Lernverhalten Grundschüler - für Rabinnen mit Fachwissen

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  • Liebe Vögel,


    ich nerve schon den 1. Klasse-Strang damit, aber vielleicht liest hier noch jemand mit, die mir helfen kann, das Lernverhalten meines Erstklässlers besser zu durchschauen.

    Bobby ist gerade 7 geworden und ich halte ihn eigentlich für recht pfiffig. Er stellt immer interessante Fragen, denkt oft sehr weitreichend und hat einen sehr großen Wortschatz, den er laufend erweitert. Er fragt idR einmal nach, was ein neues Wort, das er aufschnappt, bedeutet, und nutzt es dann selbstverständlich. Er spielt komplexe Gesellschaftsspiele und besiegt mich im Schach. Nachdem er es mir beigebracht hat, muss ich zugeben, ich bin also nicht gut. ^^

    Das Gedächtnis ist auch gut, als Kleinkind hat er sämtliche Automarken auswendig gekannt, inzwischen sind es sämtliche Saurier (mehrere hundert, gern mit allen Informationen, die man so über sie findet) und Pokemon.


    Schule läuft leider nicht gut. (Mal wieder.)

    Rechnen geht, er lässt sich aber leicht ablenken, rechnet häufig das richtige aus, beschäftigt sich dann aber mit etwas anderem und schreibt das Falsche hin.

    Zahlen und Buchstaben schreiben ist sehr ungeliebt und dementsprechend sieht es auch aus. In den Linien bleiben? De Buchstaben nicht spiegelverkehrt? Überhaupt am richtigen Punkt ansetzen? Alles sehr schwer.

    Und nun ist das ein Kind, das wirklich tolle Comics zeichnet ... #weissnicht Die Stifthaltung ist entspannt und er kann eigentlich ganz filigranen Kram zeichnen. Wenn er will.


    Das größte Problem ist aber das Lesen.

    Auf die Art, wie die Schule es angeht (über Silben) hat es gar nicht funktioniert. Da kam über viele Wochen einfach null Fortschritt, er sagt zwar die Laute idR richtig, aber allein das Zusammenziehen zu einer Silbe ist ein großes Problem - und zwei Silben zusammen - keine Chance.

    Eine Rabin hat uns daraufhin eine klassische Fibel empfohlen, mit der so ganz langsam ein Wortschatz aufgebaut wird: Mama, Mimi - Papa ist am ... - Oma ruft Mo ...

    Damit lesen wir nun, das Material aus der Schule haben wir vorerst alles weggelegt. (Die Lehrerin wird begeistert sein.)

    Es geht nun deutlich besser, immer noch schleppend, aber zumindest mit Erfolgserlebnissen.


    Nun zu meiner Frage: Diese Fibel enthält ein Gedicht, das dieses Kind nach zwei mal vorlesen (Samstag und Sonntag) am Mittwoch plötzlich zu großen Teilen fehlerfrei aufsagen konnte.

    Gleichzeitig lesen wir seit Freitag jeden Tag in der Fibel. Jeden Tag kommt da mehrmals der Name "Mia" vor - und bis heute liest das Kind: M - I - A ... #gruebel ... Mima? "Nein." "Mi ... a ... Mia?

    Seine beste KIndergartenfreundin heißt Mia #stumm Was steckt denn nur dahinter, warum fällt ihm sowas einfaches nur so schwer?

    Die anderen Fehler sind nachvollziehbar, er rät dann halt gern mal "Oma" statt "Omi" oder am "mi statt im".


    Dazu passt eine Beobachtung aus dem Schulmaterial: Da hat er das LI mühsam erarbeitet, danach das MO. Zwischenzeitlich aber das LI schon wieder vergessen und so ging das hin und her, sodass das LIMO einfach nicht zu kriegen war.


    Kann man aus dieser Art von Schwächen und Stärken irgendetwas ableiten, das die Sache erklärt oder bestenfalls noch beim Lösen hilft?

    Mich macht das langsam wahnsinnig, ich verkneife mir jeden Tag zu sagen, er soll sich doch bitte nicht dumm stellen. Ich weiß, dass er das nicht tut, aber ich kann es mir nicht anders erklären #haare

    Es gibt überall auch Gutes in der Welt.
    Selbst RTL hat Ninja Warrior!

    • Offizieller Beitrag

    Aus der Erfahrung, nicht Fachwissen: ich würde es möglichst bald abklären lassen.

    Ich habe jetzt bereits das zweite Kind in logopädischer Behandlung, weil ein "Leseschritt" nicht geklappt hat und das Kind zunehmend geblockt hat...

    Die Logopädin schimpfte, sie sage den Lehrpersonen immer wieder, sie sollen aufhören, die Kinder mit "du musst mehr Lesen üben" zu plagen, wenn die Grundlagen harzen. Damit demotiviere man nur und verderbe endgültig die Freude dran.


    Beide Kinder übrigens normal clever, überdurchschnittlicher Wortschatz, ausgezeichnetes Weltwissen und mit dem, was wir "Juke-Box-Modus" nennen ausgestattet: Gehörtes und Gelesenes wird gespeichert und kann unendlich abgerufen werden.


    Liebe Grüsse


    Talpa

  • Ich kann dir da keine professionelle Antwort geben, aber ich hatte in der 1. Klasse die gleichen Probleme - meine Mutter hat sich seitenweise in meinem Kindertagebuch darüber ausgelassen, dass ich alle Buchstaben erkennen und einzeln lesen konnte, aber es ewig nicht geschafft habe die Wörter zusammen zu ziehen. U -L -I war gelesen Otto.


    Irgendwann ist dann der Groschen aber gefallen - mittlerweile habe ich ein Germanistikstudium absolviert und bin Deutschlehrerin.


    Ansonsten würde ich mal die Lehrerin drauf ansprechen.

    Ich hab heute wieder nah am Kühlschrank gebaut…

  • Also, mein Sohn ist hochbegabt, hat aber Dysgraphie. Er kann nicht mit der Hand schreiben, obwohl er gut zeichnet sehr geschickt ist, ausgezeichnet liest und nachgewiesen ein schlauer Kopf ist. Ich bin schier verzweifelt damals, obwohl es nichtmal Druck von der Schule gab. Ich kann dir das echt nachfühlen.

    Was du schreibst, klingt nach Dyslexie. Ich würde ehestmöglich eine Fachperson aufsuchen, denn normales Üben bringt euch ja ganz offensichtlich nicht weiter. Die Fachperson wäre, denke ich, eine Ergotherapeutin.

    the nature of this flower is to bloom

    (alice walker)

  • Lesen lernen ist eben schwer ... er ist ja auch erst in der 1. klasse. Ich kenne viele Kinder, die erst Ende der 1. klasse kapiert hatten, wie Lesen geht. Das spricht natürlich nicht dagegen, es "abklären" zu lassen.

    Die anderen Sachen - Schach, über 100 Saurier + Information dazu, filigrane Comics, hochkomplexe Gespräche, Wortschtz ... klingen absolut nach Hochbegabung.

  • Das würde ich abklären lassen bei einer Praxis, die auf die Diagnostik und Behandlung von Lese- und Schreibstörungen bei Kindern spezialisiert ist.


    Bis dahin würde ich mit den anderen Sinnen arbeiten: mit Logos, Wortbildern, Lebensmitteletiketten, damit er Schrift mit seinem Symbolverständnis verknüpft. Er hat ja offensichtlich Verständnis für grafische Symbole, sonst könnte er keine Comics zeichnen. Die Frage ist, wie sich das auf Schrift erweitern lässt.

    Das Wort "Limo" könnte z.B. als Zettel auf einem Glas angepinnt sein, und wenn er es richtig ausspricht, darf er die Limo trinken - am nächsten Tag nur den Zettel vorlesen, dann bekommt er ein Glas voll usw., bis die Flasche leer ist. Dann soll er das Wort auf den Einkaufzettel schreiben und Du legst ihm Werbeprospekte vor - IKEA oder ALDI, wo gibt es die LIMO?


    Er steht da vor einem gigantischen Abstraktionsschritt, und manchmal klappt das nicht als großer Sprung, da muss man kleine Zwischenschritte machen. Bilder versteht er. Mit den Automarken kann er Logos Dingen zuordnen. Deswegen würde ich als Zwischenschritt rein schriftliche Logos nehmen, die in seinem Alltag vorkommen, sie mit Sinneserfahrungen verknüpfen und später in Buchstaben zerlegen - es sei denn, eine Therapeutin findet etwas, was anders zu behandeln ist.

  • Dein Sohn ist noch in der 1. Klasse! Ich (allerdings keine Fachperson) finde, das liest sich total normal. Mein Drittklässler hat in den Osterferien den Sprung zum flüssigen Lesen geschafft, und ich habe von ganz vielen Eltern gehört, dass dieser Schritt ungefähr zu dieser Zeit kam. Meine Nichte, die aktuell in der ersten Klasse ist, buchstabiert auch noch so vor sich hin, und gerade habe ich mit meiner Tochter (die allerdings noch Vorschülerin ist) in genau der gleichen Fibel wie die, die ihr da habt, lesen geübt (will sie unbedingt) und mich auch mehrfach gefragt, wie man innerhalb von Sekunden vergessen kann, was man gerade eben erst gelesen und ausgesprochen hat. Da muss irgendwann der Knoten platzen. Bei meiner Tochter habe ich das Gefühl, sie muss sich noch so sehr auf jede einzelne Silbe konzentrieren, dass die davor nicht im Gedächtnis bleiben kann. Ich würde vielleicht mal vorsichtig die Lehrerin fragen, ob sie Auffälligkeiten sieht, aber wenn das nicht so ist, würde ich in der ersten Klasse keine Diagnostik starten.

  • Da lese ich sehr viel von meiner Tochter drin. Sie ist mittlerweile 4.Klasse. auch super Gedächtnis, grandioser Wortschatz, außergewöhnliches Allgemeinwissen und viele Strategien, zurecht zu kommen (keine Angeberei, da stolpern die Fachleute immer drüber ^^) und dieses dämliche "l +i = li will einfach nicht durch in ihrem Kopf )

    ich schreibe nachher am PC was, wenn du magst. Erste Klasse ist natürlich noch ganz am Anfang, aber meiner Erfahrung nach lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

  • Ich muss präzisieren: Mein Drittklässler hat natürlich glücklicherweise den Sprung zum flüssigen Lesen in den Osterferien der ersten Klasse geschafft, nicht in den letzten Osterferien... Mittlerweile liest er Harry Potter etc., in puncto Lesen hat er absolut keine Baustelle.

  • Ich würde einen Termin zur Abklärung ausmachen, das dauert meistens eine ganze Weile, falls sich das Problem bis dahin erledigt hat kannst du den Termin wieder absag

    Hebt man den Blick sieht man keine Grenzen #rose

  • Also ich finde das zum jetzigen Zeitpunkt völlig normal. Ich bin Grundschullehrerin und finde es jetzt, im Januar, ganz normal, dass das flüssige Lesen noch nicht klappt. Das eine Kind liest etwas früher, das andere später. Das macht irgendwann "klick" und dann können sie es. Ich vergleiche das immer mit dem Laufenlernen. Das eine Kind läuft eben mit 10 Monaten, das andere mit 18 Monaten. Bis zur Einschulung kann ich aber nicht mehr unterscheiden, welches Kind zuerst gelaufen ist.


    Aber wirklich beurteilen, kann das natürlich nur die Lehrerin, die Dein Kind unterrichtet und gut kennt.

    • Offizieller Beitrag

    (Ansonsten finde ich auch, liegt das zeitlich noch völlig im Rahmen. Hier keine Silbenmethode, sondern Mia-Fibel zum Lesenlernen. Mein Sohn hat zunächst einfach die kurzen, einfachen Wörter und Sätze auswendig gelernt und hat dann aus dem Gedächtnis "gelesen". Es hat deutlich gedauert, bis er wirklich Buchstabe für Buchstabe gelesen hat und daraus Wörter verbunden hat. Als ob ein Knoten geplatzt wäre, ging es dann ziemlich flott voran. Mein Sohn hat einen sehr großen Wortschatz und ist ansonsten kognitiv sehr fit - aber er hat ein großes Problem damit, Dinge zu erledigen, für die er nicht intrinsisch motiviert ist.)


    Du kennst ja den Lernverlauf beim Lesen lernen seiner Geschwister - solltest du das Gefühl haben, da stimmt was nicht, würde ich auch zur Abklärung raten.

    Es geht nun deutlich besser, immer noch schleppend, aber zumindest mit Erfolgserlebnissen.

    Das klingt sehr gut!

    • Offizieller Beitrag

    So hätte ich bis vor kurzem wahrscheinlich auch geantwortet - unterdessen sage ich mir, wir hätten als Eltern unserem Bauchgefühl früher nachgeben sollen: wenn sich die "Performance" des Kindes bei einer dieser Fähigkeiten so sehr von seinem sonstigen Lernverhalten unterscheidet, würde ich das Gespräch heute in der Nachschau viel früher suchen. Auch auf die Gefahr hin, als Hockeymum zu gelten ;)


    Und bei uns war es tatsächlich so, dass es bei beiden Kindern eben nicht "klick" machte von allein. Beide haben das wunderbar eine Weile lang kompensiert (wenn etwas in der Klasse zweimal gelesen wird, muss meine Tochter nicht lesen, sondern rezitiert das aus dem Gedächtnis...) und sind zu spät "aufgeflogen". Es harzt nämlich noch auf der Phonem-Graphem-Ebene. Das Kind ist in der dritten Klasse, die Lehrpersonen vermuteten übrigens "Lesefaulheit" und sie solle halt mehr üben...


    Liebe Grüsse


    Talpa

    • Offizieller Beitrag

    Meine Erfahrung zur Zeit sagt - unbedingt abklären lassen. Früher ist besser, weil der Prozess dazu auch schon sehr lange dauert. Oft wollen Schulen, dass das Kind erst wirklich abfällt, bevor sie was tun. Natürlich kann das im Rahmen sein, aber dein Bauch klingelt, meiner auch, und lieber jetzt etwas unterstützen, als dann in zwei Jahren, wenn das Selbstbewusstsein im Keller ist.


    Neben Dyslexie würde ich auch noch die Augen abklären lassen; Kinder können da irre viel kompensieren.


    Meine Erfahrung mit Schule ist, dass da eher an Faulheit gedacht wird oder Unvermögen.

  • Ich finde es auch nicht komisch, dass er es "noch" nicht kann, sondern dass es zum Rest der Entwicklung nicht zu passen scheint.

    Unsere Ergo meinte auch, je früher, desto besser die Prognose.

    the nature of this flower is to bloom

    (alice walker)

  • Meine Erfahrung mit Lehrkräften zu dem Thema ist leider auch so, dass ich zu einer außerschulischen Abklräung raten würde.


    Als Infosammlung zu LRS kann ich Legakids empfehlen (Webseite)

  • Ich schreibe Dir heute Abend.... Ich bin gerade auf Arbeit, mir fällt eine Menge dazu ein. Erinnere mich bitte dran, sollte ich vergessen, dir zu schreiben

    "Wenn Dein Leben schwerer geworden ist, bist Du vielleicht ein Level aufgestiegen?!"

  • Ich habe jetzt nicht alle Beiträge gelesen, vieles wird auch schon genannt worden sein.


    Buchstaben spiegeln ist ein Schritt in der Lese-Schreib-Entwicklung.

    Wenn er deutlich zu lange dauert (Ich habe was mit "bis ins 7. Lebensjahr" im Kopf), sollte man noch mal die Händigkeit anschauen lassen.

    Bei euch scheint das aber klar, durch das Zeichnen.

    Form-kongruenz hat aber nicht zwingend was mit zeichnen zu tun.


    Phonem-Graphem-Zuordnung:

    (Also s klingt "ssss") kann etwas dauern.

    Silben sind eigentlich bei Schwierigkeiten gut geeignet. Vielleicht ist es nur noch zu schnell?#gruebel oder es hapert ganz wo anders.

    Wir haben mit IntraAct Plus als App gute Erfahrungen gemacht.

    Achso, zu viele silbierte Wörter pro Seite lenken hier eher optisch ab.


    Grundsätzlich kann man die visuelle Wahrnehmung testen (Beim Kinder- und Jugend Psychiater oder in der Ergotherapie) und die auditive Wahrnehmung (Pädaudiologe oder Logopädie), damit man dann ganz gezielt arbeiten kann.

    "Einfach mehr üben" ist total kontraproduktiv.

  • Hallo,

    wundere mich gerade, dass ihr alle schon so früh in die Abklärung gehen würdet #confused ich würde hier noch eine Weile zuwarten und ggf. mal mit der Lehrerin Rücksprache halten, wie sie das einschätzt.

    Lesen lernen ist ein sehr komplexer Prozess für den Kinder unterschiedlich lange brauchen und er sollte bis Ende der zweiten Klasse abgeschlossen sein. Da würde ich mir also erst mal noch keine großen Sorgen machen. Das ist normal. Auch Buchstaben spiegelverkehrt schreiben ist normal.

    Meine Jungs hatten auch Probleme mit dem Lesenlernen und haben lieber mit diesem Buch geübt, als mit Schulmaterialien:


    https://www.amazon.de/lernen-l…+mo&qid=1610542109&sr=8-5


    es ist besonders Jungstauglich, weil Mo mag auch lieber alles andere als "Lesen lernen" usw...


    darin ist sehr gut dieses "Zusammenspuren der Buchstaben" erklärt. Das haben wir ein paar Tage so gemacht, danach wurde das Lesen wesentlich flüssiger.