Hallo,
Die Frage ist ja, was ist Gewalt und was ist Spiel und was ist "gewalbetontes Spiel"? Wo sind die Grenzen? Gibt es überhaupt eindeutige Abgrenzungen?
Ist es "Gewalt", wenn zwei Kinder mit viel Spaß und Rücksicht aufeinader nehmen körperlich betont spielen? Oder erst, wenn sie dabei vielleicht eine "Waffe" wie ein Larpschwert oder eine Nerf in der Hand haben? Auch wenn sie beide lachen und Spaß dran haben ist es durch die Anwesenheit der "Waffe" dann "gewaltbetont"?
Und ist es "Spiel" wenn der eine beim Fußball so wütend wird, daß er dem anderen den Ball nicht mehr abgibt und ihn so ausgrenzt? Oder andersrum, ihm den Ball mit voller Kraft vor den Latz ballert (ist ja nicht verboten, mit vollem Einsatz zu spielen, im Gegenteil...) . Ist es friedliches Spiel, wenn sie beim Schach ganze Reiche inklusive deren Bauern "vernichten" ?
Ist es Gewalt, wenn ein aufkeimender Konflikt im spielerischen fairen Geraufe die Spitze genommen wird, ehe man sich mit Worten wirklich weh tut?
Das Leben ist auch da wie an vielen Stellen nicht schwarz-weiß, nicht so ODER so...
Wenn ich versucht habe, meinen Kindern zu erklären, was man statt "kämpfen" an der Stelle spielen könnte, ging da an dem, was sie beschäftigte völlig vorbei. Sie WOLLTEN nicht, daß sich der Tierhüter sich mit dem Wilderer abspricht und eine Lösung findet. Die wollten ihn gefangen nehmen und wegsperren - und dabei auch Waffen einsetzen. Selbst ihnen war klar, daß alles andere an der Realität vorbei wäre.
Und spannenderweise waren sie gleichzeitig in der Lage an andere Stelle "im echten Leben" unglaublich tolle Lösungen zu finden, mit der alle Beteiligten sich gut fühlten. Nur eben nicht JETZT, nicht HIER, nicht in DIESER Spielsituation.
Und es hat sie immer sehr irritiert, wenn ich scheinbar den Unterschied zwischen Spiel und Wirklichkeit nicht einordnen konnte.
Das Ergebnis war zweitweise, daß sie in meiner Gegenwart gespielt haben, daß sie Dinge spielen, die ich akzeptabel finde - und wenn ich um die Ecke war "richtig" gespielt haben. DAS hat mir sehr zu denken gegeben, mehr als ein Kampf-Spiel oder ein Spiel-Kampf.
Das kenne ich auch von anderen Kindern, schon ganz kleinen. Da ist das Lego-Duplo-Dinges fürs Kind ganz klar eine Pistole - fragt ein Erwachsener nach, kommt schnell die Antwort "Bohrmaschine - brrrrrrm". Ist clever - aber auch irgendwie traurig, daß schon Dreijährige manchmal offenbar verinnerlicht haben, daß man Erwachsenen manchmal besser was "vor"spielt.
Würdest du deine Kinder Schach spielen lassen? Da steckt im Grunde viel mehr geplante und strategische Gewalt drin als in einem 1-zu-1 Trainingsschwertkampf.
Ist es nicht auch eine Form von Macht und Gewalt, wenn ICH darüber bestimmen möchte, was bzw. womit andere Menschen spielen, was sie denken und gut finden dürfen?
Ob man seinen Kindern erlaubt Swat zu Karneval zu sein, ob man ihnen den Zugang zu Killerspielen bei sich zu Hause ermöglicht, das sind doch Erziehungsfragen. Und wenn Kinder nur Außenseiter sein sollten weil sie bestimmte Killerspiele nicht haben, dann werde ich sie davor nicht bewahren. Wir werden nicht um jeden Preis mit der Masse gehen. Ich kenne Kinder die selbstbewusst erklären können, warum sie keine Killerspiele spielen. Das ist doch das wichtige, das sie das warum verstehen.
Weißt du, das hätte ich vielleicht auch geschrieben, als meine Kinder noch sehr klein waren.
Da habe ich "Erziehung" aber auch insgesamt einen viel größeren Stellenwert beigemessen. Mein Alltag hat gezeigt, daß der Einfluss von Erziehung sehr viel kleiner ist als ich geglaubt habe (und ich trage das Wort immerhin in der Berufsbezeichnung und war mal zutiefst überzeugt davon...).
Natürlich muss kein Kind Killerspiele spielen und es ist toll, wenn sie erklären können, warum sie es nicht möchten.
So wie andere keine Gewalt an Tieren mögen und Vegetarier werden.
Oder Gewalt an der Natur ablehnen und sich für Umweltschutz einsetzen.
Ganz wunderbar und das meine ich nicht ironisch.
Aber meiner Erfahrung nach nur zu einem Bruchteil von "Erziehung" abhängig.
BE-ziehung, miteinander leben, ... spielt da mMn die größere Rolle, außerdem Charakter, Einfluss von Freunden (die wir recht schnell nicht mehr beeinflussen können) usw.
Klar versuch(t)e ich Einfluss zu nehmen, das tun sicher alle Eltern. Nur - bis wohin habe ich das Recht dazu, ohne daß es von meiner Seite aus zur "Gewalt" wird? Bis zu welchem Alter darf ich z.B. ihr Rollenspiel unterbrechen, weil MIR der Inhalt nicht gefällt? Bis wann bestimmen, womit sie spielen? Bis wann ihren PC, ihre Privatsphäre, ihre Freizeitbeschäftigung kontrollieren und mitbestimmen?
Das sieht mit 5 anders aus als mit 15...
Und nein, nur weil Jugendliche eine Phase haben, in der sie am PC nicht nur freundliche Traktor-Spiele sondern auch "Killerspiele" gespielt haben bzw. spielen, habe ich mMN nicht in meiner Erziehung versagt - es klingt ein bisschen so, als wäre das der Fall. Und darum werden sie im echten Leben keine Gewalttäter. So was hat andere Hintergründe.
Aber - jeder hat andere Ausgangspunkte und geht eigene Wege im eigenen Tempo. Die Kinder genau so wie die dazugehörenden Erwachsenen. Bin ja selbst (m)einen Weg gegangen und gehe ihn noch.