ADHS - Wie lernt man den Mund zu halten

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  • Ich habe zwar keine offizielle Diagnose, aber bin zu 100 Prozent sicher ADHS zu haben.

    Neben meinen Gedanken die ständig in meinem Kopf sind, meinem Chaos, meiner Konzentrationsschwäche etc. ist es leider auch so, dass ich oft Dinge sage, die ich lieber nicht sagen sollte.

    Das bringt mich sehr oft in wirklich blöde Situationen. Ich rede einfach drauf los ohne zu überlegen und kann gefühlt gar nichts dagegen tun.

    Hat jemand irgendeine Strategie zu lernen erst zu denken, dann zu reden und nicht immer alles zu sagen, was man grad denkt? Geheimnisse auch wirklich geheim zu halten?

    Irgendwie wird das immer schlimmer bei mir.

  • Nein, keine Strategie um das zu verhindern. Aber in vielen Settings schieße ich dann schnell noch ein: Entschuldigung, ich spreche oft zu viel und zu schnell drauf los, bitte legt nicht alles auf die Goldwaage.


    Aber ja, bei mir wird es auch schlimmer.

  • Diagnostik und Medis #tuppern

    Davor haben mir sowas wie Yoga und Meditation ganz gut geholfen. Und kein Alkohol trinken.

    Und generell versuchen eine Distanz zur Situation herzustellen. Also eher beobachten als aktiv sein.

    "Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich
    im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte
    und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern." Thich Nhat Hanh

  • Medikamente. Und wenn die abends nicht mehr wirken und ich jemanden treffe, rede ich wieder viel zu viel und die meisten Menschen haben Schwierigkeiten meinen Gedankengängen zu folgen, weil ich zwei Zwischenschritte im Kopf gemacht habe.

    Lediglich bei der Arbeit habe ich es vorher gelernt: wenn ich merke, der andere starrt mich verständnislos an oder schweigt nur noch, gehe ich drei Schritte zurück und fange ganz, ganz vorne an. So wie ich eine Mail schreiben würde.

    Edit: grundsätzlich funktioniert schriftliche Kommunikation bei mir besser.

  • Keine Idee. Ich bin von mir selbst diagnostizierte ADHSlerin 😂 und habe schon Nächte lang beschämt wach gelegen ob dessen, was ich wieder mal unüberlegt gesagt habe. Furchtbar ist das. Ich kann ganze Völkerstämme sehr gut unterhalten und zum Lachen bringen, ich habe riesige Probleme, die Klappe zu halten und ich bekomme alles rings um mich herum mit. Im Rahmen einer Studie bin ich mal getestet worden und war knapp daneben nach Aussage des Studienleiters. Allerdings kann ich in Testsituationen performen wie Nix und habe einen sehr straighten Lebenslauf, super angepasst, immer beste Leistungen, keinerlei Auffälligkeiten im Lebenslauf. Tja. Nicht hilfreich, aber ich verstehe dich so so gut. Mein Preis, den ich zahle, sind Tinnitus, Sozialkater und mit dem Alter zunehmende absolute Erschöpfung. Ich gehe manchmal um sieben ins Bett 🙈.

  • Oh je ich habe es geahnt.

    Ich denke ich sollte mich wirklich langsam um eine Diagnostik kümmern.

    Ich bringe mich halt auch immer öfter in blöde Situationen. Gebe zu viel von mir preis, z.b. auf der Arbeit. Aber die Worte suchen sich einfach ihren Weg. Manchmal denke ich noch, nee das sagst Du jetzt nicht und dann höre ich mich reden, aber oft leider noch nicht mal rhetorisch wertvoll. Ich lasse mich dann auf Diskussionen ein die so nicht geführt werden sollten.

    Diese Erschöpfung kenne ich auch.

    Alkohol trinke ich schon ne Weile quasi gar nicht mehr.

    Ich finde es auch so krass das das gefühlt immer schlimmer wird. Also die ganze Symptomatik. Vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass es früher hieß das verwächst sich mit der Zeit.

    Ob die Wechseljahreshormone da auch eine Rolle spielen?

  • Gebe zu viel von mir preis, z.b. auf der Arbeit. Aber die Worte suchen sich einfach ihren Weg. Manchmal denke ich noch, nee das sagst Du jetzt nicht und dann höre ich mich reden, aber oft leider noch nicht mal rhetorisch wertvoll. Ich lasse mich dann auf Diskussionen ein die so nicht geführt werden sollten

    Das Problem kenne ich sehr gut und schlage in die gleiche Kerbe: Medikamenten helfen. Auch dabei, andere nicht dauernd zu unterbrechen.

    LG, Kalliope

    Und bist du nicht willig, so brauch ich Geduld! (Prof. Peter Kruse) tap.gif

  • Gebe zu viel von mir preis, z.b. auf der Arbeit. Aber die Worte suchen sich einfach ihren Weg. Manchmal denke ich noch, nee das sagst Du jetzt nicht und dann höre ich mich reden, aber oft leider noch nicht mal rhetorisch wertvoll. Ich lasse mich dann auf Diskussionen ein die so nicht geführt werden sollten

    Das Problem kenne ich sehr gut und schlage in die gleiche Kerbe: Medikamenten helfen. Auch dabei, andere nicht dauernd zu unterbrechen.

    Okay. Ich schreibe vielleicht doch mal jemanden von der Liste von ADXS an.

    Ich glaube, man hat mit zunehmendem Alter einfach weniger Kraft und Energie zum Anpassen. Das schlaucht einfach, das Leben.

  • Vielleicht ist es auch gar nicht so schlimm und Du bist einfach gut so wie Du bist?

    Bis jetzt bist Du doch gut durchs Leben gekommen. Es gibt keinen Zwang normal zu sein und meiner Meinung nach kann man sich mit dem Alter schlechter anpassen, weil man merkt, dass Anpassen nervig und meist unnötig ist und man auch so durchs Leben kommt und es genug Leute gibt, die einen so verquer mögen, wie man halt ist.

  • Kajak in vielen Bereichen würde ich dir zustimmen und tatsächlich denke ich auch nicht, dass es grundsätzlich schlecht ist, viel zu reden.

    Aber (und da kann ich natürlich nur für mich reden) es hat manchmal einfach richtig doofe Nachteile: ich habe schon manchmal Sachen weitererzählt, die ich gar nicht erzählen wollte. Je nach Thema kann das auch einfach Konsequenzen haben. Oder ich fühlte mich schlecht, weil ich eigentlich nicht tratschen will. Ich mag das nicht und ich möchte so nicht sein. Und trotzdem kann ich ohne Medikamente oft nicht meinen Mund halten.

    Oder ich bin mal wieder völlig in ein Fettnäpfchen getreten, weil ich meinen Mund nicht halten konnte. Es wäre kein Problem gewesen, nicht einen Kommentar zu machen, der eine andere Person dann verletzt hat. Aber mein Mund war einfach schneller als mein Hirn.

    Oder ich frage Sachen, die einfach völlig unhöflich sind und die gefragte Person in eine unangenehme Lage bringt, weil sie nicht weiß, wie sie das beantworten soll. Und für mich wäre die Antwort eigentlich unbedeutend. Aber... Wieder war der Mund schneller.

    Oder ich plappere irgendetwas nach, was ich gehört habe, ohne dass ich drüber nachgedacht habe oder es hinterfragt habe. Einfach weil mein Gehirn sagt "was hat x da gesagt? Da hab ich doch y letztens dazu gehört" und mein Mund spuckt es aus und erst danach merke ich, dass es gar nicht meiner Überzeugung entspricht oder ich vielleicht sogar Falschinformationen weitergebe.

    Und dann denke ich darüber im Nachhinein lange nach, fühle mich schlecht und kann mich nicht leiden.

  • Kajak wenn man sich früher immer anpassen konnte und wenn man es heute wollte und zumindest hin und wieder könnte, ist das kein ADHS. Oder generell: wenn man es könnte, aber nicht will.

    Mir hat das auch schon oft geschadet. In Vorstellungsgesprächen, auf früheren arbeitsstellen, schon in der Schule, bei sozialen Events. V.a. das innere bemerken: das was ich mache kann ich nicht aufhalten ist ein scheißgefühl. Das innere ich und das was man nach außen transportieren kann (kann, nicht will!) ist nicht kongruent.

    Ein Geheimnis bewahren kann ich zwar, aber es kostet unendlich Kraft bei jedem Gespräch. Dabei ist es egal, ob positiv oder negativ. Versehentlich eine Überraschung ausplaudern, weil die Worte einfach aus dem Mund fallen, kommt da genauso hinzu. Macht unbeliebt, glaub mir.

    LG, Kalliope

    Und bist du nicht willig, so brauch ich Geduld! (Prof. Peter Kruse) tap.gif

  • Bei mir ist es umgekehrt: Ich sage oft gar nichts mehr (außerhalb der Familie oder im beruflichen Kontext), um nichts Falsches zu sagen, in kein Fettnäpfchen zu treten oder eine blöde Frage zu stellen. Das wirkt dann aber auch unfreundlich und uninteressiert und ich denke ist eine der Ursachen, warum ich mich oft alleine und ausgeschlossen fühle.

    Vermutlich auch eine Form der Anpassung...

  • Bei mir ist es umgekehrt: Ich sage oft gar nichts mehr (außerhalb der Familie oder im beruflichen Kontext), um nichts Falsches zu sagen, in kein Fettnäpfchen zu treten oder eine blöde Frage zu stellen. Das wirkt dann aber auch unfreundlich und uninteressiert und ich denke ist eine der Ursachen, warum ich mich oft alleine und ausgeschlossen fühle.

    Vermutlich auch eine Form der Anpassung...

    Ja genau das war meine Alternative. Oversharing oder Schweigen.

    LG, Kalliope

    Und bist du nicht willig, so brauch ich Geduld! (Prof. Peter Kruse) tap.gif

  • Bei mir ist es umgekehrt: Ich sage oft gar nichts mehr (außerhalb der Familie oder im beruflichen Kontext), um nichts Falsches zu sagen, in kein Fettnäpfchen zu treten oder eine blöde Frage zu stellen. Das wirkt dann aber auch unfreundlich und uninteressiert und ich denke ist eine der Ursachen, warum ich mich oft alleine und ausgeschlossen fühle.

    Vermutlich auch eine Form der Anpassung...

    Ja genau das war meine Alternative. Oversharing oder Schweigen.

    Da finde ich mich auch wieder..

    k. (*1979) mit p. (*02/2006), k. (*09/2008), h. (*12/2010) und f. (*09/2015)

  • Ich kenn das auch RICHTIG gut.
    Das größte Problem dabei hab ich in diesen Situationen: Jemand erzählt etwas und man sollte etwas erwidern - und ich erzähle dann sofort und ohne jede Alternativchance etwas ähnliches von mir.
    Die Intention ist: Oh, guck mal, wir haben was Vergleichbares erlebt - wir haben eine Verbindung!
    Erst letztes Jahr hat mich jemand erstmals auf die Idee gebracht, dass es für neurotypische Hirne aber eher ankommt wie: Die kapert das Thema und reißt es an sich.

    Und obwohl ich das inzwischen weiß hab ich immer noch keine andere Möglichkeit zu reagieren.

    Und ja, man kann natürlich sagen: Gut, so bin ich halt, hat bisher geklappt - irgendwie - und wird auch weiterhin irgendwie gehen. Aber letztlich ist es halt doch oft sehr, sehr belastend und führt dazu, dass man Momente nicht genießen kann, weil man nach jedem Kontakt zwei Wochen lang grübelt, wie kacke man wieder war.

    Ich vergleiche das gerne mit Pinkeln. Jeder Mensch pinkelt. Und jeder Mensch pinkelt auch mal in einer vollkommen blöden Situation oder verliert nach ner Schwangerschaft beim Niesen ein paar Tröpfchen oder hat sich irgendwann in seinem Leben mal eingenässt. Das ist alles normal.
    Wenn du aber weißt, dass du dich regelmäßig und ohne es verhindern zu können, in den unangenehmsten Situationen komplett einstrullst und im Nassen stehst, dann belastet das.
    Und schränkt schlimm ein, wenn man deshalb kaum noch aus dem Haus geht.

    Es gibt überall auch Gutes in der Welt.
    Selbst RTL hat Ninja Warrior!

  • Ja. Ich habe deshalb wenig Kontakte und rede wenig, außer bei sehr vertrauten Menschen. Ist aber OK für mich. Mit Elvanse ist es etwas besser geworden, aber ich glaube meine Eigenbrötler ein behalte ich mir bei...

    "Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich
    im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte
    und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern." Thich Nhat Hanh

  • Ich würde sagen, dass zumindest die Menschen, mit denen Du öfter umgehst, doch auch eine gewisse Mitverantwortung für die Kommunikation haben. Die wissen doch wie Gespräch mit Dir verlaufen, wenn man es laufen lässt. Man kann ja per Metakommunikation zumindest in manchen Situationen auch darauf hinweisen, dass man den Eindruck hat, dass man mit dem was man sagen wollte noch nicht fertig war oder dass es mehr um eine Rückmeldung dazu ging, was man selber erzählt hat als um den Umstand, dass jemand anderes was Ähnliches erlebt hat, zumal wenn sich das öfter ereignet. Dein Gegenüber will doch auch nicht, dass Du nach dem Kontakt grübeln musst und Dich schlecht fühlst. Und Deine Absicht ist ja eine gute, und das geht dann im Zweifelsfall ganz unter.
    Eine Freundin meiner Tochter ist regelrecht dankbar dafür, wenn man sie auf sowas aufmerksam macht, statt ihr eine Stunde beim Monologisieren zuzuhören und nachher genervt davon zu sein. Das setzt natürlich ein Beziehungsfundament voraus auf dem beide Seiten wissen, dass man sich gern hat und es gut miteinander meint.