Liebe noch nicht vorhanden,
das hört sich wirklich nach viel zu viel auf einmal an. Wenn deine Tochter erst drei Wochen alt ist, dann bist du wahrscheinlich noch gar nicht wieder voll belastbar, geschweige denn mit der neuen Situation vertraut. Vermutlich bist du überforderter, als du dir selbst eingestehen möchtest und es kann ein erster Schritt sein, sich selbst zu erlauben, am Ende aller Kräfte zu sein. Ich finde, das ist ein Notfall und sollte auch so behandelt werden.
Das sollte zuallererst (nach dir selbst jedenfalls) dein Mann verstehen. Sicherlich ist Baustelle, Arbeit und Umzug wichtig, aber Frau und Kinder sind noch wichtiger. Versuche ihm in vernünftigen klaren Worten zu sagen, dass du nicht mehr kannst. Und sage ihm ganz konkret, welche Hilfe du wann und wie oft von ihm brauchst. Also nicht "hilf mir, ich kann nicht mehr" sondern
"sei bitte heute spätestens um 17 Uhr zu Hause und kümmere dich um unseren Sohn, so dass er noch Bewegung, frische Luft und Abendesssen bekommt und ins Bett gebracht wird". Sollte er ablehnen, ok, dann musst du eine andere Lösung finden. Aber so weiß er jedenfalls genau, was du brauchst und muss nicht Rätsel raten - das geht unter Stress nicht gut und er ist vermutlich ebenfalls nicht gerade entspannt zur Zeit Wird alles wieder werden, wichtig ist aber, dass es JETZT Hilfe gibt und zwar schnell.
Dann würde ich ebenfalls dringend zu einer Haushaltshilfe raten. Wenn deine Familie nicht hilft und kein Verständnis hat, ist das schade, aber es gibt Organisationen, die einspringen können. Frag deine Hebamme oder deinen Hausarzt, vielleicht gibt es Wellcome bei euch in der Nähe? Auch da kannst du deinen Mann einbinden und ihn bitten, ggf. ein Telefonat oder das Googeln einer Telefonnummer für dich zu übernehmen.
Was deinen Sohn angeht, so scheint es ein akutes und ein längeres Problemfeld zu geben. Das akute kommt vermutlich wieder ins Lot, sobald du dich ein wenig erholen konntest und nicht mehr völlig erledigt und überfordert bist. Allerdings hattet ihr ja auch schon Schwierigkeiten vor der Geburt eurer Tochter und die würde ich auf jeden Fall angehen. Für dein eigenes Wohlergehen, aber natürlich auch für das deines Sohnes. Du beschreibst sehr einfühlsam eure Interaktionsmuster und es kann sein, dass er tatsächlich Schuldgefühle hat, so wie du es befürchtest. Eine Erziehungsberatung kann eine Anlaufstelle sein, du kannst dich ggf. aber auch direkt an eine Kinder- und Jugendtherapeutin wenden und sie um Rat fragen. Schildere die akute Notlage und frage, was es für Hilfen gibt, die jetzt und zeitnah greifen können und die andererseits nicht zu viel von dir abverlangen. Auch hier könnte es hilfreich sein, deinen Mann einzubinden.
Wenn du wieder etwas klarer siehst und zu Kräften gekommen bist, könntest du dich mal mit deinem Sohn zusammensetzen und überlegen, wie ihr z.B. die Spielplatzsituation lösen könnt. Er ist erst drei, aber er scheint ein kluger kleiner Kerl zu sein, mit dem man schon ein wenig reden kann. Eine gute Frage ist "was kann dir helfen, wenn wir vom Spielplatz nach Hause gehen müssen?" Wichtig ist: DASS ihr geht, steht gar nicht zur Diskussion. Nur WIE ihr das macht. Und vielleicht hat er eine Idee. Wenn nicht, macht es auch nichts, in diesem Fall kannst du nach und nach Dinge ausprobieren. Wichtig ist, dass du neue Ideen für mindestens ein bis zwei Wochen testest, bevor du entscheidest, ob sie euch weiterhelfen.
Ankündigen kann helfen, ein Küchenwecker, der dann piept oder klingelt. Ein kleines Picknick auf halber Strecke, eine Wasserflasche, aus der er alle paar Schritte auftanken darf. Kleine Spielchen (ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm, vorwärts, rückwärts, seitwärts...) oder Lieder, ... da gibt es tolle Ideen und hier im Forum bestimmt noch jede Menge davon. Dazu könntest du später auch einen eigenen Thread aufmachen und dir Ideen holen. (Aber ich denke nicht, dass du jetzt und heute damit anfangen solltest, akute Entlastung und professionelle Hilfe scheint mir dringender!)
Dass dein Mann und du unterschiedliche Ansichten zur Erziehung habt, scheint mir zunächst einmal kein großes Problem zu sein, solange ihr euch einig seid, dass eure Kinder liebevoll und respektvoll behandelt werden. Vielleicht versucht er auch auf seine Art, wieder Ruhe in die Familie zu bringen und merkt nicht, dass er dich zusätzlich unter Druck setzt. Auch da könnte eine klare Ansage helfen "bitte gib mir keine Ratschläge in den nächsten zwei Wochen, danach können wir gern darüber reden. Im Moment brauche ich vor allem... [konkrete Bitte um konkrete Handlung]..."
Vielleicht sprichst du auch mit deiner Hebamme (ich hoffe, du hast eine nette, die dir beisteht?) auch mal über die Möglichkeit einer Wochenbettdepression. Für mich hört es sich nach Überforderung und Erschöpfung an, aber ich möchte da aus der Ferne keine unzureichenden Ratschläge geben und finde es wichtig, dass du gut für dich sorgst und auch diese Möglichkeit im Blick behältst.
Du kannst dich auch gern noch mal melden, wenn du das Gefühl hast, konkretere oder andere Hilfen zu brauchen, vielleicht finden wir noch etwas, was dir weiterhilft!
Alles Gute und kümmere dich gut um dich! Das hilft deiner ganzen Familie am besten und schnellsten, und du fühlst dich hoffentlich schnell viel besser! (und nicht mehr "nicht vorhanden")