesem ersten Eindruck nicht zu sehr leiten zu lassen. Denn gar nicht so selten trügt er.

    Danke für diese Sätze, Du drückst prägnant und klar aus, was ich empfinde. :)


    Ich vertraue meinem Bauch sehr beim sozialen Umgang mit menschen und bin tatsächlich eher vorsichtig bei Menschen, die mir sagen wie gut ihre Menschenkenntnis ist ;) Denn oft fühle ich mich da ungesehen und eher mit "deren Brille" beobachtet.


    Ich mag den Umgang mit Menschen sehr und fühle mich damit sehr sicher und glücklich.

    • Offizieller Beitrag

    Ich mag deshalb auch keine Sonnenbrillen, weil ich sonst die Leute nicht lesen kann.

    Nein, tut mir leid, ich kann damit überhaupt nichts anfangen.


    Das ist für mich eine Vorstellung, die Tür und Tor öffnet für oberflächliche Vorurteile und Vorbehalte.


    Das hat für mich rein gar nichts mit "Kenntnis" zu tun.

    Wenn ich Menschen vom ersten Augenblick an ablehne, dann kann es sein, dass ich richtig liege und die mir unsympathisch sind oder dann lerne ich die halt nie richtig kennen und bleibe bei meiner Ansicht, dass die Person unsympathisch ist und wir deshalb uns nie näher gekommen sind oder die Person merkt, dass ich Vorbehalte habe und benimmt sich dann auch doof, so dass mich das in meinem Vorurteil bestätigt.


    Menschen kennt man teilweise auch noch nach vielen Jahren Ehe noch nicht wirklich. Oder man kennt sie nicht mehr.


    Für mich ist es ein zu einfaches Weltbild, dass man Menschen aufteilen kann in "ehrlich-unehrlich" "vertrauenswürdig- nichtvertrauenswürdig" "gut-böse".


    Wir haben ja alle ein bisschen von allem in uns. Ich bin nicht immer ehrlich, auch nicht zu mir. Grundsätzlich kann man mir Vertrauen, ausser es geht um Süssigkeiten, da kann es sein, dass ich die nachts aufesse. Ich bemühe mich ein guter Menschen zu sein, aber manchmal sage, denke, tue ich schlechte Dinge.


    Aber ich kann den Menschen zuhören. Ich kann zuhören wie es ist, wenn man eine einfache Tätigkeit im Stundenlohn verrichtet und seit März auf Kurzarbeit ist und 20% vom Einkommen fehlen. Ich kann zuhören wie es ist, krank zu sein, alt zu sein, einsam zu sein. Ich kann zuhören, wie es ist unvermittelt seinen Job zu verlieren, vom Partner verlassen zu werden, ein Kind in den Tod zu begleiten, auszuwandern, Träume zu verwirklichen, zu scheitern, Ziele zu erreichen, Angst zu haben, usw.


    Und das hilft mir widerum andere Menschen zu verstehen. Wieso jemand in so einer Situation XY macht, denkt, handelt. Ich lerne, dass Menschen es schätzen, wenn man so oder anders reagiert, dass sie dieses oder jenes als hilfreich empfinden.


    Für mich ist das Menschen-Kenntnis.