Tunnelblick durch Job

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  • Ich dachte, ich frag hier mal ins Rund. Vielleicht betrifft das ja auch die ein oder andere.


    Mein Problem ist, dass ich durch meine Arbeit im Begriff bin, eine Art Tunnelblick zu entwickeln. Wie eine Brille, die ich stetig trage und die schwer ist, überhaupt mal abzunehmen.

    Ich arbeite mit Menschen, wo Pflegebedürftigkeit ein Thema ist. Das sind vor allem ältere Menschen, aber auch jüngere oder gar Familien mit Kindern. Ich sehe im Rahmen meiner Arbeit sehr viel Leid, Schmerz, Tod, Krankheit und Trauer.

    Natürlich gibt es da auch so viel mehr und der Grund, weshalb ich meinen Job gewählt habe und was mir daran auch Freude bereitet ist zu sehen, wenn sich Menschen selbstbestimmt ihren Weg durch diese manchmal auch schmerzhafte Realität bahnen. Ich unterstütze gern dabei. Es ermöglicht intensive Gespräche, Anteilnahme, für jemanden da zu sein für den es auch wirklich Sinn macht.


    Aber dieses stetige Sterben, all der Schmerz und Verlust, das Abgleiten in die Hilflosigkeit finde ich nicht immer leicht auszuhalten. Ich habe das Gefühl, dass insbesondere über das Coronajahr es sehr viel mehr geworden ist. Das greift stark in mein eigenes Leben ein und ich, die sowieso einen Hang zur Melancholie hat, kann mich dem manchmal garnicht mehr erwehren. Wenn jemand umzieht denke ich oft "Ist diese Wohnung eine gute Wahl, wenn du einen Unfall hast und auf einen Rollstuhl angewiesen bist?" und wenn mein Vater ein Knieproblem entwickelt: "ist das der Anfang von eines jahrelangen Pflegemärtyiums?". Insbesondere was mich betrifft denke ich oft darüber nach und neulich Nacht habe ich zum Thema Suizid recherchiert für den Fall, dass ich stark pflegebedürftig werde und ein Pflegeheimumzug anstünde ... Was ich da für Leid sehe ist schwer auszuhalten. Ich wünsche mir mehr Leichtigkeit und Gelassenheit und nicht stetig diese Brille aufzuhaben im Alltag.


    Kurzum: wie haltet ihr die Balance, die mit schweren Schicksalen, Leid und Trauer konfrontiert seid?

  • Liebe MMC!

    Puh! Das klingt gar nicht einfach!

    Ich glaube, dass durch die Pandemie noch viel verstärkt wurde. Insbesondere, wenn du „nur“ die Arbeit hattest und viele Dinge, die das Leben schön machen einfach weggefallen sind. Wenn das jetzt wieder besser wird, verändert sich vielleicht auch deine Sichtweise! Ich wünsche es dir sehr. Wie schreibe ich das jetzt so, dass es gut klingt…

    Ich glaube auch, dass das Leben einen reifer werden lässt und die Unbeschwertheit der Jugend nachlässt, weil man/frau/ d schon zu viel gesehen oder mitbekommen hat! Hier häufen sich die Nachrichten im Umfeld, dass jemand Krebs hat/ Unfall hatte/ gestorben ist. Die schönen Dinge Hochzeit/ Geburt eines Kindes werden gerade weniger! Vielleicht kommt ja bald die Phase, wo dann die Kinder Hochzeit feiern und Enkel geboren werden…


    Meine Kinder frage ich abends am Bett immer, was das schönste des Tages war, damit sie den Tag mit einem positiven Blick beenden. Vielleicht hilft dir das auch?


    Ich wünsche dir jedenfalls, dass es dir damit bald besser geht und hoffe, dass du noch viele hilfreiche Antworten bekommst!

    Liebe Grüße BEB

  • Hast Du die Möglichkeit zur Supervision?

    Mir hilft es total, dass es meine Supervisionsgruppe gibt und ich mir das Zulassen von schweren Momenten manchmal bis dahin "aufsparen" kann - und wenn die Dinge besprochen sind, ist es für mich leichter, sie einerseits loszulassen, andererseits in meinen (Berufs-)Weg zu integrieren.

  • Liebe @MaidenMotherCrone , erstmal: das IST ja auch hart! Und ganz normal, dass einem die Schicksale nachhängen. Ich habe selbst schon in einigen Bereichen der sozialen Arbeit gearbeitet, und Menschen in vielen, auch schweren Situationen begleitet ( schwere Mehrfachbehinderung, Fluchterfahrung, Jugendhilfe,...). Ich habe einen recht langen Arbeitsweg und gestehe mir auf dem auch " Grübelzeiten" zu. Bei mir ist die Grenze eine Brücke, symbolisch fahre ich dann in die andere Welt, also zum Beispiel heim zu den Kindern.


    Du klingst sehr feinfühlig, und das ist in diesem Bereich auch unverzichtbar finde ich. Es kann aber dann natürlich sein, dass frau die Schicksale zu sehr aufsaugt. Ich habe letztens einen tollen Podcast von Verena König gehört, in dem es um den Unterschied zwischen Empathie und Resonanz geht. Grob gesagt schwingst du bei der Empathie mit dem anderen mit - bleibst aber mit dir selbst verbunden. Bei der Resonanz schwingst du auch mit dem anderen mit, verlierst aber die Verbindung zu dir selbst. Dadurch können Gefühle von Überwältigtsein entstehen. Vielleicht interessiert dich ja diese Sichtweise, mir hilft das.


    Hier kann man reinhören:

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    Doubt kills more dreams than failure ever will #sonne

  • Solya


    Hat schon viel gesagt, was bei mir auch so ist.

    Und ihr Hinweis über den langen Arbeitsweg hat mir gerade klar gemacht, dass es auch dieser ist, der mit hilft nichts mitzunehmen.

    Da ist ein ganz klarer Cut drin. Einerseits nerven diese langen Wege etwas, andererseits ist es so, dass ich die geniesse um wieder die private Buntgrün zu sein.


    Ich trage außerdem immer einen imaginären Mantel.

    Den hänge ich bevor ich gehe an den Gardarobenhaken bei den Familien, früher war es die Umkleide in den Einrichtungen o.ä.


    Klar, was ich so erlebe schwappt auch mit in meinen Alltag. Meine Kinder kennen eines meiner kleinen Klienten persönlich udn wir reden auch immer mal drüber (gerade wenn ich außergewöhnliche Dinge tun darf). Aber da merke 7ch, dass es da eher um mich geht udn nicht um Familien X oder so.


    Ich habe aber ein gutes Vertrauen ins Leben und neige nicht zur Melancholie. Und ich bin näher dran und erlebe auch viele dann wieder sehr positive Dinge, die du im Detail wahrscheinlich gar nicht mitbekommen.


    Supervision würde ich dir aber auch ans Herz legen. Ich habe das in vielen Situationen schon als sehr hilfreich erlebt. Gerade im sozialen Bereich ist das richtig wichtig.

  • oh, das klingt heavy...

    In meiner Familie gab es viele schwere Krankheiten und Todesfälle. Gleichzeitig in dieser Zeit habe ich musikalisch nur Beerdigungen begleitet. Teilweise ein paar Mal pro Woche. Damals war ich mitten drin im Thema, ich kenn den Tunnelblick (meinen persönlichen....) Als ob man alles durch diesen Filter sieht. Ich hatte zu dieser Zeit auch einige Unfälle, bin nicht mehr raus gekommen.

    Ich hatte einige Supervisionen, teilweise auch Therapiesitzungen.


    Ich denke, du gibts einfach richtig viel von dir, ein bisschen durfte ich ja schon mit dir kommunizieren - du hast ziemlich feine Antennen und erkennst ganz richtig, was Sache ist, was benötigt wird. Gerade solche feinen und feinfühligen Menschen lassen das ja nicht nur "durch sich durch", es stößt in einem auf Resonanz, bringt etwas in einem zum Schwingen, zum Klingen...

    Das ist so wertvoll für die Menschen, die du betreust. Und gleichzeitig so herausfordernd.

    Ich empfinde es fast schon als "normal", dass so feine Menschen (und ich darf ein paar kennen) irgendwann solche Phasen haben. Dunkle Momente und klare bewusste, wo man die großen Dinge im Leben, Freude und Schmerz richtig intensiv wahrnimmt.


    Wahrshcheinlich keine Lösung,aber ist gerade durch meine Gedanken gezogen: Eine Frau, die ich sehr schätze und die mir auch richtig gut weiter geholfen hat, hat mir mal erzählt, dass sie jeden einzelnen Tag - egal wieviel Zeit sie hat oder nicht hat, eine Spazierunde macht und alles abgibt und loslässt, dass sie an diesem Tag beschäftigt hat. Eine Art Gehmeditation - ausatmen und loslassen....


    Gerade gestern hatte ich ein schönes Gespräch mit meiner Tochter. Wir haben überlegt alles aufzuschreiben, was gut tut und dieses Büchlein dann in den traurigen/zornigen Momenten herzunehmen und darin zu lesen oder was daraus zu machen.


    Ein Tunnel hat ja einen Ausgang - vielleicht ist das Ganze dann eher sowas wie eine neuerliche Geburt, eher ein Durchgang. Dieses Bild hilft mir manchmal.


    Lg!