Ich dachte, ich frag hier mal ins Rund. Vielleicht betrifft das ja auch die ein oder andere.
Mein Problem ist, dass ich durch meine Arbeit im Begriff bin, eine Art Tunnelblick zu entwickeln. Wie eine Brille, die ich stetig trage und die schwer ist, überhaupt mal abzunehmen.
Ich arbeite mit Menschen, wo Pflegebedürftigkeit ein Thema ist. Das sind vor allem ältere Menschen, aber auch jüngere oder gar Familien mit Kindern. Ich sehe im Rahmen meiner Arbeit sehr viel Leid, Schmerz, Tod, Krankheit und Trauer.
Natürlich gibt es da auch so viel mehr und der Grund, weshalb ich meinen Job gewählt habe und was mir daran auch Freude bereitet ist zu sehen, wenn sich Menschen selbstbestimmt ihren Weg durch diese manchmal auch schmerzhafte Realität bahnen. Ich unterstütze gern dabei. Es ermöglicht intensive Gespräche, Anteilnahme, für jemanden da zu sein für den es auch wirklich Sinn macht.
Aber dieses stetige Sterben, all der Schmerz und Verlust, das Abgleiten in die Hilflosigkeit finde ich nicht immer leicht auszuhalten. Ich habe das Gefühl, dass insbesondere über das Coronajahr es sehr viel mehr geworden ist. Das greift stark in mein eigenes Leben ein und ich, die sowieso einen Hang zur Melancholie hat, kann mich dem manchmal garnicht mehr erwehren. Wenn jemand umzieht denke ich oft "Ist diese Wohnung eine gute Wahl, wenn du einen Unfall hast und auf einen Rollstuhl angewiesen bist?" und wenn mein Vater ein Knieproblem entwickelt: "ist das der Anfang von eines jahrelangen Pflegemärtyiums?". Insbesondere was mich betrifft denke ich oft darüber nach und neulich Nacht habe ich zum Thema Suizid recherchiert für den Fall, dass ich stark pflegebedürftig werde und ein Pflegeheimumzug anstünde ... Was ich da für Leid sehe ist schwer auszuhalten. Ich wünsche mir mehr Leichtigkeit und Gelassenheit und nicht stetig diese Brille aufzuhaben im Alltag.
Kurzum: wie haltet ihr die Balance, die mit schweren Schicksalen, Leid und Trauer konfrontiert seid?