Ich kann nur aus meinem engen Umfeld berichten. Mein Papa war vor der Wiedervereinigung und auch nach der Wiedervereinigung als selbstständiger Gärtner und Händler tätig. In der DDR hat er Blumen und Bäume selber gezogen und verkauft - das lohnte sich sehr, denn es war steuerlich begünstigt, weil in diesem Bereich großer Mangel herrschte. Es gab in der DDR zu wenig Gartenbaubetriebe. Nach der Wende hat er sich auf den Verkauf konzentriert und die Blumen und Bäume von größeren Betrieben gekauft - in den ersten Jahren fuhr er dafür meist nach Holland, ab Mitte Ende der 90er gab es dann auch genügend Betriebe, die vor Ort Pflanzen liefern konnten. Um bei deiner Frage zu bleiben, die Produktion wurde also eingestellt, der Verkauf beibehalten, die Gewinnspanne war kleiner, aber das Geschäft lief gut - Pflanzen kauft man halt auch immer vor Ort?
Freunde meiner Eltern hatten eine Mosterei und Brauerei - trotz Gängelung durch Behörden, war das zu DDR Zeiten eine Goldgrube - die Leute brachten vor allem ihr eigenes Obst (überwiegend Äpfel, manchmal auch schwarze Johannisbeeren) und ließen sich Säfte liefern. 100 prozentiger Saft war in der DDR Mangelware. Nach der Wende war der Markt weg - jeder kaufte Valensina aus der Werbung (wir auch - und aus Solidarität auch die Brause unserer Freunde, wenn ich ehrlich bin, hielt ich Maracuja-Limonade und Valensina über für den Gipfel des Getränkehimmel, heute trinke ich lieber Apfelsaft?) der Betrieb ging dann auch pleite. Sie vermieteten das Firmengelände an eine große Autovermietungsfirma aus dem Westen und der Mann wurde Filialleiter der Autovermietung und arbeitete bis zur Rente dort. Die Frau ging in den Verkauf und übernahm die Leitung einer Filiale eines bekannten Lebensmittelhandelns.
Fazit - Betrieb nicht konkurrenzfähig und pleite.
Ein anderer Freund arbeitete in der Landwirtschaft (Halle Saale Obst) - wurde entlassen, niemand aß mehr das Obst - die Flächen wurden nicht mehr bewirtschaftet, den Betrieb gibt es heutzutage auf kleinerem Niveau mit höherer Produktivität aber immer noch, die Flächen auch. Zu DDR Zeiten war der Obstanbau personalintensiv und weniger produktiv. Der Freund arbeitete bis zur Rente für einen bekannten deutschen Landmaschinenhersteller und verkaufte Landmaschinen aus Niedersachsen an Betriebe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Fazit Ostbetrieb gibt es noch - mit viel weniger Angestellten. Landmaschinen - in der DDR auch Mangelware - werden heutzutage nicht mehr vor Ort produziert.
Meine Mama arbeitete in einem sehr großen Betrieb, die Papier- und Schreibbedarf (also vom Füller, über die Schreibmaschine und Papier bis hin zum Toilettenpapier) verteilte (also von den Produzenten in den Handeln der DDR brachten). Es waren fast alle Dinge Mangelware - Schreibmaschinen sowieso aber auch Tapeten oder Füller usw. - während der gesamten DDR konnte der Bedarf nicht ausreichend gedeckt werden, wer tapezieren wollte, musste organisieren - denn im Handel wurden pro Person beispielsweise fünf Rollen Rauhfaser verkauft - für eine Wohnung braucht man aber 20 Rollen, für ein größeres Zimmer 6 - also müsste man sammeln oder andere Personen bitten zu kaufen oder halt die Verkäuferin kennen. Auch die Qualität war nicht immer gut - das normale Zeichenpapier war zum Beispiel nicht blütenweiß und fest, so wie es heute ist, sondern sehr faserig und dünner. Gutes Papier war Mangelware. Toilettenpapier war auch grau und dünner und keinesfalls mit lustigen Motiven bedruckt. Die Produktion dieser Papierwaren brach sofort mit Marktöffnung zusammen - die Betriebe wurden innerhalb kürzester Zeit dicht gemacht und die Leute standen zu tausenden auf der Straße - der Rest der Produktion landete auf den Müllhalden. Viele der entlassenen mussten umschulen, waren arbeitslos oder zogen in die alten Bundesländer. Die Stadt Halle verlor innerhalb der ersten Dekade nach der Wende fast 1/3 der Bevölkerung. Leere Produktionshallen lassen sich in den vorher industriell geprägten Vierteln vor allem in Bahnhofsnähe noch heute finden. Die 3000 Mitarbeiter in dem Betrieb meiner Mama wurden entlassen. Betrieb, Grundstück und Vermögen wurden an einen westdeutschen Investor für eine symbolische Mark übergeben - er verkaufte die Reste des Betriebsvermögens (Fahrzeuge, Papier usw. für wenig Geld an osteuropäische Käufer) und machte binnen Jahresfrist Konkurs - das Grundstück gehörte allerdings seiner Frau.